Skabies (Krätze)
Präambel
Die Herausgabe der RKI-Ratgeber erfolgt durch das Robert Koch-Institut (RKI) auf der Grundlage des § 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Zielgruppe der RKI-Ratgeber sind Fachkreise, u.a. Ärztinnen und Ärzte, medizinisches Fachpersonal und der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD). Informationen zu wichtigen Infektionskrankheiten sollen aktuell und konzentriert der Orientierung dienen. Die Beiträge werden in Zusammenarbeit mit den Nationalen Referenzzentren (NRZ), Konsiliarlaboren (KL) sowie weiteren Expertinnen und Experten erarbeitet. Die RKI-Ratgeber sind auf der Internetseite des RKI (www.rki.de/ratgeber) abrufbar. Neu erstellte RKI-Ratgeber und deutlich überarbeitete Folgeversionen werden im Epidemiologischen Bulletin (www.rki.de/epidbull) veröffentlicht.
Erstveröffentlichung im Epidemiologischen Bulletin 19/2009, überarbeitete Fassung vom Juni 2016. Letzte Aktualisierungen:
- Abschnitte "Gesetzliche Grundlage" und "Beratung und Spezialdiagnostik" vom Februar 2018;
- Abschnitt "Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen" vom November 2019;
- Abschnitt "Umgang mit Kontaktpersonen" April 2020.
- Abschnitt "Benachrichtigungspflicht gemäß IfSG" März 2023
Erreger
Die Krätzemilbe Sarcoptes scabiei var. hominis ist ein auf den Menschen spezialisierter, obligater Parasit. Die Krätzemilbe gehört zu den Spinnentieren (Arachnida). Weibliche Skabiesmilben werden 0,3 bis 0,5 mm groß (mit dem menschlichen Auge gerade noch als Punkt sichtbar), männliche Milben 0,21 bis 0,29 mm. Die Sauerstoffaufnahme erfolgt durch Diffusion über die Körperoberfläche (astigmate Milben), sodass der Parasit nicht tiefer als in die Hornschicht (Stratum corneum) oder allenfalls in das Stratum granulosum eindringen kann.
Der Penetrationsvorgang dauert zwischen 20 und 30 Minuten. Im Stratum corneum graben die weiblichen Krätzemilben tunnelförmige Gänge und bewegen sich pro Tag ca. 0,5 bis 5 mm vorwärts.
Die Begattung findet auf der Hautoberfläche statt. Die männlichen Milben sterben danach, nur die befruchteten Weibchen graben sich in das Stratum corneum ein. Sie bleiben etwa 30 bis 60 Tage lebensfähig und verlassen in dieser Zeit das Tunnelsystem in der Regel nicht mehr. Aus den Eiern schlüpfen nach 2 bis 3 Tagen Larven, die an die Hautoberfläche ausschwärmen und sich dort in Falten, Vertiefungen und Haarfollikeln zu Nymphen und nach etwa 2 bis 3 Wochen zu geschlechtsreifen Milben entwickeln. Dieser Zeitraum ist wichtig für die Behandlung mit Substanzen, die nicht ovizid sind und – per se oder unter bestimmten Bedingungen – nicht genügend in der Haut gespeichert werden. Die Infektiosität von Skabiesmilben ist umso geringer, je länger sie von ihrem Wirt getrennt sind.
Bei 34°C Umgebungstemperatur überleben Milben bereits weniger als 24 Stunden, bei 50°C (z.B. Waschmaschine, Trockner) nicht länger als 10 Minuten. Niedrigere Temperaturen und eine höhere relative Luftfeuchtigkeit verlängern dagegen die Überlebenszeit. Sinkt die Umgebungstemperatur unter 16°C, sind die Milben in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt und können nicht mehr in die Epidermis.
Bei den in Deutschland üblichen Raumtemperaturen und Luftfeuchtigkeit (21°C und 40 bis 80% relativer Luftfeuchtigkeit) sind Krätzemilben mit großer Wahrscheinlichkeit nicht länger als 48 Stunden infektiös.
Vorkommen
Die Skabies kommt weltweit vor und betrifft Personen jeden Alters.
Daten aus Ländern mit einem kühlen Klima zeigen eine Tendenz für eine höhere Inzidenz in der kalten Jahreszeit. Dies könnte mit intensiverem Körperkontakt im Winter zusammenhängen, aber auch eine verlängerte Überlebenszeit der Milben auf Textilien bei niedrigen Umgebungstemperaturen widerspiegeln.
In vielen Ländern mit tropischem Klima ist die Skabies eine endemische Massenerkrankung mit einer Prävalenz in der Gesamtbevölkerung bis zu 15% (Engelman D, et al. 2013). Kinder sind von der Ektoparasitose überproportional häufig betroffen. Insbesondere bei vulnerablen Bevölkerungsgruppen, die auf engem Raum zusammenleben, u.a. Waisenkinder, Straßenkinder, Gefängnisinsassen, kann die Prävalenz über 70% betragen (Romani L, et al. 2015). Da in vielen Ländern mit hoher Prävalenz Kinder unter 15 Jahren rund 50% der Gesamtbevölkerung ausmachen, ist die Skabies dort eine der häufigsten infektiösen Krankheiten.
Ausbrüche in Einrichtungen treten dort auf, wo Personen über längere Zeit zusammenleben, betreut oder medizinisch versorgt werden, und in denen enger Haut-zu-Haut-Kontakt üblich ist. Hierzu zählen Kindergärten, Einrichtungen für Behinderte, Obdachlosenasyle, Gefängnisse, Altersheime und Krankenhäuser.
Polymorbide ältere Menschen sind eine Gruppe, die zunehmend Bedeutung bei der Verbreitung der Skabies gewinnt, v.a. in Altenheimen und Pflegeeinrichtungen. Bei ihnen entwickelt sich aufgrund von medikamenten- oder altersinduzierter Immunsuppression häufiger eine Scabies crustosa, die jedoch nicht immer gleich erkannt oder wegen anderer existierender Hautkrankheiten (z.B. Exsikkationsekzem) verkannt wird. Durch regelmäßige intensive Hautkontakte zwischen Patient und Pflegepersonal werden weitere Bewohner und Angehörige angesteckt mit der Folge eines Ausbruchs (Stoevesandt J, et al. 2012). Unter solchen Bedingungen können mehrere Hundert Personen exponiert sein (Larrosa A, et al. 2003; de Beer G, et al. 2006).
Sondersituation Migration einer großen Anzahl von Menschen
Migrationsbewegungen von vielen Menschen verlangen in Bezug auf die Skabies besondere Wachsamkeit. Einerseits stammen insbesondere Asylsuchende häufig aus Ländern, in denen die Prävalenz der Skabies hoch ist, andererseits erhöhen die Verhältnisse während der Flucht das Risiko, dass Krätzemilben von einer Person auf andere Personen übertragen werden. Drittens handelt es sich bei diesen Personen häufig um Kinder und Jugendliche und damit eine besonders vulnerable Bevölkerungsgruppe. Vermutlich ist die Prävalenz von Skabies bei ankommenden Flüchtlingen höher als in der hiesigen Bevölkerung.
Dennoch ist das Risiko von Skabiesausbrüchen in Erstaufnahmeeinrichtungen und Sammelunterkünften gering, da Asylsuchende in der Regel nicht immunkompromittiert sind und die Wahrscheinlichkeit von intensivem Hautkontakt (außer in Familien) gering ist.
Reservoir
Ein Reservoir im eigentlichen Sinne gibt es nicht. Sarcoptes scabiei var. hominis kann sich nur in der menschlichen Haut vermehren.
Infektionsweg
In der Regel wird die Skabies durch direkten Haut-zu-Haut-Kontakt übertragen. Die Übertragung eines einzigen begatteten Milbenweibchens oder mehrerer, geschlechtlich unterschiedlich determinierten Larven reichen für eine Infestation aus.
Da sich Krätzemilben nur langsam bewegen und sich an Geruch- und Temperaturgradienten orientieren, setzt eine Übertragung einen großflächigen, längeren und kontinuierlichen Haut-zu-Haut-Kontakt in der Größenordnung von 5 bis 10 Minuten voraus. Dementsprechend sind Handschütteln, Begrüßungsküsse, Umarmungen, eine kursorische Untersuchung der Haut etc. von Patienten mit gewöhnlicher Skabies ohne Risiko (im Gegensatz zur Scabies crustosa).
Personen, die sich bei einem Patienten mit gewöhnlicher Skabies anstecken können, sind demnach im Regelfall Mitglieder einer Familie oder Wohngemeinschaft, z.B. Paare, eng vertraute Geschwister, Eltern mit Kleinkindern sowie pflegebedürftige Personen, deren Betreuer und Pfleger.
Das Besiedlungsrisiko (Infestationsrisiko) steigt mit der Anzahl der Milben auf der Hautfläche des Patienten und ist sehr hoch bei der Scabies crustosa mit Tausenden bis Millionen von Milben auf befallenen Hautarealen. Hier können bereits abgelöste Schuppen Milben tragen und zur Ansteckung führen.
Theoretisch ist eine Übertragung von Krätzemilben über Textilien wie Bettwäsche, Wolldecken, Unterwäsche oder Verbandsstoffe möglich, aber wegen der rasch abnehmenden Infektiösität außerhalb der Haut, der geringen Milbenzahl auf immunkompetenten Menschen und der langsamen Fortbewegung der Milben bei der gewöhnlichen Skabies in praxi selten. In einer Studie trat eine Infestation nur bei zwei von 63 oder vier von 272 Probanden auf, welche bezogene Betten bzw. Kleider von stark infestierten Personen benutzt hatten (Burgess I 1994).
Inkubationszeit
Bei einer Erstinfestation erscheinen die ersten Symptome nach 2 bis 5 Wochen. Bei einer Reinfestation treten die ekzematösen Hautveränderungen aufgrund der bereits bestehenden Sensibilisierung bereits nach 1 bis 4 Tagen auf.
Klinische Symptomatik
Eine Besiedlung mit Krätzemilben, Sarcoptes scabiei var. hominis, kann abhängig vom Wirt - vor allem von dessen Immunstatus - unterschiedliche klinische Verläufe nehmen. Diese werden im Folgenden näher beschrieben.
Gewöhnliche Skabies
Skabiesmilben bevorzugen Areale mit verhältnismäßig hoher Temperatur und dünner Hornschicht. Prädilektionsstellen der gewöhnlichen Skabies sind daher die Interdigitalfalten der Hände und Füße, Ellenbogenstreckseiten, vordere Axillarfalten, Brustwarzenhof, Nabelregion, Gürtellinie, Gesäß, Analalte, Perianalregion, Leisten, Knöchelregion, die inneren Fußränder und insbesondere der Penisschaft. Längliche Papeln am Penisschaft sind nahezu beweisend für eine Skabies. Kopf und Nacken, Palmae und Plantae sind zumeist ausgespart. Bei Säuglingen und Kleinkindern findet man typische Hauterscheinungen auch am behaarten Kopf, im Gesicht sowie palmoplantar.
Die Primäreffloreszenzen bestehen aus kommaartigen, oft unregelmäßig gewundenen, wenige Millimeter bis 1 cm langen Milbengängen, an deren Ende sich manchmal ein kleines Bläschen ausbildet. Zusätzlich entsteht ein Ekzem mit disseminierten, milbenfreien erythematösem und zum Teil krustösen Papeln, Bläschen und Papulovesikeln. Es verursacht auch den charakteristischen starken, generalisierten Pruritus, der in der Nacht zunimmt. Es ist Ausdruck einer zellvermittelten Immunantwort vom verzögerten Typ gegen Milbenprodukte.
Scabies crustosa
Die Scabies crustosa (disseminierte Skabies, Krustenskabies, Borkenkrätze, früher auch: Scabies norvegica) kommt bei immunsupprimierten, aber auch anderweitig suszeptiblen Patienten vor, auf denen sich die Milben ungehemmt vermehren, so dass bis zu mehrere Millionen auf und in der Haut angesiedelt sein können. Diese Krankheitsform ist hoch ansteckend. Bereits kurze Hautkontakte können zur Infestation führen.
Überproportional häufig betroffen sind auch Personen mit Verhaltensanomalien, ausgeprägter Demenz oder starker Einschränkung in der Möglichkeit sich zu kratzen (z.B. mit Paresen oder Paraplegie).
Das klinische Bild unterscheidet sich von der gewöhnlichen Skabies und zeigt diffuse Hyperkeratosen, gelegentlich auch Krusten und Borken auf erythematösem Grund mit fein- bis mittellamellärer Schuppung, oft mit palmoplantaren Hyperkeratosen und Nagelbefall. Häufig werden auch Kopfhaut, Gesicht und Hals befallen. Der ansonsten typische Juckreiz kann wegen der fehlenden zellulären Immunantwort bei Scabies crustosa gering sein oder gänzlich fehlen.
Skabies im Säuglings- und Kleinkindalter
Säuglinge und Kleinkinder weisen sehr ausgeprägte Hautveränderungen auf. Häufig sind die Füße einschließlich Fußsohlen, Knöchelregion, Kopfhaut und Gesicht, aber auch Axillen, Knie einschließlich Kniekehlen und Unterschenkel betroffen. Das klinische Bild ist vielgestaltiger und zeigt häufig Blasen, Bläschen und Pusteln. Das Allgemeinbefinden eines infizierten Säuglings kann durch Irritiertheit und Appetitlosigkeit bis hin zur Gedeihstörung beeinträchtigt sein.
Weitere Krankheitsformen sind die Scabies nodosa und die sogenannte gepflegte Skabies, bei der die Symptome durch Anwendung von Kosmetika kaschiert sind. Als postskabiöses Ekzem bezeichnet man persistierende juckende Hautveränderungen nach erfolgreicher Behandlung.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Nach Abschluss der ersten ordnungsgemäßen Behandlung können Kinder und Betreuer eine Gemeinschaftseinrichtung wieder besuchen und Erwachsene zur Arbeit gehen: bei der Behandlung ansonsten gesunder, nicht immunsupprimierter Patienten mit einem topisch applizierten Antiskabiosum direkt nach der abgeschlossenen Behandlung bzw. 24 Stunden nach Einnahme von Ivermectin. Dies gilt nicht für Patienten mit Scabies crustosa.
Diagnostik
1. Differenzialdiagnostik
Hinweis: Die Diagnose einer Skabies setzt Kenntnis der verschiedenen diagnostischen Prozeduren und langjährige Erfahrung voraus. Es wird empfohlen, die Diagnose durch einen Dermatologen stellen bzw. absichern zu lassen.
Die Verdachtsdiagnose Skabies wird gestellt bei starkem Juckreiz und den oben genannten klinischen Symptomen im Zusammenhang mit anamnestischen Angaben über mögliche Expositionen (siehe auch Tabelle 1).
Tabelle 1: Diagnose der gewöhnlichen Skabies – Überblick
Diagnose wird vermutet bei | Symptome | Prädilektionsstellen sind |
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neu aufgetretenem starken lokalen oder generalisierten Juckreiz | kommaartige, oft unregelmäßig gewundene, wenige Millimeter bis 1 cm lange, weißliche Gänge | Interdigitalfalten der Hände und Füße |
den typischen Hautveränderungen an den Prädilektionsstellen | Ekzemreaktion = disseminierte erythematöse Papeln | Ellenbogen, Achseln, Nabel, perianal, genital, Leisten, Knöchel, innere Fußränder |
beim Vorliegen identischer Symptome bei Familienangehörigen oder Personen, zu denen enger Körperkontakt bestand | Bläschen und Papulovesikeln, oft exkoriiert (aufgekratzt) oder krustig belegt | Bei Säuglingen/ Kleinkindern oft Beteiligung des behaarten Kopfes, Gesicht sowie palmoplantar |
Die Verdachtsdiagnose kann gesichert werden
mittels Dermatoskopie.
Bei der Dermatoskopie wird nach einer bräunlichen Dreieckskontur ("kite sign" oder Winddrachenzeichen, dem Kopf und Brustschild der Milbe entsprechend) in Verbindung mit dem lufthaltigen intrakornealen Gangsystem (Kielwasserzeichen) gesucht. Bei pigmentierter Haut ist das Winddrachenzeichen kaum oder gar nicht erkennbar.
In vergleichenden Studien waren die mikroskopische Untersuchung von Hautgeschabsel und der Klebebandtest die Methoden mit der höchsten Spezifität, wohingegen die Sensitivität geringer war als die der Dermatoskopie (Walter B, et. al 2011). Der Klebebandtest ist bei Ausbrüchen in Heimen oder Massenunterkünften eine zeitökonomische Methode. Bei fragiler Haut (Dermatoporöse oder bullöse Erkrankungen) ist dieses Vorgehen kontraindiziert.
Bei Ermangelung eines Mikroskops oder Dermatoskops wird das typische Bild des gewundenen Ganges an den Prädilektionsstellen (bei Männern vor allem am Penisschaft) in Assoziation mit starkem Juckreiz als ausreichend für die Diagnose der Skabies angesehen. Die klinische Diagnose ist aber deutlich weniger sensitiv als die Dermatoskopie oder der mikroskopische Nachweis der Milben.
Ist kein charakteristischer Milbengang zu sehen und misslingt der dermatoskopische / mikroskopische Nachweis, sind prinzipiell alle juckenden Hautkrankheiten in die Differenzialdiagnosen einzubeziehen. Dazu zählen ein atopisches Ekzem, ein Kontaktekzem, ein systemischer Lupus erythematodes, ein bullöses Pemphigoid, eine Langerhanszell-Histiozytose oder eine seborrhoische Dermatitis. Psoriasis und ein rhagadiformes Hand- und Fußekzem sind ebenfalls Differenzialdiagnosen sowie andere Ektoparasitosen wie Tierkrätze, Demodexinfestation, Herbstmilbendermatitis (Erntekrätze) oder Pediculosis corporis.
2. Labordiagnostik
Laboruntersuchungen sind zur Diagnose der Skabies nicht hilfreich. Eine histologische Untersuchung ist nicht indiziert.
Therapie
Die Erkrankung an einer gewöhnlichen Skabies stellt im Unterschied zu einer Erkrankung an Scabies crustosa in der Regel keine Indikation für eine stationäre Aufnahme dar.
Das Ziel ist die Abtötung der Skabiesmilben sowie der Larven und Eier. Da Krätzemilben im Stratum corneum lokalisiert sind, lassen sie sich in der Regel durch topische Antiscabiosa abtöten.
Sekundäre Therapieziele bestehen in der Behandlung von Symptomen, insbesondere des oft ausgeprägten Juckreizes, sowie von entzündlichen Begleiterscheinungen und Sekundärinfektionen.
Prinzipiell ist eine Behandlung mit topisch applizierten Antiscabiosa oder systemisch möglich. Lokal applizierte Antiscabiosa enthalten Permethrin, Benzylbenzoat und Crotamiton. Ivermectin (seit Februar 2016 für diese Indikation auch in Deutschland zugelassen) wird oral verabreicht. Die Therapie muss der Krankheitsform, dem Alter des Patienten, dem gleichzeitigen Vorliegen von anderen (Infektions-) Krankheiten, bestehenden Kontraindikationen und der epidemiologischen Situation angepasst werden.
Grundsätzlich ist Permethrin topisch das Mittel der ersten Wahl. Wenn wegen nicht zu beeinflussender Rahmenbedingungen eine bestimmungsmäßige Anwendung von Permethrin nicht möglich ist, wird Ivermectin oral empfohlen.
Für weiterführende Informationen zur Therapie wird insbesondere auf die Leitlinie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) zur Skabies verwiesen (siehe auch Tabelle 2).
Patienten und Kontaktpersonen werden grundsätzlich zeitgleich behandelt (siehe Umgang mit Kontaktpersonen).
Tabelle 2: Therapie der gewöhnlichen Skabies (siehe Leitlinie der DDG)
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Topische Antiscabiosa
- Behandlung des gesamten Körpers lückenlos vom Unterkiefer abwärts einschließlich der Retroaurikularfalten
- Permethrin 5% - Creme, einmalig für 8 - 12 Stunden. Am besten über Nacht auftragen und dann abwaschen/abduschen
- Benzylbenzoat Emulsion 25% (für Kinder 10%), an 3 aufeinanderfolgenden Tagen auftragen und dann am 4. Tag abwaschen/abduschen
- Crotamiton 10% (Lösung, Creme, Salbe) bzw. 5% (Gel) an 3 - 5 aufeinanderfolgenden Tagen auftragen und dann abwaschen/abduschen
- Im Anschluss an die topische Behandlung mit blanden Salben oder Cremes behandeln, um Austrocknung / Irritationen der Haut zu vermeiden/zu vermindern
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Systemische Therapie
- Ivermectin oral; einmalig 200 µg/kg Körpergewicht
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Postskabiöses Ekzem
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Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen
Eine Übersicht über die wichtigsten Maßnahmen finden Sie im Flussdiagramm: Maßnahmen bei Skabies.
1. Präventive Maßnahmen
Allgemeine Empfehlungen
Bei ärztlicher Tätigkeit sind keine besonderen hygienischen Maßnahmen erforderlich, um sich vor Skabies zu schützen. Sobald Kontakt zu einer Person besteht, die vermutlich oder nachgewiesenermaßen an Skabies erkrankt ist, gelten weitere Maßnahmen (siehe Maßnahmen bei Einzelerkrankungen mit gewöhnlicher Skabies).
Berufliche Exposition
Die berufliche Exposition gegenüber Krätzemilben in Bereichen des Gesundheitswesens und der Wohlfahrtspflege ist ein Teil des Arbeitsschutzes und erfordert die Umsetzung der Biostoffverordnung, bzw. der "Technischen Regel für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) 250". Das bedeutet, dass zur Einschätzung der Gefährdung des Personals eine Gefährdungsbeurteilung durch den Arbeitgeber vorgenommen werden muss. Für Laboratorien gilt die TRBA 464. Probenmaterialien zur SkabiesDiagnostik werden der Risikogruppe 2 zugeordnet, die entsprechenden Schutzmaßnahmen sind einzuhalten.
Medizinisches Personal, das beruflich engen Kontakt zu einer Person hat, die vermutlich oder nachgewiesenermaßen an Skabies erkrankt ist oder die ein erhöhtes Risiko hat, mit Krätzemilben infestiert zu sein, muss bei Hautkontakt Einmalhandschuhe und Schutzkleidung mit langen Ärmeln tragen. Eine Alternative zu langärmeligen Kitteln sind Ärmelschoner, die als Einmalmaterial erhältlich sind. Die Stulpen der Handschuhe sind über den Ärmelbündchen zu tragen. Falls es trotz Schutzmaßnahmen zu Hautkontakt mit dem Patienten gekommen ist, sind Hände und Arme gründlich zu waschen. Händedesinfektionsmittel sind nicht gegen Skabiesmilben wirksam. Die üblicherweise durchgeführten Maßnahmen der Basishygiene zur Vermeidung anderer Infektionsrisiken, z.B. die Händedesinfektion nach Ablegen der Einmalhandschuhe, gelten weiterhin.
2. Maßnahmen bei Einzelerkrankungen mit gewöhnlicher Skabies
Allgemeine Empfehlungen
Unter der Voraussetzung, dass längere Haut-zu-Haut-Kontakte vermieden werden, können Personen, bei denen eine gewöhnliche Skabies (siehe Klinische Symptomatik) diagnostiziert wurde, bis zur Behandlung am sozialen Leben teilnehmen. Abweichende Regelungen gelten für Gemeinschaftseinrichtungen gemäß § 33 IfSG (siehe Maßnahmen in Gemeinschaftseinrichtungen).
Eine Indikation für eine stationäre Aufnahme besteht hier im Unterschied zu einer Erkrankung an Scabies crustosa in der Regel nicht.
Da eine Übertragung von Skabies-Milben einen engen, großflächigen und längeren Hautkontakt (länger als 5 - 10 Minuten) voraussetzt, sind Händeschütteln, Begrüßungsküsse und Umarmungen in der Regel ohne Übertragungsrisiko. Erweiterte Empfehlungen gelten bei Scabies crustosa.
3. Umgang mit Kontaktpersonen
Bei engen Kontaktpersonen besteht ein erhöhtes Infestationsrisiko.
Als enge Kontaktpersonen gelten alle Personen, die zu Erkrankten engen, großflächigen Haut-zu-Haut-Kontakt über einen längeren Zeitraum hatten (länger als 5-10 Minuten), z.B. durch gemeinsames Schlafen in einem Bett, Kuscheln, Körperpflege und Liebkosen von Kleinkindern, Geschlechtsverkehr, Körperpflege von Kranken.
Distanzierte soziale Kontakte sowie Händeschütteln oder eine Umarmung zur Begrüßung stellen keinen engen Körperkontakt dar. Ausnahmen betreffen die Scabies crustosa.
Für enge Kontaktpersonen auch ohne Symptome gilt, dass sie möglichst zeitgleich mit Erkrankten behandelt werden sollen. Dies gilt insbesondere in Pflege- und Gemeinschaftseinrichtungen für enge Kontaktpersonen, die längeren Haut-zu-Haut-Kontakt zu weiteren Personen haben, z.B. für Menschen, die Kleinkinder betreuen, und Beschäftigte in der Alten- und Krankenpflege (siehe Einrichtungsspezifische Maßnahmen). Auf die Empfehlungen der S1-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Skabies wird in Bezug auf die Behandlung, Aufklärung und Information von Kontaktpersonen hingewiesen. Kontaktpersonen sollen (ggf. über ein Informationsblatt) aufgeklärt werden, dass sich eine erstmalige Skabies oder ein skabiesbedingter Juckreiz erst nach vier bis sechs Wochen manifestieren kann.
Ist eine zeitgleiche Behandlung aufgrund von besonderen Rahmenbedingungen nicht möglich, sollen enge Kontaktpersonen nach Möglichkeit innerhalb weniger Tage nach Behandlung der erkrankten Person behandelt werden und bis dahin engen Köperkontakt zu anderen Personen meiden.
Erweiterte Empfehlungen gelten bei Scabies crustosa oder anderen Krankheitsformen mit hoher Milbenlast.
Weitere Kontaktpersonen, die nicht unter die Definition enge Kontaktperson fallen, sind in der Regel nicht gefährdet. Falls sich solche Personen dennoch Sorgen über eine Infestation machen, wird ihnen empfohlen, sich in den nächsten 5 bis 6 Wochen auf skabiestypische Symptome zu beobachten und sich bei Auftreten solcher Symptome in dermatologische Behandlung zu begeben.
4. Umgebungsmaßnahmen
Bei der gewöhnlichen Skabies sollten die Maßnahmen vor allem auf Textilien und Gegentände fokussiert werden, zu denen die Erkrankten längeren/großflächigen Hautkontakt hatten. Die Durchführung sollte während bzw. direkt nach der Behandlung der Erkrankten und Kontaktpersonen erfolgen. Erweiterte Empfehlungen gelten bei Scabies crustosa.
Kleider, Bettwäsche, Handtücher und weitere Gegenstände mit längerem Körperkontakt (z.B. Blutdruckmanschette, Pantoffeln, Stofftiere, etc.) sollten bei mindestens 50°C für wenigstens 10 Minuten gewaschen oder z.B. mit Hilfe eines Heißdampfgeräts dekontaminiert werden.
- Wenn dies nicht möglich ist, können die Gegenstände und Textilien in Plastiksäcke eingepackt oder in Folie eingeschweißt werden und für 72 Stunden bei mindestens 21°C gelagert werden. Erfolgt die Lagerung bei geringer Luftfeuchtigkeit z.B. direkt vor einem auf mind. 21°C eingestellten Heizkörper, reichen auch 48 Stunden aus.
- Alternativ können möglicherweise kontaminierte Gegenstände auch für 2 Stunden bei -25°C gelagert werden (gilt nicht bei Scabies crustosa).
Achtung: Handelsübliche Gefriereinrichtungen kühlen oft nur auf -18°C!
- Betten sollen frisch bezogen werden.
- Polstermöbel, Sofakissen oder textile Fußbodenbeläge (wenn Erkrankte mit bloßer Haut darauf gelegen haben) können mit einem starken Staubsauger abgesaugt (Filter und Beutel danach entsorgen) oder für mindestens 48 Stunden lang nicht benutzt werden. Diese Maßnahme ist wegen der geringen Ansteckungsgefahr nicht zwingend erforderlich.
- Gegenstände, mit denen der Patient nur kurzen Kontakt hatte, müssen nicht dekontaminiert werden.
5. Maßnahmen bei Patienten mit Scabies crustosa
Bei Auftreten von Scabies crustosa gelten folgende Punkte abweichend bzw. zusätzlich zu den Maßnahmen bei gewöhnlicher Skabies.
Personen mit Scabies crustosa sollen umgehend isoliert und wenn möglich stationär behandelt werden. Alle Kontaktpersonen dieser Patienten der letzten 6 Wochen vor Manifestation der Erkrankung sollen untersucht werden. Das gilt auch für Personen mit nur kurzem Haut-zu-Haut-Kontakt.
Unabhängig vom Vorliegen von Symptomen werden alle Personen, die Kontakt zur erkrankten Person oder zu kontaminierten Textilien hatten (z.B. Bettzeug, Kleidung, Polstermöbel), zeitgleich behandelt. Sekundäre Kontaktpersonen, die längeren Hautkontakt zu primären Kontaktpersonen hatten, können untersucht und im Zweifelsfall ebenfalls behandelt werden.
Zusätzliche Umgebungsmaßnahmen bei Patienten mit Scabies crustosa
6. Einrichtungsspezifische Maßnahmen
Gemäß § 23 und § 36 IfSG unterliegen bestimmte Einrichtungen der infektionshygienischen Überwachung durch das Gesundheitsamt; sie sind verpflichtet, in Hygieneplänen innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene festzulegen.
Es wird empfohlen, den Umgang mit Skabies im Hygieneplan der Einrichtung zu regeln. Dies gilt besonders für Gemeinschaftseinrichtungen gemäß § 33 IfSG sowie für stationäre Einrichtungen, in denen besonders vulnerable Patienten behandelt werden, und für Sammelunterkünfte.
Folgende Empfehlungen gelten bei gewöhnlicher Skabies. Erweiterte Empfehlungen gelten bei Scabies crustosa.
Maßnahmen in medizinischen Einrichtungen
Erkrankte mit gewöhnlicher Skabies sollten bis zum Eintreten der Behandlungswirkung nicht am Gemeinschaftsleben teilnehmen. Wenn mehrere an Skabies erkrankte Personen im gleichen Zeitraum aufgenommen werden kann zur Behandlung eine Gruppenisolierung durchgeführt werden.
Hinweis: Die Erkrankung an einer gewöhnlichen Skabies stellt in der Regel keine Indikation für eine stationäre Aufnahme dar.
Maßnahmen in pflegerischen Einrichtungen
Erkrankte mit gewöhnlicher Skabies sollten bis zum Eintreten der Behandlungswirkung nicht am Gemeinschaftsleben teilnehmen.
Enge Kontaktpersonen müssen sorgfältig identifiziert werden. Soweit die Behandlung symptomfreier Kontaktpersonen aus ärztlicher Sicht angezeigt ist, sollten diese zeitgleich mit den Erkrankten behandelt werden. In Einrichtungen für Behinderte oder Demente sind die Mitbewohner im Zimmer als enge Kontaktpersonen zu definieren.
Die Analyse verschiedener Ausbrüche hat gezeigt, dass Pflegekräfte häufiger mit Skabies infestiert wurden als Bewohner und als andere Beschäftigte (Vorou R, et al 2007). Deshalb, und weil von infestierten Pflegekräften ein hohes Übertragungsrisiko auf die Bewohner ausgeht, ist die Identifikation und ggf. zeitgleiche Behandlung von engen Kontaktpersonen beim Pflegepersonal ausschlaggebend für eine wirksame Unterbrechung der Transmissionskette.
Ob es sinnvoll ist, auch die Betreuer und Pflegekräfte ohne engen Hautkontakt bzw. alle Bewohner einer Station/Wohngruppe zu behandeln, sollte anhand der räumlichen Gegebenheiten, der sozialen Interaktionen, der Mobilität der Erkrankten sowie weiterer relevanter Rahmenbedingungen entschieden werden.
Die Annahme einer Einzelerkrankung ist relativ sicher, wenn die erkrankte Person innerhalb der Inkubationszeit (5 Wochen) aufgenommen wurde. Wenn die Person bereits länger in der Einrichtung lebt, kann die Diagnose einer Einzelerkrankung auf ein bislang unerkanntes Ausbruchsgeschehen hindeuten. Falls sich im Weiteren der Verdacht auf einen Ausbruch bestätigt, gelten die Empfehlungen unter Maßnahmen bei Ausbrüchen. Falls Zweifel bestehen, ob es sich um Einzelerkrankungen oder einen unentdeckten Ausbruch handelt, muss bei engen und anderen Kontaktpersonen eine Skabies-Diagnostik durchgeführt werden.
Maßnahmen in Gemeinschaftseinrichtungen (gemäß § 33 IfSG, u.a. Kindergärten, Schulen, Heime)
Bei Auftreten von Einzelfällen von Skabies gelten die Empfehlungen unter Maßnahmen bei Einzelerkrankungen mit gewöhnlicher Skabies und Umgang mit Kontaktpersonen. Es soll sorgfältig nach engen Kontaktpersonen gesucht werden, um eine zeitgleiche Behandlung bzw. adäquate Information zu ermöglichen.
Gemäß § 34 Abs. 1 IfSG dürfen Personen, die an Skabies erkrankt oder dessen verdächtigt sind, die Gemeinschaftseinrichtungen nicht besuchen sowie keine Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben.
Nach Abschluss der ersten ordnungsgemäßen Behandlung mit topischem Antiskabiosum bzw. 24 Stunden nach Einnahme von Ivermectin möglich (dies gilt nicht für Patienten mit Skabies crustosa) können Betreute und Betreuer die Einrichtung wieder besuchen. Vor Wiederzulassung ist es sinnvoll einen Nachweis über die ärztliche Verschreibung einer Therapie zu verlangen. Für weitere Informationen siehe die Empfehlungen des RKI für die Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen gemäß § 34 IfSG.
Die Einschränkung der Tätigkeit bzw. des Besuchs der Gemeinschaftseinrichtung gilt, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit nicht mehr zu befürchten ist. Das ärztliche Urteil kann das Urteil des behandelnden Arztes oder eines Arztes des zuständigen Gesundheitsamtes sein. Das ärztliche Urteil kann mündlich erfolgen. § 34 IfSG fordert keine schriftliche Bescheinigung über das ärztliche Urteil, dennoch kann diese zur Absicherung aller Beteiligten zweckmäßig sein.
Maßnahmen in Sammelunterkünften
In Sammelunterkünften wie Obdachlosenunterkünften und Gemeinschaftsunterkünften für Asylsuchende und Flüchtlinge besteht grundsätzlich ein höheres Risiko für die Ausbreitung von Infektionserkrankungen, da hier viele Menschen auf engem Raum zusammenleben und die hygienischen Bedingungen oft nicht optimal sind. Bei Auftreten von gewöhnlicher Skabies besteht allerdings wegen des relativ kleinen Übertragungsrisikos auch in diesen Einrichtungen in der Regel kein erhöhtes Risiko für eine Ausbreitung. Erweiterte Empfehlungen gelten bei Scabies crustosa.
Auch in Sammelunterkünften muss vor Einleitung der Maßnahmen die Diagnose abgesichert werden, um Fehlbehandlungen zu vermeiden. Wenn eine mikroskopische Diagnostik organisatorisch nicht umsetzbar ist, können alternativ die Auflichtmikroskopie (bei hell pigmentierter Haut) oder der Klebestreifentest von einem in der Skabiesdiagnostik erfahrenen Arzt durchgeführt werden (siehe Differenzialdiagnostik).
Wie unter Umgang mit Kontaktpersonen beschrieben sollen enge Kontaktpersonen zeitgleich mit der infestierten Person behandelt werden. Personen ohne engen Kontakt und ohne skabiestypische Hautsymptome sollten nicht behandelt werden. Das gilt auch bei Vorliegen von Juckreiz, da dieser kein spezifisches Symptom für Skabies ist.
In der besonderen Situation der Sammelunterkünfte sollten allerdings Personen mit Symptomen, die deutlich für eine Skabies sprechen, bei denen der Nachweis von Milben nicht gelingt oder organisatorisch nicht möglich ist, sicherheitshalber behandelt werden.
7. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Vorbereitende Maßnahmen
In Pflegeheimen und anderen Einrichtungen, in denen durch die Pflegeabhängigkeit der Bewohner längere intensive Hautkontakte zwischen Pflegenden und Betreuten bestehen, ist das Risiko einer Übertragung von Krätzemilben deutlich erhöht. Zusätzlich sind Bewohner mit reduziertem Allgemeinzustand und/oder herabgesetzter Immunität stärker gefährdet, an Skabies zu erkranken bzw. eine milbenreiche Verlaufsform zu entwickeln. Wenn Einzelerkrankungen nicht frühzeitig erkannt und behandelt werden, können sich ausgedehnte und/oder protrahierte Ausbrüche entwickeln, die mehrere Stationen bzw. Bereiche oder die gesamte Einrichtung betreffen.
Solche Ausbrüche erfordern umfangreiche Maßnahmen und die intensive Kooperation zwischen den verschiedenen Akteuren und Institutionen.
Von einem Ausbruch ist auszugehen, wenn zwei oder mehr Fälle in einem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang auftreten.
Vor Einleitung der umfangreichen Maßnahmen sollte sichergestellt werden, dass es sich tatsächlich um einen Ausbruch von Skabies handelt (siehe Differenzialdiagnostik). Die Diagnose Skabies muss durch einen in der Skabies-Diagnostik versierten Arzt, vorzugsweise durch einen Dermatologen, erfolgen. Des Weiteren muss geklärt werden, ob die Übertragung innerhalb der Einrichtung stattgefunden hat oder ob es sich um einen Eintrag von außen handelt.
Ausbruchsmanagement
Für die im Folgenden aufgeführten einzelnen Schritte des empfohlenen Ausbruchsmanagements wurde zur einfacheren Übersicht ein Flussdiagramm: Maßnahmen bei Skabies entwickelt. Für Ausbrüche in Alten- und Pflegeeinrichtungen steht außerdem am Niedersächsischen Landesgesundheitsamt eine ausführliche Informationsschrift mit Arbeits- und Dokumentationshilfen zur Verfügung.
Grundsätzlich empfiehlt sich, unabhängig von der betroffenen Einrichtungsart, eine sorgfältige fortlaufende Dokumentation des Geschehens.
Die wichtigsten Punkte für eine erfolgreiche Ausbruchsbekämpfung sind im Folgenden dargestellt.
8. Maßnahmen beim Umgang mit Verstorbenen
Bei Verstorbenen, bei denen der Verdacht auf bzw. eine Erkrankung an Skabies bestand, müssen von den versorgenden Personen Arbeitsschutzmaßnahmen eingehalten werden (siehe Berufliche Exposition). Eine offene Aufbahrung kann bei Vorliegen einer gewöhnlichen Skabies durchgeführt werden, nicht aber bei Scabies crustosa.
9. Kostenaspekte
Die Frage der Übernahme der Kosten für die prophylaktische Behandlung von symptomfreien engen Kontaktpersonen stellt sich häufig. Es empfiehlt sich, diesen Aspekt früh und evtl. schon bei der Erstellung von Vorgehensplänen im Vorfeld von Erkrankungen mit dem zuständigen Gesundheitsamt zu erörtern.
Gesetzliche Grundlage
Meldepflicht gemäß IfSG
In Deutschland besteht keine krankheits- oder erregerspezifische Meldepflicht gemäß IfSG.
Benachrichtigungspflicht gemäß IfSG
Die Leitung von Gemeinschaftseinrichtungen haben gemäß § 34 Abs. 6 IfSG das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich zu benachrichtigen,
- wenn in ihrer Einrichtung betreute oder betreuende Personen an Skabies erkrankt oder dessen verdächtig sind.
Die Leitung einer Einrichtung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3-6 IfSG, z. B. von Justizvollzugsanstalten, Obdachlosenunterkünften, Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen oder sonstigen Massenunterkünften, hat das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich zu benachrichtigen,
- wenn in ihrer Einrichtung betreute oder betreuende Personen an Skabies erkrankt oder dessen verdächtig sind.
Übermittlung
Entfällt
Beratung und Spezialdiagnostik
Das Robert Koch-Institut führt keine individuelle medizinische Beratung zu Klinik, Therapie oder Impfungen durch. Bitte wenden Sie sich diesbezüglich an Ärzte oder Kliniken in Ihrer Nähe, bei denen möglichst eine Spezialisierung für Infektionskrankheiten besteht.
Bezüglich Fragen zu Infektionsschutz und -prävention kontaktieren Sie bitte Ihr zuständiges Gesundheitsamt (https://tools.rki.de/plztool/).
Ausführliche Informationen zu Skabies und viele weitere Links finden Sie unter Weitere Informationen.
Beratung zur Epidemiologie und zum Infektionsschutz
Robert Koch-Institut
Abteilung für Infektionskrankheiten
Fachgebiet für Erreger von Pilz- und Parasiteninfektionen und Mykobakteriosen
Seestraße 10, 13353 Berlin
Ansprechpartner: Dr. Anton Aebischer
Tel.: 030 18754 2771
E-Mail: Kontaktformular
E-Mail: Kontaktformular Fachgebiet 16
Weitere Beratung
Institut für Mikrobiologie und Hygiene, Charité Berlin
Prof. Dr. Hermann Feldmeier
E-Mail: hermann.feldmeier@charite.de
Klinik für Dermatologie und Venerologie, Universitätsklinikum Münster
Prof. Dr. Cord Sunderkötter
E-Mail: cord.sunderkoetter@ukmuenster.de
Niedersächsisches Landesgesundheitsamt
Dr. Elke Mertens
E-Mail: Elke.Mertens@nlga.Niedersachsen.de
Danksagung
Der vorliegende Ratgeber wurde vom RKI in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Hermann Feldmeier und Dr. Sandra Philipp (beide Charité Berlin), Dr. Elke Mertens und Peter Bergen (beide Niedersächsisches Landesgesundheitsamt), Dr. Bertram Geisel (Landesgesundheitsamt Baden Württemberg) sowie Dr. Sabine Klinke-Rehbein (Ennepe-Ruhr Kreis) erarbeitet.
Weitere Informationen
RKI: Skabies (Krätzemilbenbefall)
RKI: Flussdiagramm: Maßnahmen bei Skabies
RKI: Management von Ausbrüchen in Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Erregersteckbrief Krätze (Skabies) in verschiedenen Sprachen
Länder-Arbeitskreis zur Erstellung von Rahmenhygieneplänen nach §§ 23 und 36 IfSG: Rahmen-Hygieneplan für Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge, Asylbewerber, Spätaussiedler und Obdachlose
Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG): S1-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Skabies
Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (NLGA): Krätze/Skabies - Materialien und Handreichungsvorlagen
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Redaktion der Reihe "RKI-Ratgeber"
Hinweise zur Reihe "RKI-Ratgeber" richten Sie bitte an das Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektionsepidemiologie (Kontaktformular) oder an die Redaktion des Epidemiologischen Bulletins (Kontaktformular).
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