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Shigellose

RKI-Ratgeber

Präambel

Die Herausgabe der RKI-Ratgeber erfolgt durch das Robert Koch-Institut (RKI) auf der Grundlage des § 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Zielgruppe der RKI-Ratgeber sind Fachkreise, u.a. Ärztinnen und Ärzte, medizinisches Fachpersonal und der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD). Informationen zu wichtigen Infektionskrankheiten sollen aktuell und konzentriert der Orientierung dienen. Die Beiträge werden in Zusammenarbeit mit den Nationalen Referenzzentren (NRZ), Konsiliarlaboren (KL) sowie weiteren Expertinnen und Experten erarbeitet. Die RKI-Ratgeber sind auf der Internetseite des RKI (www.rki.de/ratgeber) abrufbar. Neu erstellte RKI-Ratgeber und deutlich überarbeitete Folgeversionen werden im Epidemiologischen Bulletin (www.rki.de/epidbull) veröffentlicht.

Vollständig aktualisierte Fassung vom Februar 2021. Erstveröffentlichung im Epidemiologischen Bulletin 32/2001.

Erreger

Erreger der Shigellose (Shigellenruhr, Shigellen-Dysenterie) sind unbewegliche, gramnegative Bakterien der Ordnung Enterobacteriales, Familie der Enterobacteriaceae, Gattung Shigella. Es besteht eine enge Verwandtschaft zu Escherichia coli. Sie werden nach biochemischen Merkmalen und spezifischen O-Antigenen in folgende Serogruppen unterteilt:

  • Gruppe A: Shigella dysenteriae,
  • Gruppe B: Shigella flexneri,
  • Gruppe C: Shigella boydii,
  • Gruppe D: Shigella sonnei.

Stämme der Gruppen A bis C können bestimmten Serovaren zugeordnet werden (insgesamt sind 16 Serovare bei Shigella dysenteriae, 8 Serovare bei Shigella flexneri 23 Serovare bei Shigella boydii bekannt; Shigella sonnei wird mit 2 serologischen Formen beschrieben).

Alle Shigellen besitzen ein aus Lipopolysacchariden bestehendes Endotoxin, das zur entzündlichen Reizung der Darmschleimhaut beiträgt, sowie den Virulenzfaktor ipaH (Invasionsplasmid Antigen H), der für eine Invasion der Bakterien in das Dickdarmepithel verantwortlich ist. Shigella dysenteriae 1-4 sowie einige Shigella flexneri 2a können zudem ein Exotoxin bilden (Shigatoxin, Stx, bzw. EHEC-Shigatoxin 1).

Vorkommen

Shigellen sind weltweit verbreitet. Die Infektion zeigt eine charakteristische Häufung in warmen Monaten. In Deutschland sind hauptsächlich Infektionen durch S. sonnei (Anteil gegenwärtig etwa 70%) und S. flexneri (Anteil gegenwärtig etwa 20%) von Bedeutung. Diese beiden Spezies führen überwiegend zu leichteren Erkrankungen, die aber hoch akut beginnen und sehr infektiös sein können. Häufig sind Kinder und junge Erwachsene (Altersgruppe 20-39 Jahre) betroffen. Die Mehrzahl der Shigellosen wird von Reisenden importiert (etwa 60-70% der übermittelten Fälle). Importierte Shigellosen werden häufig in Ägypten, Marokko, Indien, China und der Türkei erworben.

Aktuelle Fallzahlen zu Shigellen und weitere epidemiologische Kenngrößen finden Sie im aktuellen Infektionsepidemiologischen Jahrbuch unter www.rki.de/jahrbuch. Ein vereinfachter Datenbestand der gemäß IfSG meldepflichtigen Krankheitsfälle und Erregernachweise kann mit Hilfe von SurvStat@RKI unter www.rki.de/survstat abgefragt werden.

Reservoir

Der Mensch und andere Primaten sind das einzige relevante Reservoir für Shigellen. Gelegentliche Isolierungen aus Vögeln, anderen Wildtieren, sowie Amöben und Insekten wurden beschrieben.

Infektionsweg

Die Übertragung erfolgt fäkal-oral durch Kontakt- oder Schmierinfektion im Rahmen enger Personenkontakte, z.B. im Kindergarten oder im gemeinsamen Haushalt, oder durch kontaminierte Lebensmittel, (Trink-)Wasser oder Gebrauchsgegenstände. Auch bei sexuellem Analkontakt sowie gelegentlich durch medizinische Geräte kann der Erreger übertragen werden. Wiederholt kam es unter Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), zu Shigellose-Ausbrüchen, auch mit antibiotikaresistenten Erregern (z.T. multiresistente Gramnegative mit Resistenzen gegen 3 oder 4 Antibiotika-Gruppen (3-MRGN / 4-MRGN)). Häufungen von Shigellosen unter MSM werden vor allem in Großstädten beobachtet. Insbesondere bei Reisen in Länder mit niedrigeren Hygienestandards kann eine direkte Übertragung über mit Fäkalien verunreinigtes Trinkwasser oder Badegewässer von Bedeutung sein. Shigellen können schon bei einer minimalen peroral aufgenommenen Dosis (unter 100 Keime) klinische Symptome auslösen.

Inkubationszeit

Die Inkubationszeit ist nur selten länger als 12-96 Stunden.

Klinische Symptomatik

Nach oraler Aufnahme erfolgt eine Invasion in die Kolonmukosa. Die Erkrankung beginnt meist mit Fieber, Kopfschmerzen, ausgeprägtem Krankheitsgefühl und krampfartigen Bauschmerzen. Im klassischen Verlauf (der nicht sehr häufig beobachtet wird) folgt eine wässrige Diarrhö, gefolgt von blutig-schleimigen Ausscheidungen (Dysenterie) und inflammatorischer Kolitis. Leichte Verlaufsformen mit wässrigen und weichen Stuhlgängen sind die Regel. Vor allem Patienten mit Immunsuppression (u.a. auch HIV) oder ältere bzw. mangelernährte Personen sind häufiger von schweren bis fulminanten Verläufen betroffen. Das Auftreten blutig-schleimiger Stühle entspricht dem klinischen Bild der „Ruhr“ (daher die Bezeichnungen „Shigellenruhr“, „Bakterienruhr“). Abdominelle Krämpfe (Koliken und Tenesmen) sind typisch für eine Shigellose. Im weiteren Verlauf kann es zu fokalen Ulzerationen, vorwiegend im distalen Kolon, im Extremfall bis hin zur Kolondilatation und Kolonperforation kommen. Weitere mögliche Folgen sind Dehydratation und Proteinverluste.

Die Infektion bleibt in der Regel auf das Kolon beschränkt. In sehr seltenen Fällen kann es zu Komplikationen kommen, die sich außerhalb des Darmes manifestieren: septische Erkrankungen (nach Durchbruch der Schleimhautbarriere), Bronchopneumonien, Myokarditis, Infektion der Harnwege (meist S. sonnei), sowie Infektarthritiden, das Reiter-Syndrom (vor allem durch S. flexneri) und hämolytisch-urämisches Syndrom (durch Stx-positive Shigella spp.). Bei Säuglingen und Kleinkindern treten mitunter zentralnervöse Symptome auf, die einer Meningitis oder Enzephalitis ähneln. Bei HIV-positiven Patienten wurden trotz adäquater antibiotischer Therapie prolongierte Verläufe oder Rezidive beschrieben.

Dauer der Ansteckungsfähigkeit

Eine Ansteckungsfähigkeit besteht während der akuten Infektion und solange der Erreger mit dem Stuhl ausgeschieden wird. Dies kann 1-4 Wochen nach der akuten Krankheitsphase der Fall sein. Eine Ausscheidung über einen längeren Zeitraum ist sehr selten.

Diagnostik

1. Differenzialdiagnostik

Klinisch bzw. klinisch-epidemiologisch kann nur eine Verdachtsdiagnose gestellt werden. Differenzialdiagnostisch sind weitere bakterielle (z.B. Salmonellen, Yersinien, Campylobacter, enteroinvasive E. coli, enterohämorrhagische E. coli, Clostridium difficile) virale (z.B. Noroviren, Adenoviren, Rotaviren) sowie parasitäre Durchfallerreger (u.a. Amöben, Lamblien) zu erwägen. Weitere nicht-infektiöse Ursachen, wie chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Colon irritable sollten bei fehlendem Erregernachweis oder einem Persistieren der Symptomatik ebenfalls in das diagnostische Kalkül mit einbezogen werden.

2. Labordiagnostik

Die Diagnose wird durch die bakteriologische Untersuchung gesichert. Als Untersuchungsmaterial eignen sich frische Stuhlproben oder frisch entnommene Rektalabstriche in einem Transportmedium.

Der Aufdeckung von Infektionsquellen und der Klärung von Infektionswegen dient zunächst die Bestimmung der Spezies und ggf. des Serovars. Im Nationalen Referenzzentrum für Salmonellen und andere bakterielle Enteritiserreger kann eine weitere Erregertypisierung vorgenommen werden (z.B. durch molekularbiologische Charakterisierung mit core genome Multilocus-Sequenztypisierung; cgMLST). Bezüglich spezieller Angaben zur mikrobiologischen Diagnostik wird z.B. auf die MiQ-Hefte, Heft 9 „Gastrointestinale Infektionen“ verwiesen.

Therapie

Bei der Shigellose wird aufgrund der hohen Infektiosität und der gelegentlich sehr schweren Krankheitsverläufe gemäß der S2k-Leitlinie „Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple“ eine Antibiotikabehandlung generell empfohlen. Die Bakterienausscheidung wird hierdurch reduziert und die Krankheitsdauer verkürzt. Aufgrund der zunehmenden Resistenzproblematik bei Shigellen sollte die Therapie nach Durchführung einer Resistenztestung erfolgen. Vor allem Isolate von Reiserückkehrern aus Asien und Afrika und von MSM können vermehrte Resistenzen zeigen. In Abhängigkeit von den Ergebnissen der Resistenztestung sollte die antimikrobielle Therapie gemäß der S2k-Leitlinie mit Ciprofloxacin oder Azithromycin durchgeführt werden. Bei Patienten in gutem Allgemeinzustand kann auch eine symptomatische Therapie mit oralem Flüssigkeitsersatz ausreichend sein. Bei Patienten mit chronischen Grundkrankheiten und bei sehr jungen sowie alten Patienten müssen Flüssigkeits- und Elektrolytverluste parenteral ausgeglichen werden. Motilitätshemmer sollten zur Behandlung nicht eingesetzt werden.

Hinsichtlich der Therapie von erkrankten Kindern und Jugendlichen wird auf die S2k-Leitlinie „Akute infektiöse Gastroenteritis im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter“ verwiesen.

Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen

1. Präventive Maßnahmen

Grundlage der Verhütung sind hygienisch einwandfreie Bedingungen (persönliche Hygiene, Trinkwasser- und Lebensmittelhygiene, Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen). Da die Übertragung in der Regel durch direkten Kontakt von Mensch zu Mensch erfolgt, ist eine wirksame Händehygiene zur Vermeidung von fäkal-oralen Schmierinfektionen die entscheidende präventive Maßnahme. Erkrankte sowie Ausscheider sollten auch im privaten Umfeld auf die Zubereitung von Speisen für andere Personen verzichten. Um eine Weiterverbreitung der Erreger über sexuelle Kontakte zu vermeiden, sollte auf Sex (vaginal, anal, oral) verzichtet werden so lange der Durchfall anhält und für mindestens eine Woche nach Abklingen des Durchfalls. Auch in den folgenden Wochen sollten bei sexuellen Kontakten Schutzmaßnahmen, mit denen das Risiko einer fäkal-oralen Übertragung des Erregers reduziert werden kann, eingehalten werden.

Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung ist zur Vermeidung von Folgeinfektionen von großer Bedeutung. Eine stationäre Behandlung mit Isolierung erfolgt bei klinischer Indikation, solange Erreger ausgeschieden werden. Während der gesamten Erkrankungsdauer soll eine laufende Desinfektion aller Gegenstände und Flächen durchgeführt werden, die mit infektiösen Ausscheidungen des Kranken in Berührung gekommen sein können. Ausscheidungen, die nicht über ein reguläres Abwassersystem entsorgt werden können, sind ebenfalls zu desinfizieren. Die laufende Desinfektion findet auch bei Ausscheidern Anwendung. Bekleidung und Bettwäsche, Taschen- und Handtücher sind im Kochwaschgang, mindestens jedoch bei 60 °C zu waschen. Bei nicht hitzebeständiger Wäsche oder falls Maschinenwäsche nicht möglich ist, ist die Wäsche 12 Stunden in geeignete Desinfektionslösungen einzulegen und anschließend wie normale Haushaltswäsche zu waschen. Toilettensitz, Toilettendeckel sowie Bettgestell, Waschbecken und Badewanne sind in medizinischen Einrichtungen, Gemeinschaftseinrichtungen usw. täglich zu desinfizieren.

Bei der Händehygiene wird das gründliche Händewaschen mit Wasser und Seife ergänzt durch eine Händedesinfektion, bei der eine intensive Benetzung der Hände mit einem alkoholischen Desinfektionsmittel erforderlich ist (Anwendungshinweise des Herstellers sind zu beachten). Im häuslichen Bereich sind Hände- und Toilettenhygiene ausreichend.

2. Maßnahmen bei Einzelerkrankungen

Gemeinschaftseinrichtungen (gemäß § 33 IfSG, u.a. Kindergärten, Schulen, Heime)
Gemäß § 34 Abs. 1 IfSG dürfen Personen, die an Shigellose erkrankt oder dessen verdächtig sind, die Gemeinschaftseinrichtungen nicht besuchen sowie keine Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist.

In Gemeinschaftseinrichtungen betreute Kinder, die das 6. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die an einer infektiösen Gastroenteritis erkrankt oder dessen verdächtig sind, dürfen die Gemeinschaftseinrichtung nicht besuchen, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist.

Ausscheider von Shigella sp. dürfen gemäß § 34 Abs. 2 IfSG nur mit Zustimmung des Gesundheitsamtes und unter Beachtung von Schutzmaßnahmen die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume betreten, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung benutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung teilnehmen.

Eine Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen ist nach klinischer Genesung von einer Shigellose, bzw. nachdem Shigellen ausgeschieden wurden, bei Vorliegen von zwei negativen Befunden einer bakteriologischen Stuhluntersuchung (Stuhlproben im Abstand von 1-2 Tagen) möglich. Die erste Stuhlprobe sollte frühestens 24 Stunden nach Abklingen der Durchfallsymptomatik bzw. 48 Stunden nach Ende einer Antibiotikatherapie erfolgen. Bei längerer Erregerausscheidung sollte gemeinsam mit dem Gesundheitsamt eine individuelle Lösung gefunden werden, um ggf. eine Zulassung zu ermöglichen (§ 34 Abs. 2 Nr. 5 IfSG).

Die zuständige Behörde kann im Einvernehmen mit dem Gesundheitsamt für die in § 33 IfSG genannten Einrichtungen Ausnahmen von den genannten Verboten zulassen, wenn Maßnahmen durchgeführt werden oder wurden, mit denen eine Übertragung der Erkrankung verhütet werden kann.

Lebensmittelbetriebe und Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung (gemäß § 42 Abs. 1 IfSG)
Gemäß § 42 IfSG dürfen Personen, die an Shigellenruhr erkrankt oder dessen verdächtig sind (sowie Personen, die Shigellen ausscheiden), nicht tätig sein oder beschäftigt werden:

a) beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen der in § 42 Abs. 2 IfSG genannten Lebensmittel (s.u.), wenn sie dabei mit diesen in Berührung kommen, oder
b) in Küchen von Gaststätten und sonstigen Einrichtungen mit oder zur Gemeinschaftsverpflegung.

Lebensmittel im Sinne des § 42 Abs. 2 IfSG sind:

  • Fleisch, Geflügelfleisch und Erzeugnisse daraus
  • Milch und Erzeugnisse auf Milchbasis
  • Fische, Krebse oder Weichtiere und Erzeugnisse daraus
  • Eiprodukte
  • Säuglings- und Kleinkindernahrung
  • Speiseeis und Speiseeishalberzeugnisse
  • Backwaren mit nicht durchgebackener oder durcherhitzter Füllung oder Auflage
  • Feinkost-, Rohkost- und Kartoffelsalate, Marinaden, Mayonnaisen, andere emulgierte Soßen, Nahrungshefen
  • Sprossen und Keimlinge zum Rohverzehr sowie Samen zur Herstellung von Sprossen und Keimlingen zum Rohverzehr.

§ 43 Abs. 1 IfSG verpflichtet Personen vor erstmaliger Aufnahme der in § 42 IfSG bezeichneten Tätigkeiten, sich einer Belehrung über die in § 42 IfSG genannten Tätigkeitsverbote und Verpflichtungen zu unterziehen. Diese Belehrung erfolgt durch das Gesundheitsamt oder einen beauftragten Arzt (Vorschläge des RKI zu Belehrungsbögen).

Hinweis auf EU-Verordnung 852/2004 über Lebensmittelhygiene
Gemäß Anhang 2 Kapitel VIII ("Persönliche Hygiene") Nr. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004, die allgemeine Lebensmittelhygienevorschriften für Lebensmittelunternehmer enthält, ist Personen, die an einer Krankheit leiden, die durch Lebensmittel übertragen werden kann, oder Träger einer solchen Krankheit sind, sowie Personen mit beispielsweise infizierten Wunden, Hautinfektionen oder -verletzungen oder Diarrhö der Umgang mit Lebensmitteln und das Betreten von Bereichen, in denen mit Lebensmitteln umgegangen wird, generell verboten, wenn die Möglichkeit einer direkten oder indirekten Kontamination besteht.

Personen, die auf der Grundlage des § 42 IfSG zeitweilig nicht tätig sein durften, weil sie an Shigellose erkrankt waren oder Shigellen ausgeschieden haben, können die Tätigkeit wieder aufnehmen, wenn negative Befunde (in der Regel drei) einer bakteriologischen Stuhluntersuchung (Stuhlproben im Abstand von 1-2 Tagen) vorliegen und Einvernehmen mit dem Gesundheitsamt besteht.

Weiterhin kann das Gesundheitsamt darüber entscheiden, ob im konkreten Einzelfall ggf. auch für andere Bereiche Tätigkeitsverbote gem. § 31 IfSG angeordnet werden müssen (z.B. Pflege).

3. Umgang mit Kontaktpersonen

Kontaktpersonen (insbesondere aus der häuslichen Gemeinschaft des Erkrankten) müssen für die Dauer der Inkubationszeit eine besonders gründliche Händehygiene einhalten. Die Wiederzulassung ist nach Vorliegen einer negativen Stuhlprobe (zu entnehmen 96 Stunden nach letztmaligem Kontakt zum Erkrankten/ Krankheitsverdächtigten) wieder möglich. Von dieser Regel kann abgewichen werden, solange keine verdächtigen Symptome auftreten und die Einhaltung der erforderlichen Hygienemaßnahmen sicher gewährleistet ist (§ 34 Abs. 3 i. V. m. Abs. 7 IfSG).

4. Maßnahmen bei Ausbrüchen

Wegen der relativ leichten Übertragbarkeit der Erreger kann sich die Shigellose bei engem Personenkontakt und Mängeln der Hygiene vor allem in Gemeinschaftseinrichtungen aller Art leicht ausbreiten. Bei Hinweisen auf einen Ausbruch ist ein schnelles Ermitteln der Infektionsquelle/n und beteiligter Übertragungsfaktoren (z.B. Lebensmittel) erforderlich, um gezielt Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung einleiten zu können. Das zuständige Gesundheitsamt sollte bei einem entsprechenden Verdacht zum frühestmöglichen Zeitpunkt informiert werden. Besteht der Verdacht auf eine Übertragung durch bestimmte Lebensmittel, ist das Gesundheitsamt gemäß § 27 IfSG verpflichtet, die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde unverzüglich zu informieren.

Gesetzliche Grundlage

Meldepflicht gemäß IfSG

Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 7 Abs. 1 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis von Shigella sp., soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet.

Des Weiteren ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 IfSG der Verdacht auf und die Erkrankung an einer akuten infektiösen Gastroenteritis meldepflichtig,

  • wenn die betroffene Person Umgang mit Lebensmitteln hat oder in Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung (z.B. Küchen, Gaststätten) beschäftigt ist (siehe Maßnahmen bei Einzelerkrankungen), oder
  • wenn zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird.

Die Meldungen müssen dem Gesundheitsamt spätestens 24 Stunden nach erlangter Kenntnis vorliegen.

In § 8 IfSG werden die zur Meldung verpflichteten Personen benannt (https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__8.html). In § 9 IfSG ist festgelegt, welche Angaben die namentliche Meldung an das Gesundheitsamt enthalten darf (https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__9.html).

Benachrichtigungspflicht gemäß IfSG

Die Leitung einer Gemeinschaftseinrichtung hat das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich zu benachrichtigen,

  • wenn in ihrer Einrichtung betreute oder betreuende Personen an Shigellose erkrankt oder dessen verdächtig sind oder
  • wenn in den Wohngemeinschaften der in ihrer Einrichtung betreuten oder betreuenden Personen nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung an oder ein Verdacht auf Shigellose aufgetreten ist.

Eine Benachrichtigungspflicht besteht nicht, wenn der Leitung ein Nachweis darüber vorliegt, dass die Meldung des Sachverhalts gemäߧ 6 IfSG bereits erfolgt ist.

Übermittlung

Das Gesundheitsamt übermittelt gemäß § 11 Abs. 1 IfSG an die zuständige Landesbehörde nur Erkrankungs- oder Todesfälle und Erregernachweise, die der Falldefinition gemäß § 11 Abs. 2 IfSG entsprechen.

Die vom RKI erstellten Falldefinitionen sind auf den Internetseiten des RKI unter www.rki.de/falldefinitionen veröffentlicht.

Weitergehende Mitteilungspflichten

Es bestehen ergänzende Verordnungen in Sachsen.

Beratung und Spezialdiagnostik

Das Robert Koch-Institut führt keine individuelle medizinische Beratung zu Klinik, Therapie oder Impfungen durch. Bitte wenden Sie sich diesbezüglich an Ärzte oder Kliniken in Ihrer Nähe, bei denen möglichst eine Spezialisierung für Infektionskrankheiten besteht.
Bezüglich Fragen zu Infektionsschutz und -prävention, kontaktieren Sie bitte Ihr zuständiges Gesundheitsamt (https://tools.rki.de/plztool/).

Informationen zu Tropenreisen sind bei Tropeninstituten und anderen entsprechenden reisemedizinischen Beratungsstellen erhältlich (www.rki.de/reise).

Beratung zur Epidemiologie

Robert Koch-Institut
Abteilung für Infektionsepidemiologie
Fachgebiet 35 - Gastroenterologische Infektionen, Zoonosen und tropische Infektionen
Seestraße 10, 13353 Berlin
Ansprechpartner: Prof. Dr. Klaus Stark
Tel.: 030 18754 3432
E-Mail: Kontaktformular

Beratung zur Spezialdiagnostik

Nationales Referenzzentrum für Salmonellen und andere bakterielle Enteritiserreger
Robert Koch-Institut
Abteilung für Infektionskrankheiten
Fachgebiet 11 - Bakterielle darmpathogene Erreger und Legionellen
Burgstraße 37, 38855 Wernigerode
Ansprechpartner: Prof. Dr. Antje Flieger / Dr. Angelika Fruth
Tel.: 030 18754 4522 / - 4206 (Prof. Dr. Flieger) / -4241 (Dr. Fruth)
Fax: 030 18754 4207
E-Mail: Kontaktformular

Weitere Informationen

RKI: FAQ zu IfSG und Meldewesen

Ausgewählte Informationsquellen

  1. DGPI Handbuch Infektionen bei Kindern und Jugendlichen. 2018. Hrsg. Berner, R. et al., Georg Thieme Verlag.
  2. RKI: Empfehlungen für die Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen gemäß §34 Infektionsschutzgesetz. Stand 13.1.2020.
    www.rki.de/ratgeber
  3. Falldefinitionen des Robert Koch-Instituts zur Übermittlung von Erkrankungs- und oder Todesfällen und Nachweisen von Krankheitserregern. Ausgabe 2019 gemäß § 11 Abs. 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG).
    www.rki.de/falldefinitionen
  4. Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten. Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut. Bundesgesundheitsbl 2015; 58:1151-1170.
    www.rki.de/krinko-empfehlungen
  5. Hagel S et al.: S2k Leitlinie Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple. Z Gastroenterol 2015; 53:418-59
  6. Heymann D. L. (ed): Control of Communicable Diseases Manual. American Public Health Association, 2015, S. 556-561
  7. Mandell GL, Bennett J E, Dolin R (ed.): Principles and Practice of Infectious Diseases. Churchill Livingstone, 2005: 2655-2661
  8. MiQ - Mikrobiologisch-infektiologischer Qualitätsstandard in der mikrobiologisch-infektiologischen Diagnostik. Im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM). Hrsg. Podbielski A et al., Heft 9/2013 (2. Auflage): Gastrointestinale Infektionen.
  9. Posovszky C et al.: S2k-Leitlinie „Akute infektiöse Gastroenteritis im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter“ – AWMF Registernummer 068-003. Z Gastroenterol. 2019; 57:1077-1118
  10. Raspe M, Suttorp N. 191 Shigellose (Shigellenruhr, bakterielle Ruhr). In: Suttorp N, Möckel M, Siegmund B et al., Hrsg. Harrisons Innere Medizin. 19. Auflage. Berlin: ABW Wissenschaftsverlag; 2016.
  11. Falkenhorst G et al.: Zur Situation bei wichtigen Infektionskrankheiten – Reiseassoziierte Krankheiten 2019. Epid Bull 2020; 50:7-20
  12. RKI: Shigellose: Gehäuftes Auftreten bei Männern in Berlin im Jahr 2004. Epid Bull 2005; 8:59-63

Redaktion der Reihe "RKI-Ratgeber"

Hinweise zur Reihe "RKI-Ratgeber" richten Sie bitte an das Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektionsepidemiologie (Kontaktformular) oder an die Redaktion des Epidemiologischen Bulletins (Kontaktformular).

Stand: 03.02.2021

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