FG 37: Nosokomiale Infektionen, Surveillance von Antibiotikaresistenz und -verbrauch
- Leitung:
- Tim Eckmanns
- Vertretung:
- Sebastian Haller, Julia Hermes
Das Fachgebiet ist zuständig für die Gewinnung epidemiologischer Daten zu Antibiotikaresistenz und Antibiotikaverbrauch sowie nosokomialen Infektionen und entsprechenden Ausbrüchen aus Meldungen und zusätzlichen Surveillancesystemen. Weiter werden lokale, regionale und nationale Ausbrüche von resistenten Erregern vom Fachgebiet untersucht und Maßnahmen abgeleitet. Diese Daten werden genutzt, um Präventionsstrategien zu formulieren, diese anzupassen und zu evaluieren, sowie um Empfehlungen für die Diagnostik und Krankenversorgung zu erstellen.
Das Fachgebiet besetzt die Geschäftsstelle und unterstützt die Arbeit der Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie (Kommission ART).
Aufgaben
Surveillance und Forschung
Im Rahmen der Surveillance werden die IfSG-Meldedaten folgender Erreger bzw. Erkrankungen analysiert, bewertet und publiziert:
- schwere Verläufe von C. difficile Infektionen,
- Acinetobacter und Enterobacterales bei Nachweis einer Carbapenemase-Determinante oder mit verminderter Empfindlichkeit gegenüber Carbapenemen außer bei natürlicher Resistenz (Infektionen und Kolonisationen),
- Methicillinresistente Staphylococcus aureus (MRSA) in Blut und Liquor,
- Adenoviren
Meldungen zu gehäuftem Auftreten nosokomialer Infektionen auch nicht meldepflichtiger Erreger (nosokomiale Ausbrüche) werden beobachtet und in Kommunikation mit den Landesgesundheitsbehörden und Referenz- bzw. Konsiliarlaboren bewertet. Wir unterstützen bei Ausbruchsuntersuchungen und klären regionale, nationale und internationale Ausbrüche auf.
Das Fachgebiet ist maßgeblich beteiligt an der (Weiter-)Entwicklung der Falldefinitionen, Übermittlungs- und Auswertungskriterien zu meldepflichtigen multiresistenten Erregern, Projekten und Empfehlungen im Bereich Antibiotikaresistenz und nosokomialen Infektionen in Deutschland und international.
Die Surveillance von Antibiotikaresistenz und Antibiotikaverbrauch werden insbesondere über die Antibiotika-Resistenz-Surveillance (ARS) und die Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance (AVS) gewährleistet. Anhand dieser Datenbanken werden Antibiotika-Resistenz- und Antibiotika-Verbrauchsstatistiken für die Teilnehmer der Surveillance-Systeme zur Verfügung gestellt und Referenzdaten für die Fachöffentlichkeit generiert sowie international Surveillancesysteme wie European Antimicrobial Resistance Surveillance Network (EARS-Net) und Global Antimicrobial Resistance and Use Surveillance System (GLASS) bedient. Über ARVIA "Antibiotika-Resistenz und -Verbrauch - Integrierte Analyse" werden auf Krankenhausebene Daten zu Antibiotika-Resistenz und -Verbrauch aus den beiden Surveillance-Systemen ARS und AVS in Bezug zueinander ausgewertet und die Ergebnisse den teilnehmenden Krankenhäusern zur Verfügung gestellt. Mit dem Projekt SAMBA wird zudem die Antibiotikaverbrauchssurveillance im ambulanten Bereich etabliert. Mittels integrierter genomischer Surveillance, also durch Zusammenführung epidemiologischer Daten und Genomdaten von Infektionserregern, vertiefen wir die Untersuchung von Ausbreitungsmustern und verbessern die Erkennung von Ausbrüchen von antibiotikaresistenten Erregern. Durch seine Aktivitäten trägt das Fachgebiet entscheidend zur Umsetzung der Deutschen Antibiotikaresistenz-Strategie bei (DART2020 und 2030).
Das Fachgebiet ist WHO Collaborating Centre für Antibiotikaresistenz, -verbrauch und nosokomiale Infektionen und leitet seit 2019 das Netzwerk WHO AMR Surveillance and Quality Assessment Collaborating Centres. Das Fachgebiet arbeitet in Projekten mit dem WHO Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence und unterstützt die Arbeitsgruppe zu Antibiotikaresistenzen der schnell einsetzbaren Expert:innengruppe Gesundheit (SEEG).
Wir arbeiten in verschiedenen Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen im Bereich Antibiotikaresistenz-Surveillance und nosokomiale Infektionen (s. Projekte international).
Forschungsaufgaben umfassen auch Bereiche der Krankheitslastanalyse, Entwicklung verbesserter Methoden zur Ausbruchserkennnung (early warning), genetische und digitale Surveillance und künstliche Intelligenz sowie die Untersuchung des Zusammenhangs von Klima und Antibiotikaresistenz. Die Ergebnisse werden regelmäßig Fachartikeln veröffentlicht (s. Projekte und Publikationen).
§35a SGB V Reserveantibiotika
Im Rahmen des § 35a SGB V Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz zur Freistellung von Reserveantibiotika von der Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), hat das Robert Koch-Institut (RKI) zusammen mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) eine nicht abschließende Liste von multiresistenten bakteriellen Krankheitserregern (MRE) (Erregerliste) erstellt und Kriterien zur Einstufung eines neu zugelassenen Antibiotikums als Reserveantibiotikum (Kriterienliste) entwickelt.
Aspekte einer restriktiven Anwendung im Sinne von Antibiotic Stewardship Maßnahmen werden nach Vergabe des Reservestatus durch Festlegung von Anforderungen an eine qualitätsgesicherte Anwendung durch den G-BA berücksichtigt (§ 35a, Abs. 1c, Satz 9). BfArM und RKI werden in einer gesonderten Stellungnahme in dieses Verfahren einbezogen. In diesem Rahmen wurden vom G-BA beschlossen, dass Kliniken, die neue Antibiotika, die den Reservestatus zugesprochen haben, einsetzen, an den Surveillancesystemen AVS (Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance) und ARS (Antibiotika-Resistenz-Surveillance) bzw. ARVIA (Antibiotika-Resistenz und -Verbrauch – Integrierte Analyse) teilnehmen sollen.
Projekte
National
HALT - Healthcare-associated Infections in European Long-Term Care Facilities: Wiederholte Punkt-Prävalenz-Survey, um Informationen zur Häufigkeit nosokomialer Infektionen, zur Antibiotika-Anwendung und zum Vorkommen antibiotikaresistenter Erreger bei Menschen, die in stationären Pflegeeinrichtungen betreut werden, zu erheben und auf europäischer Ebene zu vergleichen. Langfristiges Ziel ist die Implementierung von Surveillance-Systemen zum Vorkommen von nosokomialen Infektionen und Antibiotika-Anwendung in diesen Einrichtungen.
HiGHmed: Use Case Infektionskontrolle: Entwicklung eines automatisierten Frühwarnsystems zur algorithmischen Erkennung von Erregerclustern in Krankenhäusern.
Integrierte genomische Surveillance: Informationen zur genetischen Verwandtschaft der Erreger von unterschiedlichen Patientinnen und Patienten können dabei helfen, Infektionsausbrüche zu erkennen und zu bekämpfen. Mit diesem Ziel werden die molekulargenetischen Informationen von Isolaten und die entsprechenden Meldungen nach IfSG in einem gemeinsamen Projekt mit den NRZs für gramnegative Krankenhauserreger sowie für Staphylokokken und Enterokokken integriert ausgewertet.
Long Term Care Surveillance (LTCSurv): Erstellung einer S3-Leitlinie zur Perioperativen Antibiotikaprophylaxe (Upgrade der vorhandenen S1-Leitlinie) unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie e.V. (DGHM) und Beteiligung chirurgischer Fachgesellschaften.
International
ANDEMIA: African Network for improved Diagnostics, Epidemiology and Management of Common Infectious Agents: Unterstützung des deutsch-afrikanischen Gesundheitsforschungsnetzwerks zur länderübergreifenden Bekämpfung häufig vorkommender Krankheiten durch verbesserte Surveillance, Diagnostik und Ausbruchsmanagement. Zusammenarbeit mit Partnerinstituten in der Elfenbeinküste, Burkina Faso, DR Kongo und Südafrika.
ARGOS: Antimicrobial Resistance Global Surveillance (im Rahmen des Global Health Protection Programme GHPP)
Burden Health Care Worker (BHCW): Eine europäisch-afrikanische Kooperation, um zu beurteilen, ob das Gesundheitspersonal ausreichend vor der berufsbedingten Übertragung von SARS-CoV-2 geschützt ist, und, falls erforderlich, den Schutz nachweislich zu verbessern.
NiCaDe 2: Nigerian Centre for Disease Control: Zusammenarbeit mit dem Nigerian Centre for Disease Control. Kapazitätsentwicklung zur Vorbereitung und Reaktion auf Infektionskrankheiten in Nigeria. Teilprojekt 3 (NiCaDe-AMR): Unterstützung der nationalen Umsetzung einer erweiterten AMR-Surveillance und „Diagnostic Stewardship“-Strategie
PAcCI: Stärkung der öffentlichen Gesundheitskapazitäten in Côte d'Ivoire (CIV) auf lokaler und nationaler Ebene in Partnerschaft mit dem Centre Hôspitalier et Universitaire de Bouaké (CHUB) und dem Helmholtz-Institut für One Health (HIOH) insbesondere 1) genomische Überwachung und Ausbruchsuntersuchungen von Erregern mit epidemischem Potenzial, 2) Surveillance antimikrobiell resistenter Bakterien, 3) Aufbau von Kapazitäten für die Infektionsprävention und -kontrolle und 4) Integration der Krankheitsüberwachung in die nationale Gesundheitspolitik. Übergeordnetes Ziel ist es, nationale Kapazitäten für die Überwachung und Prävention von Infektionskrankheiten weiter zu stärken und dieses Wissen in der gesamten westafrikanischen Region zu verbreiten.
Namibia-RKI Twinning Project (TwiNit 2.0): Die interdisziplinäre fachliche Unterstützung aus verschiedenen RKI-Fachgebieten in einer abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit unterstützt den Aufbau eines Namibia Institute of Public Health (NIPH) durch die Stärkung von Public Health-Kernfunktionen. FG37 verantwortet den Bereich Antimikrobielle Resistenz & Infektionsprävention und -kontrolle.
WASP: Abteilungsübergreifendes Konsortialprojekt mit Partnerländern der westlichen Balkanregion (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien), in welchem FG37 gemeinsam mit der Charité Berlin das Arbeitspaket zu klinischem Management sowie Prävention und Kontrolle von Antibiotikaresistenzen leitet.
Abgeschlossene Projekte
ARDIG: Antibiotic Resistance Dynamics: the influence of geographic origin and management systems on resistance gene flows within humans, animals and the environment (im Rahmen von EJP One Health)
Containment Scout Initiative: Projekt in Zusammenarbeit mit dem Bundesverwaltungsamt zur personellen Unterstützung der Gesundheitsämter bzw. Landestellen bei der Bewältigung des COVID-19-Geschehens in Deutschland.
DELSI: Erforschung digitaler Epidemiologie mit Sekundärdaten sowie der ethischen, rechtlichen und sozialen Auswirkungen solcher Methoden (Programm und Sonderband in Life Sciences, Society and Policy).
EuSCAPE 2019: European Survey of carbapenem-resistant and/or Colistin-resistant Enterobacteriacea (in Krankenhäusern) (in Kooperation mit dem ECDC). Koordination der teilnehmenden deutschen Labore zusammen mit dem NRZ für gramnegative Krankenhauserreger, Bochum.
NoDARS: Northern Dimension Antibiotic Resistance Study
NOVA: Novel approaches for design and evaluation of cost-effective surveillance across the food chain (im Rahmen von EJP One Health)
RAI: Rationaler Antibiotikaeinsatz durch Information und Kommunikation (im Rahmen von InfectControl 2020): Entwicklung von Informationsmaterialien für Hausärzte und Patienten zum Erwerb multiresistenter Erreger auf Reisen sowie Durchführung einer Kohortenstudie mit Reisenden zur Erforschung des Erwerbs und Dauer der Besiedlung mit multiresistenten Erregern auf Fernreisen.
REDARES: Reduktion von Antibiotikaresistenzen durch leitliniengerechte Behandlung von Patienten mit unkompliziertem Harnwegsinfekt in der ambulanten Versorgung.
ReDIG: Resistance Data Informed Guidelines. Netzwerk zur Förderung der Nutzung von AMR-Surveillancedaten in der Entwicklung von Behandlungsleitlinien (mit Beteiligung der NDPHS-Partner).
SARHA: Antibiotikaresistenz von E. coli bei ambulant erworbener unkomplizierter Harnwegsinfektion. Eine prospektive Kohortenstudie der Jahre 2015/2016 (SARHA-Studie) im Vergleich mit Daten der Antibiotika-Resistenz-Surveillance (ARS).
Nationale und internationale Kooperationspartner
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