Struktur der Falldefinitionen

Stand:  01.03.2025

Für jede Übermittlungskategorie liegt mindestens eine Falldefinition vor, die derselben einheitlichen Struktur folgt.

Titel der Falldefinition

Der Titel der Übermittlungskategorie richtet sich in der Regel nach der Krankheitsbezeichnung, gefolgt von der Erregerbezeichnung. Die Falldefinitionen sind nach diesem Titel alphabetisch geordnet.

Vorbemerkung

Die Vorbemerkung enthält wichtige Hinweise zum Erreger und zur Krankheit, auch im Sinne von Einschlusskriterien.

Ausschlusskriterien

Die Ausschlusskriterien dienen der frühzeitigen Ablehnung eines Falles bezüglich seiner Übermittlung. Oft finden sich hier Kriterien, die sich aus dem Gesetzestext ergeben oder die der gegenseitigen Abgrenzung zweier Übermittlungs­kategorien dienen. Treffen bei einem Fall die Ausschlusskriterien zu, so muss der übrige Teil der Falldefinition nicht mehr geprüft werden, weil eine Übermittlung ohnehin abzulehnen ist.

Evidenztypen

Bei den weiteren Kriterien wird zwischen drei verschiedenen Evidenztypen unterschieden. Kriterien, die wiederholt bei verschiedenen Falldefinitionen auftreten, werden in dem Kapitel 'Definitionen' definiert. Sie sind in der Falldefinition durch ein vorangestelltes Dreieck (►) gekennzeichnet, so dass leicht erkennbar ist, wenn ein Begriff genauer definiert ist.

Bei der Auswahl der Kriterien wurde versucht, ein ausgeglichenes Verhältnis von Sensitivität und Spezifität herzustellen. Bei Vorliegen eines labordiagnostischen Nachweises ist eine hohe Sensitivität des klinischen Bildes (d.h. geringe Anforderungen an die Symptomatik) wichtig. Bei epidemiologisch bestätigten Erkrankungen ohne labordiagnostischen Nachweis ist dagegen eine hohe Spezifität des klinischen Bildes zu fordern. Diese an epidemiologischen Bedürfnissen orientierte Balance ist naturgemäß eine andere als bei individual­diagnostischen Entscheidungen mit therapeutischen Konsequenzen.

Klinisches Bild

Hier sind die klinischen Symptome, Zeichen, Befunde und anamnestischen Angaben aufgeführt, die je nach Übermittlungskategorie einzeln oder in Kombination zutreffen müssen, damit der Evidenztyp 'klinisches Bild' erfüllt ist. Dies wird in der Übermittlungssoftware entsprechend eingetragen.

Unter dem Evidenztyp 'klinisches Bild' können unter Umständen auch Laborbefunde aufgeführt sein, sofern diese nicht direkte oder indirekte Erreger­nachweise darstellen.

Bei einigen Krankheiten wird zwischen einem spezifischen und unspezifischen klinischen Bild unterschieden. Mit dieser Unterscheidung soll den Gesundheitsämtern die Kategorisierung der Fälle und die Entscheidung zur Fallübermittlung erleichtert und gleichzeitig die Bedeutung von Erreger­nachweisen unterstrichen werden. Bei Vorliegen eines entsprechenden Erreger­nachweises reicht auch ein unspezifisches klinisches Bild, um den Fall als klinisch-labordiagnostisch zu klassifizieren und zu übermitteln.

Bewusst wurde darauf verzichtet, Symptome in ihrer krankheitsspezifischen Komplexität darzustellen. So gibt es bei einigen Krankheiten z.B. recht typische Fieberverläufe, die differential­diagnostisch hinweisend sind. Jedoch ist es selten, dass Symptome entsprechend differenziert gemeldet werden, und schwierig, die fehlenden Angaben zu erfragen. Deshalb werden in den Falldefinitionen bevorzugt weniger differenziertere Angaben wie 'Fieber' verwendet.

Generell sind bei der Bewertung des klinischen Bildes nur solche Symptome und Zeichen zu berücksichtigen, die in einem sinnvollen zeitlichen Zusammenhang zur vermuteten Infektion oder zur Materialentnahme bei labordiagnostischen Nachweisen stehen und die nicht vollständig durch eine andere Diagnose erklärt sind.

Labordiagnostischer Nachweis

Hier sind die direkten, indirekten und anderen Nachweise aufgeführt, die als Kriterien für die Übermittlung zugelassen sind. Je nach Übermittlungskategorie ist festgelegt, ob Erregernachweise einzeln oder in Kombination notwendig sind.

Art des Nachweises

Die Art des Nachweises unterscheidet zwischen direkten und indirekten (serologischen) Erregernachweisen. Direkte Nachweise zeigen die Anwesenheit des Erregers an. Dabei kann es sich um intakte lebens- und vermehrungsfähige Erreger handeln, möglicherweise aber auch nur um ihre Bestandteile oder Produkte (z. B. Antigene) oder ihre Erbsubstanz. Indirekte Nachweise zeigen die Immunantwort des menschlichen Organismus auf eine Infektion mit dem betreffenden Erreger an. Bei einigen Krankheiten kommen zusätzlich Toxinnachweise (direkte oder indirekte Nachweise des Toxins sowie der Nachweis des Toxingens) oder histologische bzw. pathologische Nachweise vor.

Die Formulierung der Art des Nachweises wurde aus Gründen der Einheitlichkeit und der raschen Entwicklung neuer verbesserter Methoden generisch formuliert. Auf die Nennung bestimmter nachzuweisender Strukturen und methodischer Besonderheiten wird deshalb in der Regel verzichtet. Informationen zu erregerspezifischen Besonderheiten finden sich in der Zusatz­information. Die Nachweise sollten je nach Übermittlungs­kategorie stets erreger- oder spezies­spezifisch sein.

Obwohl direkte Nachweise im Allgemeinen eine höhere Aussagekraft hinsichtlich akuter (im Sinne „gegenwärtiger“) Infektionen haben, stellt die Reihenfolge der Nachweisnennungen keine Rangfolge hinsichtlich des diagnostischen Werts dar. Die Art des Nachweises ist den Einzelkriterien in eckiger Klammer vorangestellt, um zu verdeutlichen, dass dieser Hinweis selbst keine der zu bewertenden Methoden darstellt.

Material

Sofern in der Falldefinition keine Angaben zum Material gemacht werden, bedeutet dies, dass jedes beliebige klinische Material für den entsprechenden Nachweis zulässig ist. Einschränkungen auf bestimmte Untersuchungs­materialien werden nur dann formuliert, wenn Erregernachweise in anderen Materialien entweder nicht auf eine akute Infektion, sondern z.B. auf eine Kontamination hinweisen, oder wenn entsprechende Einschränkungen durch das IfSG vorgegeben sind. Wenn sich die Anforderungen an das Material auf mehrere Methoden beziehen, so finden sich diese in der jeweils übergeordneten Gliederungsebene, also zum Teil hinter der Art des Nachweises. Die Tatsache, dass sie dort in eckige Klammern gesetzt sind, soll ihre Bedeutung nicht mindern.

Nachweismethode

Grundsätzlich wird erwartet, dass nur solche Erregernachweise gemeldet werden, die mittels ausreichend validierter Verfahren erfolgt sind. Dies gilt insbesondere für seltene Erreger, deren Nachweise nicht als Routinemethoden etabliert sind. Die Verantwortung hierfür trägt das ausführende Labor. Leitlinien hierzu werden in der Regel von den entsprechenden Fachgesellschaften herausgegeben.

Ausführendes Labor

Grundsätzlich werden in den Falldefinitionen keine Aussagen darüber gemacht, in welchen Laboren oder unter welchen Bedingungen (z.B. Sicherheitsstufen, Teilnahme an Ringversuchen) die Erregernachweise erfolgen sollen. Eine Ausnahme bildet die Creutzfeld-Jakob-Krankheit. Für Fälle dieser Übermittlungskategorie wird vom Nationalen Referenzzentrum für die Surveillance Transmissibler Spongiformer Enzephalopathien die Bewertung vorgenommen, ob die klinischen und labordiagnostischen Kriterien im Sinne der Falldefinition erfüllt sind.

Feindifferenzierung

Die Feindifferenzierung des Erregers ist im Allgemeinen kein Kriterium der Übermittlung. Die Bestimmung der Spezies und ggf. von Subspezies, Serovar, Lysotyp, die molekulare Typisierung und Sequenzierung (z.B. Bestimmung des Genotyps), und weiteren Charakterisierungen sind aber für Belange der Surveillance von großer Bedeutung. Derartige Zusatzinformation sollten - sofern sie vorliegen oder ermittelbar sind - vom Gesundheitsamt in jedem Fall übermittelt werden. (Vergl. § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d IfSG.)

Epidemiologische Bestätigung

Bei diesem Evidenztyp wird explizit genannt, welche epidemiologischen Zusammenhänge und Expositionen als epidemiologische Bestätigung anerkannt werden.

Die epidemiologische Bestätigung darf nicht mit dem epidemiologischen Zusammenhang im Sinne einer Zuordnung zu einem Ausbruchsgeschehen bzw. Herd verwechselt werden. Ein Fall kann durchaus Teil eines Herdes sein, ohne dass die Kriterien der epidemiologischen Bestätigung erfüllt sind, z.B. wenn zu keinem der Fälle des Herdes ein labordiagnostischer Nachweis vorliegt. Ebenso ist die epidemiologische Bestätigung eines Falles möglich, der keinem registrierten Herd angehört, z.B. wenn der Erreger in einem Tier oder Lebensmittel nachgewiesen wurde und keine weiteren Personen betroffen sind. In der Praxis gehen Zuordnung zu einem Herd und epidemiologische Bestätigung allerdings oft Hand in Hand.

Übertragungswege

Für Mensch-zu-Mensch-Übertragungen kommen u.a. folgende Übertragungswege in Betracht:

  • fäkal-oral (z.B. durch Schmierinfektionen z.B. im Kindergarten, beim Wickeln von Säuglingen oder Kleinkindern),
  • respiratorisch (Tröpfcheninfektion, z.B. nach Anhusten oder -niesen oder aerogene Transmission durch Aerosole < 5 µm),
  • Sexualkontakt,
  • Blut (z.B. durch kontaminierte Kanülen oder Spritzen bei i.v.-Drogengebrauch).

Mensch-zu-Mensch-Übertragungen können auch als nosokomiale Infektionen z.B. in Kranken­häusern vorkommen.

Reiseanamnese

Der Aufenthalt in einem typischen Endemiegebiet allein ist kein Kriterium der epidemiologischen Bestätigung (Ausnahme: Poliomyelitis). Die Reiseanamnese (d.h. Angaben zu den Aufenthalts­ländern unter Berücksichtigung der Inkubationszeit) sollte aber - sofern sie vorliegt oder ermittelbar ist - vom Gesundheitsamt in jedem Fall übermittelt werden. (Vergl. § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g IfSG.)

Auf Angaben zur geografischen Verbreitung von Erregern wurde in den Falldefinitionen bewusst verzichtet, um Angaben zur Reiseanamnese nicht zu beeinflussen und so das Erkennen neuer oder bislang unbekannter Endemiegebiete nicht zu erschweren.

Bei Infektionen, die laut Reiseanamnese außerhalb bislang bekannter Endemiegebiete erworben wurden, sollten besonders hohe Anforderungen an die labordiagnostische Bestätigung gestellt werden.

Inkubationszeiten

Die Angaben zu Inkubationszeiten wurden einer Reihe von Standardwerken entnommen. Bei widersprüchlichen Angaben wurde das weiteste Intervall für die Inkubationszeit angegeben, das sich aus den Daten dieser Quellen ergab.

Falldefinitionskategorien

Die o.g. Evidenztypen werden für die Veröffentlichung der Daten in fünf verschiedene Falldefinitionskategorien zusammengeführt. Diese Einordnung wird von der Übermittlungssoftware auf der Grundlage der Einträge, die zu den einzelnen Evidenztypen gemacht wurden, automatisch vorgenommen.

Die nachfolgend verwendeten Begriffe 'klinisches Bild', 'labordiagnostischer Nachweis' und 'epidemiologische Bestätigung' beziehen sich auf den jeweils zuvor definierten Evidenztyp. Der Begriff 'labordiagnostischer Nachweis' meint hier also immer den Erregernachweis bei dem zu übermittelnden Fall.

A. Klinisch diagnostizierte Erkrankung

Klinisches Bild einer akuten Erkrankung an der ausgewählten Krankheit, ohne labor­diagnostischen Nachweis und ohne epidemiologische Bestätigung.

Gibt es bei der Übermittlungs­kategorie die Unterscheidung zwischen spezifischem und unspezifischem klinischen Bild, so wird in der Regel nur das spezifische klinische Bild in der Falldefinitions­kategorie A übermittelt. In wenigen Ausnahmefällen kann auch das unspezifische Krankheitsbild übermittelt werden, die Referenzdefinition (s.u.) erfüllen jedoch nur die Fälle mit spezifischem klinischen Bild (A1). Die Fälle mit unspezifischem klinischen Bild (A2) werden zwar übermittelt, aber nicht in der vereinfachten statistischen Darstellung des Robert Koch-Instituts gezählt.

B. Klinisch-epidemiologisch bestätigte Erkrankung

Klinisches Bild einer akuten Erkrankung an der ausgewählten Krankheit, ohne labor­diagnostischen Nachweis, aber mit epidemiologischer Bestätigung.

Wird bei einem solchen Fall der labor­diagnostische Nachweis nachträglich erbracht, wird er zu einem klinisch-labor­diagnostisch bestätigten Fall.

C. Klinisch-labordiagnostisch bestätigte Erkrankung

Klinisches Bild einer akuten Erkrankung an der ausgewählten Krankheit und labor­diagnostischer Nachweis.

Für Fälle mit labor­diagnostischem Nachweis ist es unerheblich, ob eine epidemiologische Bestätigung vorliegt.

D. Labordiagnostisch nachgewiesene Infektion bei nicht erfülltem klinischen Bild

Labordiagnostischer Nachweis bei bekanntem klinischen Bild, das die Kriterien für eine akute Erkrankung an der ausgewählten Krankheit nicht erfüllt. Hierunter fallen auch asymptomatische Infektionen.

Für Fälle mit labordiagnostischem Nachweis ist es unerheblich, ob eine epidemiologische Bestätigung vorliegt.

E. Labordiagnostisch nachgewiesene Infektion bei unbekanntem klinischen Bild

Labordiagnostischer Nachweis bei fehlenden Angaben zum klinischen Bild (nicht ermittelbar oder nicht erhoben).

Für Fälle mit labordiagnostischem Nachweis ist es unerheblich, ob eine epidemiologische Bestätigung vorliegt.

Übermittlung

Für jede Übermittlungskategorie wird angegeben, welche Falldefinitionskategorien übermittelt werden.  Dies ist in der Übermittlungssoftware entsprechend berücksichtigt.

Referenzdefinition

Die Referenzdefinition legt fest, welche Fälle in den Veröffentlichungen des Robert Koch-Instituts (z.B. wöchentliche „Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektions­krankheiten“ im Epidemiologischen Bulletin, Infektions­epidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten) gezählt werden.

Gesetzliche Grundlage

Zu jeder Falldefinition wird die gesetzliche Grundlage für Meldepflicht und Übermittlung genannt. Hierbei wird auch der Unterschied zwischen Meldung und Übermittlung deutlich. Der Begriff 'Meldung' bezeichnet die Information des zuständigen Gesundheitsamtes – bzw. bei Erregernachweisen gemäß § 7 Abs. 3 IfSG des RKI – durch den Meldepflichtigen. Der Begriff 'Übermittlung' hingegen bezeichnet die Informationsweitergabe vom Gesundheitsamt über die Landesbehörde an das RKI. Übermittlungsfristen und -inhalte sind in § 11 IfSG festgelegt.

Weitergehende Meldepflicht

Neben den erreger- und krankheitsspezifischen Meldepflichten, die am Ende jeder Übermittlungs­kategorie genannt werden, gibt es gemäß IfSG weitere übermittlungs­pflichtige Sachverhalte.

Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 IfSG auch der Verdacht auf und die Erkrankung an einer mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftung oder an einer akuten infektiösen Gastroenteritis ohne labordiagnostischen Nachweis und ohne epidemiologische Bestätigung gemeldet, wenn eine Person betroffen ist, die eine Tätigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 IfSG ausübt, oder wenn zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird.

Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 6 Abs. 3 IfSG unverzüglich das Auftreten von zwei oder mehr nosokomialen Infektionen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, nichtnamentlich gemeldet. Die entsprechenden Übermittlungsfristen und -inhalte sind in § 11 Abs. 1 IfSG festgelegt.

Dem Gesundheitsamt ist unverzüglich über das Auftreten von in § 34 Abs. 1, 2 und 3 IfSG aufgeführten Tatbeständen, z.B. Auftreten benannter Erreger bei Mitarbeitern oder Betreuten bzw. deren Angehörigen in Gemeinschaftseinrichtungen, Mitteilung zu machen.

Darüber hinaus stellt das Gesundheitsamt gemäß § 25 Abs. 1 IfSG ggf. eigene Ermittlungen an.

Einordnung nach ICD-10

(Die Einordnung nach ICD-10 ist nur in der kommentierten Version der Falldefinitionen verfügbar)

Vergleich mit EU-Falldefinitionen

(Der Vergleich mit den EU-Falldefinitionen ist nur in der kommentierten Version der Falldefinitionen verfügbar)