Themenblatt: Verfügbarkeit von Bewegungsräumen
Stand: 08.12.2020
Kernaussagen
- Laut OpenStreetMap (2017) gibt es in Deutschland über 81.000 Spielplätze.
- In Deutschland verzeichnet das Digitale Basis-Landschaftsmodell (Basis-DLM) von 2017 etwa 46.000 Sportanlagen und über 5.000 Schwimmbäder.
- Fast 300.000 Hektar Grünanlagen gibt es laut amtlicher Flächenstatistik (2017) in Deutschland.
Hintergrund
In Deutschland erreicht nur etwa ein Viertel der Kinder und Jugendlichen die Bewegungsempfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von mindestens 60 Minuten körperlicher Aktivität pro Tag [1] (siehe Themenblatt: Körperliche Aktivität). Wie viel sich Kinder und Jugendliche bewegen, hängt auch von der räumlichen Umgebung ab, in der sie leben. So ist davon auszugehen, dass eine bewegungsfreundliche Umgebung die körperliche Aktivität von Heranwachsenden fördert und der Entwicklung von Adipositas vorbeugen kann [2]. Als bewegungsrelevante räumliche Umgebungsfaktoren im Kindes- und Jugendalter gelten unter anderem Grünflächen, Sportanlagen und Spielplätze [3-5]. Bezüglich des Einflusses der räumlichen Umgebungsfaktoren auf die körperliche Aktivität und die Entwicklung einer Adipositas bei Heranwachsenden besteht jedoch Forschungsbedarf. In Deutschland wurde der Zusammenhang zwischen bewegungsrelevanten Umgebungsfaktoren und der körperlichen Aktivität bzw. der Prävalenz von Adipositas im Kindes- und Jugendalter bisher nur in wenigen Studien untersucht [6-10]. Daher gilt es zu klären, ob internationale Studienergebnisse auf Deutschland übertragbar sind.
Indikatoren und Datenquellen
Indikatoren sind die Anzahl der Spielplätze (Indikator D.3.6), Sportanlagen (Indikator D.3.7) und Schwimmbäder (Indikator D.3.8) sowie die Fläche der Grünanlagen (Indikator D.3.9) pro km² Siedlungsfläche und pro 1.000 Kinder und Jugendliche. Da anzunehmen ist, dass sich die Verfügbarkeit von Bewegungsräumen hinsichtlich des Siedlungstyps unterscheidet, werden die Indikatoren differenziert nach ländlichen (<5.000 Einwohnern), kleinstädtischen (5.000 bis <20.000 Einwohnern), mittelstädtischen (20.000 bis <100.000 Einwohnern) und großstädtischen (≥100.000 Einwohnern) Gemeinden berichtet.
Datenquellen sind das OpenStreetMap-Projekt (OSM), das Digitale Basis-Landschaftsmodell (Basis-DLM) des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie (BKG) und die amtliche Flächenstatistik der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder. Im Rahmen des OSM-Projektes werden frei nutzbare Geodaten gesammelt, strukturiert und in einer frei zugänglichen Datenbank öffentlich verfügbar gemacht [11]. Für den Indikator D.3.6 wurden alle als Spielplätze markierte Flächen und Punkte aus dem OSM-Datensatz extrahiert und zu einem Objekt zusammengefasst, falls sie sich im Umkreis von 15 Metern zueinander befinden.
Das Basis-DLM enthält die Länderdaten des Amtlichen Topographisch-Kartographischen Informationssystems (ATKIS) und liefert flächendeckend Informationen über topographische Objekte in Deutschland [12]. Für die Indikatoren D.3.7 und D.3.8 wurden alle als Sportanlagen bzw. Schwimmbäder markierten Flächen extrahiert und zu einem Objekt vereint, falls diese aneinander angrenzen. In der amtlichen Flächenstatistik, die auf den Daten des Amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystems (ALKIS) basiert, werden jährlich Informationen über die Flächennutzung erfasst und für Gemeinden, Kreise, Bundesländer sowie für das gesamte Bundesgebiet aggregiert [13]. Differenziert wird zwischen Siedlungs-, Verkehrs-, Vegetations- und Gewässerflächen. Zu Siedlungsflächen gehören bebaute (z. B. Häuser) und nicht bebaute (z. B. Parks) Flächen, die durch die Ansiedlung von Menschen geprägt sind oder zur Ansiedlung beitragen. Als Untergruppe der Siedlungsflächen werden unter anderem Flächen von Grünanlagen ausgewiesen. Für die Berechnung der flächen- und bevölkerungsbezogenen Indikatoren werden die Daten der amtlichen Flächenstatistik und der Fortschreibung des Bevölkerungsstandes genutzt [14, 15].
Ergebnisse
Laut den Daten des OSM-Projektes (2017) gibt es in Deutschland über 81.000 Spielplätze. Dies entspricht durchschnittlich 2,5 Spielplätzen pro km² Siedlungsfläche (Indikator D.3.6a) und 6 Spielplätzen pro 1.000 Kinder und Jugendliche (Indikator D.3.6b). In großstädtischen Gemeinden sind pro km² Siedlungsfläche deutlich mehr Spielplätze vorhanden als in kleineren Gemeinden. Pro 1.000 Kinder und Jugendliche sind in großstädtischen Gemeinden hingegen etwas weniger Spielplätze verfügbar als in kleineren Gemeinden.

Den Daten des Basis-DLM (2017) zufolge gibt es in Deutschland etwa 46.000 Sportanlagen. Im Durchschnitt sind somit pro km² Siedlungsfläche 1,4 Sportanlagen (Indikator D.3.7a) und pro 1.000 Kinder und Jugendliche 3,4 Sportanlagen (Indikator D.3.7b) vorhanden. Pro 1.000 Kinder und Jugendliche sowie pro km² Siedlungsfläche sind in großstädtischen Gemeinden deutlich weniger Sportanlagen verfügbar als in kleineren Gemeinden.

Des Weiteren sind im Basis-DLM (2017) über 5.000 Flächen als Schwimmbäder (inkl. Naturbäder) gekennzeichnet. Dies entspricht durchschnittlich 0,2 Schwimmbädern pro km² Siedlungsfläche (Indikator D.3.8a) und 0,4 Schwimmbädern pro 1.000 Kinder und Jugendliche (Indikator D.3.8b). Analog zur Verfügbarkeit von Sportanlagen, sind in großstädtischen Gemeinden pro km² Siedlungsfläche und pro 1.000 Kinder und Jugendliche weniger Schwimmbäder vorhanden als in kleineren Gemeinden.

Laut der amtlichen Flächenstatistik (2017) gibt es in Deutschland fast 300.000 Hektar (1 Hektar hat 10.000 Quadratmeter) öffentliche Grünanlagen. Im Durchschnitt sind das 8,9 Hektar pro km² Siedlungsfläche (Indikator D.3.9a) bzw. 21,7 Hektar pro 1.000 Kinder und Jugendliche (Indikator D.3.9b). Pro km² Siedlungsfläche ist in großstädtischen Gemeinden etwas mehr Fläche mit Grünanlagen vorhanden als in kleineren Gemeinden. Pro 1.000 Kinder und Jugendliche ist in großstädtischen Gemeinden hingegen deutlich weniger Fläche mit Grünanlagen verfügbar als in kleineren Gemeinden. In den vergangenen Jahren ist die Fläche der Grünanlagen pro Siedlungsfläche und pro Einwohnerinnen und Einwohner in Deutschland leicht gestiegen (ohne Darstellung).

Einordnung der Ergebnisse
Die berichteten Indikatoren zeigen, dass sich die Verfügbarkeit von Bewegungsräumen in Deutschland je nach Gemeindegröße deutlich unterscheidet. In großstädtischen Gemeinden gibt es pro km² Siedlungsfläche mehr Spielplätze und Fläche mit Grünanlagen als in kleineren Gemeinden, dafür aber weniger Sportanlagen und Schwimmbäder. Pro 1.000 Kinder und Jugendliche sind in großstädtischen Gemeinden weniger der vier genannten Bewegungsräume verfügbar als in kleineren Gemeinden. Befragungsdaten aus KiGGS Welle 2 (2014–2017) zeigen jedoch, dass Spielplätze, Sportanlagen, Schwimmbäder und Grünanlagen in städtischen Gemeinden für Kinder und Jugendliche häufiger gut erreichbar sind als in ländlichen Gemeinden (siehe Themenblatt: Erreichbarkeit von Bewegungsräumen). Dabei muss berücksichtigt werden, dass städtische Gemeinden in der Regel eine höhere Bevölkerungsdichte aufweisen als ländliche Gemeinden. In dicht besiedelten Wohngebieten sind weniger Bewegungsräume erforderlich als in gering besiedelten Wohngebieten, um der Bevölkerung eine gute Erreichbarkeit von Bewegungsräumen zu ermöglichen. Allerdings müssen sich Kinder und Jugendliche in dicht besiedelten Wohngebieten die Bewegungsräume mit mehr Gleichaltrigen teilen als in gering besiedelten Wohngebieten.
Bei der Interpretation der Ergebnisse muss beachtet werden, dass es sich bei den berichteten Indikatoren um Durchschnittswerte handelt und sich die Verfügbarkeit von Bewegungsräumen auch zwischen Gemeinden ähnlicher Größe sowie innerhalb von Gemeinden in verschiedenen Ortsteilen unterscheiden kann. Grundsätzlich ist eine Auswertung der Daten auch auf kleinräumiger Ebene möglich und könnte im Zuge der Planung von gesundheitsförderlichen und präventiven Maßnahmen beispielsweise auf kommunaler Ebene Berücksichtigung finden.
Auch im Sinne der Prävention von Adipositas bei Heranwachsenden sollte sichergestellt werden, dass Kinder und Jugendliche flächendeckend Zugang zu altersgerechten und ansprechenden Bewegungsräumen haben [2, 16]. Dies gilt insbesondere für Wohnquartiere mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher, die häufig von Adipositas betroffen sind [17]. Einen wichtigen Beitrag zur Förderung der körperlichen Aktivität der Bevölkerung können stadtplanerische Regularien und Ziele leisten, die eine flächendeckende Versorgung mit Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, Einkaufsmöglichkeiten und Bewegungsräumen sowie eine fußgänger- und fahrradfreundliche Verkehrsinfrastruktur anstreben [18].
Literatur
- Finger JD, Varnaccia G, Borrmann A, Lange C, Mensink GBM (2018) Körperliche Aktivität von Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends. Journal of Health Monitoring 3(1): 24-31
- World Health Organization (WHO) (2016) Report of the commission on ending childhood obesity. WHO, Geneva
- Lipek T, Igel U, Gausche R, Kiess W, Grande G (2015) Obesogenic environments: environmental approaches to obesity prevention. Journal of Pediatric Endocrinology and Metabolism 28(5-6): 485-495
- Carter MA, Dubois L (2010) Neighbourhoods and child adiposity: a critical appraisal of the literature. Health Place 16(3): 616-628
- Dunton GF, Kaplan J, Wolch J, Jerrett M, Reynolds KD (2009) Physical environmental correlates of childhood obesity: a systematic review. Obesity Reviews 10(4): 393-402
- Lakes T, Burkart K (2016) Childhood overweight in Berlin: intra-urban differences and underlying influencing factors. International Journal of Health Geographics 15: 12
- Buck C, Tkaczick T, Pitsiladis Y, De Bourdehaudhuij I, Reisch L, Ahrens W, et al. (2015) Objective measures of the built environment and physical activity in children: from walkability to moveability. Journal of Urban Health 92(1): 24-38
- Reimers AK, Wagner M, Alvanides S, Steinmayr A, Reiner M, Schmidt S, et al. (2014) Proximity to sports facilities and sports participation for adolescents in Germany. PLoS One 9(3): e93059
- Reimers AK, Knapp G (2017) Playground usage and physical activity levels of children based on playground spatial features. Journal of Public Health 25(6): 661-669
- Reimers AK, Schoeppe S, Demetriou Y, Knapp G (2018) Physical activity and outdoor play of children in public playgrounds — Do gender and social environment matter? International Journal of Environmental Research and Public Health 15: 1356
- OpenStreetMap-Projekt (2020) OpenStreetMap – Deutschland. www.openstreetmap.de (Stand: 21.09.2020)
- Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) (2020) Digitales Basis-Landschaftsmodell (Basis-DLM). https://gdz.bkg.bund.de/index.php/default/digitales-basis-landschaftsmodell-ebenen-basis-dlm-ebenen.html (Stand: 21.09.2020)
- Statistisches Bundesamt (Destatis) (2020) Land- und Forstwirtschaft, Fischerei: Flächennutzung. www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/Flaechennutzung/_inhalt.html (Stand: 21.09.2020)
- Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2020) Siedlungsfläche nach Art der tatsächlichen Nutzung - Stichtag 31.12. - regionale Tiefe: Gemeinden. www.regionalstatistik.de (Stand: 21.09.2020)
- Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2020) Bevölkerung nach Geschlecht und Altersgruppen - Stichtag 31.12. - regionale Tiefe: Gemeinden. www.regionalstatistik.de (Stand: 21.09.2020)
- Rütten A, Pfeifer K (Hrsg.) (2016) Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung. Friedrich-Alexander-Universität (FAU), Erlangen-Nürnberg
- Schienkiewitz A, Brettschneider A-K, Damerow S, Schaffrath Rosario A (2018) Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends. Journal of Health Monitoring 3(1): 16-23
- Deutsches Institut für Urbanistik (Difu) (2020) Empfehlungen für eine gesundheitsfördernde und nachhaltige Stadtentwicklung. Difu, Berlin