Themenblatt: Schwangerschaft
Stand: 08.10.2020
Kernaussagen
- Laut der Bundesauswertung Geburtshilfe (2017) waren 15,7 % der schwangeren Frauen zu Beginn der Schwangerschaft von Adipositas betroffen.
- Bei 5,9 % der schwangeren Frauen wurde laut der Bundesauswertung Geburtshilfe (2017) ein Gestationsdiabetes festgestellt.
- 5,5 % der schwangeren Frauen haben laut der Bundesauswertung Geburtshilfe (2016) in der Schwangerschaft geraucht.
Hintergrund
In der Schwangerschaft werden Weichen für ein gesundes Leben des Kindes gestellt. Hierzu ist es wichtig, dass sich der Fötus in einem möglichst gesunden Umfeld entwickelt. So können unter anderem Erkrankungen der Mutter (z. B. Diabetes), die Aufnahme gesundheitsschädlicher Substanzen (z. B. Nikotin und Alkohol) sowie eine Unter- oder Überversorgung des ungeborenen Kindes mit Nährstoffen dessen Entwicklung beeinträchtigen und bis ins Erwachsenenalter negative gesundheitliche Folgen haben [1]. Verantwortlich hierfür sind so genannte entwicklungsbiologische Programmierungsprozesse, die strukturelle und funktionelle Veränderungen in Genen, Zellen, Geweben und Organen hervorrufen und somit lebenslang die Gesundheit beeinflussen können. Auch wenn sich die Wissenschaft weitgehend einig über den Einfluss pränataler Faktoren auf die menschliche Gesundheit ist, besteht bezüglich der Relevanz einzelner Einflussfaktoren und den zugrunde liegenden Wirkmechanismen weiterhin Forschungsbedarf.
Für die Entwicklung von Adipositas im Kindes- und Jugendalter werden verschiedene pränatale Einflussfaktoren diskutiert [2, 3]. So begünstigt vor allem starkes Übergewicht der Mutter zu Beginn der Schwangerschaft die Entwicklung kindlicher Adipositas und ihrer Folgeerkrankungen [4]. Als Ursache hierfür wird unter anderem eine Überversorgung des Fötus mit Nährstoffen gesehen, welche ein hohes Geburtsgewicht fördern kann (siehe Themenblatt: Geburtsgewicht). Auch Diabetes und Schwangerschaftsdiabetes werden als Risikofaktoren für die Entwicklung von Adipositas im Kindes- und Jugendalter genannt [5, 6]. Als Erklärung für diesen Zusammenhang wird vor allem eine erhöhte Versorgung des Fötus mit Zucker angeführt. Eine sehr hohe Gewichtszunahme im Verlauf der Schwangerschaft kann ebenfalls zu einer Risikoerhöhung beitragen, tritt aber von ihrer praktischen Bedeutung deutlich hinter mütterlichem Übergewicht und Gestationsdiabetes zurück [7]. Darüber hinaus kann Rauchen während der Schwangerschaft die Entwicklung kindlicher Adipositas begünstigen [8-10]. Dies wird auf die negativen Auswirkungen von Nikotin und Kohlenmonoxid auf die Entwicklung des Fötus zurückgeführt. Insgesamt sollte hinsichtlich der pränatalen Einflussfaktoren kindlicher Adipositas berücksichtigt werden, dass die identifizierten Faktoren und die zugrunde liegenden Wirkmechanismen bisher noch nicht ausreichend erforscht sind. Es ist also nicht auszuschließen, dass die beobachteten Zusammenhänge teilweise oder vollständig durch Korrelationen mit anderen pränatalen Faktoren oder durch genetische und lebensstilbezogene Faktoren verursacht werden [3].
Indikatoren und Datenquellen
Indikatoren für die pränatalen Einflussfaktoren kindlicher Adipositas sind der Anteil der Schwangeren, die bei der Erstuntersuchung einen Body-Mass-Index (BMI) von 30 kg/m2 oder mehr aufwiesen (Indikator E.1.1), der Anteil der Frauen, die in der Schwangerschaft 30 % oder mehr an Körpergewicht zugenommen haben (Indikator E.1.2), der Anteil der Frauen, bei denen in der Schwangerschaft Diabetes oder Gestationsdiabetes festgestellt wurde (Indikator E.1.3) und der Anteil der Frauen, die während der Schwangerschaft geraucht haben (Indikator E.1.4).
Datenquelle ist die jährliche Bundesauswertung Geburtshilfe des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) [11]. Dabei handelt es sich um ein Qualitätssicherungsverfahren, das in Deutschland seit 2001 etabliert ist und in dem umfassende Daten zu allen Geburten, die in einem Krankenhaus stattgefunden haben, erhoben werden. Die Bundesauswertung Geburtshilfe wird seit dem Jahr 2015 vom IQTIG durchgeführt. Für die Jahre 2009 bis 2014 wurde auf die Berichte des Instituts für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (AQUA) [12] und für die Jahre 2001 bis 2008 auf die Veröffentlichungen des Instituts für Qualität und Patientensicherheit (BQS) [13] zurückgegriffen.
Ergebnisse
Laut Bundesauswertung Geburtshilfe (2017) wiesen 15,7 % der schwangeren Frauen bei der Erstuntersuchung einen BMI von 30 kg/m2 oder mehr auf (Indikator E.1.1). Dieser Anteil ist in den vergangenen Jahren gestiegen: Im Jahr 2005 wurde nur bei 11,9 % der werdenden Mütter starkes Übergewicht diagnostiziert.

Der Anteil der Frauen, die in der Schwangerschaft 30 % oder mehr an Gewicht zugenommen haben, ist in den letzten Jahren mit etwa 17 % relativ konstant geblieben (Indikator E.1.2).

Die Diabetesprävalenz hat sich bei schwangeren Frauen in den vergangenen Jahren nur geringfügig verändert und betrug im Jahr 2017 etwa 1 % (Indikator E.1.3a). Anders verhält es sich mit der Diagnose von Gestationsdiabetes. Der Anteil der schwangeren Frauen, bei denen Gestationsdiabetes festgestellt wurde, ist von 1,3 % im Jahr 2001 auf 5,9 % im Jahr 2017 gestiegen (Indikator E.1.3b).

Bezüglich des Rauchens während der Schwangerschaft, ist ein rückläufiger Trend zu beobachten (Indikator E.1.4). Während im Jahr 2001 noch 12,5 % der werdenden Mütter angaben, zu rauchen, waren es im Jahr 2016 etwa 5,5 %.

Einordnung der Ergebnisse
Die Ergebnisse der Bundesauswertung Geburtshilfe zeigen, dass sich pränatale Einflussfaktoren von Adipositas im Kindes- und Jugendalter in den vergangenen Jahren zum Teil ungünstig entwickelt haben. Hierzu gehören die Adipositasprävalenz bei schwangeren Frauen und die Verbreitung von Gestationsdiabetes. Positiv ist festzustellen, dass immer weniger Frauen während der Schwangerschaft rauchen. Dieser Trend wurde auch in der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) berichtet [14].
Bezüglich der zunehmenden Verbreitung von Adipositas bei schwangeren Frauen ist zu berücksichtigen, dass die Adipositasraten in den vergangenen Jahren auch in der gesamten erwachsenen Bevölkerung gestiegen sind [15]. Außerdem steigt seit mehreren Jahren das durchschnittliche Alter von Müttern bei der Geburt ihrer Kinder, was vor dem Hintergrund zunehmender Adipositasraten mit fortschreitendem Alter auch eine Ursache für den beobachteten Anstieg der Adipositasprävalenzen bei Müttern sein könnte [15, 16]. Bei der Interpretation der Ergebnisse zur Verbreitung von Gestationsdiabetes gilt es zu beachten, dass der beobachtete Prävalenzanstieg auch auf eine verbesserte Früherkennung zurückzuführen sein könnte [17]. Hinsichtlich der Ergebnisse zum Rauchen in der Schwangerschaft muss berücksichtigt werden, dass die aus den Krankenhäusern übermittelten Daten auf Selbstangaben basieren. Somit ist nicht auszuschließen, dass die Ergebnisse aufgrund sozialer Erwünschtheit (d. h. einem Antwortverhalten, bei dem die Befragten eher die Antwort geben, von der sie glauben, dass sie auf Zustimmung trifft [18]) verzerrt sind. Eine allgemeine Limitation, die bei der Interpretation der Ergebnisse beachtet werden muss, ist die fehlende Ausweisung von fehlenden Werten, die in der Bundesauswertung Geburtshilfe mehrere Erhebungsjahre und Variablen betrifft. Dies kann beispielsweise dazu führen, dass der Anteil der Raucherinnen unter den Schwangeren unterschätzt wird.
Da in der Schwangerschaft wichtige Weichen für ein gesundes Leben des Kindes gestellt werden, sollten Frauen (und Männer) bereits frühzeitig über die Bedeutung pränataler Einflussfaktoren informiert werden [19, 20]. In der Schwangerschaft kann dies z. B. im Rahmen der ärztlichen Beratung erfolgen [21]. Darüber hinaus können zielgruppenspezifische Praxisangebote, wie z. B. Aqua-Fitness-Kurse für Schwangere, die Gesundheit werdender Mütter fördern und somit einen Beitrag leisten, damit sich ungeborene Kinder in einem möglichst gesunden Umfeld entwickeln können.
Literatur
- Koletzko B, Brands B, Grote V et al. (2017) Long-term health impact of early nutrition: the power of programming. Annals of Nutrition and Metabolism 70(3):161-169
- Baidal JAW, Locks LM, Cheng ER et al. (2016) Risk factors for childhood obesity in the first 1,000 days: a systematic review. American Journal of Preventive Medicine 50(6):761-779
- Weng SF, Redsell SA, Swift JA et al. (2012) Systematic review and meta-analyses of risk factors for childhood overweight identifiable during infancy. Archives of Disease in Childhood 97(12):1019-1026
- Catalano PM, Shankar K (2017) Obesity and pregnancy: mechanisms of short term and long term adverse consequences for mother and child. BMJ 356:j1
- Huang JS, Lee TA, Lu MC (2007) Prenatal programming of childhood overweight and obesity. Maternal and Child Health Journal 11(5):461-473
- Kim SY, England JL, Sharma JA et al. (2011) Gestational diabetes mellitus and risk of childhood overweight and obesity in offspring: a systematic review. Experimental Diabetes Research 2011:541308
- The International Weight Management in Pregnancy (i-WIP) Collaborative Group (2017) Effect of diet and physical activity based interventions in pregnancy on gestational weight gain and pregnancy outcomes: Individual participant data (IPD) meta-analysis of randomised trials. BMJ 358:j3119
- Qureshi R, Jadotte Y, Zha P et al. (2018) The association between prenatal exposure to environmental tobacco smoke and childhood obesity: a systematic review. JBI Database of Systematic Reviews and Implementation Reports 16(8):1643-1662
- Albers L, Sobotzki C, Kuss O et al. (2018) Maternal smoking during pregnancy and offspring overweight: is there a dose-response relationship? An individual patient data meta-analysis. International Journal of Obesity 42(7):1249-1264
- Rayfield S, Plugge E (2017) Systematic review and meta-analysis of the association between maternal smoking in pregnancy and childhood overweight and obesity. Journal of Epidemiology and Community Health 71(2):162-173
- Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) (2020) Geburtshilfe. www.iqtig.org/qs-verfahren/gebh (Stand: 26.08.2020)
- Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (AQUA) (2020) Geburtshilfe. www.sqg.de/front_content.php?idart=119 (Stand: 26.08.2020)
- Institut für Qualität und Patientensicherheit (BQS) (2020) Geburtshilfe. www.bqs.de (Stand: 26.08.2020)
- Kuntz B, Zeiher J, Starker A et al. (2018) Rauchen in der Schwangerschaft – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends. Journal of Health Monitoring 3(1):47–54
- Mensink GBM, Schienkiewitz A, Haftenberger M et al. (2013) Übergewicht und Adipositas in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 56(5-6):786–794
- Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) (2020) Durchschnittliches Alter der Mütter bei Geburt ihrer Kinder in Deutschland, West- und Ostdeutschland (1960-2019). www.bib.bund.de/DE/Fakten/Fakt/pdf/F18-Alter-Muetter-bei-Geburt-Deutschland-West-Ost-ab-1960.pdf?__blob=publicationFile&v=7 (Stand: 27.08.2020)
- Heidemann C, Scheidt-Nave C (2017) Prävalenz, Inzidenz und Mortalität von Diabetes mellitus bei Erwachsenen in Deutschland – Bestandsaufnahme zur Diabetes-Surveillance. Journal of Health Monitoring 2(3):105-129
- Diekmann A (2009) Empirische Sozialforschung: Grundlagen, Methoden, Anwendungen. Rowohlt Verlag, Hamburg
- Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung e. V. (GVG) (2020) Nationales Gesundheitsziel: Gesundheit rund um die Geburt. www.gesundheitsziele.de/cgi-bin/render.cgi?__cms_page=nationale_gz/geburt (Stand: 26.08.2020)
- Koletzko B, Bauer C, Bung P et al. (2013) German national consensus recommendations on nutrition and lifestyle in pregnancy by the ‘Healthy Start-Young Family Network‘. Annals of Nutrition and Metabolism 63(4):311-322
- Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) (2011) Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung. G-BA, Berlin