Auswirkungen des Klimawandels auf Infektionskrankheiten
Stand: 29.11.2023
Zoonosen
EuBatVir
Zusammenarbeit mit dem Landratsamt Forchheim zur Verbreitung von Fledermausspezies in Deutschland. Inwiefern beeinflusst der Klimawandel die Migration unterschiedlicher Fledermausspezies (und ihrer Viren) innerhalb Europas. Untersucht werden nicht invasiv genommene Proben zur Identifizierung bekannter und neuartiger viraler Erreger. Diese werden in in-vitro-Modellen charakterisiert. Die molekularbiologischen Bestimmungen der Fledermausspezies unterstützen bei der Auswertung des Migrationsverhaltens der Fledermäuse.
Projektlaufzeit 01.08.2021 - 31.07.2024
European bats as carriers of viruses with zoonotic potential (Viruses, 2014)
Update on Potentially Zoonotic Viruses of European Bats (Vaccines (Basel), 2021)
Vorarbeiten:
The virome of German bats: comparing virus discovery approaches (Scentific Reports, 2021)
First detection of bat-borne Issyk-Kul virus in Europe (Scientific Reports, 2020)
Novel paramyxoviruses in free-ranging European bats (PLoS One, 2012)
AusBatVir
Langjähriges Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit dem CSIRO, Australian Animal Health Laboratory, Geelong und der AUSTROP Research Station im Daintree Rainforest, Australien. Der Daintree ist einer der ältesten, unberührten Regenwälder der Welt und dort heimische Flughund- und Fledermausarten leben dort relativ geschützt und ungestört. Da der Klimawandel in den letzten Jahren auch im Daintree immer stärker sichtbar wird (vermehrtes Auftreten von Waldbränden, Dürreperioden und Tropenstürmen), bietet sich hier eine seltene Gelegenheit die Auswirkungen des Klimawandels auf die Virusprävalenz, Virusevolution und Diversität in einem recht nativen Habitat zu untersuchen.
Das Projekt läuft seit 01.10.2015
ZooLanka
Engmaschiges Monitoring von Flughunden als Reservoir des hochpathogenen Nipah Virus in Sri Lanka. Über Cortisolmessungen im ausgeschiedenen Urin der Flughunde wird deren tagesaktueller Stressstatus ermittelt. Die erhaltenen Daten werden mit aktuellen Klimadaten und auftretenden Wetterphänomenen (Dürre, ungewöhnliche Niederschlagsmengen, Tropenstürme) sowie Virusausscheidung korreliert. Ziel ist es, den Einfluss solcher Wetterlagen auf die Virusausscheidung zu ermitteln und ggf. Präventionsmaßnahmen ergreifen zu können. Im zweiten Teil des Projekts geht es um das Monitoring wildlebender Nagetiere als potentielle Überträger humanpathogener Pockenviren. Auch hier soll der Einfluss des Klimas auf die Verbreitung der Nagetiere und damit der Viren untersucht werden.
Projektlaufzeit 01.01.2022 - 31.12.2024
IDEA
In einem Teilprojekt des Projekts IDEA, das innerhalb des Global Health Protection Programme (GHPP) durchgeführt wird, werden im Rahmen einer Kooperation mit der Universität Colombo (Zoologie) Aspekte des Klimawandels in Bezug auf die Ökologie von Wirten untersucht. Ökologische Aspekte spielen eine Rolle bzgl. der Ausscheidung viraler Erreger und Prävalenz möglicher Reservoirspezies (hier insektivore Fledermäuse). So wird neben der Ausscheidung von Viren auch das Mikrobiom, die Verfügbarkeit von Insekten als Nahrungsquelle sowie das saisonale Migrationsverhalten analysiert. All diese Marker (und somit die mögliche Virustransmission) werden durch den Klimawandel direkt beeinflusst.
Projektlaufzeit 01.07.2017 - 31.12.2022
IDEA: Global Health Protection Programme (ghpp.de)
Molecular identification of bats from Wavulgalge cave, Wellawaya, Sri Lanka (bioRxiv, 2021)
Vektorübertragene Erkrankungen
Zecken und ihre Pathogene im Klimawandel (Zeckenplattform, ZEPAK 2020)
Es ist anzunehmen, dass sich durch den Klimawandel begünstigt die Zeckenfauna regional verändert hat. Neue Zeckenarten zeigen ein anderes Verhalten und können potentiell neue Pathogene übertragen. Ziel ist es, eine Struktur zu entwickeln, mit der es möglich wird, Zecken und ihre Pathogene zu bestimmen, Betroffene einzubeziehen und aufzuklären. Durch Aufklärungsmaßnahmen soll über exotische Zecken und über durch sie übertragene Krankheiten aufgeklärt werden. Eben durch diese Aufklärung werden Bürgerinnen und Bürger in einem Citizen Science Projekt motiviert, Zecken zu sammeln und dem RKI zur Verfügung zu stellen. In dem zentralen Werkzeug des Projektes werden diese Parasiten sowie deren ggf. gefundenen Pathogene auf einer Online-Zeckenplattform erfasst und Informationen über das Vorkommen von Zecken und durch sie übertragene Krankheiten zur Verfügung gestellt.
Projektlaufzeit 1.7.2020 - 31.12.2020
Wissenschaftskommunikation zu: Invasive Zecken und ihre Pathogene im Klimawandel (ZEPAK 2021)
Ziel des Projektes ist es, so viele Menschen wir möglich über Zecken und zeckenübertragene Erkrankungen aufzuklären.
In ZEPAK 2020 stand ein Atlas im Fokus, in dem nicht nur Zecken, sondern auch ihre Pathogene dargestellt werden können. Diese Plattform soll hier erweitert werden und auch von anderen Zeckenkompetenzzentren genutzt werden.
Des Weiteren soll die Kooperation zwischen den Institutionen verbessert werden. Jede Einrichtung soll sich auf dem Internetforum darstellen können. Der Ansatz, wichtige Multiplikatoren einzusetzen, um Zeckenwissen zu vermitteln, soll ausgebaut werden. Über diese Kontakte lassen sich Sammelgebiete ausdehnen, die auch eine systematische Erfassung von Zecken zulassen. Hierdurch kann deutschlandweit ein umfassenderes Bild zur Zeckenfauna entstehen und entsprechend kann die Kommunikation verbessert werden.
Projektlaufzeit 1.6.2021 - 31.03.2022
Surveillance der West-Nil-Virusinfektionen beim Menschen in Deutschland
Nachdem 2018 das West-Nil-Virus (WNV) erstmalig bei Vögeln und Pferden in Deutschland nachgewiesen wurde, sind seit 2018 auch autochthone stechmücken-übertragene Infektionen beim Menschen in Deutschland bekannt. Wärmere und längere Sommer in Deutschland verlängern möglicherweise die Übertragungssaison und führen dadurch zu höheren Fallzahlen.
Es handelt sich um fortlaufende Surveillance (Analyse der Zeittrends, geographische Ausbreitung, One Health-Aspekte, u.a.). Menschliche Infektionen mit WNV sind seit 2016 meldepflichtig. Bei zunehmenden Fallzahlen in den nächsten Jahren ggf. zusätzliche Erhebungen zu Expositionsrisiken und weiteren epidemiologischen und klinischen Charakteristika.
Surveillance der Lyme-Borreliose in Deutschland
Die Lyme-Borreliose tritt überwiegend zwischen 40 und 60 Grad nördlicher Breite auf. Klimatische Faktoren können die Häufigkeit der übertragenden Zecken (Ixodes spp.) und die Häufigkeit von Lyme-Borreliose beeinflussen. Der Klimawandel kann in einigen Regionen zu milden und nassen Wintern und wärmeren Frühlingen führen. Dies würde den Zeitraum (und möglicherweise den geographischen Bereich) der Zeckenaktivität verlängern und die Zeckendichte erhöhen. Andererseits sind heiße, trockene Sommer für die meisten Ixodes-Zecken weniger geeignet. Darüber hinaus könnten klimatische Auswirkungen auf das Verhalten der Menschen und deren Kontakthäufigkeit mit Zecken beeinflussen. Wir analysieren und publizieren regelmäßig Zeittrends und geographische Ausbreitung bei gemeldeten Erkrankungsfällen der Lyme Borreliose.
Incidence of notified Lyme borreliosis in Germany, 2013-2017 (Scientific Reports, 2018)
Surveillance der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) in Deutschland
In Deutschland wird die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) hauptsächlich von Ixodes ricinus Zecken saisonal übertragen, vor allem in den FSME-Risikogebieten im Süden und der Mitte des Landes, siehe www.rki.de/fsme-karte. In den letzten Jahren kamen vermehrt auch nördlicher gelegene FSME-Risikogebiete hinzu. Etwa 3% der jährlichen Meldefälle treten zudem außerhalb der Risikogebiete auf. Die Anzahl der FSME-Erkrankungen schwankt von Jahr zu Jahr und wird von vielzähligen klimatischen und ökologischen Faktoren sowie dem menschlichen Verhalten beeinflusst. Klimatische Veränderungen, insbesondere mildere Winter, könnten zu einem früheren Beginn der Zeckenaktivität im Frühling führen. In heißen, trockenen Sommern ziehen sich Zecken in feuchtere Vegetationsschichten zurück.
Wir werten die Epidemiologie der FSME anhand der Meldedaten aus und aktualisieren jährlich die Karte der Risikogebiete. Während einer Studie „Intensivierte Surveillance der FSME“ von 2018–2022 wurden u.a. die Eigenschaften der FSME-Infektionsorte sowie die Risikofaktoren für eine FSME-Erkrankung (z.B. Outdoor-Verhalten) detaillierter untersucht.
Epidemiology of Tick-Borne Encephalitis (TBE) in Germany, 2001-2018 (Pathogens, 2019)
Trends in Borrelia burgdorferi -Seropositivität und assoziierten Faktoren in der Bevölkerung in Deutschland
Im Rahmen der bundesweiten repräsentativen Studien zur Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland (BGS98, DEGS, KiGGS Basiserhebung und KiGGS Welle 2) wurden in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Referenzlabor in Oberschleißheim serologische Untersuchungen zum Vorkommen von Borrelia burgdorferi-Antikörpern durchgeführt. Aus diesen Seroprävalenz-Studien konnten erste wichtige Informationen zur Verteilung von Infektionen mit B. burgdorferi in der Bevölkerung in Deutschland gewonnen werden. Die Ziele der Studien sind eine Ermittlung der Inzidenz von Erstinfektionen mit B. burgdorferi in Deutschland. Dabei wurden wichtige Determinanten wie Alter, Geschlecht und geografische Region berücksichtigt, um gegebenenfalls Präventionsmaßnahmen anpassen zu können. Darüber hinaus liefern die Studien aussagekräftige Ergebnisse zum Ausmaß der zeitlichen Veränderung dieser vektorübertragenen Krankheit in Deutschland und leisten somit auch einen wertvollen Beitrag in der wissenschaftlichen Diskussion bezüglich der Auswirkungen des Klimawandels auf die öffentliche Gesundheit in Deutschland.
Böhm S., Woudenberg T., Böhmer, M., Katz, K., Willrich, N., Stark, K., Kuhnert, S., Schlaud, M., Fingerle, V., Wilking, H. 2020. Seroprevalence, seroconversion and seroreversion of Borrelia burgdorferi-specific antibodies using two population-based studies in children and adolescents in Germany (KiGGS), 2003–2006 and 2014–2017. 2021. Presentation at Zoonoses 2021 – International Symposium on Zoonoses Research
Anzahl der Neuroborreliosefälle in Deutschland – aNBord-Studie und Kinder-aNBord
Die Neuroborreliose stellt eine schwer-verlaufende Manifestation der Lyme-Borreliose dar, für die zurzeit keine bundesweite Meldepflicht besteht. Es existieren für die Einschätzung der Inzidenz in Deutschland bislang keine verlässlichen Zahlen. Ziel der Studie ist eine Schätzung der Inzidenz der Neuroborreliose-Erkrankungen bei Kindern und Erwachsenen in Deutschland, die eine Krankenhausbehandlung benötigen.
Das Projekt läuft seit 2017.
Wasserbürtige Infektionen
Humanpathogene Nicht-Cholera-Vibrionen in Deutschland / Klima-assoziierte Vibrioinfektionen beim Menschen
Es gibt in Deutschland bisher kaum systematische Untersuchungen zu humanpathogenen non-O:1/non-O:139-V. cholerae, sowie anderen humanpathogenen Vibrionen wie V. vulnificus und V. parahaemolyticus, obwohl diese in Deutschland vorkommen und teilweise schwere Krankheitsverläufe z.T. mit Todesfolge verursachen. Durch die Zunahme der globalen und europäischen Gewässertemperaturen, insbesondere während Hitzeperioden, wird die Ausbreitung von Vibrio spp. in aquatischen Lebensräumen begünstigt, dies hat in den letzten Jahren zu einer stetigen Zunahme von Infektionen in Deutschland geführt. In ZBS2 wird daher in verschiedenen Studien und anhand von Infektionsmodellen die Rolle von potenziellen Virulenzfaktoren während des Infektionsgeschehens untersucht. Auch die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen wird gemonitort. Über Vollgenom-basierte Typisierungsassays werden zudem die Populationsstrukturen verschiedener humanpathogener Vibrio-Arten analysiert und mögliche Infektketten aufgeklärt.
Ziel ist ein besseres Verständnis für Infektionsverläufe, sowie Grundlagen für verbesserte Handlungsempfehlungen zur Identifikation und Therapieempfehlungen von Vibrio-Infektionen beim Menschen zu schaffen.
Das Projekt läuft in Teilen seit 06.2018
Heatwave-associated Vibrio infections in Germany, 2018 and 2019 (Eurosurveillance, 2021)
Surveillance von Vibrio-Infektionen beim Menschen in Deutschland (seit 2017)
Neben dem Erreger der Cholera (verursacht durch V. cholerae O:1 und seltener O:139), die in Deutschland ausschließlich als importierte Infektion vorkommt, nehmen Infektionen des Menschen durch Nicht-Cholera-Vibrionen in Deutschland und Europa stetig zu. Nicht-Cholera-Vibrionen können vor allem Wund-, Darm- und Ohrinfektionen (Letztere vor allem bei Kindern) auslösen und kommen als normale Flora in fast allen europäischen Meeren und Brackwassern, aber z.B. auch in Nordamerika vor. In Deutschland betroffen sind vor allem die Ostsee, weniger die Nordsee, aber vereinzelt auch Binnengewässer - mit hohen Keimzahlen vor allem, wenn im Sommer hohe Wassertemperaturen erreicht werden. Nach Kontakt mit Wasser und vereinzelt auch Meerestieren erkranken an den teilweise auch schwer verlaufenden Wundinfektionen vor allem ältere Menschen und solche mit schweren Vorerkrankungen. Die Häufigkeit des Auftretens dieser Infektionen ist klimasensitiv. In wärmeren und längeren Sommern ist mit höheren Fallzahlen an Infektionen zu rechnen, vor allem auch durch importierte Fälle von Reiserückkehrern aus dem europäischen Raum, aber auch dem Rest der Welt.
Quantifizierung und Charakterisierung von Nicht-Cholera-Vibrionen aus der Ostsee - eine Sommersurveillance (Jan 2023 – Dez 2023)
Am Beispiel des Standorts Rostock/Warnemünde soll eine systematische Keimzahlüberwachung und Analyse der aufgefundenen nicht-Cholera-Vibrionen über den Sommer 2023 erfolgen. Durch die Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IWO) besteht hier die Möglichkeit einer engmaschigen Surveillance. Die Ergebnisse werden dazu beitragen, die vorliegenden Daten zu klinischen Proben, die von Patienten mit Verdacht auf Vibrio-Infektionen eingesandt werden, zu komplementieren. Dies kann dazu beitragen, ein detailliertes Gesamtbild zur Entwicklung der Keimzahlbelastung durch nicht-Cholera-Vibrionen in der Ostsee im saisonalen Jahresverlauf zu erhalten, was besonders im Hinblick auf den fortschreitenden Klimawandel von zunehmender Bedeutung ist.
Mykosen
Surveillance der Kryptokokkose: Humane Infektionen und Umweltnischen
Die Kryptokokkose ist die häufigste Pilzinfektion des zentralen Nervensystems des Menschen. Weltweit werden die meisten Infektionen durch Cryptococcus neoformans verursacht und bei Patienten mit eingeschränktem Immunsystem diagnostiziert. Die Schwesterart Cryptococcus gattii wurde zunächst in tropischen Regionen nachgewiesen. Seit einem prolongierten Ausbruch von Infektionen durch C. gattii bei Patientinnen und Patienten ohne Immundefekt an der Nordamerikanischen Westküste werden Infektionen durch diesen Pilz weltweit untersucht, um Umweltnischen und Verteilungsmechanismen zu verstehen. Wir wenden molekulare Typisierungsverfahren und Infektionsmodelle an um Kryptokokkoseerreger in Deutschland geno- und phänotypisch zu charakterisieren, um Änderungen des Erregerspektrums zu untersuchen. Im Gegensatz zu anderen Pilzen werden molekulare Typisierungsverfahren für Erreger der Kryptokokkose weltweit angewendet und geben daher einen Einblick in die Verbreitung sowohl in der Umwelt als auch in klinischen Proben von Patientinnen und Patienten mit Kryptokokkose.
Das Projekt läuft seit 2015.
Klimawandel und systemische Pilzinfektionen (Bundesgesundheitsblatt, 2019)