Themenblatt: Spielen im Freien
Stand: 02.10.2020
Kernaussagen
- Laut MoMo Welle 2 (2014–2017) sinkt der Anteil der Heranwachsenden, die an mehr als drei Tagen pro Woche im Freien spielen, von 91 % bei 4- bis 5-Jährigen auf 15 % bei 14- bis 17-Jährigen.
- Mädchen und Jungen unterscheiden sich in der Häufigkeit des regelmäßigen Spielens im Freien nur geringfügig.
- Im Vergleich zur MoMo-Basiserhebung (2003–2006) ist der Anteil derjenigen, die an mehr als drei Tagen pro Woche im Freien spielen, bei älteren Kindern und Jugendlichen deutlich gesunken.
Hintergrund
Regelmäßige körperliche Aktivität kann die körperliche, psychische und soziale Gesundheit von Heranwachsenden fördern und der Entwicklung von Adipositas im Kindes- und Jugendalter vorbeugen (siehe Themenblatt: Körperliche Aktivität) [1-3]. Möglichkeiten für körperliche Aktivitäten bieten sich in der Kindheit und Jugend in allen Lebensbereichen. Hierzu gehören z. B. spielerische Freizeitaktivitäten wie das Spielen auf dem Spielplatz, sportliche Freizeitaktivitäten wie das Turnen im Sportverein (siehe Themenblatt: Sportliche Aktivität), körperlich-aktive Fortbewegung wie der Fußweg in die Kita oder Schule (siehe Themenblatt: Aktive Fortbewegung) und körperlich-sportliche Aktivitäten in der Kita oder Schule wie angeleitete Bewegungszeiten oder Sportunterricht (siehe Themenblätter: Bewegungszeiten in Kitas und Sportliche Aktivität in der Schule). Spielerische Aktivitäten können einen wichtigen Beitrag für die körperliche Gesamtaktivität von Heranwachsenden und somit für die Prävention von Adipositas leisten [4, 5]. Dies gilt vor allem für spielerische Aktivitäten, die im Freien stattfinden, da diese häufig mit einem erhöhten Energieverbrauch und geringen Sitzzeiten (z. B. Fernsehen) einhergehen [6]. Beispiele für spielerische Aktivitäten im Freien sind das Seilspringen im Hof, das Fangenspielen im Park oder das Spielen auf dem Spielplatz. Sportliche Aktivitäten wie Schwimmen oder Fußballspielen werden üblicherweise nicht zu spielerischen Tätigkeiten gezählt [7]. Der im Folgenden berichtete Indikator liefert bevölkerungsweit aussagekräftige Informationen über die Häufigkeit des Spielens im Freien.
Indikator und Datenquelle
Indikator für die Häufigkeit des Spielens im Freien ist der Anteil der 4- bis 17-jährigen Mädchen und Jungen, die an mehr als drei Tagen pro Woche im Freien spielen (Indikator C.1.10). Datenquelle ist die Motorik-Modul-Studie (MoMo-Studie) des Karlsruher Instituts für Technologie in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe und dem Robert Koch-Institut [8]. Die MoMo-Studie ist ein Modul der bundesweit repräsentativen Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS-Studie) [9] und liefert Querschnitts- und Längsschnittdaten zur motorischen Leistungsfähigkeit und körperlich-sportlichen Aktivität von Kindern und Jugendlichen. Die verwendeten Daten stammen aus der MoMo-Basiserhebung (2003–2006) und der MoMo Welle 2 (2014–2017). Die Angaben zum Spielen im Freien wurden anhand eines Aktivitätsfragebogens erfasst, der von den Kindern und Jugendlichen alleine oder gemeinsam mit deren Sorgeberechtigten ausgefüllt wurde [10]. Die zugehörige Frage lautete: „Wie häufig spielst Du pro Woche in der Regel im Freien (z. B. Fangen spielen, Gummitwist)?“. Zwischen den Erhebungen wurde die Frage leicht modifiziert.
Ergebnisse
Laut den Ergebnissen aus MoMo Welle 2 (2014–2017) spielen 56 % der 4- bis 17-jährigen Heranwachsenden an mehr als drei Tagen pro Woche im Freien (Indikator C.1.10). Mit steigendem Alter sinkt der Anteil derjenigen, die an mehr als drei Tagen pro Woche im Freien spielen, von 91 % bei 4- bis 5-Jährigen auf 15% bei 14- bis 17-Jährigen. Zwischen Mädchen und Jungen unterscheiden sich die Anteile in allen Altersgruppen nur geringfügig. Im Vergleich zur MoMo-Basiserhebung (2003–2006) ist der Anteil derjenigen, die an mehr als drei Tagen pro Woche im Freien spielen, bei 4- bis 5-Jährigen und 6- bis 10-Jährigen relativ konstant geblieben. Bei 11- bis 13-Jährigen und 14- bis 17-Jährigen ist der Anteil hingegen deutlich gesunken.

Einordnung der Ergebnisse
Die Ergebnisse der MoMo-Studie zeigen, dass der Anteil der Heranwachsenden, die regelmäßig im Freien spielen, mit zunehmendem Alter abnimmt und bei älteren Kindern und Jugendlichen in den vergangenen Jahren gesunken ist. Dass ältere Kinder und Jugendliche seltener im Freien spielen als jüngere Heranwachsende kann unter anderem darauf zurückgeführt werden, dass bestimmte spielerische Aktivitäten (z. B. Fangen spielen) vorwiegend im Kita- und Grundschulalter ausgeübt werden. Als Gründe für den Rückgang des regelmäßigen Spielens im Freien im zeitlichen Verlauf, der in der MoMo-Studie bei älteren Kindern und Jugendlichen beobachtet wurde, werden unter anderem die steigende Verfügbarkeit und Nutzung von Bildschirmmedien (siehe Themenblätter: Verfügbarkeit von Bildschirmmedien und Nutzung von Bildschirmmedien) sowie zunehmende Bedenken der Eltern bezüglich der Sicherheit ihrer Kinder bei Aktivitäten im Freien (Unfallgefahren, Kriminalität etc.) genannt [11]. Darüber hinaus könnte der Rückgang des regelmäßigen Spielens im Freien bei älteren Kindern und Jugendlichen im zeitlichen Verlauf auch teilweise durch die Aufnahme der Beispiele „Fangen spielen“ und „Gummitwist“ in die Frage zur Erfassung der Häufigkeit des Spielens im Freien in MoMo Welle 2 mitbedingt sein. Grundsätzlich muss bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden, dass es sich um Selbstangaben bzw. Angaben der Sorgeberechtigten handelt. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass die Ergebnisse durch Erinnerungsfehler oder soziale Erwünschtheit (d. h. einem Antwortverhalten, bei dem die Befragten eher die Antwort geben, von der sie glauben, dass sie auf Zustimmung trifft [12]) verzerrt sind.
Da regelmäßiges Spielen im Freien einen wichtigen Beitrag zur körperlichen Gesamtaktivität von Heranwachsenden und somit zur Prävention von Adipositas leisten kann, sollte sichergestellt werden, dass Kinder und Jugendliche flächendeckend Zugang zu Bewegungsräumen wie Spielplätzen und Grünflächen haben (siehe Themenblätter: Verfügbarkeit und Erreichbarkeit von Bewegungsräumen). Darüber hinaus kann das lokale Angebot an Bewegungsmöglichkeiten z. B. durch den Einsatz von Spielmobilen (mit Spiel- und Sportgeräten ausgestattete Fahrzeuge) ergänzt und verbessert werden [13].
Literatur
- Timmons BW, LeBlanc AG, Carson V et al. (2012) Systematic review of physical activity and health in the early years (aged 0–4 years). Applied Physiology, Nutrition, and Metabolism 37(4):773-792
- Te Velde S, Van Nassau F, Uijtdewilligen L et al. (2012) Energy balance‐related behaviours associated with overweight and obesity in preschool children: a systematic review of prospective studies. Obesity Reviews 13(S1):56-74
- Poitras VJ, Gray CE, Borghese MM et al. (2016) Systematic review of the relationships between objectively measured physical activity and health indicators in school-aged children and youth. Applied Physiology, Nutrition, and Metabolism 41(6):S197-S239
- Schmidt SCE, Anedda B, Burchartz A et al. (2020) The physical activity of children and adolescents in Germany 2003-2017: The MoMo-study. PLoS ONE 15(7):e0236117
- Janssen I (2014) Active play: an important physical activity strategy in the fight against childhood obesity. Canadian Journal of Public Health 105(1):e22-e27
- Tremblay MS, Gray C, Babcock S et al. (2015) Position statement on active outdoor play. International Journal of Environmental Research and Public Health 12(6):6475-6505
- Truelove S, Vanderloo LM, Tucker P (2017) Defining and measuring active play among young children: a systematic review. Journal of Physical Activity and Health 14(2):155-166
- Woll A, Albrecht C, Worth A (2017) Motorik-Modul (MoMo) – das Modul zur Erfassung der motorischen Leistungsfähigkeit und der körperlich-sportlichen Aktivität in KiGGS Welle 2. Journal of Health Monitoring 2(S3):66–73
- Mauz E, Gößwald A, Kamtsiuris P et al. (2017) Neue Daten für Taten. Die Datenerhebung zur KiGGS Welle 2 ist beendet. Journal of Health Monitoring 2(S3):2-28
- Schmidt S, Will N, Henn A et al. (2016) Der Motorik-Modul Aktivitätsfragebogen MoMo-AFB. Leitfaden zur Anwendung und Auswertung (KIT Scientific Working Papers, 53). Karlsruher Institut für Technologie, Karlsruhe
- Tremblay MS, Gray CE, Akinroye K et al. (2014) Physical activity of children: a global matrix of grades comparing 15 countries. Journal of Physical Activity and Health 11(Supplement 1):S113-S125
- Diekmann A (2009) Empirische Sozialforschung: Grundlagen, Methoden, Anwendungen. Rowohlt Verlag, Hamburg
- Spielmobile e.V. (2020) Bundesarbeitsgemeinschaft mobiler Spielkultureller Projekte. www.spielmobile.de (Stand: 03.08.2020)