Monitoring und Analyse der Übertragung und Persistenz resistenter HIV

Stand:  01.09.2017

Ansprechpartner: Karolin Meixenberger, Andrea Hauser, Patrycja Machnowska

Bei Vorliegen suboptimaler Wirkstoff­spiegel anti­retro­viraler Medikamente können resistente Virus­varianten selektiert und übertragen werden. Die Kenntnis der Ausbreitungsdynamik resistenter HIV ist von wesentlicher Bedeutung für die Auswahl wirksamer Initialtherapien und die Erstellung von Therapie-Leitlinien (Deutsch-Österreichische Leitlinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-Infektion). Langzeit­beobachtungen sind erforderlich, um die Persistenz und die Konsequenzen einer Infektion mit resistenten HIV-Varianten für Krankheits­verlauf und Therapie­ansprechen zu beurteilen.

Abbildung: Grafik zu Medikamentensuszeptibilität nach Resistenzlevel

Abbildung: Medikamentensuszeptibilität nach Resistenzlevel. Die Vorhersage erfolgte nach dem Stanford SIR Algorithmus. Dargestellt sind intermediäre Resistenzlevel (hellblau) und hohe Resistenzlevel (dunkelblau); geringe oder potentiell geringe Level sind nicht dargestellt.

© RKI

Das Monitoring der Primärresistenz in Deutschland diagnostizierter HIV-1-Infektionen findet im Rahmen des Projektes "Molekulare Surveillance von HIV-Neudiagnosen (MolSurv_HIV)" statt. Analysiert werden bis zu 60 % der dem RKI gemeldeten HIV-Neudiagnosen, um möglichst repräsentative Ergebnisse für alle wichtigen Risikogruppen sowie Therapeutika­klassen zu erhalten und um zeitnah signifikante Trends zu erfassen. Wesentliche Arbeiten zur Etablierung und Fortentwicklung der angewendeten Verfahren wurden zuvor im drittmittel­finanzierten (Bundes­ministerium für Gesundheit, 2013-2017) Verbundprojekt MASTER HIV/HEP (Molekulare Surveillance und Analyse genetischer Faktoren zur Optimierung der Therapie und Prävention von HIV und viralen Hepatitiden in Deutschland) sowie mit Hilfe von Sonderforschungsmitteln des RKI erarbeitet. Im Zuge des Projekts wurden am RKI die Übertragungs­raten resistenter HIV unter den gemeldeten und inzident getesteten Neudiagnosen ("InzSurv_HIV") repräsentativ für alle Transmissions­wege ermittelt und Transmissions­netzwerke analysiert. Fragen der Persistenz einzelner resistenz­assoziierter Mutationen und ihrer Bedeutung für die Therapie werden im Projekt "HIV-1 Sero­konverter­studie" bearbeitet (Link zu den infektions­epidemio­logischen Studien der Fach­gebiete 18 und 34 zum Thema HIV siehe unten).

Zur Anwendung in den genannten Projekten und Studien kommt die genotypische Resistenz­bestimmung, welche auf der Sanger-Direktsequenzierung von PCR-Amplifikaten der Genomregionen, die für die viralen Zielenzyme der cART kodieren (Protease, Reverse Transkriptase, Integrase), beruht. Methodisch bedingt können damit resistente Varianten erst detektiert werden, wenn sie einen Anteil von >20 % in der Viruspopulation erreicht haben. Seit 2010 werden im Fachgebiet daher auch "Next Generation"-Sequenzierungs­verfahren (NGS) eingesetzt, die wesentlich sensitiver sind und die Identi­fizierung minoritärer resistenter Varianten ermöglichen.

Neue Wirkstoffklassen und neue Formulierungen aus etablierten Wirkstoff­klassen haben die Therapie­optionen und die Wirksamkeit der Therapie­regime verbessert. Des Weiteren wurde kürzlich ein Präparat für die Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) zugelassen. Da bei der Langzeit­anwendung neuer Präparate auch mit neuen Resistenzprofilen zu rechnen ist, haben wir geno­typische Resistenz­teste etabliert, mit denen Resistenz gegen Integrase-Inhibitoren und die Wirksamkeit der Corezeptor-Antagonisten (CCR5-Corezeptor) bestimmt werden kann. Diese Teste werden für die Resistenz­untersuchungen bei therapierten und therapie-naiven Studien­patienten eingesetzt, um die Resistenz­entwicklung und die Übertragung von Resistenz umfassend zu überwachen.

Moderne geno­typische Resistenz­analysen sind darüber hinaus die Basis der lang­jährigen wissen­schaftlichen Mitarbeit des Fachgebietes in einer Reihe weiterer Projekte, die hier kurz genannt werden sollen (Links siehe unten).

  • Dazu zählen Projekte zur Prävention der Mutter-Kind-Übertragung von HIV (PMTCT-Projekte, Koordinatorin: Prof. Dr. Gundel Harms, Institut für Tropen­medizin und inter­nationale Gesundheit, Charité - Universitäts­medizin Berlin).
  • Des Weiteren flossen im Fach­gebiet erhobene Resistenz­daten und virale Sequenzen in das Exzellenz­netzwerk EuroCoord ein. In diesem Zusammen­hang ist insbesondere EuroCoord-CASCADE sowie EuroCoord-CHAIN zu nennen.
  • Virale Sequenzen, Resistenz­daten und epide­mio­lo­gische Meta­daten werden außerdem dem SPREAD-Programm der ESAR (European Society of Antiviral Resistance) für europa­weite Studien zur Verfügung gestellt. Sie sind darüber hinaus eine wesentliche Basis des Verbundprojektes HIV ERA Best Hope.
  • Das Fachgebiet (Frau Dr. Andrea Hauser) ist im Scientific Board von HIV-GRADE e.V. vertreten. HIV-GRADE erstellt und optimiert Algorithmen zur Resistenz­interpretation.