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Streptococcus pyogenes-Infektionen

RKI-Ratgeber

Präambel

Die Herausgabe der RKI-Ratgeber durch das Robert Koch-Institut (RKI) erfolgt auf der Grundlage des § 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Zielgruppe der RKI-Ratgeber sind Fachkreise, u. a. Ärztinnen und Ärzte, medizinisches Fachpersonal und der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD). Informationen zu wichtigen Infektionskrankheiten sollen aktuell und konzentriert der Orientierung dienen. Die Beiträge werden in Zusammenarbeit mit den Nationalen Referenzzentren (NRZ), Konsiliarlaboren (KL) sowie weiteren Expertinnen und Experten erarbeitet. Die RKI-Ratgeber sind auf der Internetseite des RKI (www.rki.de/ratgeber) abrufbar. Neu erstellte RKI-Ratgeber und deutlich überarbeitete Folgeversionen werden im Epidemiologischen Bulletin (www.rki.de/epidbull) veröffentlicht.

Erstveröffentlichung im Epidemiologischen Bulletin 43/2000, überarbeitete Fassung vom Mai 2018. Letzte Aktualisierungen:

  • Abschnitt "Therapie" vom Mai 2019;
  • Abschnitt "Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen" vom November 2019.

Erreger

Zur Gattung Streptococcus gehört eine Reihe von Spezies grampositiver Kokken, die sich in Ketten oder Paaren lagern. Streptokokken sind typische Bakterien des Schleimhautmikrobioms, überwiegend mit positiver Wirkung auf die Physiologie der Wirte. Ein klassisches Kriterium ihrer taxonomischen Einteilung ist das Hämolyseverhalten auf hammelbluthaltigen Nährböden. Die wichtige pathogene Arten enthaltende Gruppe der β-hämolysierenden Streptokokken (sie bewirken eine vollständige Hämolyse, d. h. durchscheinende Höfe um die Kolonien) wird weiter aufgrund unterschiedlicher Antigene des Zellwand-C-Polysaccharids in verschiedene Serogruppen (A–T) eingeteilt (klassisches Schema nach Rebecca Lancefield).

Die medizinisch bedeutendste Art der β-hämolysierenden Streptokokken ist Streptococcus (S.) pyogenes, die landläufig auch als „A-Streptokokken“, Gruppe A-Streptokokokken (GAS) bezeichnet wird, da sie (aber nicht ausschließlich) das C-Polysaccharid-Antigen der Gruppe A enthalten; sie werden vorläufig durch die Reaktion spezifischer Antiseren mit Antigenen der Zellwand und sicher durch molekularbiologische, massenspektrometrische oder biochemische Techniken identifiziert. Für epidemiologische Analysen wurde früher ein Oberflächenprotein von S. pyogenes, das M-Protein, serologisch differenziert. Aktuell existieren mehrere konkurrierende molekularbiologische Typisierungsverfahren, von denen eines auf das M-Protein-kodierende emm-Gen abzielt. Wie für andere medizinisch relevante Bakterien werden diese Typisierungsverfahren zunehmend durch Gesamtgenomsequenzierungen abgelöst. Dabei sind derzeit weder das für die Typisierung unerlässlich zu ermittelnde „core“-Genom noch die maximal zulässige Zahl von abweichenden Nukleotidpositionen für die Aussage der vollkommenen genetischen Identität definiert.

Bestimmte herkömmlich identifizierte Typen sind mit Erkrankungen des Rachens, andere eher mit Haut- bzw. Wund- oder septischen Infektionen korreliert; ähnliches gilt für die nichteitrigen Folgeerkrankungen „akutes rheumatisches Fieber“ (ARF) und „akute Glomerulonephritis“ (AGN), nicht aber für die Gruppe der „obsessive compulsive disorders (OCDs)“, sprich neurologisch bedingte Bewegungsstörungen. Für die unterschiedlichen Erkrankungen sind auf bakteriengenetischer Ebene unterschiedliche Virulenzgene verantwortlich, die verschiedene S.-pyogenes-Stämme – maßgeblich durch Bakteriophagentransduktion – in unterschiedlichen Kombinationen in ihrem Genom tragen. Die kodierten Virulenzfaktoren bestimmen den Gewebetropismus der Bakterien, deren Invasivität in typischerweise sterile anatomische Kompartimente sowie deren Resistenz gegenüber Abwehrmechanismen und ermöglichen eine Manipulation der Wirtsabwehrleistungen im Sinne einer Verstärkung der Infektionsfolgen. Die Virulenzfaktoren sind größtenteils molekular und funktionell charakterisiert. Das Gleiche gilt auch für viele Aspekte der spezifischen Wirtsabwehr.

Vorkommen

S. pyogenes gilt als fast ausschließlich humanpathogenes Bakterium. In der überwiegenden Zahl sind Menschen asymptomatisch durch diese Spezies besiedelt. Die Zahl der asymptomatischen Träger ist mit dem Lebensalter assoziiert und in gemäßigten Klimazonen saisonal unterschiedlich – in der kälteren Jahreszeit sind dort insbesondere Kinder betroffen.

Pharyngitiden durch S. pyogenes sind weltweit verbreitet. Sie gehören zu den häufigsten bakteriellen Erkrankungen im Kindesalter und weisen einen Gipfel in der Altersgruppe der 6- bis 12-Jährigen auf. Ausbrüche sind in allen Altersgruppen möglich. Die Anzahl der akuten Streptokokken-Pharyngitiden in Deutschland wird auf 1 bis 1,5 Millionen pro Jahr geschätzt. In den gemäßigten Klimazonen tritt die Mehrzahl der Streptokokken-Pharyngitiden im Winter und im Frühjahr auf.

Streptokokken-Pyodermien kommen bevorzugt in tropischen und subtropischen Klimazonen vor und treten vor allem im Kleinkindesalter auf. Die Prävalenz dieser Erkrankungen ist sehr stark von der persönlichen Hygiene abhängig und mit dem sozio-ökonomischen Status assoziiert.

Reservoir

Das Reservoir für S. pyogenes ist der Mensch. Besiedlungen von Haustieren (Hunde, Katzen) kommen bei sehr engem Kontakt mit ihrem S. pyogenes tragenden Halter vor. In der unbelebten Umgebung vermehrt sich S. pyogenes nicht, kann aber bis zu mehreren Monaten insbesondere auf trockenen Oberflächen in Schleim- oder Blutresten überleben und infektiös bleiben.

Infektionsweg

Die Streptokokken-Pharyngitis wird durch direkten bzw. indirekten Kontakt, weniger häufig durch Erreger-haltige Tröpfchen bzw. Aerosole von Mensch zu Mensch übertragen, selten durch kontaminierte Lebensmittel und Wasser.

Pyodermien durch S. pyogenes entstehen nach Kontaktübertragung. Enges Zusammenleben (z.B. in Schulen, Kasernen, Heimen) begünstigt in jedem Lebensalter die Ausbreitung des Erregers.

Inkubationszeit

Die Inkubationszeit beträgt 1–3 Tage, selten länger.

Klinische Symptomatik

S. pyogenes kann eine Vielzahl von Krankheitsbildern verursachen, wichtige Gruppen sind

  • lokale eitrige Infektionen des Rachens oder der Haut,
  • generalisierte bzw. toxinvermittelte Krankheitsbilder,
  • immunologisch bedingte Folgeerkrankungen.

Lokalisierte Erkrankungen des Rachens (Tonsillopharyngitis, „Angina“) äußern sich mit Halsschmerzen, Fieber, Schüttelfrost, Unwohlsein und bei Kindern auch mit Bauchbeschwerden und Erbrechen. Die Symptome können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein und reichen von leichten Halsschmerzen mit minimal auffälligem Untersuchungsbefund bis zu hohem Fieber, starken Halsschmerzen mit ausgeprägtem Erythem und Schwellung der Pharynxschleimhaut sowie eitrigem Exsudat. Die Erkrankung kann von einer Sinusitis, Otitis media oder Pneumonie begleitet sein. Die wichtigste lokale Komplikation ist der Peritonsillarabszess.

Haut- und Weichgewebeinfektionen durch S. pyogenes können die Haut, das Unterhautgewebe, Muskeln und Faszien betreffen. Impetigo contagiosa (ansteckende Borkenflechte) ist eine oberflächliche Hautinfektion, die häufig im Gesicht (insbesondere um Mund und Nase) und an den Beinen auftritt. Es bilden sich pustulöse Effloreszenzen, die aufbrechen und zu Verkrustungen führen. Fieber tritt bei der Impetigo nicht auf und der Patient macht keinen kranken Eindruck. Bei Fieber sollte an eine Beteiligung tieferer Gewebsschichten gedacht werden. Sekundär- bzw. Ko-Infektionen mit Staphylococcus aureus sind bei Impetigo nicht selten.

Weitere wesentliche Streptokokken-Infektionen der Haut und Weichteile sind das Erysipel, phlegmonöse Entzündungen des Subkutangewebes (Zellulitis) sowie nekrotisierende Fasziitiden (Fasciitis necroticans, „flesh eating disease“), welche die oberflächlichen und/oder tiefer gelegenen Muskelfaszien sowie die Muskeln (Myositis) zerstören können.

Generalisierte Infektionen können bei jeder lokalisierten Erkrankung entstehen. Das Einschwemmen des Erregers in die Blutbahn kann zur S.-pyogenes-Sepsis führen. Eine spezielle Form – die Puerperalsepsis – besitzt in den weniger entwickelten Ländern heute noch eine erhebliche Bedeutung. Zu den toxinvermittelten Erkrankungen zählen Scharlach und das Streptokokken-Toxic-Shock-Syndrom.

Der Scharlach ist eine Streptokokken-Infektion, die meist in Form einer Angina auftritt und von einem charakteristischen Exanthem begleitet wird. Das Exanthem entsteht durch die Einwirkung eines der pyrogenen Streptokokken-Exotoxine (Superantigene). Das Scharlachexanthem, bestehend aus kleinfleckigen Papeln, beginnt am 1. oder 2. Krankheitstag am Oberkörper und breitet sich zentrifugal unter Aussparung der Handinnenflächen und Fußsohlen aus. Zu den zusätzlichen Symptomen gehören die periorale Blässe und die Himbeerzunge (vergrößerte Papillen auf einer belegten Zunge, die sich später schält). Das Exanthem verschwindet nach 6 bis 9 Tagen. Einige Tage danach kommt es zur groblamellären Abschuppung der Haut, insbesondere der Handinnenflächen und Fußsohlen. Eine Immunität wird immer nur gegen das bei der abgelaufenen Infektion vorherrschende Toxin erzeugt; das bedeutet, dass mehrfache Erkrankungen an Scharlach möglich sind.

Das Streptokokken-Toxic-Shock-Syndrom (STSS) wird durch von den Bakterien sezernierte Superantigene mitverursacht. Diese bewirken eine polyklonale unkontrollierte Stimulierung von bis 20% der zirkulierenden T-Zellen eines Menschen. Durch Schock und Multiorganversagen wird eine Letalitätsrate von rund 30% bewirkt. Wegen des raschen und potenziell tödlichen Verlaufes ist es bei einem sich entwickelnden STSS besonders wichtig, frühzeitig die Diagnose zu stellen, um eine effektive intensivmedizinische Behandlung durchführen zu können.

Folgeerkrankungen von Streptokokken-Infektionen können das akute rheumatische Fieber (ARF) mit einem Altersgipfel bei den 3- bis 15-Jährigen (insbesondere in den Entwicklungsländern), die akute Glomerulonephritis (AGN) sowie neurologische Auffälligkeiten (obsessive-compulsive disorders, OCDs, wie Athetosen und Chorea minor) sein. Das ARF tritt nur nach Racheninfektionen mit einer durchschnittlichen, i. d. R. symptomfreien, Latenz von 19 Tagen auf. Die Latenzzeit für die AGN beträgt nach Racheninfektionen durchschnittlich 10 Tage (1–5 Wochen), nach Hautinfektionen ca. 3 Wochen. Die Latenzzeiten für OCDs liegen im Bereich weniger Wochen.

Dauer der Ansteckungsfähigkeit

Patienten mit einer akuten Streptokokken-Infektion, die nicht spezifisch behandelt wurden, können bis zu 3 Wochen kontagiös sein, solche mit eitrigen Ausscheidungen auch länger. Nach Beginn einer wirksamen antibiotischen Therapie erlischt die Ansteckungsfähigkeit für Racheninfektionen nach 24 Stunden. Für Weichgewebeinfektionen gibt es keine entsprechenden Daten, eine ähnliche Zeitspanne erscheint allerdings plausibel.

Diagnostik

1. Differentialdiagnostik

Differentialdiagnostisch kommen als Erreger eitriger Racheninfektionen andere β-hämolysierende Streptokokken (S. dysgalactiae subsp. equisimilis [Gruppen C und G], S. agalactiae [Gruppe B]), Haemophilus influenzae, Staphylococcus aureus sowie seltener Arcanobacterium haemolyticum, Moraxella catarrhalis und Neisseria meningitidis in Frage, sehr selten auch Corynebacterium diphtheriae/ulcerans. Unter den Viren sind insbesondere Adenoviren, Epstein-Barr-Virus und Picornaviren zu nennen.

Oberflächliche und tiefe Hautinfektionen werden am häufigsten durch Staphylococcus aureus ausgelöst. Differentialdiagnostisch kommen wiederum alle β-hämolysierenden Streptokokken, seltener auch Enterobakterien und Pseudomonaden in Frage. Je nach Anamnese (Unfall, Insektenbiss, Verletzung beim Baden, Tropenreise) muss auch an Aeromonaden, Clostridien, Erysipelothrix, Francisellen, Haemophilus-Spezies, Mykobakterien und Pasteurellen gedacht werden. Unter den Viren stehen die typischen Exanthemerreger (Humanes Herpesvirus Typ 6, Masernviren, Parvoviren, Rötelnviren, Varizella-Zoster-Viren) sowie Papillomaviren im Vordergrund. Insbesondere bei Erkrankungen nach Fernreise kommen auch Parasitosen (z. B. Leishmanien) und Pilzinfektionen (z.B. dimorphe Pilze) in Frage.

2. Labordiagnostik

Die infektiologischen Fachgesellschaften insbesondere des englischsprachigen Raumes geben für ambulante Patienten regelmäßig Beurteilungskriterien und Empfehlungen zur Durchführung von diagnostischen Tests in Richtung eines S.-pyogenes-Nachweises im Rahmen von Atemwegserkrankungen heraus. Im Allgemeinen wird ein entsprechender Nachweis nur für Kinder über 3 Jahre mit Halsschmerzen, stark geschwollenen Halslymphknoten und Fieber empfohlen, nicht aber für Kinder unter 3 Jahren bzw. Erwachsene sowie jegliche Personen mit vorwiegenden Zeichen einer viral bedingten Atemwegsinfektion (Rhinitis, Heiserkeit, Husten, enorale Ulzerationen). Für die Untersuchung von Haut- und Weichgewebeinfektionen existieren keine vergleichbaren Empfehlungen.

Eine gute Präanalytik ist für ein aussagekräftiges Untersuchungsergebnis von entscheidender Bedeutung. Geeignete Proben für den Nachweis einer Racheninfektion sind Abstriche mit beflockten oder Polyurethantupfern. Für den Nachweis von Haut- und Weichgewebeinfektionen sind Punktate und Bioptate besser geeignet als Abstriche mit den o.g. Tupfern, wobei hier vor der Probennahme die Wundumgebung desinfizierend zu reinigen ist. Bei Verdacht auf systemische Infektionen müssen zusätzlich Blutkulturen gewonnen werden. Spezielle Transportmedien sind nicht erforderlich, wenn Transportzeiten unter 2 Stunden eingehalten werden können. Bioptate werden durch Zugabe geringer Mengen steriler physiologischer Kochsalzlösung bzw. Phosphatpuffers vor dem Austrocknen geschützt. Im diagnostischen Labor sind mikroskopische, Kultur-gebundene, serologische und molekularbiologische Untersuchungsverfahren möglich.

Der mikroskopische Nachweis grampositiver Kettenkokken im Untersuchungsmaterial ist bei typischer Klinik zwar richtungweisend, aber wenig spezifisch, da morphologisch kein Unterschied zu anderen Streptokokken besteht. Kettenlängen von mehr als zwei Kokken sind allerdings hinweisend auf β-hämolysierende Streptokokken. Methode der Wahl ist der kulturelle Nachweis von S. pyogenes auf Schafblutagar, sofern keine massenspektrometrische Differenzierung möglich ist, in Kombination mit der Serogruppenbestimmung. Weitergehende Typisierungen bleiben speziellen epidemiologischen oder wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten (Speziallaboratorien, Referenzzentren). Bei chronisch-rezidivierenden Infektionen weist die Untersuchung des Probenmaterials mittels spezifischer PCR wegen der Lagerung der dann metabolisch alterierten Bakterien in Biofilmen oder innerhalb von eukaryoten Zellen eine höhere Sensitivität als die Kultur auf.

Im Rahmen der Pharyngitis-Abklärung kann es im ambulanten Bereich sinnvoll sein, zunächst einen Antigen-Schnelltest durchzuführen, wobei die auf der Basis eines Antigennachweises z. Z. verfügbaren Schnelltests sehr spezifisch, aber nicht im gleichen Maße sensitiv sind. Ebenfalls in vergleichsweise kurzer Zeit durchführbare molekulare Point-of-care-Nachweisverfahren weisen diese Nachteile nicht auf, sind allerdings aus Kostengründen nur wenig verbreitet. Bei positivem Testergebnis kann von einer Infektion mit Streptokokken der Serogruppe A ausgegangen werden und die Patienten sollten behandelt werden. Bei negativem oder nicht eindeutigem Testergebnis sollte hingegen eine kulturelle oder ggf. molekularbiologische Untersuchung eines Rachenabstrichs erfolgen, um das weitere Vorgehen festlegen zu können und ggf. eine überflüssige antibiotische Behandlung zu vermeiden.

Antikörpernachweise sind nur bei Verdacht auf eine Streptokokken-Folgeerkrankung sinnvoll. Wichtig ist vor allem der Nachweis von Anti-Streptolysin-O-Antikörpern und von Anti-DNase-B-Antikörpern zum Nachweis einer vorangegangenen S.-pyogenes-Infektion. Selektiv erhöhte Anti-DNase-B-Werte deuten auf eine vorangegangene Hautinfektion mit S. pyogenes hin.

Sehr sensitive und spezifische molekularbiologische Tests sind prinzipiell verfügbar, werden aber aus ökonomischen Gründen bis dato selten genutzt. Im Multiplexformat können diese dazu beitragen S.-pyogenes-bedingte Infektionen rasch von klinisch nicht unterscheidbaren eitrigen Infektionen durch andere Bakterien bzw. Viren abzugrenzen bzw. S. pyogenes schnell als den Erreger einer Sepsis zu identifizieren.

emm-Typisierungen, Superantigenbestimmungen etc. bei S. pyogenes-Isolaten werden bei entsprechenden Fragestellungen (Ausbrüche u.ä.) im NRZ für Streptokokken durchgeführt.

Therapie

Bisher sind weltweit keine Resistenzen von S. pyogenes gegen β-Laktame bekannt. Therapie der Wahl bei Rachen- und Hautinfektionen mit S. pyogenes ist daher die 10-tägige Gabe von Penicillin bzw. Amoxicillin oder Ampicillin (oral oder parenteral). Einige Veröffentlichungen empfehlen kürzere Therapiedauern. Ein auf 5 Tage verkürztes Regime mit oralen Cephalosporinen ist für Kinder gleichwertig.

Bei Penicillin-Allergie zeigt die orale Therapie mit Erythromycin oder anderen Makroliden für eine Dauer von 5 bis 10 Tagen ähnlich gute Ergebnisse. Allerdings liegen die Resistenzraten für Makrolide regional unterschiedlich zwischen 10 und mehr als 30%, so dass eine Resistenztestung optimalerweise vor der Gabe dieser Antibiotika dringend indiziert ist.

Cotrimoxazol und Chinolone außer Moxifloxacin wirken nicht zuverlässig.

Bei schweren systemischen Infektionen (Sepsis, STSS, Fasciitis necroticans) wird eine Gabe von Clindamycin sowie von Immunglobulin-Präparaten zusätzlich zur parenteralen Penicillin-G-Therapie empfohlen.

Patienten mit rheumatischem Fieber sollten eine Rezidivprophylaxe mit Penicillin erhalten. Bezüglich der Dauer der Prophylaxe gibt es keine einheitliche Auffassung. Sie sollte mindestens über 5 Jahre gegeben werden, nach einem Rezidiv lebenslang.

Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen

1. Präventive Maßnahmen

Wegen der weiten Verbreitung von S. pyogenes einerseits und einer weiterhin nicht verfügbaren spezifischen Impfung andererseits sind die Möglichkeiten einer Expositionsprophylaxe im Wesentlichen auf Personen in Gesundheits- und Gemeinschaftseinrichtungen begrenzt. Ein Schutz der Bevölkerung vor den Streptokokken-Pyodermien wird durch eine allgemeine Aufklärung, die Gewährleistung einfacher öffentlicher Hygienemaßnahmen sowie durch die Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung insbesondere in tropischen und subtropischen Ländern erreicht.

2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen

Eine S.-pyogenes-Infektion sollte rasch erkannt und schnellstmöglich antibiotisch behandelt werden. Das Auftreten von S.-pyogenes-Infektionen im Krankenhaus verpflichtet zu besonderen Hygienemaßnahmen. Bezüglich der Patientenversorgung wird auf die Angaben zu S. pyogenes in der Empfehlung „Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten“ der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) hingewiesen. S. pyogenes ist durch gängige Desinfektionsmethoden leicht abzutöten (Desinfektionsmittel mit dem Wirkungsbereich A entsprechend der Liste der vom RKI geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren (RKI-Liste) oder mit dem Wirkungsbereich „bakterizid“ der Desinfektionsmittel-Liste des Verbundes für Angewandte Hygiene (VAH-Liste) sind hierfür geeignet).

Das frühzeitige Einleiten einer 10-tägigen Penicillin- (bzw. 5-tägigen Cephalosporin- oder Makrolid-) Therapie verkürzt zugleich die Zeit der Kontagiosität und reduziert die Wahrscheinlichkeit einer Folgeerkrankung nach einer Pharyngitis. Detaillierte Empfehlungen zur Behandlung einer Streptokokken-Tonsillopharyngitis sind in der DEGAM S3-Leitlinie "Halsschmerzen" beschrieben.

Nach § 34 IfSG dürfen Personen, die an Impetigo contagiosa (ansteckender Borkenflechte), Scharlach oder sonstigen S.-pyogenes-Infektionen erkrankt oder dessen verdächtig sind, in Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstigen Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben. Entsprechend dürfen auch die in Gemeinschaftseinrichtungen Betreuten mit Streptokokken-Infektionen die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen.

Eine Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen kann nach Beginn einer wirksamen Antibiotikatherapie und dem Abklingen der Symptome nach 24 Stunden erfolgen, bei fortbestehenden Krankheitszeichen wie Fieber, schwerem Krankheitsgefühl und noch eiternden Hautveränderungen unter der Therapie erst nach deren Abklingen. Ohne geeignete antibiotische Therapie ist eine Wiederzulassung frühestens 24 Stunden nach Abklingen der spezifischen Symptome angezeigt. Für weitere Informationen siehe die Empfehlungen des RKI für die Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen gemäß § 34 IfSG.

Die Einschränkung der Tätigkeit bzw. des Besuchs der Gemeinschaftseinrichtung gilt, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit nicht mehr zu befürchten ist. Das ärztliche Urteil kann das Urteil des behandelnden Arztes oder eines Arztes des zuständigen Gesundheitsamtes sein. Das ärztliche Urteil kann mündlich erfolgen. § 34 IfSG fordert keine schriftliche Bescheinigung über das ärztliche Urteil, dennoch kann diese zur Absicherung aller Beteiligten zweckmäßig sein.

Nach § 42 IfSG dürfen Personen, die an infizierten Wunden oder an Hautkrankheiten erkrankt sind, bei denen die Möglichkeit besteht, dass deren Krankheitserreger über Lebensmittel übertragen werden können – hier vor allem anzuwenden auf die Impetigo contagiosa – nicht tätig sein oder beschäftigt werden

  • beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen bestimmter (in § 42 Abs. 2 IfSG genannter) Lebensmittel, wenn sie mit diesen in Berührung kommen, oder
  • in Küchen von Gaststätten und sonstigen Einrichtungen mit oder zur Gemeinschaftsverpflegung.

3. Umgang mit Kontaktpersonen

Für Kontaktpersonen zu unkompliziert Erkrankten sind keine speziellen Maßnahmen erforderlich. Sie sollten jedoch über ihr Infektionsrisiko und die mögliche Symptomatik aufgeklärt werden, um im Erkrankungsfall einen rechtzeitigen Arztbesuch und eine Therapie zu gewährleisten.

Für Personen in der Wohngemeinschaft mit Kontakt zu schwerwiegend Erkrankten (Sepsis, STSS, nekrotisierende Fasziitis) sollte eine Chemoprophylaxe empfohlen werden. Oft wird die Chemoprophylaxe unter dem initialen Verdacht einer Meningokokken-Infektion begonnen. Sie sollte bei Streptokokken-Nachweis regulär zu Ende geführt werden. Bei gezielter Chemoprophylaxe und kulturellem Erregernachweis kann bei Empfindlichkeit der dann nachgewiesenen Streptokokken auch Clindamycin weiter eingesetzt werden.

4. Maßnahmen bei Ausbrüchen

Bei Ausbrüchen ist die Diagnose schnellstmöglich zu sichern und bei allen Erkrankten – auch denen mit einem symptomarmen Verlauf – eine antibiotische Therapie einzuleiten, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Bezüglich der Patientenversorgung wird auf die unter „2. Maßnahmen bei Einzelerkrankungen“ aufgeführte KRINKO-Empfehlung verwiesen.

Das zuständige Gesundheitsamt kann beratend tätig werden und ggf. zur Verhütung der Weiterverbreitung notwendige Schutzmaßnahmen anordnen.

Gesetzliche Grundlage

Meldepflicht gemäß IfSG

In Deutschland besteht keine krankheits- oder erregerspezifische Meldepflicht gemäß IfSG.

Benachrichtigungspflicht gemäß IfSG

Leiterinnen und Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen haben gemäß § 34 Abs. 6 IfSG das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich zu benachrichtigen,

  • wenn in ihrer Einrichtung betreute oder betreuende Personen an Scharlach, Impetigo contagiosa oder sonstigen S.-pyogenes-Infektionen erkrankt oder dessen verdächtig sind.

Übermittlung

entfällt

Weitergehende Mitteilungspflichten

Es bestehen ergänzende Verordnungen in Sachsen und Thüringen.

Beratung und Spezialdiagnostik

Das Robert Koch-Institut führt keine individuelle medizinische Beratung zu Klinik, Therapie oder Impfungen durch. Bitte wenden Sie sich diesbezüglich an Ärzte oder Kliniken in Ihrer Nähe, bei denen möglichst eine Spezialisierung für Infektionskrankheiten besteht.

Bezüglich Fragen zu Infektionsschutz und -prävention kontaktieren Sie bitte Ihr zuständiges Gesundheitsamt (https://tools.rki.de/plztool/).

Weitere Beratung
Prof. Dr. Dr. Andreas Podbielski
Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene
Universitätsmedizin Rostock
Schillingallee 70, 18057 Rostock
Tel.: 0381 - 494 5900 / 01
Fax: 0381 - 494 5902
E-Mail: andreas.podbielski@med.uni-rostock.de

Danksagung

Der vorliegende Ratgeber wurde federführend von Prof. Dr. Dr. Andreas Podbielski (Universitätsmedizin Rostock) sowie PD Dr. Mark van der Linden und Prof. Dr. Rudolf Lütticken (RWTH Aachen) überarbeitet.

Ausgewählte Informationsquellen

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DGPI-Handbuch: Infektionen bei Kindern und Jugendlichen. Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie e.V. (DGPI). Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 7. Aufl., 2018, S. 751–759

Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (2015) „Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten“

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Redaktion der Reihe "RKI-Ratgeber"

Hinweise zur Reihe "RKI-Ratgeber" richten Sie bitte an das Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektionsepidemiologie (Kontaktformular) oder an die Redaktion des Epidemiologischen Bulletins (Kontaktformular).

Stand: 01.02.2024

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