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Vorkommen und Bedeutung von Toxoplasma gondii in Deutschland

Ergebnisse der serologischen Untersuchungen innerhalb der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland DEGS

Erläuterungen zu einer Veröffentlichung in Scientific Reports vom 3.3.2016:
Hendrik Wilking, Michael Thamm, Klaus Stark, Toni Aebischer & Frank Seeber: Prevalence, incidence estimations, and risk factors of Toxoplasma gondii infection in Germany: a representative, cross sebtional, serological study (Link siehe unten)

Es wird angenommen, dass ungefähr 30% der Weltbevölkerung mit Toxoplasma gondii, einem intrazellulären Parasiten und Verwandten des Malaria-Erregers, infiziert sind. Schwangere, die noch keine Anti­körper gegen T. gondii entwickelt haben und sich während der Schwanger­schaft infizieren, können den Erreger auf das Un­ge­borene übertragen. Dies kann, abhängig vom Zeitpunkt der Infektion, u.a. zu schweren bleibenden neurologischen Schäden bis hin zu schweren Beein­trächtigungen des Seh­vermögens führen. Ähnliches gilt für Menschen mit einem stark beeinträch­tigten Immun­system (AIDS-Patienten, Transplantat­empfänger), bei denen eine Neu­infektion, aber auch eine schon vorhandene persistente und wieder reaktivierte Infektion mit T. gondii unbehandelt zum Tod führen kann.

Symptome einer Infektion sind unter anderem Fieber, Kopfschmerzen und Muskelschmerzen. Bei gesunden (immunkompetenten) Menschen verläuft die Infektion allerdings meist ohne Symptome. Die Mehrzahl der Erstinfektionen ist selbstlimitierend, und es gibt gut ansprechende Medikamente für die akute Infektion (nicht jedoch für die persistente). Eine akute Toxoplasma-Infektion geht in eine chronisch-latente Form über, Toxo­plasma-Zysten persistieren im Gewebe symptom­los lebenslang. Die sehr hohe weltweite Durchseuchungsrate erklärt sich aus der Biologie des Erregers, der alle Warmblüter infizieren kann.

Endwirte des Erregers sind Katzen. Hauptsächlich zwei Infektionswege sind für die Infektion des Menschen ver­ant­wort­lich: die orale Aufnahme von umwelt­resis­tenten (über viele Monate lebens­fähigen) sogenannten Oozysten über Aus­scheidungen der Katze, durch z.B. unge­waschenes Gemüse, sowie die Aufnahme von sogenannten Gewebs­zysten, durch zysten­haltiges Fleisch bzw. Fleisch­produkte infizierter Tiere. Wird Schweine-, Rind-, Schafs- oder Geflügelfleisch nur ungenügend gegart oder gar roh verzehrt (z.B. Rohwurst, Hackepeter), können sogenannte Gewebszysten (eine Dauerform des Parasiten) in diesem Fleisch überleben und zur Infektion führen.

Wie stellt sich nun die Situation in Deutschland dar, sowohl bezüglich des Anteils der Infizierten (Seroprävalenz) als auch bezüglich der Infektionswege und deren Risiko für die Bevölkerung im Allgemeinen sowie für Schwangere im Besonderen? Zu Beginn unserer Studie, die eine Zusammenarbeit aller drei Abteilungen (FG 16, FG 26 und FG 35) darstellt, lagen keine belastbaren Zahlen vor, da nur kongenitale Toxoplasmose (seit 2001) meldepflichtig ist und bisherige Seroprävalenz-Untersuchungen bezüglich Repräsentativität und Umfang stark begrenzt waren. So wurden meist nur Schwangere auf Antikörper gegen T. gondii getestet, und die Probandenauswahl war nicht-zufallsgesteuert oder altersstandardisiert und bestand aus niedrigen Untersuchungszahlen. Darüber hinaus wurden unterschiedlichste Testsysteme zur Antikörperbestimmung eingesetzt. Dies alles führte zu hoher Spannbreite bei den berichteten Seroprävalenzraten: 35-70% im Osten; 32-48% im Westen der Bundesrepublik.

DEGS (Studie zur Gesund­heit Erwach­sener in Deutschland) wurde zuletzt von 2008 bis 2011 durchgeführt und erhebt den Gesund­heits­zustand Erwach­sener (18-79 Jahre) in Deutsch­land. Die Ziele der sero­lo­gischen Unter­suchungen der dabei erhobenen Seren waren deshalb:

  • Repräsentative Schätzung der T.-gondii-Seroprävalenz für Deutschland;
  • Bestimmung von potenziellen Risikofaktoren für eine Infektion mit T. gondii, ausgehend von vorliegenden Interviewdaten der Studienteilnehmer;
  • Schätzung der jährlichen Anzahl von Infektionen während der Schwangerschaft.

Die Seren wurden mittels eines quantitativen kommerziellen ELISA-ähnlichen Verfahrens auf IgG-Antikörper gegen T. gondii getestet. Daten aus den Interviews wurden verwendet, um mögliche assoziierte Faktoren zu bewerten. Alle im Folgenden genannten Unterschiede waren statistisch signifikant.

Von insgesamt 6.663 Personen waren 3.602 seropositiv. Die Seroprävalenz stieg von 20,0% in der Altersgruppe der jungen Erwachsenen (18-29 Jahre) auf 76,8% bei den Senioren (70-79 Jahre). Altersabhängige Zuwächse waren im Osten Deutschlands stärker als im Westen. Männliches Geschlecht (Odds ratio (OR): 1,76), Katzenhaltung (OR: 1,27) und Body Mass Index ≥30 (OR: 1,3) sowie die Einwohnerschaft in kleineren Gemeinden waren unabhängige Risikofaktoren für Seropositivität. Vegetarische Ernährung war negativ assoziiert (OR: 0,6), so wie ein hoher sozioökonomischer Status (OR: 0,7).

Die jährliche Inzidenz von Serokonversionen betrug 1.099 von 100.000 bezogen auf alle Erwachsene und 1.325 von 100.000 bei Frauen im Alter von 18-49. Dies führt zu 6.393 geschätzten jährlichen Serokonversionen bei Frauen während der Schwangerschaft in Deutschland. Dies sind 1,0 % Anteil unter allen Schwangerschaften und 1,3% Anteil unter allen seronegativen Schwangerschaften. Daraus resultieren 1.279 foetale Infektionen (d.h. eine Übertragung der Infektion von der Mutter auf das Kind), und damit jährlich 345 Neugeborene mit klinischen Symptomen (bei einer angenommenen Rate von 27% Ausbildung von Symptomen). Diese Zahl liegt deutlich höher als die 8-23 Fälle, die dem Robert Koch-Institut jährlich als kongenitale Toxoplasmose gemeldet werden. Dies weist auf eine starke Untererfassung dieser Erkrankung bei Neugeborenen hin.

Unsere Studie ist die erste bundesweite, repräsentative, seroepidemiologische Untersuchung bezüglich einer Infektion mit T. gondii bei Erwachsenen in Deutschland. Insgesamt können die Unterschiede bei der Katzenhaltung (Gefahr der Infektion durch Oozysten) und bei der Häufigkeit und Art des Fleischkonsums (im Osten wird deutlich mehr rohes Schweinehackfleisch und Rohwurst verzehrt) diese Studienergebnisse erklären. Mit einer Seroprävalenz von fast 50% in der gesamten erwachsenen Bevölkerung liegt Deutschland weiterhin deutlich über den Werten von Holland (26%), wo vergleichbare Daten vorliegen. Außerdem sind die Seroprävalenzen sowohl bei Männern als auch bei Frauen im Osten Deutschlands deutlich höher als im Westen, und Ältere im Osten haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, infiziert zu sein als im Westen. Da belastbare frühere Vergleichsdaten fehlen, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar, inwieweit die geringeren Unterschiede in den jüngeren Jahrgängen auf sich angleichende Verhältnisse im Verzehrverhalten oder in der Tierhaltung zwischen Ost und West nach der Wiedervereinigung zurückzuführen sind. Dies wird sich erst in einer Folgeuntersuchung in den nächsten Jahren beantworten lassen.

Aufgrund des Studiendesigns (Querschnittsstudie) können Lebenslaufanalysen bislang nicht vorgenommen werden. Darüber hinaus können sich die Risikofaktoren geändert haben. Seropositivität ist nicht gleichzusetzen mit klinischer Manifestation. Deshalb reflektieren die Unterschiede bei der Seroprävalenz eventuell nicht die Unterschiede bei der realen Krankheitslast zwischen diesen Gruppen. Deshalb sind weitere Studien notwendig, um die Bedeutung der Toxoplasmose in Deutschland zu verstehen.

Ein Schwangeren-Screening auf T.-gondii-Antikörper, wie z.B. in Frankreich, wird in Deutschland nicht durchgeführt; auch ein Test zu Beginn der Schwangerschaft als individuelle Gesundheitsleistung wird nicht empfohlen, obwohl bei frühzeitiger Erkennung einer akuten Infektion der Mutter (für die generell sehr gute Tests zur Verfügung stehen) und rechtzeitiger Gabe von gut verträglichen Medikamenten gegen T. gondii eine deutliche Verringerung der Krankheitslast bei den Neugeborenen beschrieben wurde. Da die vorliegenden Daten die bisherige Annahme, dass nur wenige Fälle durch solch ein Screening verhindert werden, nicht belegen, sollte die Einstellung dazu eventuell re-evaluiert werden.

Generell sollte es Ziel sein, Schweine- und andere Tierbestände T. gondii-frei zu halten. Dies ist durch Schadnagerbekämpfung und -kontrolle sowie Fernhalten von Katzen und damit dem Schutz vor Kontamination der Umgebung von Stallungen erreichbar, wie Daten aus Holland nahelegen. Entsprechend sollten Veterinärbehörden die Standards bei der Tierhygiene und Fleischhygiene hochhalten. Toxoplasmose findet in vielen Public-Health-Programmen wenig Beachtung, aber Ärzte und Gesundheitsbehörden sollten stärker sensibilisiert werden. Letztlich erlaubt die Aufnahme der Untersuchungen auf T.-gondii-Antikörper in das Gesundheitsmonitoring des RKI die Kontrolle von zeitlichen Trends.

Stand: 03.03.2016

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