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Zusammenfassender Bericht der Nationalen Verifizierungskommission Masern/Röteln (NAVKO) zum Stand der Elimination in Deutschland 2020 (Stand: 1.03.2021)

Die Nationale Verifizierungskommission zur Elimination der Masern und Röteln (NAVKO) hat Daten aus dem Jahr 2020 unter Berücksichtigung der von der WHO vorgegebenen Indikatoren bewertet und am 17.05.2020 ihren Bericht an die WHO übermittelt. Die Berichte der Kommission haben den Datenstand des 1. März des Folgejahres.

Zusammenfassung

Die Regionale Verifizierungskommission der europäischen WHO-Region (RVC) veröffentlicht ihre jährlichen Berichte auf http://www.euro.who.int/en/health-topics/communicable-diseases/measles-and-rubella/activities/regional-verification-commission-for-measles-and-rubella-elimination-rvc.
Bisher wurde für das Jahr 2019 keine Beurteilung der Mitgliedsstaaten hinsichtlich der Verifizierung der Elimination der Masern und Röteln veröffentlicht.

Im Vergleich zum Jahr 2019 ist die Fallzahl der Masern in Deutschland im Jahr 2020 sehr wahrscheinlich aufgrund der Maßnahmen gegen die SARS-CoV-2 Pandemie drastisch gesunken. So wurden für das Jahr 2019 Daten von 514 Masernfällen (Inzidenz: 5,2 pro 1 Mio. Einwohner) übermittelt, im Jahr 2020 waren es insgesamt nur 76 Fälle (Inzidenz 0,8 pro 1 Mio. Einwohner). Die im Jahr 2020 übermittelten Fälle traten, mit Ausnahme eines importierten Falles im November, in den Monaten Januar bis April auf. Im April brach die Transmission dann vollständig ab.

Die meisten Fälle wurden aus Baden-Württemberg (23 Fälle; 30%), Nordrhein-Westfalen (20 Fälle; 26%) und Bayern (12 Fälle; 16%) übermittelt. Aus fünf Bundesländern wurden einstellige Masernfallzahlen, aus acht Bundesländern überhaupt keine Masernfälle übermittelt.

Eine Laboruntersuchung wurde bei 92% der übermittelten Masernfälle durchgeführt. Eine Information über den vorliegenden Genotyp lag von 46 der insgesamt 76 Masernfälle (einschließlich imputierter Fälle in Ausbrüchen) nach Meldedaten vor (61%). Mittels Sequenzanalysen durch das Nationale Referenzzentrum für Masern, Mumps und Röteln (NRZ MMR) wurden insgesamt nur 3 verschiedene zirkulierende Sequenzvarianten der MV Genotypen B3 und D8 detektiert (N-450-Variante D8 4683, N-450-Variante B3 4299 und N-450-Variante B3 5551). Im Gegensatz dazu wurden im Jahr 2019 noch 26 verschiedene Sequenzvarianten nachgewiesen.

Die N450-Variante D8-Gir Somnath-4683 ist die in den letzten Jahren am häufigsten detektierte Variante in Deutschland, wie auch europa- und weltweit. Eine kontinuierliche, endemische Übertragung der Variante D8 4683 hatte die nationale deutsche Kommission (NAVKO) unter Berücksichtigung der vorliegenden Daten in den letzten Jahren für unwahrscheinlich gehalten. Spezifischere Sequenzuntersuchungen der MF-Region des Genoms der Masernviren durch das NRZ untermauerten auf molekularbiologischer Ebene die Einschätzung wiederholter Importe. Auch im Jahr 2020 wurde Genotyp D8 4683 mehrfach nach Deutschland importiert. Eine Variante des Genotyps zirkulierte wahrscheinlich länger als 28 Wochen; die Zirkulation brach dann aber mit Einsetzen der Maßnahmen zur Eindämmung von SARS-CoV-2 ab. Die anderen im Jahr 2020 nachgewiesenen Genotypen traten nur sporadisch auf.

Angesichts der Abwesenheit von Masern zwischen Mai und Dezember mit nur einem importierten Fall im November, zeigen die Daten, dass es im Jahr 2020 in Deutschland keine kontinuierliche Übertragung einer Masernvirusvariante über mehr als 12 Monate gegeben hat und damit die endemische Transmission eindeutig unterbrochen wurde.

Die Qualität der Masern-Surveillance in Bezug auf die labordiagnostische Bestätigung der Verdachtsfälle wurde von der Kommission als gut eingeschätzt.

Eine Einordnung der Fälle hinsichtlich ihrer Herkunft und der Zugehörigkeit zu einer Transmissionskette (insbesondere import-assoziierte Fälle) wird von den Behörden nicht immer vorgenommen. Die Transmissionsketten anhand von epidemiologischen Daten einzuschätzen, ist damit nicht immer möglich. Diese Einordnung stellt ein wesentliches Kriterium zur Bewertung des Standes der Eliminierung dar. Hier sind die molekularbiologischen Daten ganz entscheidend für die Beurteilung der Lage.

Verbesserungswürdig ist hier weiterhin die Bestimmung des Genotyps der Masernviren bei sporadisch aufgetretenen Fällen, die nicht einem Ausbruch/einer Transmissionskette zugeordnet werden konnten und für die die Herkunft und Zugehörigkeit zu einer Transmissionskette nur durch die Sequenzierung des Genotyps eingeschätzt werden kann. Nur für 11 von 28 sporadisch aufgetretenen Fällen wurde ein Genotyp angegeben. Ein Grund hierfür könnte sein, dass diese Fälle zu spät als Masern erkannt wurden und eine Genotypisierung dann nicht mehr erfolgreich durchgeführt werden konnte.

Bezüglich der Röteln kam die NAVKO aufgrund der Anzahl der im Jahr 2020 ausgeschlossenen Verdachtsfälle und der Inzidenz von lediglich 0,2 pro 1 Mio. Einwohner ebenfalls zu der Einschätzung, dass erneut, wie auch schon für die Jahre davor, eine Unterbrechung der endemischen Transmission anzunehmen sei.

Im Dezember 2020 erfolgte die offizielle Anerkennung des Status der Elimination der Röteln durch die WHO für Deutschland. Dem war eine erneute retrospektive Analyse der eingereichten Daten aus den Jahren 2017 bis 2019 durch die RVC vorausgegangen, die Deutschland den Status der Elimination der Röteln bis 2019 zunächst nicht zuerkannt hatte.

In Bezug auf den Nationalen Aktionsplan 2015-2020 zur Elimination der Masern und Röteln in Deutschland (NAP) ist aus Sicht der NAVKO allerdings festzustellen, dass ein Großteil der dort festgelegten und konsentierten sechs Ziele (noch) nicht erreicht wurden.

Empfehlungen der Kommission

Die Kommission spricht die folgenden Empfehlungen aus:

  • Von jedem erstmals auftretenden Masern- und Rötelnverdachtsfall (Indexfall) sowie sporadischen oder geimpften Verdachtsfällen sollten Proben an das NRZ MMR oder an ein entsprechend qualifiziertes Landeslabor für eine PCR-Untersuchung mit anschließender Genotypisierung eingesendet werden. Hierauf sind noch einmal alle Gesundheitsämter hinzuweisen.
  • Es ist zu begrüßen, wenn die Herkunft der aufgetretenen Masernfälle epidemiologisch sorgsamer untersucht wird und Masernfälle mit gleichem Genotyp in einer Region zu Ausbrüchen zusammengeführt werden, sofern sie alle einer vorher definierten Falldefinition genügen. Eine fallbezogene Einteilung der Fälle in „importiert“, „import-assoziiert“ und „endemisch“ ist mit der in den letzten Jahren beobachteten Fallzahlen durchaus möglich geworden. Dies sollte auf allen Ebenen des Surveillancesystems umgesetzt werden.
  • Die folgenden Maßnahmen/Aktivitäten in der Surveillance sind notwendig, um die Daten so zu verbessern, dass der Status der Verifizierung einer Unterbrechung der endemischen Transmission für die Masern ausgesprochen werden kann:

    • Kommunikation einer fallbezogenen Klassifikation bezüglich der Herkunft der Masern für die Gesundheitsämter und Landesstellen.
    • Kommunikation der Möglichkeit der Übermittlung ausgeschlossener Masernfälle über das elektronische Meldesystem.
    • Änderung der Falldefinition der Masern, damit Fälle in die Bewertung eingehen können, die nicht der üblichen Klinik der Masern entsprechen.
  • Die Informationen sollten in einem Infobrief des Robert Koch-Institutes mit den Landesstellen und Gesundheitsämtern kommuniziert werden.

Ausführlicher Bericht

1. Definition der Elimination

Die Elimination der Masern und Röteln ist erreicht, wenn eine endemische Transmission von Masern- und Rötelnviren in einem Land über mindestens 36 Monate ausgeschlossen werden konnte. Die Einschätzung der Transmissionsketten erfolgt anhand epidemiologischer und virologischer Parameter. Als Indikator zur Einschätzung erfolgreicher Maßnahmen wurde von der WHO unter anderem das dauerhafte Erreichen einer landesweiten Inzidenz von unter 1 Fall/1 Mio. Einwohner vorgegeben. Neben einer niedrigen Fallzahl ist der Nachweis einer guten Qualität der Surveillance mit ausreichender Darstellung der Transmissionsketten und rechtzeitiger Unterbrechung derselben entscheidend für die Verifizierung der Elimination.

2. Situation in anderen Staaten der europäischen WHO-Region

In den letzten Jahren waren die Masernfallzahlen in der europäischen WHO-Region stark angestiegen. So erkrankten in den Jahren 2018 und 2019 nach WHO-Angaben rund 88.700 bzw. 104.500 Personen an Masern. Am 6. Mai 2019 aktivierte die WHO die Stufe 2 des „emergency response“ in der Europäischen Region. Auf diese Weise kann die WHO die erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen mobilisieren, um die betroffenen Länder zu unterstützen.

Höchstwahrscheinlich aufgrund der SARS-CoV-2 Pandemie mit den durchgeführten nicht-pharmazeutischen Maßnahmen zur Eindämmung der Transmission sanken in der europäischen WHO-Region die Masernfallzahlen im Jahr 2020 drastisch. Die WHO registrierte lediglich 12.205 Fälle, davon wurden 10.717 Fälle (88%) in 6 Staaten (Usbekistan (n=4.053), Kasachstan (n=3.269), der Russischen Föderation (n=1.100), Rumänien (n=976), Kirgistan (n=708) und der Türkei (n=611)) registriert. 10 Personen verstarben in diesem Zeitraum.

Für das Jahr 2020 wurden der europäischen WHO-Region insgesamt 184 Rötelnfälle von 15 der 43 Staaten übermittelt, die der WHO Daten zu den Röteln zur Verfügung stellen. 167 Fälle (91%) wurden dabei von 5 Staaten übermittelt (Polen (n=96), Ukraine (n=22), Deutschland (n=17), Türkei (n=15), Italien (n=13).

Für das Jahr 2018 haben 37 von 53 Staaten der europäischen WHO-Region (70%) eine Unterbrechung der endemischen Transmission über mindestens 12 Monate für die Masern nachweisen können. Für 35 Staaten (66%) wurde der Status der Masernelimination verifiziert. Österreich und die Schweiz erhielten ihn erstmalig. Allerdings verloren auch vier Staaten ihren in den Vorjahren erreichten Eliminationsstatus für das Jahr 2018 wieder (Albanien, Tschechien, Griechenland und das Vereinigte Königreich). Deutschland zählt weiterhin zu den 12 Staaten (23%), bei denen nach Ansicht der RVC eine endemische Transmission der Masern fortbesteht.

Für die Röteln gelang der Nachweis der Elimination für das Jahr 2018 in 39 Staaten (73%). Insgesamt 42 Staaten (79%) konnten eine Unterbrechung der Transmission über mindestens 12 Monate nachweisen. Die Regionale Verifizierungskommission der europäischen WHO-Region hatte im Jahr 2020 retrospektiv die bereits eingereichten Daten aus den Jahren 2017 bis 2019 von 7 Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland, erneut bewertet. Sie kam zu dem Schluss, dass Deutschland und den 6 anderen Staaten nachträglich der Status der Elimination der Röteln zuerkannt werden kann.

33 Staaten (63%) wurden im Jahr 2018 der Status der Elimination beider Erkrankungen zuerkannt.

Die Berichte der Regionalen Verifizierungskommission sind im Internet verfügbar (http://www.euro.who.int/en/health-topics/communicable-diseases/measles-and-rubella/activities/regional-verification-commission-for-measles-and-rubella-elimination-rvc).
Die Daten für das Jahr 2019 sind bisher noch nicht veröffentlicht.

3. Epidemiologische Situation im Jahr 2020 in Deutschland (Stand: 01.03.2021)

Masern

Im Vergleich zum Vorjahr (n=514) wurden 2020 deutlich weniger Masernfälle an das RKI übermittelt (n=76). Die Transmission der Masern brach ab April komplett ab. Die deutschlandweite Inzidenz für das Jahr 2020 lag bei 0,8 Fällen/1 Mio. Einwohner (Inzidenzberechnung nach Vorgabe der WHO; 2019: 5,2 Fälle /1 Mio. Einwohner) und damit erstmals unter der Indikatorinzidenz von 1 Fall / 1 Million Einwohner.

Die meisten Fälle nach Referenzdefinition wurden aus Baden-Württemberg (23 Fälle; 30%), Nordrhein-Westfalen (20 Fälle; 26%) und Bayern (12 Fälle; 16%) übermittelt. In fünf Bundesländern wurden nur einstellige Masernfallzahlen festgestellt, aus acht Bundesländern waren überhaupt keine Masernfälle übermittelt worden.

Wie schon in den Vorjahren wurde die höchste altersspezifische Inzidenz bei Kindern in den ersten beiden Lebensjahren beobachtet. Sie lag bei Kindern im ersten Lebensjahr und bei den Einjährigen bei jeweils 0,5 Erkrankungen/ 100.000 Einwohner. Für die 2- und 3-Jährigen wurde eine Inzidenz von 0,2 und bei den 4-Jährigen eine Inzidenz von 0,1 berechnet. Für die 5- bis 9-Jährigen und für die 15- bis 19-Jährigen lag die Inzidenz bei 0,3. Für die anderen Altersgruppen bis zu einem Alter von 59 Jahren lag sie bei 0,1 oder darunter. Keiner der übermittelten Masernfälle war 60 Jahre oder älter.

In der Altersgruppe der 0- bis 9-Jährigen traten 30% aller Erkrankungen auf. Innerhalb dieser Gruppe lag der Anteil der 0- bis 2-Jährigen bei rund 45%. Weit über die Hälfte der Erkrankungen (70%) traten somit bei Patienten im Alter von 10 Jahren oder älter auf. In dieser Altersgruppe waren insbesondere die 15- bis 19-Jährigen (21% von dieser Gruppe) und die 30- bis 39-Jährigen (26%) betroffen.

Von den 76 an Masern Erkrankten war der Impfstatus bei 64 Fällen (84%) bekannt. Von diesen wurden 8 (12%) als geimpft und 56 (88%) als ungeimpft übermittelt.

Im Jahr 2020 wurden 8 Ausbrüche mit 48 dazugehörigen Fällen (63% aller Fälle) aus 6 Bundesländern (Baden-Württemberg (n=2), Bayern (n=1), Hessen (n=1), Nordrhein-Westfalen (n=2), Rheinland-Pfalz (n=1) und dem Saarland (n=1)) übermittelt. Im Jahr 2019 waren es 65 Ausbrüche mit 311 Fällen. 5 Ausbrüche umfassten jeweils weniger als 5 Fälle und 3 Ausbrüche jeweils mindestens 5 Fälle (davon 2 Ausbrüche mit mehr als 10 Fällen). Bei 3 der 8 Ausbrüche, konnte ein Import der Viren aus dem Ausland als Auslöser des Ausbruches ermittelt werden.

28 Fälle (37%) wurden als „sporadisch aufgetreten“ ohne eine Zugehörigkeit zu einem Ausbruch oder einer Transmissionskette übermittelt. 8 von den 28 sporadischen Fällen importierten die Masern aus dem Ausland. Bei 11 Fällen konnte die Genotypvariante D8 4683 detektiert werden, darunter 8 Patienten, die die Masern in Deutschland erworben hatten. Eine weitere Zugehörigkeit zu einer Transmissionskette konnte allerdings trotz der molekularbiologischen Erkenntnisse aufgrund der weiten Verbreitung dieser Variante nicht erfolgen.

92% der übermittelten Masernerkrankungen waren labordiagnostisch bestätigt worden. Eine Genotypisierung des Virus gelang für 63% der Ausbrüche. Somit wurden im Jahr 2020 die Vorgaben der WHO (80% Laborbestätigung) für die Masernsurveillance nur teilweise erfüllt. Der Grund könnte insbesondere in der ab Februar/ März 2020 in den Vordergrund rückenden Pandemie gelegen haben.

Grundsätzlich ist zu beobachten, dass vermutlich aufgrund der zunehmenden Impfungen weltweit nur noch 4 der ursprünglich 24 Genotypen zirkulieren. Nach Daten des NRZ MMR wurden in Deutschland lediglich die Genotypen B3 und D8 nachgewiesen, von denen insgesamt nur drei verschiedene zirkulierende Sequenzvarianten im Jahr 2020 in Deutschland differenziert wurden, die nur sehr kurz bzw. über wenige Wochen zirkulierten und dann ab April nicht mehr nachgewiesen wurden.

Die Sequenzvariante N450-Variante D8-Gir Somnath-4683 zirkuliert zurzeit europa- und weltweit und ist auch in Deutschland seit 2018 die dominierende Variante. Im Jahr 2019 wurde sie über 11 Monate von Januar bis November 2019 detektiert. Um Transmissionsketten dieser Variante differenzieren zu können, sequenzierte das NRZ MMR am RKI eine weitere Region des Genoms der Viren. Aufgrund dieser zusätzlichen Sequenzinformation können sog. M-F Subtypen des Genotyps D8-4683 Gir Somnath unterschieden werden. Aufgrund dieser Analysen erschien eine endemische Zirkulation von D8-4683 im Jahr 2019 aufgrund rezidivierender Importe unwahrscheinlich. Ab der 36. Woche 2019 wurde eine neu zirkulierende Variante des Genotyps D8-4683 detektiert, die bis zur 11. Woche des Jahres 2020 nachgewiesen wurde. Danach brach die Maserntransmission ab.

Bewertung der epidemiologischen Situation der Masern

Die Anzahl der Masernfälle ist im Jahr 2020 in Deutschland im Vergleich zu den Vorjahren drastisch gesunken. Dies ist höchstwahrscheinlich auf die im Rahmen der Pandemie beschlossenen nicht-pharmazeutischen Maßnahmen (AHA-Regeln, Schulschließungen, Lockdown, Einschränkungen des Reiseverkehrs) zurückzuführen. Nach Rücksprache mit den Masernansprechpartner:innen der Länder wurde eine zurückgefahrene Surveillance der Masern als Erklärung für den Rückgang der Fälle als nicht maßgeblich angesehen, weil die Masern weiterhin im Fokus der verantwortlichen Kolleg:innen stehen.


Der Anteil kleinerer Ausbrüche mit 2-4 Fällen an allen Ausbrüchen und der Anteil an sporadischen Fällen ist weiterhin hoch. Dies könnte einerseits Ausdruck einer schnellen Unterbrechung der Transmissionsketten durch gezielte Maßnahmen sein. Andererseits ist dies möglicherweise auf eine wenig akkurate Nachverfolgung durch die Gesundheitsämter zurückzuführen, so dass einzelne Masernfälle z.B. auf familiärer Ebene zusammengefasst, jedoch die Herkunft und Ausbreitung der Masernviren zu ungenau kommunal oder regional verfolgt wurde und einzelne Fälle oder Ausbrüche nicht in übergeordnete Ausbrüche zusammengefasst werden. Transmissionsketten müssen so detailliert wie möglich verfolgt werden. Die Sequenzierung der Viren von sporadisch aufgetretenen Fällen ist hier von enormer Bedeutung, wenn epidemiologisch kein Anhalt für eine Exposition gefunden werden konnte.

Eine automatische Verlinkung der Daten des NRZ mit denen aus dem Meldesystem darf aus Datenschutzgründen nicht vorgenommen werden und die Daten werden daher getrennt beschrieben. Abweichungen zwischen Meldedaten der epidemiologischen Surveillance und den Daten der molekularen Surveillance des Nationalen Referenzzentrums hinsichtlich der durchgeführten Genotypisierungen (26 versus 36 Fälle) zeigen, dass nicht alle Masernfälle, die am NRZ untersucht werden, auch über das elektronische Meldesystem übermittelt wurden, weil die Laborergebnisse zum Beispiel von den Gesundheitsämtern nicht nachgetragen und nachfolgend übermittelt wurden. Ferner wurden Masernfälle vom NRZ als positiv bewertet, die nicht in die offiziellen Statistiken des RKI eingehen, weil sie zum Beispiel nicht der Referenzdefinition aufgrund einer nicht erfüllten klinischen Symptomatik entsprachen. Ein abgeschwächtes Krankheitsbild kommt jedoch, insbesondere bei Geimpften, häufiger vor. Diese Fälle werden also bei der Bewertung hinsichtlich der Länge von Transmissionsketten nicht berücksichtigt und fallen aus der offiziellen Berichterstattung heraus. Im Jahr 2020 waren 52 Fälle übermittelt worden, die eine positive Serologie aufwiesen, jedoch aufgrund einer nicht erfüllten Symptomatik nicht als Fälle in die offiziellen Statistiken des RKI eingingen.

Trotzdem ist die Kommission zu der Überzeugung gelangt, dass die epidemiologischen Daten wie auch die Ergebnisse der weiteren Untersuchungen der MF-Region des Genoms der Viren durch das Nationale Referenzzentrum MMR am RKI darauf schließen lassen, dass weder im Jahr 2019 noch im Jahr 2020 eine endemische Transmission einer Genotypvariante eines Masernvirus in Deutschland stattgefunden hat.

Röteln

Die Anzahl der übermittelten Rötelnfälle hielt sich 2018 auf einem niedrigen Niveau und ist im Jahr 2020 weiter gesunken.

Im Jahr 2020 gingen am RKI Daten von 18, meist lediglich klinisch diagnostizierten, Rötelnfällen aus 8 Bundesländern ein (2018 und 2019 jeweils n= 58 Fälle). Dies entspricht einer Inzidenz von 0,2 Fällen pro 1 Mio. Einwohner (2019: 0,7 pro 1 Mio E). Diese liegt damit im Bereich der von der WHO angestrebten Indikatorinzidenz von unter 1 Fall pro 1 Mio Einwohner. Es wurden keine Ausbrüche erfasst und somit nur sporadische Fälle übermittelt. Die Herkunft der Fälle blieb so gut wie immer unbekannt.

Ein Patient im Alter von 41 Jahren stellte sich aufgrund der Röteln in einem Krankenhaus vor. Es wurden kein Fall einer Rötelnembryopathie oder von Komplikationen im Rahmen einer Schwangerschaft übermittelt. Bei 7 Personen traten die Röteln in den ersten beiden Lebensjahren auf. Der älteste Fall war 70 Jahre alt.

Nur 39% der übermittelten Fälle (unter Berücksichtigung der WHO Definition) waren labordiagnostisch bestätigt worden. In aller Regel geschah dies durch den Nachweis einer positiven Serologie. Diese Methode ist bei niedriger Inzidenz jedoch anfällig für falsch-positive Ergebnisse. In keinem Fall wurde das Virus durch eine PCR/Genotypisierung nachgewiesen.

4 der 18 Fälle waren geimpft (22%). Unter Berücksichtigung der sehr hohen Wirksamkeit der Impfung gegen Röteln sprechen diese Daten für eine Fehldiagnose (siehe unten).

Das NRZ erreichten 55 Einsendungen zur Bestätigung des Verdachtes einer akuten Rötelninfektion. Bei keinem Patienten wurde der Verdacht auf akute Rötelnerkrankung bestätigt. Eine weitere Möglichkeit im Rahmen der Eliminationsbestrebungen zusätzliche Rötelnfälle aufzuspüren besteht im Testen von Proben von Patienten mit einem sehr ähnlichen Krankheitsbild. Die Untersuchung von Proben mit ausgeschlossener Maserninfektion ergab bei 64 Fällen ebenfalls keinen Nachweis einer akuten Rötelnerkrankung.

Bewertung der epidemiologischen Situation der Röteln

Die Anzahl der übermittelten Rötelnfälle ist im Jahr 2020 weiter deutlich gesunken.

Eine Transmission der Röteln hat in Deutschland im Jahr 2020 höchstwahrscheinlich nicht mehr stattgefunden. Erwartungsgemäß bleibt der Anteil der labordiagnostisch bestätigten gemeldeten Rötelnfälle gering. Die Wahrscheinlichkeit, einen Rötelnfall zu diagnostizieren, ist damit, auch aufgrund der oft milden Symptomatik, gering. Die labordiagnostische Abklärung der klinischen Verdachtsfälle wird eine Rötelnerkrankung überwiegend ausschließen, woraufhin eine Übermittlung der Daten an das RKI nicht stattfindet. Aus diesem Grund sinkt die Anzahl der Rötelnfälle weiter und es erreichen das RKI vermehrt lediglich klinisch nachgewiesene Rötelnerkrankungen.

Die Wahrscheinlichkeit ist allerdings hoch, dass auch bei den labordiagnostisch anhand einer Serologie bestätigten Fällen häufig keine akute Rötelninfektion vorlag, sondern es sich bei der sehr niedrigen Inzidenz um falsch-positive Laborartefakte und um persistierende IgM nach Impfung handelte. Um sicher zu gehen, dass es sich wirklich um einen akuten Rötelnfall handelte, kann eine Verifizierung des IgM zum Beispiel im NRZ MMR durchgeführt werden. Weiterhin ist in klinischen Verdachtsfällen die PCR-Untersuchung von großer Bedeutung.

Die Verifizierung der Elimination der Röteln erfolgt in erster Linie durch den Nachweis ausgeschlossener Rötelnfälle. Diese Untersuchungen fanden in den letzten Jahren am NRZ statt und waren wahrscheinlich der Grund, warum Deutschland der Status der Elimination der Röteln zugesprochen wurde.

4. Qualität der Surveillance

Labordiagnostik

Die PCR-Untersuchung mit nachfolgender Genotypisierung von zirkulierenden Viren stellt den Goldstandard der Labordiagnostik dar. Die Bestimmung der zirkulierenden Sequenzvarianten ist wichtig, um Transmissionsketten nachverfolgen zu können.

Die nach WHO-Kriterien geforderte labordiagnostische Untersuchungsquote von über 80% aller übermittelten Masern- und Rötelnfälle (Serologie und/ oder Virusnachweis) sowie der geforderte Anteil von Ausbrüchen mit Virusnachweis wurde für die Masern für das Jahr 2020 nicht erreicht. Das ist möglicherweise auf geringere Ressourcen für eine effizientere Nachverfolgung von Masernfällen im Jahr 2020 zurückzuführen. Auch wenn noch zu wenig sporadisch aufgetretene Masernerkrankungen mit einem Genotyp assoziiert wurden, so liegt doch der Anteil von insgesamt 36 erfolgreichen Genotypisierungen angesichts der 76 offiziell übermittelten Masernfälle nach Referenzdefinition, auch im internationalen Vergleich, auf hohem Niveau. Die zusätzlichen Untersuchungen des NRZ zur verbesserten Differenzierung der zirkulierenden Sequenzvarianten, haben auch bei der WHO zu erhöhter Aufmerksamkeit und zu einem wissenschaftlichen Austausch über die Möglichkeit einer verbesserten Laborsurveillance anhand der zusätzlich erhobenen M-F Daten geführt.

Ein positives PCR-Ergebnis mit Material, das sich zur nachfolgenden Genotypisierung und Sequenzierung der Virusvarianten eignet, ist bei den Röteln allerdings selten, da die Symptomatik einer Rötelnvirus Infektion unspezifisch ist, die Hälfte der Infektionen unbemerkt verlaufen und der Virusnachweis meist nur gelingt, wenn das Probenmaterial unmittelbar nach Erkrankungsbeginn abgenommen wurde.

Darstellung der Transmissionsketten

Seit 2017 übermittelt das NRZ MMR fallbezogen den Gesundheitsämtern einen für jede Genotypvariante der Masernviren eindeutigen Identifier. Der Anteil der Masernfälle mit Informationen zu einer Sequenzvariante stieg damit in den letzten Jahren kontinuierlich an, ging jedoch im Jahr 2020 wieder etwas zurück (2020: 36%, 2019: 40%; 2018 37%; 2017: 24%; 2016: 18%).

Die Einschätzung der Herkunft der Masern und der Länge der entstandenen Transmissionsketten wird durch die fallbezogenen molekularbiologischen Daten sehr erleichtert. Je mehr Sequenzierungen durchgeführt werden, desto zuverlässiger gelingt die Einschätzung der Länge der Transmissionsketten. Aufgrund eines hohen Anteils genotypisierter Fälle (mit zusätzlicher Imputierung der Fälle eines genotypisierten Ausbruchs) sowie sich grundsätzlich verbessernder epidemiologischer Informationen hinsichtlich eines Importes der Masern, gelingt das Nachvollziehen von Transmissionsketten besser.

Die fallbezogene Klassifizierung der Fälle hinsichtlich der Herkunft der Masern in „importiert“, „import-assoziiert“ und „endemisch“ bleibt weiterhin jedoch weit hinter dem von der WHO geforderten Anteil von 80% zurück (2020: 38%, 2019: 33%; 2018: 20%).

Surveillance

Nach Vorgaben des IfSG sollen die Falldaten drei bis fünf Tage nach Meldung an das RKI übermittelt worden sein. Im Jahr 2020 wurden 74% der Masern- und 94% der Rötelnfälle innerhalb von vier Tagen vom Gesundheitsamt über die Landesstelle an das RKI übermittelt (Vorgabe der WHO 80%).

Bei der Ausbruchsbekämpfung standen Maßnahmen wie weitere Probenentnahmen mit Einsendung an das NRZ, Betretungs- und Tätigkeitsverbote, eine aktive Ermittlung von Kontaktpersonen, eine Überprüfung des Impf- oder Immunstatus sowie Riegelungsimpfungen und eine aktive Information der Bevölkerung im Vordergrund. Daten, wie schnell diese Maßnahmen eingesetzt wurden, liegen dem RKI nicht vor.

Bewertung der Qualität der Surveillance und der Maßnahmen zu deren Verbesserung

Die Daten zu den durchgeführten Maßnahmen bei Masernausbrüchen, die Größe der Ausbrüche wie auch eine pünktliche Übermittlung der Daten sprechen für eine unverzügliche Reaktion der zuständigen Behörden.

Die Vorgaben der WHO zur Qualität der Surveillance wurden im Jahr 2020 hinsichtlich der Kriterien „Laborbestätigung“ und „rechtzeitige und vollständige Übermittlung von Daten“ nur teilweise erfüllt.

Es wird davon ausgegangen, dass die Röteln kaum noch in Deutschland wie auch international zirkulieren. Eine durchgeführte Laboruntersuchung zur Sicherung der Diagnose wird in den allermeisten Fällen ein negatives Resultat erzielen. Bei den gemeldeten Fällen ist fraglich, ob es sich wirklich bei allen um eine akute Rötelninfektion gehandelt hat. Der routinemäßige Abstrich aller Rötelnverdachtsfälle sowie weitere ergänzende Untersuchungen nach einer positiven Serologie (alternativer IgM-Test, Avidität, Immunoblot) am NRZ MMR des RKI sollten Standard und mit den Ländern erneut so kommuniziert werden.

Voneinander abweichende Daten hinsichtlich durchgeführter Genotypisierungen bei den epidemiologischen Meldedaten im Vergleich zu den molekularbiologischen Daten des NRZ sollten vermieden werden. Hier sind einerseits die Gesundheitsämter anzuhalten, berichtete Genotypen im elektronischen Surveillancesystem nachzutragen. Andererseits wird momentan am RKI eine veränderte Falldefinition entwickelt, um Fälle mit einer abweichenden Symptomatik ebenfalls in Bewertungen eingehen zu lassen und die Sensitivität der Referenzdefinition des RKI zu erhöhen.

Die geforderte Klassifikation der Fälle in „import-bezogen“ oder „endemisch“ erfolgt noch nicht fallbezogen durch die Gesundheitsämter. Sie ist aber relevant für die Einschätzung der Herkunft der Masern, der Länge der Transmissionsketten und die Zusammenführung der Masernfälle in Ausbrüche. Die Angaben erfordern eine intensive Kommunikation auf allen Ebenen der Surveillance unter Berücksichtigung der epidemiologischen wie auch molekularbiologischen Daten. Eine Arbeitsgruppe des Bundes und der Länder hat einen Vorschlag für eine standardisierte einzelfallbezogene Klassifikation des Importstatus ausgearbeitet und einen Algorithmus erstellt, der die Einteilung der Fälle erleichtern soll. Die Ergebnisse sollten im Laufe des Jahres mit den Ländern kommuniziert werden.

Häufig fehlende Angaben zur Herkunft der Masern liegen vermutlich daran, dass ein Kontakt mit einem an den Masern Erkrankten nicht erinnert wird oder unerkannt verläuft. Andererseits könnte es sein, dass die Gesundheitsämter die Ressourcen prioritär für die Verhinderung der weiteren Verbreitung der Masern einsetzen, als die Fälle nach der Herkunft der Masern zu befragen. Die weiterhin hohe Anzahl von sporadischen Fällen ohne Zuordnung zu einem Ausbruch/ zu einer Transmissionskette oder Genotypisierung/Sequenzierung erschwert die Einschätzung der Länge bzw. der Unterbrechung der Transmissionsketten.

Die Qualität der Surveillance bemisst sich insbesondere bei wenigen nachgewiesenen Fällen kurz vor der Elimination der Erkrankungen in erster Linie durch den Nachweis einer ausreichenden Anzahl von ausgeschlossenen Verdachtsfällen. Diese Erhebung ist „conditio sine qua non“, um eine fehlende Transmission zu beweisen. Hier fordert die WHO eine repräsentative Rate von zwei ausgeschlossenen Fällen pro 100.000 Einwohner in allen Bundesländern. Für Deutschland müssten rund 1.600 Masern- und Rötelnverdachtsfälle nachgewiesen werden. Ausgeschlossene Fälle für die Masern können seit 2021 nunmehr über das elektronische Meldesystem dem RKI gemeldet werden. Das ist ein enormer Fortschritt hinsichtlich der Qualität der Surveillance.

Neben einer Verbesserung der Sensitivität der Labordiagnostik könnte auch bei den Röteln eine Erhebung ausgeschlossener Fälle über das elektronische Surveillancesystem sowie eine vermehrte sequenzielle Testung von Proben ausgeschlossener Masernverdachtsfälle auf akute Röteln und vice versa nicht nur am NRZ sondern auch in den Landesuntersuchungsämtern angestrebt werden, um aussagekräftigere Daten zur Transmission der Röteln zu erhalten.

Für die Röteln waren die Untersuchungen des NRZ und verschiedener Landesuntersuchungsämter für das RVC für die WHO allerdings aussagekräftig genug, um Deutschland den Status der Elimination der Röteln anzuerkennen.

Konkrete Anregungen der NAVKO für weitere Maßnahmen sollen auch weiterhin von der NaLI und ihrer Arbeitsgruppe gemeinsam mit den Vertretern der Ärzteverbände in ihrer Umsetzung begleitet werden. Der von der NaLI veröffentlichte „Generische Leitfaden für das Management von Masern-und Rötelnfällen und -ausbrüchen in Deutschland“ für die Gesundheitsämter wurde im Jahr 2020 mit Hinweisen auf erweitere Impfempfehlungen und das Masernschutzgesetz aktualisiert:

https://www.nali-impfen.de/fileadmin/pdf/Generischer_Leitfaden_fuer_das_Management_von_Masern-und_Roetelnfaellen_und_ausbruechen_in_Deutschland_NaLI.pdf

Zusammenfassend sind folgende Maßnahmen/Aktivitäten notwendig, um die Daten so zu verbessern, dass der Status der Verifizierung einer Unterbrechung der endemischen Transmission für die Masern ausgesprochen und für die Röteln aufrechterhalten werden kann:

  • Notwendigkeit der Validierung positiver Nachweise von IgM-Antikörpern durch Einsendung von Probenmaterial an das NRZ zu ergänzenden Untersuchungen bei Rötelnverdacht
  • Kommunikation der Wichtigkeit der Ermittlung der Herkunft der Masern und einer fallbezogenen Klassifikation bezüglich der Herkunft der Masern und Röteln für die Gesundheitsämter und Landesstellen
  • Sequenzielle Testung von ausgeschlossenen Masern- und Rötelnfällen vice versa auf Röteln und Masern an den Landesuntersuchungsämtern und Erhebung von ausgeschlossenen Fällen zu den Röteln über das elektronische Surveillancesystem.
  • Kommunikation der Möglichkeit der Erhebung ausgeschlossener Fälle der Masern mit den Ländern.
  • Änderung der Falldefinition der Röteln und Masern hinsichtlich der klinischen Symptome, damit alle akuten Masernfälle Berücksichtigung finden.

Die Informationen und Verbesserungsvorschläge sollen in der AG Infektionsschutz der Arbeitsgemeinschaft der obersten Landesgesundheitsbehörden, mit den Meldestellen der Länder und in einem Infobrief des Robert Koch-Institutes mit den Landesstellen und Gesundheitsämtern sowie mit dem anschließend angepassten NaLI-Leitfaden zum Management von Masern- und Rötelnfällen kommuniziert werden.

5. Impfquoten und Immunität in der Bevölkerung

Als Indikator für Fortschritte gilt eine konstante Impfquote von 95% für zwei MMR- Impfungen in allen Altersgruppen bei den Routineimpfungen.

Aktuelle Daten der KV-Impfsurveillance, publiziert im Juli 2020 (siehe Epidemiologisches Bulletin 32 und 33/2020), belegen, dass deutschlandweit lediglich 83,5% der 15 Monate alten Kinder des Geburtsjahrgangs 2017 einmalig mit einem MMR-Impfstoff geimpft worden waren (Landesebene: 74,5% bis 88,1%). Keiner der Meilensteine des Zieles 2 des Masernaktionsplans wurden damit erreicht:

  • Bundesweit sind bis Ende 2016 95% der maximal 15 Monate alten Kinder einmalig mit einem MMR-Impfstoff geimpft
  • Landesweit sind bis Ende 2017 95% der maximal 15 Monate alten Kinder einmalig mit einem MMR-Impfstoff geimpft
  • In mindestens 90% aller Landkreise und Kommunen sind bis Ende 2018 95% der maximal 15 Monate alten Kinder einmalig mit einem MMR-Impfstoff geimpft.

24 Monate alte Kinder des Geburtsjahrgangs 2016 hatten zu 89,8% eine erste und nur zu 69,9% eine zweite MMR-Impfung zeitgerecht nach STIKO-Empfehlung erhalten (Landesebene: 61,9% bis 76,7%; ohne Sachsen). Auf Kreisebene unterscheiden sich die Impfquoten beträchtlich und liegen (ohne Sachsen) zwischen 42% im Main-Tauber-Kreis (Baden-Württemberg) und 87,1% im Rhein-Kreis Neuss (KV Nordrhein, Nordrhein-Westfalen) (siehe Epidemiologisches Bulletin 32 und 33/2020).

Kinder des Geburtsjahrgangs 2015 hatten im Alter von 36 Monaten zu 92,4% eine erste und zu 80,7% eine zweite Impfung erhalten.

Im Jahr 2020 wurden pandemiebedingt keine Schuleingangsuntersuchungen durchgeführt. Die folgenden Daten beziehen sich auf die Schuleingangsuntersuchungen aus dem Jahr 2018. Für 2019 lagen die Daten aus den Gesundheitsämtern noch nicht vollständig vor.

Impfungen werden bis zum Eintritt in die Schule nachgeholt. In allen untersuchten Bundesländern haben jeweils über 95% der Kinder bis zur Einschulung die erste Impfung erhalten. Für die zweite Impfung werden diese Werte nur in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern erreicht. Zwar ist die Impfquote für die zweite Impfung bei den Schulanfängern nach einer längeren Phase der Stagnation nun wieder etwas gestiegen und lag bei 93,1% (2017: 92,8%; 2016: 92,9%; 2015: 92,8%). Es bestehen allerdings weiterhin erhebliche Unterschiede auf Kreis- und Landesebene (Landesebene: 89,8% bis 96,0%). Nach Daten der KV-Impfsurveillance sind auf Kreisebene in gerade einmal 3 Stadtkreisen mindestens 95% der Kinder im Alter von 72 Monaten (also etwa im Schuleintrittsalter) zweimal gegen Masern geimpft (siehe Epidemiologisches Bulletin 32 und 33/2020).

Somit wurden alle Meilensteine des Zieles 3 des Nationalen Masernaktionsplans nicht erreicht (siehe unten).

Änderung der Methodik bei der KV-Impfsurveillance: Zur Vermeidung möglicher Verzerrungen in den Datenanalysen der KV-Impfsurveillance wurden Kriterien für den Einschluss einer Person in die Datenanalyse definiert, die ein vollständiges Follow-Up im Beobachtungszeitraum garantieren. In früheren Auswertungen zu den MMR-Impfquoten wurde der erste der beiden Arztkontakte mit einer jeglichen durchgeführten Impfung verbunden. Rückwirkend wurde seit dem Jahr 2008 zusätzlich jeder erste Arzt-Patienten-Kontakt pro Quartal und Arztfachgruppe erfasst und in die Datenbank der KV-Impfsurveillance integriert. Aktuell basiert der Einschluss nun auf je einem dokumentierten Arzt-Patienten-Kontakt am Anfang und am Ende des Beobachtungszeitraumes. Damit stehen Kriterien für die Definition des Beobachtungszeitraumes zur Verfügung, die von einer Impfung unabhängig sind. Aufgrund der optimierten Einschlusskriterien für die Datenanalysen, die von Impfungen unabhängig sind, liegen die nunmehr berechneten Impfquoten unter den bisher publizierten Ergebnissen zum Beispiel auf www.vacmap.de.

Deutschlandweite Daten zu den MMR-Impfquoten in anderen Alters- und Indikationsgruppen sind unverändert kaum verfügbar. Daten zur Seroprävalenz (DEGS-Bevölkerungsumfrage 2008 bis 2011 des Robert Koch-Instituts) zeigen, dass schätzungsweise rund 90% (95% CI 88,6-91,1) der Erwachsenen im Alter von 18 bis 79 Jahren in Deutschland immun gegen Masern sind und noch einmal rund 4% einen grenzwertigen Titer aufweisen (95% CI 3,0-4,5), also höchstwahrscheinlich auch eine Immunität gegen Masern besitzen. Bei den im Jahr 1970 und danach Geborenen waren dies allerdings nur rund 85%, wenn man die grenzwertigen Titer mit zu einer vorhandenen Immunität hinzuzählt (Friedrich et al. 2021, Lancet Regional Health Europe 2021). Gegen Röteln wiesen 94% (95% CI 93,3-94,7) eine Immunität auf, die nur bei den 1985 bis 1993 Geborenen unter 90% (berechnete Schwelle zur Herdenimmunität) lag.

Bewertung von Maßnahmen zur Verbesserung der Impfquoten

Insbesondere die aktuellen Daten der KV-Impfsurveillance belegen, dass die Impfquoten für die MMR-Impfung noch zu niedrig sind. Die aktuelle Methodik der KV-Impfsurveillance hat zudem aufgedeckt, dass die Impfquoten für die 15-72 Monate alten Kinder sogar 4-5 Prozentpunkte niedriger sind, als bisher angenommen. Versuche der letzten Jahre auf gesetzlicher wie auch auf regionaler oder kommunaler Ebene, die Impfquoten für die MMR-Impfung zu verbessern, haben nicht zum Erfolg geführt.

Das im März 2020 in Kraft getretene Masernschutzgesetz sieht unter anderem vor, dass Kinder und Jugendliche sowie Tätige in Gemeinschaftseinrichtungen und medizinischen Einrichtungen eine zweimalige Impfung gegen Masern nachweisen müssen, sofern bei ihnen keine Kontraindikationen gegen die Impfung bestehen. Ferner wurde durch das Masernschutzgesetz zum Beispiel die Möglichkeit des fachübergreifenden Impfens und freiwillige Reihenimpfungen durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst erleichtert.

Die Kommission wird in den kommenden Jahren die Auswirkungen dieser Maßnahme, insbesondere die Reaktionen in der Bevölkerung und mögliche Erfolge wie auch ungünstige Effekte der Nachweispflicht für die Masernimpfung bei ihrer Berichterstattung berücksichtigen.

Erreichung der Ziele des Nationalen Aktionsplans 2015-2020

Die Kommission berücksichtigt zur Evaluation des Fortschrittes der Eliminierung der Masern und Röteln in Deutschland neben den WHO-Indikatoren auch die im Nationalen Aktionsplan 2015-2020 definierten Ziele. Im Folgenden wird kurz auf die 6 Ziele eingegangen:

Ziel 1: Steigerung des Anteils der Bevölkerung, der einer MMR-Impfung grundsätzlich positiv gegenüber steht bis 2018 für die MMR-Impfung für Kinder und Jugendliche auf > 95%, für die MMR-Impfung für Erwachsene auf > 80%).

Aktuelle Daten des bevölkerungsbezogenen Surveys der BZgA im Jahr 2020 belegen eine Zustimmung der MMR-Impfung bei rund 91% der Eltern (90% im Westen; 96% im Osten) für die Masern und rund 89% (87% im Westen; 95% im Osten) für die Röteln und damit wiederum ein Verfehlen des ersten Zieles in den westlichen Bundesländern. Im Jahr 2016 hingegen gaben rund 95% der Eltern (94% im Westen; 96% im Osten) für die Masern und rund 92% (92% im Westen; 94% im Osten) für die Röteln an, dass ihre Kinder dagegen geimpft sein sollten. Nicht nur für die Masern, sondern auch für andere Impfindikationen ist die Zustimmung der Eltern gegenüber Impfungen wieder gesunken, für die Masern jedoch am eindeutigsten. Die Erhebung fand in der Zeit zwischen dem 15. Juli und 1. September 2020 statt. Möglicherweise hatte hier die in den Medien stark rezipierte Einführung des Masernschutzgesetzes einen negativen Einfluss. Insgesamt wurden 5.002 Interviews realisiert.

Rund 87% der nach 1970 Geborenen (2018: 83%) sind von der Wichtigkeit eines Impfschutzes gegen Masern und 80% von allen Befragten (2018: 79%) von der Wichtigkeit eines Impfschutzes gegen Röteln überzeugt. Dies trifft vor allem auf Schwangere (92%) und Frauen bis 45 Jahre (88%) zu.

Weiterhin kennen immer noch zu wenig Erwachsene die STIKO-Empfehlung. Nur 40% (2018: 27%, 2016: 25%, 2014: 26%) der befragten Erwachsenen war die seit Juli 2010 bestehende Masern-Impfempfehlung der STIKO für alle nach 1970 Geborenen, die als Kind nur eine oder keine Masernimpfung erhalten haben bzw. deren Impfstatus unklar ist, bekannt.

Das Ziel wurde im Jahr 2019 teilweise verfehlt.

Ziel 2: Bei Kindern im Alter von 15 Monaten Erreichen und Aufrechterhaltung der Impfquote für die erste MMR-Impfung von mindestens 95% (bundesweit bis 31.12.2016, landesweit bis 31.12.2017 und kommunal mindestens 90% der Kreise bis 31.12.2018)

Lediglich 83,5% der 15 Monate alten Kinder des Geburtsjahrgangs 2017 waren bundesweit einmalig mit einem MMR-Impfstoff geimpft worden (Landesebene: 74,5% bis 88,1%).

Alle Meilensteine dieses Ziels konnten nicht erreicht werden.

Ziel 3: Bei Kindern in Schuleingangsuntersuchungen Erreichen und Aufrechterhaltung einer Impfquote für die zweite MMR-Impfung von 95% (bundesweit Schulanfänger des Jahres 2016, landesweit Schulanfänger des Jahres 2017 und in mindestens 90% aller Landkreise und Kommunen für Schulanfänger des Jahres 2018).

Bundesweit lag die Impfquote für die zweifache MMR-Impfung für Schulanfänger im Jahr 2018 bei 93,1% (2017: 92,8%). Landesweit wurden Impfquoten zwischen 90% und 96% erzielt.

Alle Meilensteine dieses Ziels konnten nicht erreicht werden.

Ziel 4: Erreichen und Aufrechterhaltung einer Bevölkerungsimmunität, die eine Transmission von Masern und Röteln verhindert (Inzidenz <1 Fall/1 Mio Einwohner, Seroepidemiologie >90% in allen Altersgruppen).

Eine Inzidenz von <1 Fall/1 Mio. Einwohner wurde im Jahr 2020 bundesweit erneut für die Röteln errechnet (0,2 Fälle pro 1 Mio Einwohner) und erstmalig auch für die Masern erreicht (0,8 Fälle pro 1 Mio Einwohner).

DEGS ist der repräsentative Gesundheitsuntersuchungssurvey für in Deutschland lebende erwachsene Menschen. Sowohl die Prinzipien als auch die Inhalte von DEGS werden in der gern-Studie fortgeführt. Aktuellere Daten liegen zurzeit noch nicht vor. Der Start der gern-Studie wurde aufgrund der COVID-19-Pandemie auf ungewisse Zeit verschoben. Seroepidemiologische Daten der DEGS1-Studie 2008-2011 wiesen für die nach 1965 Geborenen bei etwa 85% bis 92% eine Immunität gegen die Masern und bei etwa 90% bis 96% eine Immunität gegen die Röteln der Untersuchten auf. Bei den Masern ist nicht zu erwarten, dass die 2010 ausgesprochene Empfehlung der STIKO zur Impfung Erwachsener bereits zum Tragen gekommen ist.

Für die Röteln wurden die Ziele erreicht, für die Masern unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Daten nicht.

Ziel 5: Steigerung des Anteils der laborbestätigten Masern- und Rötelnfälle nach WHO-Definition auf über 80%.

Für die Masern ist dieses Ziel bereits in einigen Jahren erreicht worden, für die Röteln nicht. Im Jahr 2020 konnte dieses Ziel, möglicherweise aufgrund der COVID-19-Pandemie, nicht erreicht werden. Die Surveillancedaten zeigen, dass eine Röteln-Labordiagnostik zwar vermehrt durchgeführt wird, diese jedoch dann in aller Regel keine akute Rötelninfektion nachweist.

Das Ziel 5 des Nationalen Aktionsplans wurde für Masern seit einigen Jahren erreicht (nicht jedoch für 2020), für Röteln jedoch weiterhin noch in keinem Jahr des Beobachtungszeitraumes.

Ziel 6: Stärkung des Ausbruchsmanagements auf kommunaler Ebene (über 80% der übermittelten Ausbrüche enthalten die notwendigen Angaben)

Insgesamt wurden für das Jahr 2020 Daten von 8 Masern-Ausbrüchen übermittelt. Von allen Ausbrüchen kann ein elektronischer Bericht erstellt werden. Bei allen Ausbrüchen wurde über unverzügliche Maßnahmen berichtet.

Das Ziel 6 des Nationalen Aktionsplans wurde erreicht.

Stand: 01.11.2021

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