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Tularämie

RKI-Ratgeber

Präambel

Die Herausgabe der RKI-Ratgeber erfolgt durch das Robert Koch-Institut (RKI) auf der Grundlage des § 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Zielgruppe der RKI-Ratgeber sind Fachkreise, u.a. Ärztinnen und Ärzte, medizinisches Fachpersonal und der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD). Informationen zu wichtigen Infektionskrankheiten sollen aktuell und konzentriert der Orientierung dienen. Die Beiträge werden in Zusammenarbeit mit den Nationalen Referenzzentren (NRZ), Konsiliarlaboren (KL) sowie weiteren Expertinnen und Experten erarbeitet. Die RKI-Ratgeber sind auf der Internetseite des RKI (www.rki.de/ratgeber) abrufbar. Neu erstellte RKI-Ratgeber und deutlich überarbeitete Folgeversionen werden im Epidemiologischen Bulletin (www.rki.de/epidbull) veröffentlicht.

Erstveröffentlichung im Bundesgesundheitsblatt 12/2001, vollständig aktualisierte Fassung vom Februar 2016. Letzte Aktualisierung der Abschnitte „Gesetzliche Grundlage“ und „Beratung und Spezialdiagnostik“ vom Februar 2018.

Erreger

Der Erreger der Tularämie, Francisella (F.) tularensis, ist ein gram-negativer, intrazellulärer, unbeweglicher, aerob wachsender, pleomorpher Coccobacillus. Er bildet keine Sporen aus, ist aber trotzdem in der Umwelt sehr widerstandsfähig, insbesondere bei niedrigen Temperaturen.

Es werden vier Subspezies unterschieden: F. tularensis ssp. tularensis (Biovar Typ A), ssp. holarctica (Biovar Typ B), ssp. mediasiatica und ssp. novicida. Die zwei klinisch relevanten Subspecies tularensis und holarctica sind serologisch identisch. Die nur in Nordamerika vorkommende Subspezies tularensis kann molekulargenetisch in zwei Gruppen unterteilt werden – clade A.I und clade A.II – die geographisch unterschiedlich verteilt sind. Die Subspezies tularensis clade A.I ist im Gegensatz zu clade A.II hochvirulent; die resultierende Krankheit weist unbehandelt mit bis zu 60% eine sehr hohe Letalität auf. Die auch in Europa vorkommende Subspezies holarctica ist weniger virulent, kann jedoch ebenfalls schwere Krankheitsbilder hervorrufen.

Gemäß der Biostoffverordnung gehört F. tularensis ssp. tularensis zur Risikogruppe 3, alle anderen Subspezies sind in die Risikogruppe 2 eingeordnet. F. tularensis wird als potentieller Biowaffenerreger betrachtet.

Vorkommen

Tularämie ist eine relativ seltene Zoonose. F. tularensis ssp. tularensis kommt ausschließlich in Nordamerika vor, während ssp. holarctica in der gesamten nördlichen Hemisphäre auftritt. In den USA wurden in den letzten Jahren jährlich zwischen 100 und 200 Fälle von Tularämie registriert. 2003 und 2011 wurden zwei Fälle von Tularämie in Australien beschrieben, die bisher einzigen bekannten Fälle auf der Südhalbkugel. In Deutschland wurden in den letzten Jahren jährlich zwischen 20 und 30 Fälle dieser gemäß IfSG meldepflichtigen Erkrankung an das RKI übermittelt. Es ist anzunehmen, dass die tatsächliche Fallzahl wesentlich höher liegt. In Europa waren es in diesem Zeitraum zwischen 500 und 1.000 Fälle jährlich. Betroffen sind häufig Personen, die sich viel in der freien Natur aufhalten (ländliche Bevölkerung, Jäger und Waldarbeiter).

Aktuelle Fallzahlen zur Tularämie und weitere epidemiologische Kenngrößen finden Sie im aktuellen Infektionsepidemiologischen Jahrbuch unter www.rki.de/jahrbuch. Ein vereinfachter Datenbestand der gemäß IfSG meldepflichtigen Krankheitsfälle und Erregernachweise kann mit Hilfe von SurvStat@RKI unter www.rki.de/survstat abgefragt werden.

Reservoir

F. tularensis ist ein Erreger mit einem extrem breiten Wirtsspektrum. Er infiziert v. a. verschiedene Kleinsäuger wie Hasen, Kaninchen und Mäuse, aber auch andere Wild- sowie Haustiere. Darüber hinaus wurde er bei blutsaugenden Arthropoden wie Bremsen, Mücken und Zecken, aber auch in Vögeln und Amphibien nachgewiesen. F. tularensis findet sich auch in der Umwelt (Wasser, Erde). Auf die Anwesenheit des Erregers wird häufig nur durch einen DNA-Nachweis geschlossen, da seine Anzucht schwierig ist. Das natürliche Reservoir ist bisher nicht eindeutig bestimmt.

Infektionsweg

F. tularensis ist ein hochinfektiöser Erreger. Die infektiöse Dosis liegt – außer bei Aufnahme über den Magen-Darm-Trakt – bei nur ca. 10 Erregern. Die Infektion kann erfolgen durch:

  • Kontakt der Haut oder Schleimhäute mit infektiösem Tiermaterial (z. B. bei der Verarbeitung infizierter Tiere) oder mit kontaminiertem Wasser; in der Folge auch durch Schmierinfektionen, z. B. Infektion der Augen durch Kontakt mit kontaminierten Händen.
  • Verzehr von nicht ausreichend erhitztem, kontaminiertem Fleisch (z. B. Hasen) oder anderen kontaminierten Lebensmitteln (z. B. durch Mäusekot kontaminiertes Getreide).
  • Aufnahme von kontaminiertem Wasser.
  • Inhalation von kontaminiertem Staub oder Aerosolen (z. B. beim industriellen Waschen und Zerkleinern von kontaminiertem Gemüse, Rasenmähen oder Heubearbeiten).
  • Stich oder Biss von infizierten blutsaugenden Arthropoden (z. B. von Bremsen, Mücken, Zecken).

Bei vielen Erkrankungsfällen gibt es keine unmittelbaren Anhaltspunkte für die Infektionsquelle.

Auf Grund der hohen Infektiosität besteht ein erhöhtes Risiko für Laborinfektionen.

Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung ist nicht bekannt. Auf Grund der geringen Infektionsdosis, der Anwesenheit des Erregers in Geweben und Körperflüssigkeiten von Erkrankten (z. B. Ulcus der Haut) und Verstorbenen sowie dem gelegentlichen Nachweis des Erregers im Sputum von Erkrankten ist eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung aber nicht sicher auszuschließen.

Inkubationszeit

Die Inkubationszeit beträgt, abhängig von Infektionsdosis, Infektionsweg und von der Virulenz des Erregerstammes 1 bis 14 Tage, in der Regel 3 bis 5 Tage. Selten sind auch Inkubationszeiten von mehreren Wochen beschrieben.

Klinische Symptomatik

Das klinische Bild der Tularämie ist unspezifisch. Neben grippeähnlichen Symptomen (v. a. Fieber, Lymphknotenschwellungen, Schüttelfrost, Unwohlsein sowie Kopf- und Gliederschmerzen) kann das klinische Bild bei Tularämie sehr vielfältig sein. In Abhängigkeit von der Eintrittspforte werden die folgenden Formen unterschieden:

  • Ulzeroglandulär und glandulär (nach Hautkontakt mit den Erregern, auch ohne vorhandene Wunden oder offene Hautstellen, inklusive Arthropodenbiss/-stich): Bildung einer primären Ulzeration (häufig zunächst unentdeckt, Größe von wenigen Millimetern bis wenigen Zentimetern; bildet sich kein Ulcus, so liegt die glanduläre Form vor), regionale Lymphknotenschwellung (bei spätem Behandlungsbeginn vereiternd und nekrotisierend).
  • Oculoglandulär (nach Infektion des Auges, z. B. durch Wischen mit der kontaminierten Hand): meist einseitige Konjunktivitis mit Ödemen am Lid oder starkem Tränenfluss, Lichtempfindlichkeit, regionale Lymphknotenschwellung.
  • Oropharyngeal (nach Aufnahme von kontaminiertem Wasser oder Lebensmitteln): meist einseitige, oft massive submandibuläre und zervikale Lymphknotenschwellung, Stomatitis, Pharyngitis, Tonsillitis möglich; bei hohen Dosen ist eine gastrointestinale Beteiligung mit Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall nicht ausgeschlossen.
  • Pulmonal (nach Inhalation der Erreger): Bronchopneumonie, Husten, Brustschmerzen, Atemstörungen und Atemnot, Schweißausbrüche, Übelkeit, Erbrechen, hiläre Lymphknotenschwellung; eine Pneumonie kann, muss aber nicht vorkommen.

Eine Pneumonie kann nach Inhalation als primäre Manifestation auftreten, aber auch bei allen nicht-pulmonalen Formen der Tularämie als Komplikation in Folge der Streuung des Erregers in die Lunge.

Als Komplikationen von Infektionen mit dem Subtyp tularensis können sekundäre Pneumonien, schwere Septikämie, Endokarditis, Leber- und Nierenversagen auftreten. Bei Infektionen mit dem Subtyp holarctica sind gelegentlich Meningitis und Sepsis zu beobachten; Pneumonien sind eher selten. Bei beiden Subtypen können Hauterscheinungen wie Erythema nodosum und Erythema multiforme auftreten.

In Abhängigkeit von der Subspezies, dem Übertragungsweg, der aufgenommenen Erregermenge und dem Zeitpunkt des Beginns einer gezielten Therapie gibt es eher milde oder sehr schwere Krankheitsverläufe. Bei rechtzeitiger, adäquater Therapie treten nur selten Todesfälle auf. Die pulmonale Infektion mit F. tularensis ssp. tularensis kann unbehandelt in 30-60% der Fälle zum Tod führen. Bei Infektionen mit dem in Europa auftretenden Subtyp holarctica kommt es oft zur Spontanheilung; Todesfälle sind, auch ohne Behandlung, sehr selten.

Dauer der Ansteckungsfähigkeit

Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung ist nicht bekannt (siehe Infektionsweg). Mit dem Erreger kontaminierte Materialien bleiben bei Temperaturen zwischen 0°C und 10°C wochenlang, bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt monatelang lebensfähig. Mit dem Erreger kontaminierte Materialien in der Umwelt (z. B. Wasser, Kadaver erkrankter Tiere) bleiben insbesondere in den kalten Wintermonaten lange infektiös. Gefrorenes kontaminiertes Fleisch bleibt monatelang infektiös.

Diagnostik

1. Differentialdiagnostik

Auf Grund des unspezifischen und vielfältigen klinischen Bildes kommt differentialdiagnostisch eine Reihe von Krankheiten in Betracht. Dazu gehören u. a. Brucellose, Influenza, Katzenkratzkrankheit, Legionellose, Mykobakteriosen, Q-Fieber, Pest, Staphylokokken- und Streptokokkeninfektionen und Syphilis. Eine ausführliche Liste der Differentialdiagnosen findet sich z. B. in den WHO Guidelines on Tularaemia, Seite 17-19 (WHO 2007).

2. Labordiagnostik

Proben für den Erregernachweis sollten, wenn möglich, vor einer antibiotischen Therapie genommen werden. Der direkte Erregernachweis durch Anzucht auf cystein- oder cystinangereicherten, bluthaltigen Nährmedien (z. B. Cystein-Herz-Blutagar) aus Blut, Gewebeproben (Leber, Milz) oder Abstrichen gelingt nicht immer, sollte aber in jedem Fall versucht werden. Isolate sollten aus dem Routinelabor zur weiteren Charakterisierung an eines der unten genannten Speziallaboratorien übergeben werden.

Da Stämme von F. tularensis mit Antibiotikaresistenzen beschrieben sind, sollte standardmäßig eine Resistenztestung der angezüchteten Erreger durchgeführt werden. Da es sich um einen hochinfektiösen Erreger handelt, sollte die weiterführende Diagnostik, insbesondere Subtypisierung und Virulenz- und Resistenztestung Speziallaboratorien vorbehalten sein.

Als direkte Erregernachweise stehen auch Nukleinsäure-Nachweisverfahren (z. B. verschiedene PCR-Methoden) und Antigen-Nachweise (z. B. Immunofluoreszenzmikroskopie, ELISA) zur Verfügung.

Indirekt kann die Infektion durch den Nachweis von Serumantikörpern gegen den Erreger diagnostiziert werden. Ein einmalig hoher Titer oder ein Anstieg des Titers sprechen für eine vorangegangene Infektion. Für den Antikörpernachweis kommen verschiedene Methoden wie ELISA, Westernblot, Immunfluoreszenz und Agglutinationstest in Frage.

Therapie

Um einen schweren Krankheitsverlauf und Komplikationen zu vermeiden, ist eine frühzeitige Therapie essentiell. Wirksam gegen F. tularensis sind Aminoglycoside, Fluorchinolone, Tetracycline, Chloramphenicol und Rifampicin. Penicilline und andere Beta-Lactam-Antibiotika sind wirkungslos. Vor Ausschluss von Resistenzen sollte die Behandlung nicht mit Makrolidantibiotika erfolgen.

Ausführliche Hinweise zur Therapie der Tularämie gibt der Ständige Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger (STAKOB).

Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen

1. Präventive Maßnahmen

Verhaltensempfehlungen

Zum Schutz vor Übertragung sollten bei Kontakt mit kranken und toten Wildtieren, insbesondere Hasen und Kaninchen, Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. Insbesondere sollten Jäger beim Abbalgen Handschuhe tragen und auffällige Tiere den Behörden für eine Untersuchung melden. Bei zu erwartender Aerosolentwicklung sollte eine Atemschutzmaske (FFP2/FFP3) getragen werden. Fleisch von Hasen und Kaninchen sollte nur gut durchgegart verzehrt werden. In Gegenden, in denen Fälle von Tularämie aufgetreten sind, sollte Oberflächen- und Brunnenwasser vor dem Trinken abgekocht werden. Der Kontakt mit durch Tierkadaver kontaminiertem Wasser sollte gemieden werden. Regeln der Haushalts- und Händehygiene sollten strikt eingehalten werden.

Hinweise zum Arbeiten im Labor

Laborinfektionen mit F. tularensis stellen auf Grund der hohen Infektiosität eine ernsthafte Gefahr dar. Der Verdacht auf Tularämie sollte daher dem Labor immer mitgeteilt werden. Der Umgang mit dem Erreger sollte unter Einhaltung strikter Arbeitsschutzmaßnahmen (mikrobiologische Sicherheitswerkbank Klasse 2, Schutzkittel, Handschuhe, Atemschutzmaske (FFP2/FFP3) und Schutzbrille) erfolgen und nach Möglichkeit spezialisierten Laboratorien überlassen werden. Kontaminiertes Patientenmaterial, Bakterienkulturen sowie potentiell kontaminierte Arbeitsmaterialen müssen fachgerecht entsorgt werden. Auf die Vollzugshilfe zur Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes wird verwiesen.

F. tularensis ist durch gängige Desinfektionsmethoden leicht abzutöten (Desinfektionsmittel mit dem Wirkungsbereich A entsprechend der Liste der vom Robert Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren (RKI-Liste) oder mit dem Wirkungsbereich „bakterizid“ der Desinfektionsmittel-Liste des Verbundes für Angewandte Hygiene (VAH-Liste) sind hierfür geeignet).

Impfung

Ein Impfstoff ist in Deutschland nicht zugelassen. Ein bis vor kurzem in den USA für Laborpersonal eingesetzter Impfstoff wird dort wegen begrenzter Wirksamkeit und möglicher Nebenwirkungen nicht mehr verwendet. Russland verfügt über einen Impfstoff, der über lange Zeit in der früheren UdSSR in großen Impfkampagnen eingesetzt wurde und bis heute für Impfungen eingesetzt wird. Dieser Impfstoff ist kommerziell verfügbar. Die Nebenwirkungen werden als relativ mild und vorübergehend beschrieben; schwere Nebenwirkungen, insbesondere bleibende Schäden, sind nicht bekannt. In westlichen Staaten wird wegen der Bedeutung von F. tularensis als potentiellem Bioterrorismus-Erreger verstärkt an neuen Tularämie-Impfstoffen gearbeitet; diese haben aber noch nicht die Stufe der klinischen Prüfung erreicht.

Eine prophylaktische Immunisierung käme in der Regel nur für Personen mit besonderem Expositionsrisiko (z. B. Laborpersonal) in Frage. Eine Impfung ist für andere Personen üblicherweise unnötig, da die sofortige antibiotische Behandlung nach Krankheitsausbruch ausreichend ist. Wegen der üblichen Inkubationszeit von Tularämie von 3 bis 5 Tagen und der Tatsache, dass die Immunität nach einer Impfung erst nach etwa 2 Wochen eintritt, ist die post-expositionelle Impfung nicht wirksam.

2. Maßnahmen bei Einzelerkrankungen

Erkrankungsverdächtige und Erkrankte müssen nicht isoliert werden, da eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung nicht bekannt ist.

Bei der stationären Behandlung von erkrankten Personen sind die Maßnahmen der Basishygiene zu beachten. Die Hygienemaßnahmen sind in der Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten detailliert dargestellt.

Das Personal sollte über die nicht auszuschließende Gefahr der Infektion durch Blutspritzer, Wundsekret oder andere potentiell infektiöse Flüssigkeiten informiert werden. Kontaminiertes Patientenmaterial sowie potentiell kontaminierte Arbeitsmaterialien müssen fachgerecht entsorgt werden. Auf die Vollzugshilfe zur Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes wird verwiesen.

An Tularämie Verstorbene müssen als infektiös betrachtet werden. Sektionen und Probenentnahmen sollten daher nur erfahrene Pathologen unter Einhaltung strikter Arbeitsschutzmaßnahmen (Schutzkittel, Handschuhe, Atemschutzmaske (FFP2/FFP3) und Schutzbrille) vornehmen.

3. Umgang mit Kontaktpersonen

Nach wahrscheinlicher Exposition (z. B. im Labor) sollte innerhalb von 24 Stunden eine Postexpositionsprophylaxe mit geeigneten Antibiotika (z. B. Doxycyclin oder Ciprofloxacin) begonnen werden (siehe auch Hinweise zur Therapie der Tularämie des STAKOB).

Bei geringer oder unklarer Expositionswahrscheinlichkeit sollten alle mutmaßlich Betroffenen über die mögliche Exposition informiert werden und über 2 Wochen ab vermuteter Exposition ein Fieber-Monitoring durchführen. Diejenigen, die in diesem Zeitraum Fieber entwickeln, sollten sofort antibiotisch therapiert werden; eine entsprechende Diagnostik sollte durchgeführt werden.

4. Maßnahmen bei Ausbrüchen

Tularämie ist eine in Deutschland selten auftretende Krankheit. Das Auftreten von mehreren möglicherweise zusammenhängenden Fällen erfordert daher immer eine umfassende Aufklärung der Quelle. Natürliche Ursache für ein gehäuftes Auftreten der Tularämie können infizierte Wildtiere (wie Hasen und Kaninchen), kontaminierte Gewässer oder Trinkwasserbrunnen, aber auch das gehäufte Auftreten von infizierten Arthropoden sein. Derartige Infektionsquellen sind aber nicht immer offensichtlich. Zusammenhänge mit Epidemien in geographischen Regionen außerhalb Deutschlands können möglich sein (importierte Fälle).

5. Maßnahmen bei Ausbrüchen in Folge einer absichtlichen Ausbringung des Erregers

Insbesondere bei einem epidemiologischen Verlauf, der auf eine Punktquelle hinweist, beim Auftreten von Tularämie bei Personen ohne vorangegangenen Aufenthalt im ländlichen Bereich oder bei unerwartet schweren Fällen pulmonaler Tularämie bei ansonsten gesunden Personen (was auf eine ungewöhnlich starke Exposition hindeutet) muss die Möglichkeit einer absichtlichen Ausbringung des Erregers in Betracht gezogen werden. Bei Verdacht auf absichtliche Ausbringung müssen die potentiell kontaminierten Bereiche abgesperrt werden. Personen, die sich in diesen Bereichen aufhalten, müssen dekontaminiert werden (Duschen mit Seife inklusive Haarwäsche; Kleiderwechsel).

Hinweise zum Kleiderwechsel

Oberbekleidung von Personen, die mit dem Erreger in Kontakt gekommen sein könnte, sollte ausgezogen (möglichst nicht über den Kopf ziehen, um eine Kontamination der Atemwege zu vermeiden) und in einem Plastikbeutel versiegelt werden. Dieser sollte zusätzlich in einem zweiten Plastikbeutel verpackt werden, der genau beschriftet wird (Träger der Kleidung mit Adresse und Telefonnummer, Auflistung des Inhaltes, Datum und Ort der Verpackung). Diese Kleidung sollte an einem sicheren Ort (z. B. der Feuerwehr) verwahrt werden, bis labordiagnostisch der Verdacht auf Kontamination mit F. tularensis ausgeschlossen werden konnte. Bei einem positiven Nachweis muss die Kleidung fachgerecht entsorgt bzw. dekontaminiert werden. Auf die Vollzugshilfe zur Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes wird verwiesen.

Persönliche Schutzausrüstung

Falls eine andauernde Exposition nicht auszuschließen ist, müssen alle Einsatzkräfte vor Ort mit persönlicher Schutzausrüstung (PSA), u. a. FFP3-Masken, ausgestattet werden (siehe Empfehlung des Robert Koch-Institutes. Vorgehensweise bei Verdacht auf Kontamination mit hochpathogenen und bioterroristisch relevanten Agenzien (z. B. Verdacht auf bioterroristischen Anschlag)).

Desinfektionsmaßnahmen

F. tularensis ist durch gängige Desinfektionsmethoden leicht abzutöten (Desinfektionsmittel mit dem Wirkungsbereich A entsprechend der Liste der vom Robert Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren (RKI-Liste) oder mit dem Wirkungsbereich „bakterizid“ der Desinfektionsmittel-Liste des Verbundes für Angewandte Hygiene (VAH-Liste) sind hierfür geeignet).

Über das Vorgehen bzgl. Dekontamination von verseuchten Räumen und Außenbereichen muss im Einzelfall entschieden werden (siehe Dekontamination/Desinfektion in B-Lagen. Praktische Hinweise des Robert Koch-Institutes).

Gesetzliche Grundlage

Meldepflicht gemäß IfSG

Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 7 Abs. 1 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis von Francisella tularensis, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet.

Die Meldungen müssen dem Gesundheitsamt spätestens 24 Stunden nach erlangter Kenntnis vorliegen.

In § 8 IfSG werden die zur Meldung verpflichteten Personen benannt (https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__8.html). In § 9 IfSG ist festgelegt, welche Angaben die namentliche Meldung an das Gesundheitsamt enthalten darf (https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__9.html).

Übermittlung

Das Gesundheitsamt übermittelt gemäß § 11 Abs. 1 IfSG an die zuständige Landesbehörde nur Erkrankungs- oder Todesfälle und Erregernachweise, die der Falldefinition gemäß § 11 Abs. 2 IfSG entsprechen.

Die vom RKI erstellten Falldefinitionen sind auf den Internetseiten des RKI unter www.rki.de/falldefinitionen veröffentlicht.

Weitergehende Mitteilungspflichten

Es bestehen ergänzende Verordnungen in Sachsen.

Beratung und Spezialdiagnostik

Das Robert Koch-Institut führt keine individuelle medizinische Beratung zu Klinik, Therapie oder Impfungen durch. Bitte wenden Sie sich diesbezüglich an Ärzte oder Kliniken in Ihrer Nähe, bei denen möglichst eine Spezialisierung für Infektionskrankheiten besteht.

Bezüglich Fragen zu Infektionsschutz und -prävention, kontaktieren Sie bitte Ihr zuständiges Gesundheitsamt (https://tools.rki.de/plztool/).

Beratung zum klinischen und seuchenhygienischen Management

Robert Koch-Institut
Zentrum für Biologische Gefahren und Spezielle Pathogene (ZBS)
ZBS 7 - Strategie und Einsatz
Nordufer 20, 13353 Berlin
Ansprechpartner: Dr. Christian Herzog
Tel.: 030 18754 3233
E-Mail: Kontaktformular

Beratung zur Epidemiologie

Robert Koch-Institut
Abteilung für Infektionsepidemiologie
Fachgebiet 35 – Gastrointestinale Infektionen, Zoonosen und tropische Infektionen
Seestraße 10, 13353 Berlin
Ansprechpartner: Prof. Dr. Klaus Stark
Tel.: 030 18754 3432
Fax: 030 18754 3533
E-Mail: Kontaktformular

Beratung zur Spezialdiagnostik

Konsiliarlabor für Francisella tularensis (Humanbereich)
Robert Koch-Institut
Zentrum für Biologische Gefahren und Spezielle Pathogene ZBS2
Seestraße 10, 13353 Berlin
Ansprechpartner: Dr. Daniela Jacob, Dr. Klaus Heuner
Tel.: 030 18754 2934/-2226
Fax: 030 18754 2110
E-Mail: Kontaktformular
Homepage: Konsiliarlabor für Tularämie

Nationales Referenzlabor für Tularämie (Veterinärbereich)
Friedrich-Loeffler-Institut (FLI)
Institut für bakterielle Infektionen und Zoonosen (IBIZ)
Naumburger Str. 96a, 07743 Jena
Ansprechpartner: PD Dr. Herbert Tomaso, Dr. Peter Otto
Tel.: 03641 804 2243 (PD Dr. Tomaso), -2264 (Dr. Otto)
Fax: 03641 804 2228
E-Mail: Herbert.Tomaso@fli.bund.de; Peter.Otto@fli.bund.de
Homepage: Nationales Referenzlabor für Tularämie

Weitere Informationen

Ausgewählte Literaturquellen

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  2. Becker SL, Splettstoesser WD, Kim YJ, et al.: Potential risk of aerosol-borne Francisella tularensis transmission in the operating room. Infect Control Hosp Epidemiol 2015; 36(4):490-492
  3. Dennis DT, Inglesby TV, Henderson DA, et al.: Tularemia as a biological weapon. Medical and public health management. JAMA 2001; 285(21):2763-2773
  4. Grunow R, Kalaveshi A, Kühn A, et al.: Surveillance of tularaemia in Kosovo, 2001 to 2010. Euro Surveill 2012; 17(28):pii=20217
  5. Grunow R, Splettstösser W, Hirsch FW, et al.: Differentialdiagnose der Tularämie. Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(14):408-413
  6. Kohlmann R, Geis G, Gatermann SG: Die Tularämie in Deutschland. Dtsch med Wochenschr 2014; 139(27):1417-1422
  7. Kuehn A, Schulze C, Kutzer P, et al.: Tularaemia seroprevalence of captured and wild animals in Germany: the fox (Vulpes vulpes) as a biological indicator. Epidemiol Infect 2013; 141(4):833-840
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  9. Lübbert C, Taege C, Seufferlein T, Grunow R: Prolongierter Verlauf einer durch Zeckenstich übertragenen ulzeroglandulären Tularämie bei einer 20-jährigen Patientin. Dtsch Med Wochenschr 2009; 134(27):1405-1410
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  12. Robert Koch-Institut (RKI): Tularämie (Hasenpest): Reiseassoziierte Erkrankungen in Berlin nach Türkei-Aufenthalt. Epid Bull 2011; 15:117-119
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  15. World Health Organization (WHO): WHO Guidelines on Tularaemia. 2007
  16. Zasada AA, Formińska K, Zacharczuk K, et al.: Comparison of eleven commercially available rapid tests for detection of Bacillus anthracis, Francisella tularensis and Yersinia pestis. Lett Appl Microbiol 2015; 60(5):409-413

Redaktion der Reihe "RKI-Ratgeber"

Hinweise zur Reihe "RKI-Ratgeber" richten Sie bitte an das Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektionsepidemiologie (Kontaktformular) oder an die Redaktion des Epidemiologischen Bulletins (Kontaktformular).

Stand: 23.02.2016

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