Long COVID
Stand: 03.03.2025
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Wissenschaftliche Studien zeigen, dass wir nicht nur die akuten Folgen einer SARS-CoV-2-Infektion, sondern auch gesundheitliche Langzeitfolgen der Infektion ernst nehmen und besser verstehen müssen – da diese mit noch nicht abschätzbaren Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung und Herausforderungen an die gesundheitliche Versorgung in Deutschland einhergehen. Eine sich deutlich verzögernde Genesung oder bleibende Beeinträchtigungen von Gesundheit, Lebensqualität und Funktionsfähigkeit im Alltag belastet sowohl Betroffene als auch die Gesellschaft insgesamt zusätzlich zu den Auswirkungen der akuten Krankheitsfolgen.
Längerfristige gesundheitliche Beschwerden wurden bereits in Zusammenhang mit anderen Virusinfektionen beschrieben, z. B. Influenza, Epstein-Barr-Virus und Ebola (z. B. Xie et al. 2024; Tesch et al. 2024; Honigsbaum et al. 2020). Die Größenordnung der COVID-19-Pandemie hat jedoch deutlich gemacht, wie wichtig die Erforschung der Zusammenhänge zwischen Infektionskrankheiten und chronischen gesundheitlichen Langzeitfolgen ist, die eine Vielfalt stark einschränkender Symptome (s. FAQ Welche Beschwerden und gesundheitlichen Einschränkungen haben Menschen mit Long COVID?) aber auch umschriebene Organschäden umfassen können (sog. ‚post-acute infection syndromes‘, PAIS). Ergebnisse dieser Forschung (s. FAQ Wo steht die Forschung zu Long COVID?) werden benötigt um die Prävention und Versorgung von gesundheitlichen Langzeitfolgen von Infektionskrankheiten (wie z. B. Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrom, ME/CFS) gezielt angehen und verbessern zu können. Nur so können Menschen mit längerfristigen gesundheitlichen Folgen entsprechend ihren Bedürfnissen unterstützt und unser Gesundheitssystem, aber auch die Gesellschaft als Ganzes, besser auf zukünftige Viruspandemien vorbereitet werden.
Im Folgenden werden die FAQ zu möglichen gesundheitlichen Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion, auch bezeichnet als „Long COVID“ (s. FAQ „ Was ist Long COVID?“), beantwortet. Nicht angesprochen werden hier indirekte gesundheitliche Langzeitfolgen der COVID-19-Pandemie, wenngleich auch diese im Blickpunkt wissenschaftlicher Analysen stehen (bspw. aufgrund von erhöhter Stressbelastung, verändertem Gesundheitsverhalten oder Verzicht auf die Inanspruchnahme von Früherkennungsangeboten oder medizinischer Versorgung während der Pandemie).
Stand: 18.02.2025
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Im Zusammenhang mit einer vorangegangenen SARS-CoV-2-Infektion sind verschiedene gesundheitliche Langzeitfolgen (engl.: post-acute sequelae of COVID-19, PASC) beobachtet worden, die unter dem Begriff "Long COVID" zusammengefasst werden. Dabei wird über sehr unterschiedliche Beschwerden und Symptome berichtet, die in ihrer klinischen Ausprägung und ihrem Verlauf stark variieren, verschiedene Organsysteme betreffen und unterschiedliche Ursachen haben können. Hierzu zählt eine Vielfalt körperlicher, kognitiver und psychischer Symptome, die einzeln oder auch in Kombination auftreten können und die Funktionsfähigkeit im Alltag und die Lebensqualität negativ beeinflussen. Darüber hinaus kann es auch zu umschriebenen Organschäden oder Neuerkrankungen an bestimmten chronischen Krankheiten kommen.
Nach bisherigen Erkenntnissen ist daher davon auszugehen, dass es sich bei Long COVID nicht um ein einheitliches Krankheitsbild handelt – sodass auch Falldefinitionen und Empfehlungen zur Berücksichtigung bestimmter Krankheitsbilder zum Teil noch vorläufig sind und bislang keine einheitliche, international abgestimmte Definition vorliegt. Vorhandene Long COVID Definitionen sind größtenteils symptombasiert und unterscheiden sich v.a. je nach zeitlichem Bezug zur vorangegangenen SARS-CoV-2-Infektion und Dauer der Beschwerden, sowie je nach Berücksichtigung von funktionellen Einschränkungen im Alltag. Aufgrund der unterschiedlichen Symptome und Beschwerdebilder sind auch die zugrundeliegenden Krankheitsursachen und -mechanismen bislang nur unzureichend verstanden und nach vorliegenden Erkenntnissen stark von individuellen gesundheitlichen Vorbelastungen beeinflusst. Dank intensiver Forschung gibt es mittlerweile jedoch Hinweise darauf, dass u. a. Viruspersistenz und die Reaktivierung latenter Viren (z.B. Epstein-Barr-Virus), Immundysregulation und Autoimmunprozesse, endotheliale Dysfunktion und persistierende Inflammation, mitochondriale Dysfunktion sowie Änderungen im Darm-Mikrobiom an der Entstehung gesundheitlicher Langzeitfolgen beteiligt sind.
Der Begriff "Long COVID" wurde zunächst in den sozialen Medien durch Personen geprägt, die nach einer SARS-CoV-2-Infektion über länger anhaltende gesundheitliche Einschränkungen berichteten. Eine erste Definition für Long COVID wurde im Jahr 2020 in der Leitlinienempfehlung des britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE) gegeben, basierend auf einem zeitlich-deskriptiven Ansatz. Demnach wird "Long COVID" definiert als gesundheitliche Beschwerden, die jenseits der akuten Krankheitsphase einer SARS-CoV-2-Infektion von vier Wochen fortbestehen, wieder oder neu auftreten. Als Post-COVID-Syndrom werden Beschwerden bezeichnet, die noch mehr als 12 Wochen nach Beginn der SARS-CoV-2-Infektion vorhanden sind und nicht anderweitig erklärt werden können. Somit umfasst "Long COVID" sowohl im Anschluss an eine akute COVID-19-Erkrankung 4 bis 12 Wochen nach Symptombeginn noch bestehende Symptome als auch das "Post-COVID-19-Syndrom". Im Oktober 2021 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach einem wissenschaftlich fundierten Abstimmungsprozess darüber hinaus eine vorläufige Falldefinition von Post-COVID-19 für Erwachsene, welche zunehmend in wissenschaftlichen Arbeiten zugrunde gelegt wird. Gemäß dieser Definition werden unter dem Begriff "Post-COVID-19-Syndrom" gesundheitliche Beschwerden zusammengefasst, die in längerem Abstand (in der Regel drei Monate) im Anschluss an eine durchgemachte SARS-CoV-2-Infektion über längere Zeit fortbestehen oder neu auftreten und anderweitig nicht erklärbar sind. Dabei werden Symptome und gesundheitliche Einschränkungen berücksichtigt, die über mindestens zwei Monate anhalten oder auch wiederkehrend und in wechselnder Stärke auftreten und die im Allgemeinen mit Beeinträchtigungen der alltäglichen Funktionsfähigkeit einhergehen. Eine gesonderte Falldefinition von Post-COVID-19 für Kinder und Jugendliche wurde im Februar 2023 von der WHO veröffentlicht und berücksichtigt ebenfalls anhaltende, neu auftretende oder wiederkehrende gesundheitliche Beschwerden, die über mindestens zwei Monate bestehen und im Allgemeinen mit funktionellen Einschränkungen einhergehen. Da nach bisherigen Erkenntnissen auch milde oder gar symptomlose Verläufe einer SARS-CoV-2-Infektion mit entsprechenden Langzeitfolgen einhergehen können und gerade zu Anfang der Pandemie noch kein breites Testangebot verfügbar war, beziehen sich die beiden klinischen Falldefinitionen der WHO sowohl auf Personen mit Labornachweis einer SARS-CoV-2-Infektion, als auch auf Personen, für die eine SARS-CoV-2-Infektion aufgrund von Krankheitssymptomen oder auch engen Kontakten zu nachweislich Infizierten als wahrscheinlich angesehen werden kann. Die WHO weist ausdrücklich darauf hin, dass es sich um vorläufige Falldefinitionen handelt, die in Anpassung an neue wissenschaftliche Erkenntnisse fortlaufend aktualisiert werden müssen. Als Erweiterung der WHO Definition wurde im Juli 2024 eine Arbeitsdefinition der National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine (NASAM) veröffentlicht, basierend auf dem aktuellen Forschungsstand. Dabei wird Long COVID nicht mehr anhand von Symptomen definiert – sondern erstmals als infektions-assoziierter chronischer Krankheitszustand verstanden, der mindestens ein Organsystem betrifft und über mind. drei Monate anhaltend, wiederkehrend, remittierend oder progressiv ist. Neben einzelnen oder multiplen Symptomen wird auch das Vorliegen einzelner oder multipler diagnostizierbarer Symptomkomplexe und Erkrankungen genannt, welche zudem auch nach unbemerkter SARS-CoV-2-Infektion auftreten können. Hierzu gehören neben einer Verschlechterung von vorbestehenden Grunderkrankungen auch Neuerkrankungen. Anders als bei der Falldefinition der WHO sowie der NICE Leitlinienempfehlung ist demnach nicht erforderlich, dass die Beschwerden sich nicht durch eine andere Diagnose erklären lassen.
Die im Mai 2024 aktualisierte deutsche S1-Leitlinie Long /Post-COVID – Living Guideline nimmt bei der Definition der Begrifflichkeiten eine zeitliche Abgrenzung zwischen Long COVID und dem Post-COVID-Syndrom in Anlehnung an NICE vor. Für die Diagnosestellung eines Post-COVID-Syndroms wird jedoch neben Symptomen, die nach einer COVID-19-Erkrankung oder deren Behandlung fortbestehen und neuen Symptomen, die als Folge der SARS-CoV-2-Infektion im Anschluss an die akute COVID-19-Erkrankung auftreten, als weitere mögliche Kategorie auch die Verschlechterung einer vorbestehenden Grunderkrankung genannt. Darüber hinaus fordert die S1-Leitlinie ebenso wie die klinische Falldefinition der WHO, dass die Symptome mit "behandlungswürdiger" Einschränkung der Alltagsfunktion und Lebensqualität einhergehen.
In Anlehnung an die NICE Leitlinienempfehlung und die NASAM Arbeitsdefinition wird in den FAQ der Begriff "Long COVID" verwendet um gesundheitliche Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion zu bezeichnen, da somit der gesamte Zeitraum jenseits der akuten Krankheitsphase sowie das gesamte Spektrum an möglichen Symptomen und Beschwerdebildern abgedeckt wird.
Stand: 18.02.2025
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Eine Liste gesundheitlicher Symptome und Beschwerden, welche die Definitionskriterien des Post-COVID-19-Zustands nach bisherigem Wissensstand erfüllen, wurde von der WHO hinterlegt (WHO 2021). Darüber hinaus haben Expertinnen und Experten auf der Grundlage der wissenschaftlichen Literatur und ihrer klinische Erfahrung Symptome und Diagnosen zusammengetragen, die für einen Post-COVID-19-Zustand bei Erwachsenen beobachtet worden sind. In Zusammenarbeit mit Vertretern und Vertreterinnen von Patientenorganisationen wurden 11 Zielgrößen bzw. Symptomgruppen ausgewählt, die in jedem Fall beachtet werden sollten, darunter Erschöpfung und eingeschränkte Belastbarkeit (sog. Fatigue), kognitive Probleme wie z.B. Konzentrations- und Gedächtnisprobleme (sog. "brain fog") und anhaltende respiratorische Beschwerden wie Kurzatmigkeit und persistierender Husten (Hanson et al. 2022; Munblit et al. 2022). Epidemiologische Studien zeigen, dass die Symptome einzeln oder in Kombination auftreten können und mit einer Beeinträchtigung der Lebensqualität und Einschränkungen der Funktionsfähigkeit im Alltag einhergehen (Nittas et al. 2022; de Oliveira Almeida et al. 2023; Thaweethai et al. 2023).
Bei einem Teil der Personen entwickelt sich infolge der SARS-CoV-2-Infektion zudem ein Symptomkomplex, der Ähnlichkeit mit dem chronischen Erschöpfungssyndrom (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrom, ME/CFS) aufweist (Wong et al. 2021). Die Ursachen für ME/CFS sind bislang ungeklärt, aber Immunreaktionen nach Virusinfektionen spielen nach bisherigen Erkenntnissen eine wichtige Rolle. Schwere chronische Beeinträchtigungen der körperlichen und psychischen Funktionsfähigkeit und eine ausgeprägte Verschlechterung nach leichter körperlicher Belastung sind charakteristisch für das Krankheitsbild einer ME/CFS und haben bleibende Einschränkungen bei der Ausübung von Alltagsfunktionen sowie Verluste an Lebensqualität und gesellschaftlicher Teilhabe zur Folge (Kedor et al. 2022). Bislang ist unklar, wie groß der Anteil von Menschen mit ME/CFS nach einer SARS-CoV-2-Infektion ist. Mit Fortschreiten der Pandemie ist in den nächsten Jahren jedoch auch von einer Zunahme an ME/CFS-Fällen auszugehen (Renz-Polster et al. 2022). So zeigt eine umfassende Analyse von Daten der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland bei Erwachsenen ein etwa 3-fach höheres Risiko für CFS nach einer COVID-19-Erkrankung im Vergleich zu Nicht-Infizierten (Roessler et al. 2022). Bei Kindern und Jugendlichen wird das Risiko für ME/CFS bisher als eher gering eingeschätzt (Roessler et al. 2022; Sorg et al. 2022). Es fehlt hier jedoch an systematischen Bestandsaufnahmen, die eine Quantifizierung des Anteils von Patientinnen und Patienten mit CFS/ME erlauben.
Darüber hinaus mehren sich Hinweise auf umschriebene Organkomplikationen und neu aufgetretene chronische nicht-übertragbare Krankheiten als mögliche Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion, auch bei Personen ohne schweren Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion (Greer et al. 2022; Lam et al. 2023; Nalbandian et al. 2021). Hierzu zählen Verschlechterungen oder Einschränkungen der Lungen- und Nierenfunktion sowie die Zunahme von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus und Autoimmunerkrankungen (Al-Aly et al. 2023; D'Souza et al. 2023; Harding et al. 2023; Ssentongo et al. 2023; Tesch et al 2023; Wrona et al. 2022).
Auch neurologische Manifestationen können sich in unterschiedlichem Ausmaß über die akute Phase hinaus erstrecken (Rhamati et al. 2023; Xu et al. 2022). Eine Anfang 2022 publizierte Studie aus Deutschland berichtete bei Erwachsenen im Alter von 45 bis 74 Jahren mit überwiegend mildem Krankheitsverlauf zudem häufigere subklinische Veränderungen an mehreren Organen gleichzeitig (Petersen et al. 2022).
Aufgrund der Vielfalt des Beschwerdebildes ist es derzeit besonders dringlich, die ursächlichen Zusammenhänge und Krankheitsmechanismen von Long COVID zu untersuchen – nur so lassen sich wirksame Diagnostik- und Therapieansätze entwickeln (Choutka et al. 2022). Dabei ist auch die Abgrenzung zwischen dem sog. 'Post-Intensive-Care-Syndrome' (PICS) und Long COVID bei Patientinnen und Patienten mit gesundheitlichen Langzeitfolgen nach einer intensivmedizinischen Behandlung infolge von COVID-19 relevant (S1-Leitlinie Long/ Post-COVID). Zu den Symptomen eines PICS zählen anhaltende muskuläre Schwäche, kognitive und emotionale Störungen, welche mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität sowie der Teilhabe der Betroffenen einhergehen (Rawal et al. 2017). Bei etwa drei Viertel der Menschen, die wegen COVID-19 intensivmedizinisch behandelt und beatmet werden mussten, sind die Kriterien eines PICS erfüllt (Nanwani-Nanwani et al. 2022).
Stand: 22.08.2023
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Um die Häufigkeit von Long COVID verlässlich zu schätzen, sind bevölkerungsrepräsentative kontrollierte Studien mit ausreichender Nachbeobachtungszeit notwendig, die einen Vergleich von Personen mit und ohne durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion ermöglichen. Mit wachsender Immunität in der Bevölkerung nach durchgemachten SARS-CoV-2-Infektionen, Reinfektionen und/oder COVID-19-Impfungen wird die Durchführung kontrollierter Studien jedoch zunehmend erschwert. Bereits zu Beginn der Pandemie beinhaltete der Großteil der Studien zu Long COVID keine Kontrollgruppe. Darüber hinaus gelangen verschiedene Studien zu sehr unterschiedlichen Schätzungen der Häufigkeit von Long COVID, je nach zugrundeliegender Long COVID Definition, verwendeten Erhebungsinstrumenten und Erhebungsmethode (z. B. Selbstbefragung oder Registerdaten), Zusammensetzung der Studienpopulation, Dauer der Nachbeobachtungszeit, oder Einbezug weiterer prognostischer Faktoren (z. B. Schwere der akuten COVID-Erkrankung oder vorbestehenden chronischen Krankheiten). Ein Großteil der Studien bezieht sich zudem lediglich auf das Vorhandensein unspezifischer Symptome – ohne Berücksichtigung der alltäglichen Funktionsfähigkeit oder gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Folglich verzeichnet ein Umbrella Review teils sehr hohe Gesamtprävalenzen in bisherigen systematischen Reviews und Meta-Analysen zu Long COVID-Symptomen, verweist jedoch für die Interpretation auf eine stark eingeschränkte Aussagekraft aufgrund der großen methodischen Heterogenität der einzelnen (größtenteils unkontrollierten) Studien.
Bevölkerungsbasierte Studien berichten größtenteils Prävalenzen für Long COVID zwischen 5 % und 10 % bei Personen mit vorangegangener SARS-CoV-2-Infektion unter Berücksichtigung von Symptomen im Zeitraum von mind. drei Monaten nach Infektion in Anlehnung an die vorläufige Falldefinition von Post-COVID-19 der WHO. Anhand einer multizentrischen, gepoolten Analyse von bevölkerungsbasierten Kohortenstudien aus 22 Ländern wurde die globale Häufigkeit für Long COVID-Symptome drei Monate nach einer symptomatischen SARS-CoV-2-Infektion auf insgesamt 6,2 % geschätzt, unter Adjustierung für vorbestehende Gesundheitsprobleme sowie für das allgemeine Vorliegen von Symptomen in der Bevölkerung, welche nicht mit einer Infektion in Verbindung stehen. Darüber hinaus zeigte eine Kohortenstudie aus Schottland, dass bei insgesamt 6,6 % der Infizierten nach sechs Monaten mind. ein mit der vorangegangenen SARS-CoV-2-Infektion in Zusammenhang stehendes Symptom vorlag, unter Berücksichtigung von Vorerkrankungen, Impfstatus und Virusvariante. In einer niederländischen Kohortenstudie ließen sich die berichteten Symptome im Zeitraum von drei Monaten nach einer SARS-CoV-2-Infektion bei einem von acht infizierten Erwachsenen (12,7 %) auf eine COVID-19-Erkrankung zurückführen. Diese Studie beinhaltete eine Kontrollgruppe mit nicht infizierten Vergleichspersonen und berücksichtigte auch mögliche Symptombelastungen vor der Infektion. US-amerikanische Querschnittsdaten zeigten, dass im August/September 2024 8,7 % der Erwachsenen, die schon einmal eine COVID-19-Erkrankung hatten, aktuell Long COVID berichteten (unter Berücksichtigung von neu aufgetretenen Symptomen drei Monate nach Infektion). Basierend auf einer aktuellen bevölkerungsrepräsentativen Querschnittsstudie aus Frankreich betrug die Häufigkeit für mind. ein Symptom im Zeitraum von drei Monaten nach Infektion mit mind. zwei Monaten Dauer sowie mind. leichter funktioneller Beeinträchtigung 8 % bei SARS-CoV-2-Infizierten. In einer Kohortenstudie aus Deutschland wurde die Häufigkeit von neu aufgetretenen Symptomen im Zeitraum von sechs bis 12 Monaten nach einer SARS-CoV-2-Infektion auf mindestens 6,5 % bei überwiegend nicht hospitalisierten Patientinnen und Patienten geschätzt. Neben den berichteten Symptomen wurden hier auch eine Beeinträchtigung der Alltagsfunktion sowie eine reduzierte arbeitsbezogene Leistungs- und Funktionsfähigkeit berücksichtigt. Die RECOVER-Initiative der US-National Institutes of Health schätzte die Häufigkeit von Long COVID-assoziierten Symptomen basierend auf einem eigens entwickelten Score bei Infizierten im Zeitraum von sechs Monaten nach Infektion mit der Omikron-Variante auf 10 %, bei nicht-Infizierten betrug die Häufigkeit für entsprechende Symptome 4,6 %. Eine Meta-Analyse von gepoolten Daten aus zehn Kohortenstudien und administrativ erfassten Gesundheitsdaten aus UK zeigte, dass die Häufigkeit von Long COVID-Symptomen mit funktionellen Einschränkungen im Alltag nach drei Monaten zwischen 1,2 % und 4,8 % liegt.
Übereinstimmend berichten systematische Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen, dass die Häufigkeit von Long COVID-Symptomen bei Erwachsenen mit schweren COVID-19-Verläufen und Hospitalisierung höher liegt als bei milden Verläufen (Luo et al. 2024; Kelly et al. 2023; O‘Mahoney et al. 2023). Dies zeigt sich auch anhand der multizentrischen, gepoolten Analyse von Daten aus 22 Ländern: So lag die Prävalenz bei Erwachsenen mit intensivmedizinischer Behandlung aufgrund von COVID-19 (43,1 %) sowie Hospitalisierten ohne intensivmedizinische Behandlung (27,5 %) deutlich höher als bei nicht-Hospitalisierten (5,7 %). Da der Großteil der an SARS-CoV-2 Infizierten einen milden Verlauf haben, machen diese jedoch insgesamt mehr als 90 % der Long COVID-Fälle aus.
Analysen von administrativ erfassten Gesundheitsdaten gelangen insgesamt zu niedrigeren Prävalenzschätzungen für Long COVID im Vergleich zu Selbstangaben in Befragungsdaten. Beispielsweise lag die Prävalenzdifferenz zwischen Infizierten und nichtinfizierten Kontrollpersonen in einer norwegischen Studie mit Registerdaten für ärztlich diagnostizierte pulmonale, neurologische oder allgemeine Beschwerden im Zeitraum von fünf bis sechs Monaten nach initialem SARS-CoV-2-Test nur zwischen 0,5 % und 2,5 %. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Prävalenz von Long COVID auf Basis von Sekundärdaten eher unterschätzt wird, da hier nicht alle Menschen mit Long COVID erfasst werden, z. B. aufgrund der ärztlichen Kodierpraxis sowie dem Inanspruchnahmeverhalten der Betroffenen. So zeigte sich etwa anhand einer Studie in Westaustralien (einer hoch geimpften Bevölkerung, deren erste größere Exposition durch SARS-CoV-2 während der Omikron-Welle 2022 erfolgte), dass nur 38,7 % der Befragten mit berichteten Long COVID-Symptomen zwei bis drei Monate nach der akuten Infektion wegen damit zusammenhängender gesundheitlicher Probleme einen Arzt aufsuchten (insgesamt 7,1 % der Infizierten). In Deutschland lag die Häufigkeit für einen dokumentierten Post-COVID-Zustand (ICD-Code U09.9!) bei vertragsärztlich versorgten COVID-19-Patientinnen und -Patienten während der 2. und 3. Pandemiewelle (4. Quartal 2020 bis 3. Quartal 2021) nach Angaben des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) bei insgesamt 8,7 %. Dies entspricht 7,6 % bezogen auf die COVID-19-Fallzahlen der Meldedaten gemäß IfSG. Im zeitlichen Verlauf der Pandemie wurde die höchste Behandlungsprävalenz im zweiten Quartal 2022 mit 371.705 Fällen (0,5 %, 50 je 10.000 GKV-Versicherte) beobachtet, seitdem sind die Zahlen rückläufig.
Tatsächlich deutet sich im zeitlichen Verlauf der Pandemie ein Rückgang der Häufigkeit von Long COVID an. So zeigte ein systematisches Review bereits Ende 2022, dass sich die Häufigkeit von Long COVID je nach Virusvariante unterscheiden könnte. Seitdem gibt es weitere Hinweise darauf, dass die Häufigkeit von Long COVID bei Infektionen mit aktuellen SARS-CoV-2-Varianten wie Omikron und seinen Untervarianten im Vergleich zu früheren Varianten insgesamt niedriger ist (Beale et al. 2024; Hedberg et al. 2024; Swift et al. 2024). Aktuelle Studien deuten jedoch darauf hin, dass sich der rückläufige Trend der Inzidenz von Long COVID auf verschiedene Faktoren zurückführen lässt. Neben möglichen Unterschieden in der Pathogenität der Varianten ist insbesondere die erhöhte Immunität in der Bevölkerung aufgrund von früheren Infektionen und Impfungen (s. FAQ Sind Faktoren bekannt, die das Risiko für Long COVID beeinflussen?) relevant (Caspersen et al. 2025; Mikolajczyk et al. 2024; Xie et al. 2024; Hori et al. 2024; Valdivieso-Martinez 2024; Ballouz et al. 2023; Thaweethai et al. 2023). Aufgrund der hohen SARS-CoV-2-Infektionszahlen und des weiterhin bestehenden Risikos für Long COVID sowie der kumulativen Zunahme an Fällen mit länger anhaltenden Beschwerden ist allerdings auch weiterhin eine hohe Prävalenz von Long COVID zu erwarten. Eine abschließende Bewertung zu zeitlichen Trends ist jedoch durch die Notwendigkeit, das Zusammenspiel verschiedener Einflussfaktoren zu berücksichtigen und die Heterogenität der Studien insgesamt erschwert, wie auch eine Studie aus Frankreich zeigt. Darüber hinaus ist auch die Rolle von Reinfektionen (s. FAQ Sind Faktoren bekannt, die das Risiko für Long COVID beeinflussen?) im Hinblick auf das Risiko für Long COVID noch nicht abschließend geklärt.
Des Weiteren gibt es Hinweise darauf, dass das Risiko für längerfristige gesundheitliche Folgen nach einer SARS-CoV-2-Infektion insgesamt höher ist als nach einer Influenza-Infektion, wobei Beschwerden multipler Organsysteme charakteristisch für Long COVID zu sein scheinen (Xie et al. 2024; Liu et al. 2023; Fung et al. 2023; Taquet et al. 2021a; Taquet et al. 2021b). Auch anhand einer Analyse von Daten der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland zeigte sich, dass Long COVID-assoziierte Symptome und seltene Organschädigungen im Zeitraum von drei bis 18 Monaten nach Infektion in der Gruppe mit an COVID-19 Erkrankten häufiger waren als bei nicht-infizierten oder mit Influenza infizierten Kontrollpersonen (während der Grippewelle 2017/2018). Die Persistenz der Symptome ähnelte sich jedoch zwischen der COVID-19-Kohorte und der Influenza-Kontrollgruppe. Darüber hinaus besteht bei Menschen, die aufgrund von COVID-19 im Krankenhaus behandelt werden mussten, im Vergleich zu Hospitalisierten wegen einer Influenza ein höheres Sterberisiko, ein erhöhtes Risiko für eine erneute Krankhauseinweisung und eine höhere Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen in Nachbeobachtungszeiträumen zwischen sechs bis 18 Monaten nach Infektion (Xie et al. 2024; Oseran et a. 2023; Liu et al. 2023; Al-Aly et al. 2021).
Stand: 20.02.2025
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Auch Kinder und Jugendliche können von gesundheitlichen Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion oder COVID-19-Erkrankung betroffen sein – allerdings scheint die Häufigkeit im Vergleich zu Erwachsenen auf Basis der vorliegenden Evidenz insgesamt geringer zu sein. Bisherige wissenschaftliche Studien zu Long COVID beziehen sich allerdings auch überwiegend auf Erwachsene.
Die Datenlage bei Kindern und Jugendlichen ist nach wie vor noch eingeschränkt, auch die Veröffentlichung eines „Core Outcome Set“ für Kinder und Jugendliche steht noch aus (Munblit et al. 2022). Darüber hinaus ist es wichtig herauszufinden, welche anhaltenden Beschwerden in verschiedenen Entwicklungsphasen im Fokus stehen – und welche langfristigen Folgen damit einhergehen – wie z. B. im Hinblick auf Lebensqualität, Schulfehltage (Franco et al. 2022).
Im Februar 2023 veröffentlichte die WHO eine Falldefinition von Post-COVID-19 für Kinder und Jugendliche (siehe Frage „ Was ist Long COVID?“), in der innerhalb von drei Monaten anhaltende, neu auftretende oder wiederkehrende gesundheitliche Beschwerden, die über mindestens zwei Monate bestehen und im Allgemeinen mit funktionellen Einschränkungen einhergehen, berücksichtigt sind.Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen stellt die Abgrenzung gesundheitlicher Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion von indirekten gesundheitlichen Folgen der Pandemie eine besondere Herausforderung dar. Zudem muss wie bei Erwachsenen auch unterschieden werden zwischen schwereren COVID-19-Erkrankungen mit stationärer Behandlung und leichteren Krankheitsverläufen. In einer großen Nachbeobachtung von Kindern und Jugendlichen, die zwischen April und August 2020 wegen COVID-19 im Krankenhaus behandelt worden waren, hatten etwa ein Viertel der Kinder und Jugendlichen auch mehrere Monate nach Entlassung noch mindestens ein gesundheitliches Problem (Pazukhina et al. 2022). Bevölkerungsbezogene oder selbst selektionierte Stichprobenuntersuchungen, welche auch Kinder und Jugendliche mit leichteren oder wenig symptomatischen Verläufen einer COVID-19-Erkrankung einbeziehen, berichten hingegen ein geringeres Vorkommen von Symptomen, die über die akute Krankheitsphase von 4 Wochen nach Infektion bzw. nach Krankheitsbeginn hinaus noch vorliegen. Ein Umbrella Review aus 2021/2022 zu entsprechenden Studien berichtet Häufigkeiten von 2 % bis 3,5 % bei überwiegend nicht hospitalisierten Kindern (Nittas et al. 2022). Kürzlich publizierte Reviews zeigen jedoch, dass die Studienlage bei Kindern und Jugendlichen insgesamt sehr heterogen ist und präzise Schätzungen derzeit nicht möglich sind (Jiang et al. 2023; Pellegrino et al. 2022; Zheng et al. 2023). Tatsächlich wird in einigen bisherigen Studien bei einem Vergleich von Kindern und Jugendlichen mit und ohne SARS-CoV-2-Infektion (kontrollierte Studien) teilweise kein Unterschied in der Häufigkeit einzelner betrachteter Symptome berichtet (Borch et al. 2022; Zimmermann et al. 2022). In einer Meta-Analyse von Studien aus den Jahren 2020 und 2021 mit Kontrollgruppe wurde nach einer SARS-CoV-2-Infektion jedoch ein signifikant erhöhtes Risiko für kognitive Störungen, Kopfschmerzen, Geruchsverlust, Halsschmerzen und entzündete Augen berichtet. Kein Unterschied im Vergleich zu Kindern und Jugendlichen ohne eine SARS-CoV-2-Infektion zeigte sich hingegen für Bauchschmerzen, Husten, Abgeschlagenheit, Schlaflosigkeit, Muskelschmerzen, Diarrhoe, Fieber, Schwindel und Atemnot (Behnood et al. 2022). In einer großen Verlaufsbeobachtung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne SARS-CoV-2-Infektion, der britischen CLoCk-Studie, wiesen Kinder und Jugendliche nach SARS-CoV-2-Infektion häufiger multiple Symptome auf als diejenigen in der Vergleichsgruppe (Stephenson et al. 2022; Stephenson et al. 2023). Nach 12 Monaten Nachbeobachtungszeit zeigten 50,0 % der nie-positiv getestete-Gruppe einige Symptome im Vergleich zu 61,3 bis 74,1 % der anderen drei Gruppen mit mindestens einem positiven Test (mit oder ohne Reinfektion). Es wiesen insbesondere diejenigen, die mehrfach positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden, noch eine Reihe von Symptomen auf. Die häufigsten Symptome waren in allen vier Gruppen Müdigkeit, Schlafstörungen, Kurzatmigkeit und Kopfschmerzen (Pinto-Pereira et al. 2023).
Kurzatmigkeit, Müdigkeit und Kopfschmerzen waren auch in einer aktuellen Metaanalyse aus dem Jahr 2023 zufolge die häufigsten noch nach 3–12 Monaten genannten Symptome in Studien bei Kindern und Jugendlichen (Zheng et al. 2023).Eine dänische Studie zeigt zudem, dass Teilnehmende mit SARS-CoV-2-Infektion mehr langanhaltende Symptome und Krankschreibungen hatten im Vergleich zu Teilnehmenden der Kontrollgruppe (Kikkenborg Berg et al. 2022). Auch eine Analyse von Daten der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland zeigt, dass bei Kindern und Jugendlichen nach einer vorangegangenen COVID-19-Erkrankung die Inzidenz für verschiedene körperliche und psychische Diagnose und Symptomkomplexe erhöht ist (Roessler et al. 2022). Im Vergleich zu Erwachsenen sind diese allerdings weniger häufig und es lassen sich teilweise unterschiedliche Beschwerdebilder beobachten. Eine norwegische Studie zeigt zudem anhand von Routinedaten (Magnusson et al. 2022), dass eine erhöhte Inanspruchnahme in der Primärversorgung nach einer COVID-19-Infektion bei Kindern im Vorschulalter länger zu beobachten ist (3–6 Monate) als bei Schülern der Primär- oder Sekundärstufe (1–3 Monate).
Abgesehen von der Diskussion um Long COVID bei Kindern wird international auch über seltene, besonders schwere Fälle berichtet, die ca. 2 Wochen nach einer akuten COVID-19-Erkrankung oder SARS-CoV-2-Infektion eine intensivmedizinische Behandlung benötigen. Es handelt sich um eine starke entzündliche Immunreaktion, das sogenannte Multisystem inflammatory syndrome in children (MIS‐C) oder auch Pediatric inflammatory multisystemic syndrome (PIMS), wobei diese Krankheitsbilder jedoch gemäß aktuellen Definitionen nicht zu Long COVID und Post-COVID gehören. Betroffene Kinder leiden u. a. an hohem Fieber, Schmerzen, Erbrechen, Ausschlag und Müdigkeit. MIS-C oder auch PIMS stellen ein hochakutes Krankheitsbild überwiegend innerhalb von vier Wochen nach einer SARS-CoV-2-Infektion dar (weitere Informationen: PIMS-Erfassung in Deutschland, WHO, CDC).
Ein Konsensuspapier des Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ)-Konvents und kooperierenden Fachgesellschaften bietet Expertenempfehlungen für die Praxis auf Grundlage der bisher noch geringen studienbasierten Evidenz zu Long COVID im Kindes- und Jugendalter (Töpfner et al. 2022). Das Konsensuspapier enthält Screeningfragen sowie einen Vorschlag zur strukturierten, standardisierten pädiatrischen Anamnese und diagnostischen Evaluation bei Long COVID. Anhand der jeweiligen anamnestisch und klinisch ermittelten Hauptsymptome werden ein gestuftes, diagnostisches Vorgehen und eine multidisziplinäre Betreuung empfohlen. Über Anwendungserfahrungen von umfangreichen Untersuchungen zur differentialdiagnostischen Abklärung berichtet eine Studie aus 2023 (Goretzki et al. 2023). Eine Übersichtsarbeit aus 2023 ergänzt die dem Konsensuspapier zugrunde liegende Evidenz (Töpfner & Brinkmann 2023). Darüber hinaus werden über die Internetseiten der DGKJ und Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) weitere Fragebögen zur Abklärung von spezifischen neurokognitiven und/oder psychischen Störungen sowie postexertioneller Malaise (PEM) und myalgischer Enzephalomyelitis/chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) zur Verfügung gestellt.
Stand: 22.08.2023
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Sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern und Jugendlichen gibt es Hinweise für einen Rückgang der Symptombelastung über die Zeit – die Datenlage ist jedoch noch eingeschränkt (Chen et al. 2022; Zeng et al. 2023). So zeigt eine britische Studie, dass die Häufigkeit von Long-COVID-Symptomen bei 5- bis 17-Jährigen bereits im Zeitraum von ein bis zwei Monaten nach der SARS-CoV-2-Infektion um mehr als die Hälfte sinkt (von 4,4 % auf 1,8 %) (Molteni et al. 2021). Auch eine dänische Studie berichtet, dass sich Long-COVID-Symptome bei den meisten Kindern und Jugendlichen innerhalb von ein bis fünf Monaten zurückbilden (Borch et al. 2022). Studien bei Kindern und Jugendlichen mit längerer Nachbeobachtungszeit von sechs bis zu 18 Monaten zeigen, dass sich die meisten Kinder im Laufe der Zeit erholen, bei einem kleinen Anteil jedoch ein Long COVID auch länger anhalten kann. So hielten in einer italienischen Studie bei einem von zwanzig Kindern und Jugendlichen mit einem drei Monate nach der Infektion ärztlich festgestellten Post COVID Zustand die den Alltag der Kinder beeinträchtigenden Beschwerden noch nach 18 Monaten an (Morello et al. 2023). In dieser Studie wurde gezeigt, dass nach Infektionen mit der Omikron-Variante der Rückgang von Symptomen schneller erfolgte als nach vorherigen Virus-Varianten. Eine kontrollierte britische Studie zeigte nach sechs Monaten Nachbeobachtung für den großen Teil der Symptome ebenfalls einen Rückgang an. Allerdings bestanden signifikant häufiger bei Kindern mit SARS-CoV-2-Infektion noch nach sechs Monaten die Symptome ungewöhnliche Müdigkeit und Kurzatmigkeit als in der Kontrollgruppe ohne Infektion (9,5 % versus 1,2 % und 3,9 % versus 0,4 %) (Stephenson et al. 2023).
Für Erwachsene werden in britischen Längsschnittstudien für Long-COVID-Symptome im Zeitraum von 4 bis 12 Wochen nach Infektion Prävalenzen zwischen 14,5 % und 18,1 % berichtet, nach 12 Wochen liegen die Schätzer etwas niedriger zwischen 7,8 % und 17 % (Thompson et al. 2022). Ebenso zeigt sich im britischen Corona Infection Survey sowie in Kohortenstudien eine abnehmende Häufigkeit von Long-COVID-Symptomen im Verlauf der Zeit (Ballouz et al. 2023; Mizrahi et al. 2023). Auch für die Anzahl der Symptome sowie für zeitweise Symptomverschlechterungen wird ein Rückgang über die Zeit berichtet (Robineau et al. 2022; Tran et al. 2022).
Es zeigen sich jedoch Unterschiede je nach Art der Symptome, wobei insbesondere neuropsychiatrische Symptome eine längere Symptomdauer im Vergleich zu körperlichen Beschwerden aufweisen (Huang et al. 2023). So führen die Long-COVID-Symptomcluster "Fatigue" und "neurokognitive Beeinträchtigungen" auch noch 6 bis 12 Monate nach einer SARS-CoV-2-Infektion zu Beeinträchtigungen des allgemeinen Gesundheitszustands und der Arbeitsfähigkeit (Peter et al. 2022; Rahmati et al. 2023). Darüber hinaus werden Unterschiede je nach Schwere der vorangegangenen COVID-19-Erkrankung und Anzahl der Symptome während der akuten COVID-19-Erkrankung berichtet (Robineau et al. 2022; Shi et al. 2023). So betrug die Zeit für die Rückbildung von Long COVID nach mildem Verlauf in einer multizentrischen, gepoolten Analyse von Daten aus 22 Ländern im Median vier Monate, wohingegen die Rückbildung bei Menschen, die wegen COVID-19 im Krankenhaus behandelt wurden, im Median etwa neun Monate dauerte (Global Burden of Disease Long COVID Collaborators 2022). Bei insgesamt 15,1 % der Menschen mit Long COVID bestanden die Beschwerden auch noch nach einem Jahr. Dringender Forschungsbedarf besteht demnach insbesondere in Hinblick auf bleibende gesundheitliche Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion und deren Einfluss auf die Lebensqualität, die alltägliche Funktions- und Leistungsfähigkeit sowie den medizinischen Versorgungsbedarf der Betroffenen.
Stand: 22.08.2023
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Studien zeigen, dass das Risiko für Long COVID durch das Zusammenspiel einer Vielzahl an unterschiedlichen Faktoren beeinflusst wird. Im Folgenden werden die wichtigsten Risiko- und Schutzfaktoren näher beschrieben.
Bisherige klinische und epidemiologische Studien zu Long COVID zeigen mit großer Übereinstimmung, dass Long COVID auch nach einem milden oder symptomarmen Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion auftreten kann. Systematische Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen zeigen jedoch, dass das Risiko für Long COVID bei schwerer akuter COVID-19-Erkrankung und Hospitalisierung sowie bei einer längeren Dauer des Krankenhausaufenthalts aufgrund von COVID-19 höher ist (Luo et al. 2024; Muhley et al. 2024). Auch eine Reihe von bestehenden gesundheitlichen Beschwerden und Vorerkrankungen wie z. B. Asthma, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes oder Adipositas können das Risiko für Long COVID nach einer SARS-CoV-2-Infektion erhöhen. Dies ist ebenso für Kinder und Jugendliche beschrieben (Rayner et al. 2024; Zheng et al. 2023). Darüber hinaus zeigen sich Zusammenhänge mit Lebensstil-Faktoren wie Rauchen oder körperlicher Inaktivität.
Des Weiteren gibt es Hinweise darauf, dass jede erneute SARS-CoV-2-Infektion einen Risikofaktor für Long COVID darstellt – auch wenn es bei einer vorherigen Infektion keine längerfristigen gesundheitlichen Folgen gab (Bowe et al. 2022; Kuang et al. 2023; Thaweethai et al. 2023). Dabei wird berichtet, dass Reinfektionen das erstmalige Auftreten von Long COVID begünstigen oder auch eine Verschlimmerung bestehender Long COVID Symptome bewirken können. Die Rolle von Reinfektionen im Hinblick auf das Long COVID-Risiko ist jedoch noch nicht abschließend geklärt, da die bisherige Befundlage sehr limitiert und heterogen ist. So gibt es auch Hinweise darauf, dass das Risiko für Long COVID mit einer höheren Immunität infolge mehrfacher SARS-CoV-2-Infektionen abnehmen könnte (Bosworth et al. 2023; Mikolajczyk et al. 2024). Hierzu besteht noch Forschungsbedarf.
Darüber hinaus zeigen sich Unterschiede hinsichtlich des Risikos für Long COVID je nach Geschlecht: Obwohl männliche Personen anfälliger für eine akute SARS-CoV-2-Infektion sind, sind Mädchen (Alizadeh et al. 2024; Zheng et al. 2023) und Frauen (Muley et al. 2024; Russell et al. 2024) insgesamt häufiger von Long COVID betroffen als Jungen und Männer. Zudem gibt es Hinweise auf geschlechtsspezifische Unterschiede hinsichtlich der Art der Long COVID-Symptome, ihrer Intensität, Dauer und den damit verbundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Alltag. Beispielsweise zeigt ein systematisches Review, dass Frauen häufiger als Männer von neurologischen Symptomen von Long COVID wie Fatigue, Kopfschmerzen oder Geruchsminderung betroffen sind. Als möglicher Erklärungsansatz für Unterschiede im Long COVID-Risiko zwischen Männern und Frauen werden geschlechtsspezifische Unterschiede des Immunsystems und der Autoimmunreaktionen diskutiert (D’Onofrio & Sékaly 2024; Silva & Iwasaki 2024). Daneben sind jedoch auch mögliche Wechselwirkungen zwischen Geschlecht und weiteren Risikofaktoren zu berücksichtigen, wie z. B. Schwere des Krankheitsverlaufes, Impfstatus oder vorbestehende Krankheiten.
Hinsichtlich des Alters verweisen Überblicksarbeiten darauf, dass das Risiko für Long COVID im Kindes- und Jugendalter mit zunehmendem Alter ansteigt (Alizadeh et al. 2024; Rayner et al. 2024). Im Erwachsenenalter hingegen ist die Befundlage heterogen. Der Großteil der Studien deutet auf ein höheres Risiko für Long COVID in den mittleren und höheren Altersgruppen hin (Luo et al. 2024; Peluso & Deeks 2024; Tsampasian et al. 2023). Es gibt jedoch auch Studien, die mit zunehmendem Alter ein sinkendes Risiko verzeichnen – oder keinen Zusammenhang des Long COVID-Risikos mit dem Alter feststellen (Wang et al. 2023). Allerdings bestehen auch hinsichtlich des Alters Wechselwirkungen mit weiteren Risikofaktoren, wonach sich altersspezifische Unterschiede im Risiko für Long COVID unter anderem je nach vorherrschender Symptomatik oder Geschlecht zeigen. Beispielsweise gibt es Hinweise darauf, dass bei jüngeren Erwachsenen Symptome wie Brain Fog oder Fatigue häufiger vorkommen als bei älteren Erwachsenen (Al-Aly & Topol 2024) und dass Frauen vor allem in der Altersgruppe zwischen 40 und 60 Jahren von Long COVID betroffen sind (Russell et al. 2024).
Des Weiteren wurden in mehreren Studien Zusammenhänge des Risikos für Long COVID mit dem sozialen Status oder sozialräumlicher Deprivation untersucht. Allerdings ist die Datenlage nach wie vor limitiert und die Befunde sind sehr heterogen. Studien aus dem UK deuten darauf hin, dass Menschen häufiger von Long COVID betroffen sind, wenn sie in Gebieten mit größerer sozioökonomischer Deprivation leben (Hutchinson et al. 2022; Subramanian et al. 2022). Soziale Determinanten von Gesundheit stehen aber auch mit anderen Risiko- und Schutzfaktoren für Long COVID in Verbindung, wie z.B. Vorerkrankungen, Lebensstil-Faktoren oder dem Impfstatus (Lukkahatai et al. 2023).
Für die Prävention von Long COVID ist nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand die beste Möglichkeit das Vermeiden einer SARS-CoV-2-Infektion sowie einer Reinfektion durch die Einhaltung der Infektionsschutzmaßnahmen.
Zudem verweisen aktuelle systematische Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen darauf, dass eine COVID-19-Impfung vor einer Erstinfektion mit SARS-CoV-2 das Risiko für Long COVID nach einer Durchbruchinfektion reduzieren kann (Chow et al. 2024; Ceban et al. 2023; Man et al. 2024; Marra et al. 2023; Watanabe et al. 2023). Es kann von einer indirekten Schutzwirkung der Impfungen ausgegangen werden, da diese das Infektionsrisiko als auch das Risiko für einen schweren Verlauf akuter Infektionen, der wiederum Long COVID begünstigt, verringert. Dabei deuten Studien darauf hin, dass die Wirksamkeit der Impfung mit der Anzahl der verabreichten Impfdosen vor der Infektion zunimmt (Marra et al. 2023; Lundberg-Morris et al. 2023). Insgesamt ist die Befundlage jedoch heterogen und die Studien sind untereinander nur schwer vergleichbar. Darüber hinaus können Impfungen Long COVID nicht vollständig verhindern – allerdings ist das Risiko sowie der Schweregrad von Long COVID nach Impfung insgesamt geringer (Man et al. 2024).
Weitere Informationen zur Impfung finden sich in den FAQ zu COVID-19 und Impfen.
Darüber hinaus mehren sich Hinweise darauf, dass eine antivirale Arzneimitteltherapie während einer akuten SARS-CoV-2-Infektion das Risiko von Long COVID verringern könnte (Choi et al. 2023; He et al. 2024; Jiang et al. 2024; Sun et al. 2024). Insbesondere ältere Menschen sowie Risikopatientinnen und -patienten für einen schweren COVID-19-Verlauf scheinen von einer antiviralen Medikation zu profitieren (Choi et al. 2023; Finamore et al. 2024; Sun et al. 2024). Es gibt jedoch auch Studien, die keinen Zusammenhang zwischen der Einnahme antiviraler Medikation während der akuten SARS-CoV-2-Infektion und Long COVID aufzeigen (Chuang et al. 2023; Durstenfeld et al. 2024). Hierzu besteht noch weiterer Forschungsbedarf, vor allem bedarf es an größeren, kontrollierten Studien.
Stand: 03.03.2025
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Da Long COVID und die zugrunde liegenden Mechanismen noch unzureichend verstanden sind, stellt die Abgrenzung direkter somatischer und psychischer Krankheitsfolgen von vorbestehender Morbidität und pandemiebedingten psychosozialen Folgen auch für die Versorgung von Menschen mit Long COVID eine große Herausforderung dar (Kluge et al. 2022). Der Leidensdruck bei den Betroffenen ist häufig sehr hoch. In der Regel stellen Hausärztinnen und -ärzte die erste Anlaufstelle für die Versorgung von Menschen mit Long COVID dar. Dies äußert sich u. a. in einem erhöhten Versorgungsaufwand für die betroffenen Praxen (Strumann et al. 2023). Bislang gibt es keine spezifischen diagnostischen Marker, sodass die Diagnose von Long COVID klinisch gestellt werden muss (Hallek et al. 2023). Einen ersten diagnostisch-therapeutischen Leitfaden bietet die aktualisierte S1-Leitlinie Long/ Post-COVID. Eine spezifische pharmazeutische Behandlung existiert derzeit nicht, u. a. aufgrund der noch unklaren Pathomechanismen und Vielfalt der möglichen Manifestationen (Fawzi et al. 2023). Die Behandlung von Long COVID erfolgt derzeit symptomorientiert.
Da es sich bei Long COVID in der Regel um eine Multisystemerkrankung handelt, erscheint eine interdisziplinäre Versorgung mit enger Kooperation zwischen hausärztlichen und fachärztlich spezialisierten ambulanten Versorgern notwendig (Hallek et al. 2023). Darüber hinaus soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bis spätestens Ende 2023 in einer Richtlinie Regelungen für eine koordinierte, strukturierte und interdisziplinäre Versorgung für Versicherte mit Long COVID ausarbeiten. Um Angebote zur psychosozialen Unterstützung, medizinischen Versorgung und Rehabilitationsmaßnahmen bedarfsgerecht anzupassen, ist es jedoch auch wichtig zu wissen, in welchem Ausmaß Menschen mit Long COVID gesundheitsbedingte Einschränkungen ihrer Lebensqualität sowie ihrer alltäglichen Funktions- und Leistungsfähigkeit erleben und das Versorgungssystem in Anspruch nehmen. Hierzu bieten regionale Befragungen erste Einblicke, insgesamt ist die Datenlage allerdings noch lückenhaft (Stengel et al. 2022).
Einer retrospektiven Kohortenstudie zufolge war ein Post-COVID-Zustand (unter Verwendung des ICD-Kode U09.9!) im Zeitraum von 3 bis 12 Monaten nach einer SARS-CoV-2-Infektion bei etwa 8 % der Erwachsenen (Kostev et al. 2022a) sowie 1,7 % der Kinder und Jugendlichen (Kostev et al. 2022b) dokumentiert, die zwischen Oktober 2020 und August 2021 in einer haus- oder kinderärztlichen Praxis eine COVID-19-Diagnose erhielten. Für die vier Abrechnungsquartale im Jahr 2022 gelangen Analysen aus routinemäßig erhobenen ambulanten Daten der gesetzlichen Krankenversicherung mit 7 % bis 13 % zu einer etwas höheren Einschätzung der Häufigkeit eines Post-COVID-19-Zustands bei Erwachsenen (ICD-Kode U09.9!). Basierend auf einer dreiwöchigen Onlinebefragung in einer nicht repräsentativen Stichprobe von 338 medizinischen Rehabilitations-Einrichtungen (dies entspricht 31 % aller Einrichtungen), welche von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) im September und Oktober 2021 durchgeführt wurde, hatten 7,1 % der Reha-Patientinnen und -Patienten eine Post-COVID-(Zusatz-)Diagnose. Der Großteil der Personen mit einem solchen Post-COVID-Kode als Behandlungsdiagnose scheint keine längerfristige Behandlung zu benötigen: Weniger als ein Fünftel der Patientinnen und Patienten mussten in mehr als zwei Quartalen behandelt werden. Eine Sonderauswertung der Techniker Krankenkasse zeigt, dass 2021 knapp 1 % der versicherten Erwerbstätigen mit einer gesicherten COVID-19-Diagnose aus dem Jahr 2020 (mit Virusnachweis, PCR-Test) mit dem ICD-Kode für einen Post-COVID-19-Zustand krankgeschrieben waren (Gesundheitsreport Techniker Krankenkasse 2022). Damit ist der Anteil des Post-COVID-ICD-Kodes am Gesamtkrankenstand vergleichsweise gering – allerdings war die Dauer der Krankschreibung mit durchschnittlich 105 Tagen außergewöhnlich lang. Bereits bei leichtem COVID-19-Verlauf ließ sich eine Krankschreibungsdauer von durchschnittlich 90 Tagen beobachten. Nach Hospitalisierung und intensivmedizinischer Behandlung mit Beatmung waren es mit 190 Tagen sogar mehr als 6 Monate. Für die Gesamtgruppe der Erwerbspersonen wurden im Jahr 2021 im Durchschnitt hingegen nur 14,6 Fehltage verzeichnet. Auch eine Auswertung von Routinedaten der AOK zeigt, dass Beschäftigte mit Long COVID lange krankheitsbedingte Fehlzeiten aufweisen.
Die bisher zur Verfügung stehenden Daten (Abrechnungsdaten, Reha-Daten, DGUV-Daten) sind nicht ausreichend, um die Auswirkungen auf das Gesundheitssystem genau abzuschätzen. Dem liegt zugrunde, dass Long COVID als Ursache bislang nicht systematisch erfasst wird und auch der Zugang zu den entsprechenden Versorgungsleistungen nicht uneingeschränkt gewährleistet ist. Auch können gesundheitliche Langzeitfolgen eine Inanspruchnahme des Versorgungssystems oder Arbeitsunfähigkeit begründen, wenn diese nicht als Post-COVID-19-Zustand erkannt und dokumentiert werden. Einige Studien berichten, dass Patientinnen und Patienten nach einer vorangegangenen COVID-19-Erkrankung z. T. über Wochen bis Monate arbeitsunfähig sind – unabhängig davon, ob ein Post-COVID-Zusatzkode vorliegt. Auch Analysen von ambulanten Versorgungsdaten in einer repräsentativen Stichprobe von Arztpraxen in Deutschland zeigten, dass 5,8 % der Erwachsenen mit COVID-19-Diagnose mindestens 4 Wochen nach der Diagnosestellung noch krankgeschrieben waren (Jacob et al. 2021). Darüber hinaus wurden nach Angaben der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) bereits für 339.223 Menschen Berufskrankheiten in Zusammenhang mit COVID-19 anerkannt (Stand: 30.06.2023).
Im Kontext des Sozialversicherungssystems ist davon auszugehen, dass gutachterliche Fragestellungen zu gesundheitlichen Langzeitfolgen von COVID-19 in Zukunft zunehmend relevant werden – auch in Hinblick auf mögliche Folgeerkrankungen (Tegenthoff et al. 2022). So zeigt eine umfassende Analyse von Daten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Deutschland, dass verschiedene körperliche und psychische Diagnose- und Symptomkomplexe bei Personen mit einer vorangegangenen COVID-19-Erkrankung deutlich häufiger dokumentiert wurden als bei Personen ohne eine nachgewiesene SARS-CoV-2-Infektion (Roessler et al. 2022). Die Gruppenunterschiede waren für Erwachsene, aber auch für Kinder und Jugendliche statistisch signifikant, wobei absolute Häufigkeiten von neu diagnostizierten Erkrankungen bei Erwachsenen häufiger vorkamen. Darüber hinaus zeigt eine deutsche Kohortenstudie bei hospitalisierten COVID-19-Erkrankten eine 180-Tages-Mortalität von 30 % und eine Re-Hospitalisierungsrate von 27 % (Günster et al. 2021).
Stand: 22.08.2023
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Seit den ersten Hinweisen auf längerfristige gesundheitliche Folgen einer SARS-CoV-2-Infektion Mitte 2020 sind international sowie in Deutschland eine Vielzahl an wissenschaftlichen Studien angelaufen. Nach wie vor ist Long COVID Gegenstand intensiver Forschung, da viele Fragen noch nicht abschließend geklärt sind: Welche genauen Krankheitsmechanismen liegen Long COVID zugrunde, wie äußert sich das Krankheitsbild, wie kann man Long COVID vorbeugen und welche Behandlung ist für wen gut geeignet. Eine intensive und kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen Grundlagenforschung, klinischer Forschung und epidemiologischer Forschung ist wichtig, um effektive Maßnahmen zur Prävention, Früherkennung und Behandlung von Long COVID zu entwickeln und umzusetzen (s. FAQ Was bedeutet Long COVID für die Gesundheitsversorgung in Deutschland?). Für Menschen, die besonders schwer und anhaltend von Long COVID betroffen sind (wie z. B. bei Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrom, ME/CFS), muss eine umfassende gesundheitliche Versorgung inkl. psychosozialer Unterstützung gewährleistet sein. Die Größenordnung der COVID-19-Pandemie hat zudem deutlich gemacht, wie wichtig die Erforschung von chronischen gesundheitlichen Langzeitfolgen nach Infektionskrankheiten (sog. postinfektiöse Syndrome) im Allgemeinen ist – auch im Zusammenhang mit der Vorbereitung auf zukünftige Pandemien.
In Deutschland hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) einen mehrjährigen Förderschwerpunkt zum Thema „Erforschung und Stärkung einer bedarfsgerechten Versorgung rund um die Langzeitfolgen von COVID-19 (Long COVID)“ eingerichtet. Ziel ist es, die Versorgung von Menschen mit Long COVID durch die Entwicklung von neuartigen und übertragbaren Versorgungsansätzen sowie deren Einbindung in bestehende Angebote nachhaltig zu verbessern, neues Wissen zu generieren und Kompetenzen zu vernetzen. Dabei wird die versorgungsnahe Forschung zu Long COVID bei Erwachsenen sowie bei Kindern und Jugendlichen in mehrjährigen Projekten umfangreich gefördert. Hierzu zählen z. B. die Nachfolgestudie des bundesweiten Verbundvorhabens COVIDOM+, sowie PAIS CARE Berlin. Im Rahmen des Förderprogramms des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) werden mit Mitteln des Innovationsfonds zudem Versorgungsforschungsprojekte zu postviralen Symptomkomplexen wie Long COVID und ME/CFS gefördert, wie z.B. KidsCarePVS, PAIS Berlin und BD-LC-PS. Darüber hinaus verbindet das Förderprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) die gezielte Projektförderung mit institutioneller Förderung zur Erforschung von Krankheitsbildern und möglichen Therapieansätze bei gesundheitlichen Langzeitfolgen nach einer SARS-CoV-2-Infektion. Bis 2024 wurden bereits zehn interdisziplinäre Forschungsverbünde zu Long COVID gefördert (u.a. die Medikamentenstudie ReCOVer und das Verbundprojekt PsyLoCo). Des Weiteren wurde der Aufbau einer Nationalen Klinischen Studiengruppe (NKSG) zum Post-COVID-Syndrom und ME/CFS an der Charité – Universitätsmedizin Berlin finanziert. Zudem wurden das Nationale Pandemie-Kohorten-Netz (NAPKON), die Forschungsplattform CoverCHILD und das COVIM-Konsortium als Teilvorhaben des vom BMBF geförderten Netzwerks Universitätsmedizin (NUM) finanziert, welches anhand von klinischen Kohorten eine längerfristige Beobachtung von Patientinnen und Patienten nach SARS-CoV-2-Infektion ermöglicht. Auf Bevölkerungsebene werden Gesundheitsveränderungen durch die COVID-19-Pandemie in der vom BMBF geförderten NAKO Gesundheitsstudie untersucht. Darüber hinaus finden vielfältige Forschungsaktivitäten zu Long COVID an den zum Großteil durch das BMBF finanzierten Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG) statt, wie z.B. FEDORA. Weitere Forschungsaktivitäten zu Long COVID werden in Kooperation mit Krankenkassen und Versorgungseinrichtungen durchgeführt, sowie mit Finanzierung der Bundesländer – wie z.B. im Rahmen der EPILOC Studie und des Kompetenznetz Post-COVID in Baden-Württemberg sowie dem COVID-19 Forschungsnetzwerk Niedersachsen (COFONI).
Stand: 31.01.2025
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Das RKI führt fortlaufend die wissenschaftliche Evidenz zu Long COVID zusammen und stellt diese in regelmäßig aktualisierten Dokumenten auf der Long COVID Homepage des RKI zur Verfügung (FAQs). Zudem wurde ein Übersichtsartikel zu Long COVID im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht (Nübel et al. 2022). Darüber hinaus werden am RKI auch systematische Bestandsaufnahmen der Literatur in Kooperation mit externen Partnern durchgeführt, um Häufigkeit und Art gesundheitlicher Langzeitfolgen von COVID-19 besser einschätzen zu können (Franco et al. 2022a; Franco et al. 2022b).
Darüber hinaus wurden in die aktuell laufenden Verlaufsstudien des Corona-Monitorings am RKI sowohl auf regionaler Ebene (CoMoLo) als auch auf bundesweiter Ebene (CoMoBu) Fragen zu Long COVID eingebracht. Dies soll Vergleiche von Personen mit und ohne SARS-CoV-2-Infektion in Hinblick auf Symptome, Lebensqualität, Inanspruchnahme medizinischer Versorgung und gesundheitsbedingte Einschränkungen im Alltag ermöglichen. Darüber hinaus wurden Fragestellungen zu Long COVID soweit wie möglich in verschiedene laufende epidemiologische Studien des RKI zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen eingebracht. Hierzu zählen die Studie „Kindergesundheit in Deutschland aktuell“ (KIDA) und die Nachbeobachtungsphase zur Corona-KiTa-Studie, zu welcher auch das Modul COALA zählt.
Zudem werden unter Beteiligung des RKI Daten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) genutzt, um Häufigkeit, Dauer und Beeinträchtigungsgrad von Long COVID in Deutschland bei Erwachsenen als auch bei Kindern und Jugendlichen zu untersuchen (Roessler et al. 2022; Tesch et al. 2023). In Kooperation mit sechs Krankenkassen und wissenschaftlichen Partnern in der Versorgungsforschung konnte in einer ersten Analyse von Daten aus dem Jahr 2020 gezeigt werden, dass nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern und Jugendlichen noch Monate nach einer dokumentierten SARS-CoV-2-Infektion signifikant häufiger körperliche und psychische Gesundheitsprobleme neu diagnostiziert wurden als bei sorgfältig gematchten Vergleichspersonen ohne dokumentierte SARS-CoV-2-Infektion.
Auf der Grundlage dieser Arbeiten war das RKI in der zweiten Jahreshälfte 2021 aktiv an der Arbeit der Interministeriellen Arbeitsgruppe (IMA) zur Synthese von Forschungs- und Handlungsbedarf zu Long COVID beteiligt. Darüber hinaus konnte Ende 2021 mit Förderung des Bundesministeriums für Gesundheit das Projekt „Postakute gesundheitliche Folgen von COVID-19“ (Projektlaufzeit: 01.12.2021–31.12.2023) am RKI aufgenommen werden.
Stand: 22.08.2023
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- BMG-Initiative Long COVID
- AWMF Patientenleitlinie "Post-COVID/Long-COVID"
- Nationales Gesundheitsportal: Long-COVID
- Ärzte- und Ärztinnenverband Long COVID
- infektionsschutz.de: Long COVID
- Initiative "Long COVID Deutschland"
- Deutsche Krankenhaus Gesellschaft: Krankenhausverzeichnis
- Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen (NAKOS) - Selbsthilfe und Corona
- Fatigue Centrum der Charité Universitätsmedizin Berlin: Post-COVID-Syndrom und ME/CFS
- Deutsche Renteversicherung Bund: Reha bei Long COVID
- Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV): Long COVID und Post COVID
- Bundesärztekammer: Stellungnahme Post-COVID-Syndrom
- Long-COVID-Plattform: Long-COVID-Portal der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
- WHO-Broschüre: Empfehlungen zur Unterstützung einer selbstständigen Rehabilitation nach COVID-19-bedingter Erkrankung
Stand: 22.08.2023