Multiresistente gram-negative Erreger
Enterobacteriaceae sind gram-negative Bakterien, die Teil der gesunden Darmflora von Mensch und Tier sind. Einige Vertreter dieser Ordnung, wie Escherichia coli, Klebsiella spp., Enterobacter spp., Citrobacter spp. und Proteus mirabilis sind als Erreger nosokomialer Infektionen medizinisch relevant. Insbesondere Resistenzen gegenüber ß-Laktam-Antibiotika, wie Cephalosporine der dritten Generation und Carbapeneme, schränken die therapeutischen Möglichkeiten im Falle einer Infektion erheblich ein. Ebenso problematisch sind die schwer behandelbaren Infektionen mit Beteiligung multiresistenter Nonfermenter, wie Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter baumannii. Ein ernstes Gesundheitsrisiko sind solche Erkrankungen vor allem für ältere und immungeschwächte Patienten. Die am häufigsten gegen Enterobakterien und Nonfermenter eingesetzten Therapeutika sind ß-Laktam-Antibiotika (Aminobenzylpenicilline, Cephalosporine, Carbapeneme) und Fluorchinolone. Ein Abwehrmechanismus der Erreger gegen ß-Laktam-Antibiotika ist die Bildung von ß-Laktamasen, bakteriellen Enzymen, die ß-Lactam-Antibiotika hydrolysieren, und eine Resistenz verbunden mit einem Therapieversagen zur Folge haben können. Die Vielfalt der ß-Laktamasen ist sehr groß. Man unterscheidet zum Beispiel verschiedene Extended-Spektrum ß-Laktamasen (ESBL) (TEM, SHV, CTX-M), AmpC-ß-Laktamasen (CMY, ACC, DHA) und Carbapenemasen (KPC, NDM, VIM, OXA-48). Die ß-Laktamase-Gene sind überwiegend auf Plasmiden lokalisiert, welche sehr leicht zwischen verschiedenen gram-negativen Spezies ausgetauscht werden und somit die Verbreitung dieser Resistenzeigenschaften erheblich beschleunigen können.
Aufgaben
Hauptaufgabe der Arbeitsgruppe sind Untersuchungen zum Vorkommen und zur Verbreitung von Determinanten der ß-Laktam- und Fluorchinolonresistenz bei Enterobacteriaceae, Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter baumanii. Verschiedene Methoden zur Bestimmung der Antibiotika-Empfindlichkeiten und phänotypischen Bestätigung der ß-Laktamase-Bildung sowie molekulare Diagnostik (PCR- und Sequenzanalyse) zum Nachweis der entsprechenden ß-Laktamase-Gene in den Erregern sind etabliert. Da die Verbreitung dieser Resistenzgene über Plasmide erfolgt, werden deren Aufbau und Eigenschaften im Detail untersucht (u.a. durch Restriktion, Konjugation, Transformation, Plasmid-Sequenzierung). Die für den klinischen Bereich besonders bedeutende Fragestellung nach einer möglichen Verbreitung eines resistenten Erregers im Krankenhaus (Ab- und Aufklärung von Ausbrüchen) wird durch verschiedene Methoden der Erregertypisierung bearbeitet, z.B. die Makrorestriktionsanalyse des Gesamtgenoms in der Pulsfeld-Gelelektrophorese (PFGE) oder die Multilokus-Sequenztypisierung (MLST). Seit 2013 werden außerdem Ganz-Genom-Sequenzierungen durchgeführt, die in Verbindung mit der Epidemiologie die Ausbruchsanalysen erleichtern und die Populationsstrukturen verschiedener gram-negativer Bakterien aufklären sollen.
Studien und Ergebnisse
Im Rahmen von Projekten - gefördert vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) - wurde in den letzten Jahren eine vertiefte Analyse von repräsentativen Stichproben ESBL-bildender Escherichia coli-Isolate aus deutschen Krankenhäusern, Arztpraxen und der Allgemeinbevölkerung durchgeführt. Es zeigte sich, dass ESBL des Typs CTX-M, insbesondere die Variante CTX-M-15, sehr häufig vorkommen. Außerdem ist davon auszugehen, dass vier bis acht Prozent der gesunden Menschen ESBL-bildende Escherichia coli als Darmbesiedler tragen. In Studien der veterinärmedizinischen Projektpartner wurden ESBL-positive Escherichia coli auch bei Haus- und Nutztieren sowie auf Lebensmitteln (z.B. Geflügelfleisch) gefunden, wobei hier die Variante CTX-M-1 und die AmpC-ß-Laktamase CMY-2 besonders häufig nachgewiesen wurden. In detaillierten vergleichenden molekularepidemiologischen Untersuchungen werden die genauen Verbreitungswege derzeit im RESET-Verbundprojekt intensiv erforscht. Durch den häufigen Einsatz von Carbapenemen in der Therapie, insbesondere bei gram-negativen Infektionserregern mit schon vorliegender Cephalosporinresistenz, hat die Zahl Carbapenem-resistenter Isolate in den letzten Jahren zugenommen. Hauptresistenzursache ist der Erwerb von verschiedenen Carbapenemase-Genen. So wurden Metallo-ß-Laktamasen des Typs VIM und NDM in Enterobakterien (Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae), aber auch bei Nonfermentern (Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter baumannii) nachgewiesen. Dagegen zeigte sich, dass die Häufung von KPC-Carbapenemasen bei Klebsiella pneumoniae und OXA-Carbapenemasen bei Acinetobacter baumannii mit der klonalen Verbreitung bestimmter Stämme zusammenhängt. Carbapenemase-bildende Isolae werden oft von zuvor im Ausland hospitalisierten Patienten mitgebracht. Da diese Erreger oft nur noch gegen einzelne Antibiotika empfindlich sind, ist das Behandlungsspektrum im Infektionsfall sehr stark eingeschränkt, wodurch die Mortalitätsraten ansteigen. Daher ist rechtzeitiges Erkennen des Erregers und seiner Resistenzen nicht nur extrem wichtig für die erfolgreiche Behandlung, sondern auch für das Einleiten von geeigneten Maßnahmen, um eine Weiterverbreitung zu verhindern. Unsere Arbeitsgruppe arbeitet in gemeinsamen Projekten mit Kooperationspartnern an dieser Thematik:
- Nationales Referenzzentrum für gramnegative Krankenhauserreger, Abt. für Med. Mikrobiologie, Ruhr-Universität Bochum (Prof. Dr. S. Gatermann, Dr. N. Pfennigwerth)
- Institut für Medizinische Mikrobiologie, Universitätsklinik Köln, Arbeitsgruppe Prof. Dr. H. Seifert (Dr. P. Higgins)
- Bundesinstitut für Risikobewertung, Fachgruppe Antibiotikaresistenz und Resistenzdeterminanten (Prof. Dr. Annemarie Käsbohrer, Dr. Jens Hammerl)
Phylogenetischer Baum von 103 Carbapenemase-bildenden K. pneumoniae Isolaten aus Deutschland, 2008-2016. Gezeigt ist ein ML-Baum basierend auf 159.154 SNPs des Kerngenoms. Kladen von mehr als 3 Isolaten sind farblich hervorgehoben und mit dem jeweiligen Sequentyp (ST) bezeichnet. Der äußere Ring bezeichnet den Besitz des jeweiligen Carbapenemasegens. (aus Becker et al., 2018, Antimicrob. Resist. Infect. Control 7:62)
Leitung
Prof. Dr. Guido Werner, Tel. +49(0)30 - 18754-4210
Ansprechpartner
Dr. Yvonne Pfeifer, Tel. +49(0)30 - 18754-4337
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