Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ) zu Abwasser­surveillance

Stand:  31.10.2024

Vorteile der Überwachung von Krankheitserregern im Abwasser

  • Einige Krankheitserreger werden in einer ausreichend hohen Menge von infizierten Personen über den Stuhl oder andere Materialien (Urin, Speichel) ausgeschieden und können somit auch im Abwasser nachgewiesen werden. Dies ermöglicht eine teststrategie-unabhängige Überwachung der Zirkulation von Krankheitserregern, da hiermit auch die Ausscheidungen von Personen untersucht werden, die z.B. aufgrund einer milden Symptomatik nicht einer Erregerdiagnostik unterzogen werden. Abwasseruntersuchung bieten die Möglichkeit, den Trend der Erregerlast im Abwasser und zirkulierende Varianten bezogen auf eine bestimmte geografische Region und deren Bevölkerung zu ermitteln. Abwassersurveillance hat Limitationen (s.u.) und die Ergebnisse sollten nur in der Zusammenschau mit anderen Daten bewertet werden können.

    Stand:  13.07.2023

  • Prinzipiell ist es möglich die Nukleinsäuren von Erregern in Abwasserproben zu sequenzieren. Dies ermöglicht beispielsweise Virusvarianten von SARS-CoV-2 im Abwasser zu bestimmen und mehr über deren Zirkulation in der Bevölkerung zu lernen.

    Stand:  13.07.2023

  • Die abwasserbasierte Surveillance ist als ergänzendes Instrument zur Einschätzung der epidemiologischen Lage zu verstehen. Insbesondere wenn Unterschiede zu anderen Überwachungsparametern bestehen, sollten die Surveillancesysteme vergleichend betrachtet werden, um Ursachen auszumachen (z.B. Inanspruchnahme des Testangebots, Meldeverzögerungen, veränderte Virusausscheiderate durch unterschiedliche Virusvarianten oder veränderter Immunstatus). Anhand der gewonnen Erkenntnisse zur Infektionsdynamik aus der abwasserbasierten Surveillance kann z.B. mit einer Anpassung der Teststrategie reagiert werden.

    Stand:  13.07.2023

  • Eine frühere Erkennung der ansteigenden oder abfallenden Infektionsdynamik von SARS-CoV-2 im Vergleich zu anderen Surveillancesystemen ist u.a. abhängig von der vorherrschenden Virusvariante, der Teststrategie und dem Meldeverzug. Zur tatsächlichen Vorlaufzeit gibt es in der aktuellen Literatur unterschiedliche Angaben. Während in manchen Studien ein Vorlauf von bis zu drei Wochen beobachtet wurde, konnte in anderen Studien kein Vorlauf festgestellt werden.

    Stand:  13.07.2023

Probennahme und Nachweismethoden von Erregern im Abwasser

  • Es werden regelmäßig Abwasserproben aus den Zuläufen der jeweiligen Kläranlagen entnommen. In geeigneten Laboren werden die Proben zunächst aufbereitet, indem die enthaltenen Krankheitserreger aufkonzentriert und deren Nukleinsäuren isoliert werden. Anschließend lassen sich die meisten Erreger mittels PCR-Verfahren nachweisen, wenn sie in ausreichend hohen Konzentrationen in den Proben vorhanden sind. Für die weitere semiquantitative Bewertung muss eine Korrektur, z.B. über vorhandene virale Fäkalindikatoren oder Niederschlagsmengen zum Zeitpunkt der Probenahme erfolgen.

    Stand:  13.07.2023

  • Im Rahmen von AMELAG werden aktuell 168 Kläranlagen auf SARS-CoV-2 beprobt, dies entspricht einer Abdeckung von ca. 32%. Aktuell werden mindestens 80 Kläranlagen auf Influenza A- und B-Virus beprobt, was einer Abdeckung der Bevölkerung von mindestens 15% entspricht.

    Stand:  31.10.2024


  • Abwasser ist über den Tages- aber auch Wochenverlauf sehr heterogen zusammengesetzt. Unter der Woche fällt ein Großteil der humanen Abwasserfracht in den Morgenstunden an, am Wochenende verteilt sich dies eher über den gesamten Tag. Um möglichst eine repräsentative Abwasserprobe über den Tag zu erhalten, ist es deshalb notwendig, sogenannte Mischproben zu entnehmen. Das heißt, z.B. über den Verlauf von 24 Stunden werden kontinuierlich und automatisiert Proben von 0,5 Liter pro Stunde genommen, diese werden dann zu einer Gesamtprobe vereint, homogenisiert und anschließend als eine Analysenprobe von 1 Liter für das Labor vorbereitet. Damit erhält das Labor eine Probe, die repräsentativ die Abwasserzusammensetzung über einen Tag abbildet.

    Die Probenentnahme für die Abwassersurveillance erfolgt aktuell im Rohabwasser, das heißt unmittelbar nach der Grobreinigung des Abwassers.

    Stand:  13.07.2023

  • Die Proben können nach angepasster Anreicherung und Extraktion mit entsprechenden Verfahren relativ einfach für die PCR-Analytik aufbereitet werden. Kritisch ist jedoch, dass solche Abwasserproben für die Analyse nur ca. 4 – 7 Tage gekühlt bei 4°C gelagert werden können. Längere Lagerungsdauern, Lagerung bei Temperaturen über 4°C oder einfrieren des Rohabwassers führt zu einer signifikanten Reduktion des Analysenergebnisses.

    Stand:  13.07.2023

  • Um im Abwasser eindeutig Krankheitserreger nachzuweisen, wird das Verfahren der Polymerase-Kettenreaktion (englisch polymerase chain reaction, PCR) angewendet. Bei der PCR wird der genetische Fingerabdruck d.h. die Desoxyribonukleinsäure (englisch deoxyribonucleic acid, DNA) oder auch die Ribonukleinsäure (englisch ribonucleic acid, RNA) eines jeweiligen Erregers nachgewiesen. Dazu werden die Erregergene oder -genfragmente angereichert, vervielfältigt und im Anschluss detektiert. Die PCR zählt zu den wichtigsten Methoden der Molekularbiologie und wird heute als ein Routineverfahren eingesetzt.

    Stand:  13.07.2023

  • Eine Änderung der Labormethoden (z.B. bei der Probenaufbereitung oder bei der PCR-Analyse) kann zu einer Veränderung der Sensitivität führen. Dies kann sich in auffälligen Sprüngen im Kurvenverlauf widerspiegeln. Um dies zu kennzeichnen, werden Änderungen der Methoden im Wochenbericht durch eine vertikale, gestrichelte Linie gekennzeichnet.

    Stand:  10.07.2024

  • Aufgrund von Unterschieden in der Probenahme, Labortechnik, Normalisierung und erregerspezifischen Unterschieden sollten absolute Viruslasten nicht zwischen verschiedenen Standorten und Erregern verglichen werden. Veränderungen / Trends in den Viruslasten können jedoch verglichen werden.

    Stand:  31.10.2024

  • Im Rahmen der PCR-Analyse werden konform mit gängigen Qualitätsstandards Kontrollen durchgeführt, welche die Qualität und Richtigkeit der durchgeführten Analyse sicherstellen. Zusätzlich wird bei SARS-CoV-2 in einer PCR nicht nur ein, sondern zwei bis drei Gene vervielfältigt. Dieses redundante System kompensiert Analysefehler in einem Großteil der Fälle.

    Stand:  29.10.2024

  • Die Nachweisgrenze ist Mindestkonzentration eines Erregerbestandteils, die mittels PCR nachgewiesen werden kann.

    Die Bestimmungsgrenze ist Mindestkonzentration eines Erregerbestandteils, die mittels PCR gemessen bzw. quantifiziert werden kann.

    Stand:  29.10.2024

Datenfluss und Datenqualität

  • An jeder beteiligten Kläranlage werden Zulaufproben entnommen und entsprechende Begleitparameter der Probenahme (z.B. Wetterdaten, Volumenstrom, pH-Wert, Temperatur) übermittelt. Die Proben werden dann zu den Laboren geschickt und dort auf verschiedene Biomarker untersucht. Die Daten werden beim Umweltbundesamt auf Plausibilität und Qualität geprüft. Bei SARS-CoV-2 werden die Daten zudem normalisiert. Durch die Normalisierung werden Effekte von z.B. Regenereignissen ausgeglichen. Bei Influenza A- und B-Virus findet aktuell keine Normalisierung statt, da hier keine Verbesserung der Datenqualität erkennbar war.

    Stand:  29.10.2024

  • Die Genkonzentrationen werden zunächst mittels Zehnerlogarithmus transformiert. Die resultierenden Werte oder Aggregationen dieser Werte (z.B. wöchentliche Mittelwerte oder Mittelwerte über verschiedene Standorte) werden mittels einer lokal gewichteten Regression (LOESS-Methode) geglättet. Konfidenzintervalle für die geglätteten Werte werden punktweise basierend auf dem entsprechenden Quantil der t-Verteilung berechnet. Für die Berechnung von Trends werden die geglätteten Werte zurück auf die Originalskala transformiert und der prozentuale Unterschied zur Vorwoche berechnet. Das LOESS-Verfahren verwendet eine lokal gewichtete Regressionsfunktion, sodass in die Vorhersage einer Viruslast auf der LOESS-Kurve ein bestimmter Anteil aller beobachteter Viruslasten um den Messwert herum einbezogen wird, wobei der Einfluss mit der Entfernung zum Zeitpunkt der vorherzusagenden Viruslast abnimmt. Die Kurve, auf der die vorhergesagten Viruslasten liegen, werden für jede Analyse (auf Standort-Ebene oder aggregierter Ebene) einzeln geschätzt. Der Anteil an einzubeziehenden Viruslasten wird für jeden Standort mit Hilfe des Akaike-Kriteriums mit Korrekturfaktor (AICc) festgelegt, welches die Vorhersagegüte der Kurve optimiert. Daraus ergeben sich eine glatte Kurve und für jeden Zeitpunkt (auch zwischen den Messzeitpunkten) eine vorhergesagte Viruslast. Da zur beschriebenen Schätzung der LOESS-Kurve alle Messzeitpunkte berücksichtigt werden, kann es vorkommen, dass neu dazugekommene Werte die LOESS-Kurven der vergangenen Wochen im Nachhinein verändern.

    Stand:  12.10.2023

  • Ja, auch in anderen Ländern werden Abwasserproben regelmäßig auf verschiedene Krankheitserreger, wie z.B. SARS-CoV-2 und Influenza A- und B-Virus, untersucht. Die abwasserbasierte Surveillance gewinnt global an Bedeutung und wird in vielen Staaten auf- und ausgebaut.

    Stand:  29.10.2024

  • Die Normalisierung der SARS-CoV-2-Daten wird anhand des Trockenwetterzuflusses der jeweiligen Kläranlage vorgenommen. Damit werden Verdünnungseffekte von z.B. Niederschlägen und Tauwetter kompensiert.

    Im Vorhaben AMELAG wird das Verhältnis aus Volumenstrom im Probenahmezeitraum (QKA,aktuell) und dem Trockenwetterzufluss (QKA,median) gebildet und anschließend mit dem geometrischen Mittel der vorliegenden PCR-Messwerte multipliziert („Gene gemittelt“). Zur Bestimmung des Trockenwetterzuflusses wird der Median aller bisher übermittelten Werte des Volumenstroms der Kläranlage verwendet.

    Gene normalisiert = (QKA,aktuell / QKA,median) * Gene gemittelt.
    © RKI

    Bei Influenza A- und B-Virus findet aktuell keine Normalisierung statt, da hier keine Verbesserung der Datenqualität erkennbar war.

    Stand:  29.10.2024

  • Bei SARS-CoV-2 werden mindestens zwei Genbereiche gemessen. Liegt mindestens die Hälfte der Werte unterhalb der Bestimmungsgrenze, wird die Hälfte der Bestimmungsgrenze als Wert zur Berechnung verwendet.

    Bei Influenza A- und B-Virus wird zumeist ein Genbereich gemessen. Liegt der Wert unterhalb der Bestimmungsgrenze, wird die Hälfte der Bestimmungsgrenze zur Berechnung verwendet.

    Die Bestimmungsgrenzen unterscheiden sich je nach Labormethode und Erreger bzw. Genbereich.

    Stand:  29.10.2024

Limitationen der Abwassersurveillance

  • Möglich sind grundsätzlich Trendanalysen der Infektionsdynamik. Die genaue Bestimmung von Inzidenzen (neu auftretenden Fällen) bzw. Prävalenzen (Häufigkeit in der Bevölkerung) und einer möglichen Untererfassung ist nach aktuellem Stand bei einer Gemeinde oder Stadt mit dynamischer Population nicht möglich, da zu viele Parameter unbekannt sind (z.B. wie viele Viren werden wie lange pro infizierter Person ausgeschieden; Ausscheideraten sind außerdem abhängig von Virusvarianten und Immunstatus). Durch unterschiedliche Standortbedingungen und Virusmutationen wird immer wieder eine Anpassung der Analyseverfahren und Modellierungen erforderlich sein.

    Stand:  13.07.2023

  • Die abwasserbasierte Surveillance ist unabhängig von der Teststrategie und dem Testverhalten der Bevölkerung. Durch unterschiedliche Probenahmestrategien und Analyseverfahren können zudem verschiedene Fragestellungen beantwortet werden. Während bei einer Einzelfalltestung konkrete Maßnahmen für die Person ableitbar sind, ist dies beim Abwasser nicht möglich. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass durch die abwasserbasierte Surveillance der Trend der Infektionsdynamik von SARS-CoV-2 beschrieben werden kann. Die Ergebnisse der abwasserbasierten Surveillance müssen im Kontext anderer Surveillancesysteme betrachtet werden, um einen Mehrwert für das Lagemanagement generieren zu können.

    Stand:  13.07.2023

  • Da mit Hilfe von Abwassertestungen nicht zu allen Aspekten der öffentlichen Gesundheit Aussagen getroffen werden können, stellt dieses Instrument eine Ergänzung zu anderen Surveillancesystemen dar. Zu folgenden Aspekten ist keine Aussage möglich: Virulenz und klinischen Relevanz der nachgewiesenen Erreger bzw. deren Varianten, Schwere der Erkrankung, Belastung des Gesundheitswesens, betroffene Bevölkerungsgruppen (Geschlechts- oder Altersverteilung), Risikofaktoren und protektive Faktoren, Impfeffektivität. Ableitungen personenbezogener Infektionsschutzmaßnahmen sind ebenfalls nicht möglich.

    Stand:  13.07.2023

Künftiger Forschungsbedarf

  • Prinzipiell lassen sich viele verschiedene Krankheitserreger im Abwasser nachweisen. Für das Poliovirus ist die Abwassersurveillance bereits seit vielen Jahrzehnten ein etabliertes Überwachungsinstrument in einigen Ländern. Hierbei sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen: z.B. die Relevanz für die Öffentliche Gesundheit, mögliche Maßnahmen oder die Gefahr der Wiedereinschleppung eines Erregers. Im Vorhaben AMELAG werden Abwasserproben aktuell auf SARS-CoV-2 sowie auf Influenza A- und B-Virus untersucht. Zudem wird der Nutzen der Abwassersurveillance für das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) und antibiotikaresistente Bakterien geprüft.

    Stand:  29.10.2024

  • Die Daten der Abwassersurveillance finden sich an verschiedenen Stellen im Internet wieder. Vollumfänglich veröffentlicht werden die Daten im Rahmen der Open Data Policy des RKI auf GitHub und Zenodo (https://github.com/robert-koch-institut/Abwassersurveillance_AMELAG und https://zenodo.org/records/10782702). Ein ausführlicher epidemiologischer Bericht inklusive Einschätzung der Lage findet sich im Wochenbericht der Abwassersurveillance (). Teile der Daten fließen ebenfalls in den ARE-Wochenbericht (https://influenza.rki.de/Wochenberichte.aspx) und in das Pandemieradar am Bundesministerium für Gesundheit (https://infektionsradar.gesund.bund.de/de).

    Stand:  21.02.2024

Übertragung bzw. Kontamination

  • Infektiöse SARS-CoV-2 wurden bisher im Rohabwasser nicht nachgewiesen. Im Stuhl von infizierten Personen wurden in einigen wenigen Fällen infektiöse Viren nachgewiesen, welche über die Abwässer in die Kläranlage gelangen könnten. Im Rohabwasser, vor der Behandlung in der Kläranlage, wurde bislang lediglich das Erbgut, das heißt die RNA des Virus detektiert. Bei der SARS-Epidemie von 2002/2003 wurden nur in wenigen Fällen infektiöse Viren des nah verwandten SARS-CoV-1 aus Krankenhausabwässern isoliert.

    Stand:  13.07.2023