Masern
Präambel
Die Herausgabe der RKI-Ratgeber erfolgt durch das Robert Koch-Institut (RKI) auf der Grundlage des § 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Zielgruppe der RKI-Ratgeber sind Fachkreise, u.a. Ärztinnen und Ärzte, medizinisches Fachpersonal und der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD). Informationen zu wichtigen Infektionskrankheiten sollen aktuell und konzentriert der Orientierung dienen. Die Beiträge werden in Zusammenarbeit mit den Nationalen Referenzzentren (NRZ), Konsiliarlaboren (KL) sowie weiteren Expertinnen und Experten erarbeitet. Die RKI-Ratgeber sind auf der Internetseite des RKI (www.rki.de/ratgeber) abrufbar. Neu erstellte RKI-Ratgeber und deutlich überarbeitete Folgeversionen werden im Epidemiologischen Bulletin (www.rki.de/epidbull) veröffentlicht.
Erstveröffentlichung im Epidemiologischen Bulletin 44/1999.
Vollständig aktualisierte Fassung, veröffentlicht im Epidemiologischen Bulletin 46/2024.
Erreger
Die Masernerkrankung wird durch ein humanpathogenes behülltes RNA-Virus hervorgerufen, das zur Gattung der Morbilliviren der Familie der Paramyxoviren gehört. Das Masernvirus ist sehr empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen, wie erhöhten Temperaturen, Licht, UV-Strahlen, fettlösenden Substanzen und Desinfektionsmitteln. Masernviren sind antigenisch stabil und bilden nur einen Serotyp. Durch Impfung oder Infektion hervorgerufene neutralisierende Antikörper richten sich hauptsächlich gegen das virale Oberflächenglykoprotein Hämagglutinin.
Das Genom von Masernviren kann typisiert werden. Entsprechend der aktuellen Konvention der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden Masernviren acht Clades (A, B, C, D, E, F, G, H) mit insgesamt 24 Genotypen zugeordnet. Die Einteilung erfolgt auf Basis der Nukleotidsequenz eines definierten Genomabschnittes (450 Nukleotide auf dem N-Gen). Aufgrund global steigender Impfquoten zirkulieren nur noch einige wenige der ursprünglich 24 Genotypen. Jeder weltweit entdeckten Sequenzvariante wird in der WHO-Datenbank für Masernvirus-Nukleotidsequenzen (MeaNS) ein Zahlencode (Distinct Sequence ID) zugeordnet. Dominierende Sequenzvarianten erhalten durch die WHO einen Namen.
Die Genotypisierung und anschließende Sequenzierung von Wildviren im Rahmen der genomischen Surveillance ist von großer Bedeutung, um einen Fall einer Infektionskette zuordnen und deren zeitliche Dauer bestimmen zu können. In Kombination mit der epidemiologischen Analyse der übermittelten Meldedaten ermöglicht die molekulare Charakterisierung eine Bewertung und Nachverfolgung von regionalen aber auch überregionalen und internationalen Transmissionsketten. Darüber hinaus kann durch die Genotypisierung eine Impfreaktion von einer Wildvirusinfektion unterschieden werden.
Vorkommen
Vor Einführung der Impfungen gegen Masern wurden Masernepidemien alle 2-3 Jahre beobachtet. Jährlich traten weltweit geschätzt 2-3 Millionen masernbedingte Todesfälle auf. Schätzungen der WHO ergaben, dass zwischen 2000 und 2022 weltweit rund 57 Millionen Todesfälle durch Impfungen gegen Masern verhindert werden konnten. Trotz einer seit Jahrzehnten verfügbaren, sicheren und wirksamen Impfung starben allerdings weiterhin im Jahr 2022 weltweit geschätzt etwa 136.000 Menschen aufgrund der Masern, insbesondere Kinder im Alter von bis zu 5 Jahren.
Welche und wie viele Menschen in einem Land an Masern erkranken, ist in erster Linie abhängig von der Immunität in der Bevölkerung, den Geburtenraten sowie der Bevölkerungsdichte. Je seltener die Masernviren aufgrund einer steigenden Immunität in der Bevölkerung zirkulieren, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass empfängliche Personen erst im Jugend- oder Erwachsenenalter an Masern erkranken.
Hinsichtlich der Impfquoten bestehen in der WHO-Region Europa große Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten. Ungenügende Impfquoten führen über die Zeit zu einer Kumulation ungeschützter Personen in der Bevölkerung und nachfolgend zu teilweise ausgedehnten Ausbüchen. In den Jahren 2018 und 2019 war es aus diesem Grund in der WHO-Region Europa zu einem erneuten massiven Anstieg der Masernfälle gekommen. Im Jahr 2018 erkrankten in der europäischen WHO-Region rund 89.000 Menschen an Masern. Im Jahr 2019 stieg die Masernfallzahl um rund 20% auf etwa 106.000 Masernfälle, 64 Menschen verstarben.
In den Jahren 2020 bis 2021 ging die Fallzahl aufgrund der Coronavirus-Disease-2019-(COVID-19-)Pandemie und der zu ihrer Eindämmung durchgeführten Maßnahmen drastisch zurück. Im Jahr 2021 wurden aus der WHO-Region Europa lediglich Daten von 163 Masernfällen übermittelt. Todesfälle aufgrund der Masern wurden nicht beschrieben. Die Fallzahlen steigen seit 2022 wieder an. Nach Daten der WHO traten in der WHO-Region Europa im Jahr 2022 937 Masernfälle auf, im Jahr 2023 waren es rund 58.000 Fälle.
Alle sechs weltweiten WHO-Regionen haben die Elimination der Masern beschlossen. Diese ist erreicht, wenn mit Hilfe eines qualitativ hochwertigen Surveillancesystems nachgewiesen werden kann, dass in einem Staat keine endemische Transmission der Masern über 36 Monate oder länger mehr vorliegt. Unter einer endemischen Transmission versteht man die Übertragung einer Sequenzvariante der Masern über einen Zeitraum von ≥ 12 Monaten in einer geografischen Region. Der erste Schritt um die Elimination zu erreichen, ist der Nachweis, dass die endemische Transmission über 12 Monate oder länger unterbrochen wurde. Eine schnelle Unterbrechung von Infektionsketten ist möglich, wenn mindestens 95% der Bevölkerung eine Immunität gegen Masern aufweisen und dadurch ein Gemeinschaftsschutz (oder Herdenimmunität) aufgebaut ist.
Seit Inkrafttreten des IfSG in Deutschland im Jahr 2001 ging die Zahl der an das RKI übermittelten Masernfälle bedingt durch die seit über 40 Jahren erhältliche Impfung und stetig steigende Impfquoten zurück. In den Jahren 2008 bis 2019 schwankten die dem RKI übermittelten Fallzahlen jährlich zwischen 165 und 926 Fällen. Diese Fallzahlen wurde allerdings in den Jahren 2011 (n = 1.608), 2013 (n = 1.769) und 2015 (n = 2.466) deutlich überschritten.
Von einer Unterschätzung der Zahl der tatsächlichen Erkrankungen kann ausgegangen werden, da ein Teil der Erkrankten vermutlich nicht medizinisch behandelt oder erkannt wird (insbesondere bei Vorliegen eines sekundären Impfversagens) und möglicherweise nicht jede ärztlich behandelte Erkrankung gemeldet wird.
Die COVID-19-Pandemie hatte die Epidemiologie der Masern in Deutschland erheblich verändert. Am RKI gingen für das Jahr 2020 Daten von nur 76 Masernfällen ein, die bis auf einen importierten Fall im November nur in den Monaten Januar bis April auftraten. In den Jahren 2021 und 2022 ging die Anzahl der Fälle weiter auf 8 bzw. 15 Fälle zurück. Dies waren die niedrigsten jährlichen Fallzahlen seit Einführung der Meldepflicht. Wie zu erwarten steigen die Fallzahlen wieder an. Für das Jahr 2023 gingen Daten von 79 Masernfällen (Stand: 1.3.2024) am RKI ein, für das Jahr 2024 mit Stand 30.9.2024 bereits wieder 560 Fälle.
Seit einigen Jahren ist ein Anstieg des relativen Anteils der Altersgruppen > 15 Jahre bei den an Masern Erkrankten zu beobachten, der inzwischen bei über 50% aller pro Jahr übermittelten Masernfälle liegt. Aufgrund dieser Tatsache ist anzunehmen, dass weiterhin eine ungenügende Immunität gegen Masern insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen besteht. Zudem ist unter den übermittelten Fällen die Inzidenz bei Kindern < 1 Jahr und bei 1-Jährigen im Vergleich zu anderen Altersgruppen weiterhin sehr hoch. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt, die erste Impfung Kindern im Alter von 11 Monaten zu verabreichen, unter bestimmten Bedingungen ab einem Alter von 9 Monaten. Jüngere Kinder können nur durch die Herdenimmunität ihrer Umgebung geschützt werden. Die zweite Impfung sollte im Alter von 15 Monaten erfolgen. Die Kinder werden allerdings häufig später als von der STIKO empfohlen geimpft. Etwa 20% der pro Jahr übermittelten Masernfälle treten bei 2-9-Jährigen auf.
Daten der Schuleingangsuntersuchungen zeigen, dass bezüglich der Impfquoten Fortschritte erzielt werden konnten. Lagen die Impfquoten gegen Masern zum Schuleingang im Jahr 2015 bei 96,7% für die erste und 92,6% für die zweite Impfstoffdosis, so waren im Jahr 2020, dem Jahr der Einführung des Masernschutzgesetzes, 97,5% bzw. 93,2% der untersuchten Kinder, die einen Impfpass vorlegten, geimpft. Aktuelle Daten der KV-Impfsurveillance aus dem Jahr 2021 belegen allerdings, dass deutschlandweit nur rund 81% der 24 Monate alten Kinder zweimal und damit entsprechend der STIKO-Empfehlungen zeitgerecht geimpft wurden (Werte lagen bundeslandbezogen zwischen 70% und 85%; Sachsen lag aufgrund einer von der STIKO abweichenden landespezifischen Impfempfehlung bei rund 59%).
Im Jahr 2013 wurde durch das Bundesministerium für Gesundheit die Nationale Verifizierungskommission zur Verifizierung der Elimination der Masern und Röteln am RKI berufen. Diese Kommission hat die Aufgabe, den Eliminierungsprozess zu begleiten, zu dokumentieren und die Elimination für Deutschland zu verifizieren (s. auf der RKI-Homepage: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/NAVKO/NAVKO_node.html).
Reservoir
Das natürliche Reservoir des Masernvirus bilden infizierte und akut erkrankte Menschen. Es besteht fort, solange eine ausreichende Zahl empfänglicher Individuen eine Zirkulation des Erregers ermöglicht.
Da der Mensch der einzige Wirt des Masernvirus ist, der Erreger antigenisch weitgehend stabil ist und ein geeigneter Impfstoff zur Verfügung steht, ist eine wirksame Prävention gegeben, die eine Elimination der Masern (Verkürzung der Infektionsketten) bis hin zur weltweiten Eradikation (Reduktion der globalen Inzidenz auf Null) möglich macht.
Infektionsweg
Masern – eine der ansteckendsten Krankheiten des Menschen überhaupt – werden durch das Einatmen infektiöser Tröpfchen (Sprechen, Husten, Niesen) oder aerogen sowie durch Kontakt mit infektiösen Sekreten aus Nase oder Rachen übertragen. Das Masernvirus führt bereits bei kurzer Exposition zu einer Infektion und löst bei fast allen ungeschützten Infizierten eine klinische Symptomatik aus (secondary attack rate: > 90%).
Masernviren wurden nach Kontamination noch nach 2 Stunden in der Luft nachgewiesen. Ansteckungen von Personen, die sich ohne direkten Kontakt in den gleichen Räumen aufhielten wie ein Infizierter, wurden beschrieben. Ein direkter Kontakt ist also nicht für die Übertragung der Masern erforderlich.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit beträgt 7 bis (selten) 21 Tage, im Mittel 10-14 Tage bis zum Beginn des katarrhalischen Stadiums und 14-17 Tage bis zum Ausbruch des Exanthems.
Klinische Symptomatik
Masern sind eine systemische Virusinfektion mit zweiphasigem Krankheitsverlauf. Sie beginnen mit einem sog. katarrhalischen Stadium, in dem Fieber, Konjunktivitis, Schnupfen und Husten auftreten. Pathognomonisch (eindeutig hinweisend) für Masern ist ein ebenfalls in dieser Phase auftretendes Enanthem an der Mundschleimhaut, die sogenannten Koplik-Flecken (kalkspritzerartige weiße Flecken). Das charakteristische fleckig-knotige (makulopapulöse) Masernexanthem der Haut (bräunlich-rosafarbene konfluierende Flecken) entsteht am 2.-4. Tag nach Auftreten der initialen Symptome. Es beginnt im Gesicht und hinter den Ohren und bleibt 4-7 Tage bestehen. Beim Abklingen ist oft eine kleieartige Schuppung zu beobachten. Am 5.-7. Krankheitstag kommt es zum Temperaturabfall. Eine Masernerkrankung hinterlässt lebenslange Immunität. Der Nestschutz ist bei Kindern von geimpften Müttern häufig 3-4 Monate nach der Geburt nicht mehr nachweisbar und damit kürzer, als bei Müttern, die die Masern durchgemacht hatten. Säuglinge und Kleinkinder sowie Erwachsene ab 20 Jahre haben ein höheres Risiko, im Rahmen einer Masernerkrankung Komplikationen zu erleiden.
Die Masernvirusinfektion bedingt während der akuten Phase der Erkrankung eine transitorische Immunschwäche durch eine Infektion von Immunzellen, wie Lymphozyten und Makrophagen. Darüber hinaus wird durch die Infektion von bestehenden Gedächtniszellen eine Immunamnesie ausgelöst, die bis zu 70% des bereits bestehenden Antikörperrepertoires eliminieren kann. Eine Dauer von bis zu 3 Jahren wird dabei diskutiert. In dieser Zeit besteht eine erhöhte Empfänglichkeit für nachfolgende Infektionen. Häufig werden im Zusammenhang mit Masern bakterielle Superinfektionen beobachtet, wie eine Otitis media (Mittelohrentzündung), Bronchitis und Pneumonie sowie Diarrhöen. Eine besonders schwerwiegende Komplikation ist die akute postinfektiöse Enzephalitis, zu der es in etwa 1 von 1.000 Fällen kommt. Sie tritt etwa 4-7 Tage nach Beginn des Exanthems mit Kopfschmerzen, Fieber und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma auf. Bei etwa 10-20% der Betroffenen endet sie tödlich, bei etwa 20-30% muss mit bleibenden Schäden des zentralen Nervensystems gerechnet werden.
Die Subakute Sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) stellt eine sehr seltene Spätkomplikation dar, die sich durchschnittlich 6-8 Jahre nach Infektion manifestiert. Nach Literaturangaben kommt es durchschnittlich zu 4-11 SSPE-Fällen pro 100.000 Masernerkrankungen. Kinder haben ein deutlich höheres Risiko. So wurde das Risiko, eine SSPE zu entwickeln, für Kinder, die im Alter von < 5 Jahren an Masern erkrankten, auf 30-60 von 100.000 Masernfällen und für Kinder, die im ersten Lebensjahr erkranken, sogar auf rund 170 von 100.000 Masernfällen geschätzt. Beginnend mit psychischen und intellektuellen Veränderungen entwickelt sich ein fortschreitender Verlauf mit neurologischen Störungen und Ausfällen bis zum Verlust aller zerebralen Funktionen, der in der Regel tödlich endet.
Abgeschwächte Infektionsverläufe („mitigierte Masern“) werden bei Menschen beobachtet, bei denen infolge mütterlicher oder transfundierter Antikörper (Neugeborene oder nach Antikörpersubstitution) oder einer nicht vollständig ausgebildeten Immunität nach Impfung (sekundäres Impfversagen) die Virusreplikation beeinträchtigt ist und eine reduzierte Virämie vorliegt. Bei einer nur schwachen Ausbildung des Exanthems ist eine klinische Diagnose erschwert. Die Ansteckungsfähigkeit von akut an Masern Erkrankten mit einem sekundären Impfversagen ist deutlich geringer und gilt als seltenes Ereignis, sie wurde jedoch wiederholt beschrieben.
Besonders schwerwiegend, atypisch und bisweilen tödlich können die Masern bei Personen mit einer primären oder sekundären Immundefizienz verlaufen. Als besonders schwere Komplikationen gelten die progressive Einschlusskörperchen-Enzephalitis (engl. measles inclusion body encephalitis – MIBE) und Pneumonien, wie die progrediente Riesenzellpneumonie.
Nach Angaben der WHO liegt in entwickelten Ländern die Letalität der Masernerkrankung zwischen 0,01% und 0,1%. In Ländern mit verbreiteter Mangelernährung und hohen Inzidenzen weiterer Infektionen oder bei Personen mit Immundefizienz kann sie bedeutend höher sein. Daten der Todesursachenstatistik (die im Gegensatz zu den IfSG-Meldedaten zum Beispiel auch die Todesfälle nach SSPE berücksichtigt, die bis einschl. 2019 nicht meldepflichtig gemäß IfSG waren) weisen für Deutschland insgesamt 42 Todesfälle aufgrund von Masern bzw. SSPE im Zeitraum 2007 bis 2015 aus. Das entsprach etwa 3-7 masernassoziierten Todesfällen pro Jahr.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Die Ansteckungsfähigkeit beginnt bereits 4 Tage vor Auftreten des Exanthems und hält im Allgemeinen bis 4 Tage nach Auftreten des Exanthems an. Unmittelbar vor Erscheinen des Exanthems ist sie am größten.
Diagnostik
1. Differentialdiagnostik
Das klinische Bild der Masern kann sehr leicht mit anderen exanthematischen Erkrankungen wie Röteln, Ringelröteln und Scharlach verwechselt werden. In Zeiten niedriger Inzidenz ist die klinische Diagnose ohne eine labordiagnostische Bestätigung, insbesondere bei sporadischen Fällen, nicht mehr genügend zuverlässig (sinkender positiver prädiktiver Wert). Bei der Mehrzahl der Verdachtsfälle handelt es sich um andere exanthematische Erkrankungen (Ringelröteln, Scharlach etc.). Im Gegensatz dazu liegt bei Masernausbrüchen die Bestätigungsrate deutlich höher als im Vergleich zu sporadischen Fällen.
2. Labordiagnostik
Die Labordiagnostik ist zum sicheren Nachweis der akuten Masernerkrankung unerlässlich geworden und sollte bei jedem Verdachtsfall durchgeführt werden.
Zusammenfassend gilt:
- Bei Verdacht auf eine akute Masernerkrankung ist grundsätzlich immer und sofort eine Labordiagnostik zu veranlassen. Für die Labordiagnostik steht ein breites Spektrum von Methoden zur Verfügung (s. Tab. 1).
- Jeder klinische Verdacht auf eine akute Masernerkrankung ist gemäß IfSG unverzüglich zu melden.
- Zuverlässige Ergebnisse der Untersuchungen setzen voraus, dass die Proben in bestimmten Zeitfenstern nach Exanthembeginn und in bestimmten Medien abgenommen werden (s. Tab. 1).
- Bei ungeimpften akuten Verdachtsfällen mit einer klinischen Symptomatik, die den Verdacht auf Masern oder Röteln nahelegt, wird folgende Diagnostik empfohlen:
- Entnahme von Proben (Rachenabstrich, alternativ Urin) für eine Untersuchung mittels Reverse Transkriptase-Polymerasekettenreaktion (RT-PCR).
- Entsprechende Zeitfenster für eine RT-PCR (s. Tab. 1) sollten beachtet und eingehalten werden.
- Das Nationale Referenzzentrum Masern, Mumps, Röteln (NRZ MMR) am RKI führt die PCR-Diagnostik kostenlos durch. Entnahmesets und der unbedingt erforderliche Probenbegleitschein können über die Webseite des NRZ MMR angefordert werden. - Abnahme einer Blutprobe zur Bestimmung der Anti-Masern-IgM-Antikörper im Serum
- nach Ablauf der Zeitfenster für eine erfolgreiche RT-PCR. Das NRZ MMR führt keine serologische Primärdiagnostik durch.
- Zur Abklärung eines Verdachts auf akute Masern bei Geimpften kann neben PCR-Proben (das kürzere Zeitfenster für den Nachweis sollte bei Geimpften beachtet werden) auch eine Serumprobe zur Bestimmung der Anti-Masern-IgG-Avidität mit an das NRZ MMR übersandt werden. Das NRZ MMR führt keine serologische Primärdiagnostik durch.
- Eine Maserninfektion bei Geimpften ist nur dann nachgewiesen, wenn der Virusnachweis in der PCR positiv ausfällt. Die PCR-Untersuchung ist bei Verdacht auf Masern bei Geimpften unabdingbar.
- Bei einer Impfung, die weniger als 21 Tage zurückliegt, kann es sich um die sog. Impfmasern handeln. Diese sind nicht ansteckend und treten in der Regel 6-12 Tage nach der Masernimpfung auf. Die Bestimmung des Genotyps des Masernvirus im Rahmen der molekularbiologischen Diagnostik ist auch hier richtungsweisend.
- Ein primäres oder sekundäres Impfversagen kann mit Hilfe der Bestimmung der Avidität der IgG-Antikörper unterschieden werden.
Eine Übersicht über die Labordiagnostik der Masern vermittelt Tabelle 1.
RT-PCR: Der Virusgenomnachweis im Rachenabstrich bzw. Urin soll bei allen Masernverdachtsfällen erfolgen. Diese nicht invasive Methode bietet eine hohe diagnostische Sicherheit.
- Der Masernvirusgenomnachweis gelingt am besten, wenn die Probenentnahme bis zu einer Woche nach Exanthembeginn erfolgt.
- Für die Virusisolierung bzw. einen RNA-Nachweis werden Rachenabstrich oder Urin benötigt. Ein Virusgenomnachweis per PCR aus Serum gelingt nur selten und wird daher nicht empfohlen.
- Im Fall eines positiven RNA-Nachweises sollte die Masernvirusgenotypisierung zur genomischen Surveillance und Nachverfolgung von Infektionsketten erfolgen.
- Ein negatives Ergebnis schließt eine akute Erkrankung nicht sicher aus.
- Die Masern-PCR wird am NRZ MMR kostenfrei durchgeführt, wenn ein klinischer Verdachtsfall besteht (s. Abschnitt „Beratung und Spezialdiagnostik“).
Genotypisierung: Im Fall eines Masern-RNA-Nachweises kann die Masernvirusgenotypisierung zur Darstellung der Sequenzvariante des Masernvirus erfolgen.
- Mit der Analyse der Sequenzvarianten erweist sich die molekulare Surveillance als ein sehr wichtiges Instrument zur Darstellung von Infektionsketten.
- Eine spezifische Genotypisierung am NRZ MMR ist zudem die einzige Möglichkeit, zwischen einer Wildviruserkrankung und einer Reaktion nach Impfung zu unterscheiden. Da Impfviren nicht übertragen werden, sind in diesem Fall keine weiteren Maßnahmen erforderlich.
Die serologische Untersuchung der Masernvirus-spezifischen Antikörper im Serum zeigt mit dem IgM-Nachweis eine akute Infektion an, wohingegen IgG-Antikörper bei fehlendem IgM eine durchgemachte Infektion oder Impfung (IgG), d. h. Immunität belegen. Bei sporadisch auftretenden oder bereits geimpften Verdachtsfällen ist bei den gegenwärtig beobachteten niedrigen Inzidenzen der Masern die Serologie zur Diagnose einer akuten Masernerkrankung nicht zuverlässig (niedriger positiver prädiktiver Wert der Laboruntersuchung). Informationen über das Auftreten weiterer lokaler Masernfälle, weiterer exanthematischer Erkrankungen mit Nachweis anderer Erreger oder über eine kürzlich durchgeführte Impfung oder Reise können hilfreich sein, um das serologische Ergebnis bewerten zu können. Folgende Punkte sollten bei der Interpretation der serologischen Ergebnisse berücksichtig werden:
Ungeimpfte Personen
- Der Nachweis der virusspezifischen IgM-Antikörper im Serum kann bei bis zu 30% der an Masern Erkrankten am 1.-3. Tag nach Auftreten des Exanthems noch negativ sein. Ein fehlender IgM-Antikörpernachweis kurz nach Exanthembeginn schließt somit eine akute Erkrankung nicht aus. In diesem Zeitraum empfiehlt sich eine PCR-Untersuchung und ggf. eine Wiederholung der Serologie nach 10-14 Tagen.
- IgM-Antikörper sind meist bis zu 4 Wochen nach Auftreten des Exanthems nachweisbar, können aber in Einzelfällen auch länger persistieren.
- IgG-Antikörper sollten ab 7-10 Tage nach Exanthembeginn nachweisbar sein. Sie vermitteln eine lebenslange Immunität.
Geimpfte Personen
- Bei geimpften Personen werden Maserninfektionen (sog. Durchbruchserkrankungen nach primärem oder sekundärem Impfversagen) selten beobachtet. Meist weisen diese Fälle dann ein abgeschwächtes Krankheitsbild auf. Sie werden insbesondere bei sporadischem Auftreten schwerer erkannt, weil Masern nicht in Betracht gezogen werden.
- Nach einer Impfung zeigen Erkrankte häufig keine eindeutige IgM-Antwort, aber einen starken Anstieg der IgG-Antikörper. Ein negativer IgM-Befund bei Geimpften bedeutet somit keinen sicheren Ausschluss einer akuten Masernerkrankung. In diesen Fällen sollte möglichst eine weitere Blutprobe im Abstand von 10–14 Tagen nach der ersten Untersuchung genommen werden. Im Serumpaar kann dann der IgG-Titer verglichen werden. Ein signifikanter IgG-Anstieg (> Faktor 4) weist eine erneute Infektion nach.
- Ein Impfversagen kann aufgrund eines primären Ausbleibens der Immunantwort (z.B. nach falscher Lagerung oder Applikation des Impfstoffs; primäres Impfversagen) oder auf einem niedrigen Antikörperspiegel (sekundäres Impfversagen) beruhen.
- Zur weiteren Abklärung des Impfversagens sollte eine Serologie zur Bestimmung der Anti-Masern-IgG und der Avidität der IgG-Antikörper (Stärke der Bindung des Antikörpers an das Antigen) durchgeführt werden. Eine Aviditätsbestimmung der IgG-Antikörper gibt Auskunft, ob es sich um eine frische oder eine zurückliegende Immunität gegen Masern handelt.
Zur Tabelle 1 klicken Sie bitte hier:
Empfehlungen und Hinweise zur Labordiagnostik der Masern (PDF, 170 KB, Datei ist nicht barrierefrei)
Therapie
Eine spezifische antivirale Therapie gegen Masern gibt es nicht. Die symptomatische Therapie ist abhängig vom Verlauf der Erkrankung und den auftretenden Symptomen. Neben fiebersenkenden Medikamenten ist bei bakteriellen Superinfektionen, z.B. Otitis media und Pneumonie, eine antibiotische Therapie indiziert.
Eine Vitamin-A-Gabe kann die Mortalität bei Kindern insbesondere im Alter < 2 Jahren mit vorliegendem Vitamin-A-Mangel senken. Eine hohe Prävalenz des Vitamin-A-Mangels besteht in Ländern mit einem mittleren und niedrigen durchschnittlichen Einkommen. Bisher ist die Datenlage nicht eindeutig, ob eine Vitamin-A-Gabe auch den Verlauf der Erkrankung und die Mortalität bei Kindern in Ländern mit einer geringeren Mortalität und geringerem Risiko eines Vitamin-A-Mangels senken kann. Die WHO empfiehlt die Vitamin-A-Gabe bei allen Kindern mit einem schweren Verlauf der Masern.
Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen
1. Primärpräventive Maßnahmen
Impfung
Die wirksamste präventive Maßnahme zum Schutz vor einer Masernerkrankung ist die aktive Schutzimpfung gegen Masern. Die Masernimpfstoffe sind Lebendimpfstoffe, die abgeschwächte Masernviren enthalten und in embryonalen Hühnerzellen gezüchtet werden. Die Impfstoffe werden als 3-fach-Kombination zusammen mit abgeschwächten Mumps- und Rötelnviren angeboten (MMR-Impfstoff). Eine 4-fach-Kombination enthält zusätzlich abgeschwächte Varizellenviren (MMRV-Impfstoff). Letztere Viren werden in humanen diploiden Zellen oder humanen diploiden Lungenfibroblasten gezüchtet. Die Impfstoffe können Spuren von Neomycin, teilweise auch Spuren von rekombinantem Humanalbumin enthalten. Für die Applikation und Dosierung von MMR(V)-Impfstoffen sind die Herstellerangaben zu beachten.
Die Impfung erzeugt sowohl eine humorale als auch zellulär vermittelte Immunität. Die durch die Impfung bewirkte IgM-Immunantwort ist nach etwa 10-14 Tagen nachweisbar. Die erreichten mittleren Antikörpertiter sind niedriger als nach natürlicher Infektion. In zahlreichen, weltweit durchgeführten klinischen und Beobachtungsstudien wurde eine Wirksamkeit der einmaligen Impfung gegen Masern von mindestens 92% bei Kindern und Jugendlichen im Alter bis 15 Jahre ermittelt. Nicht alle Personen entwickeln somit nach der ersten Masernimpfung einen ausreichenden Schutz.
Deswegen wird die zweite Impfung gegen Masern empfohlen, die fast immer zu der gewünschten Immunität führt. Die Wirksamkeit einer zweiten MMR-Impfung ist abhängig von der Immunantwort nach der ersten Impfung. Personen, die auf eine Erstimpfung nicht ansprechen und keinen nachweisbaren Titer haben, erzeugen typischerweise eine primäre Immunantwort nach der zweiten Impfung mit einem signifikanten Anstieg des Antikörpertiters und der Produktion von IgM-Antikörpern. Bei Personen mit präexistierenden Antikörpertitern wird nach der zweiten Impfung ein nur kurzfristiger Anstieg der IgG-Antikörper, seltener jedoch der IgM-Antikörper beobachtet. Die zweite Impfung stellt somit keine Boosterung dar, sondern soll Immunitätslücken bei denjenigen Personen schließen, die nach der ersten Impfung keine Immunität entwickelt haben. Daher ist es sinnvoll, die Impfserie gegen Masern so schnell wie möglich, jedoch nicht eher als 4 Wochen nach der ersten Impfung abzuschließen, um einen optimalen Schutz zu erreichen. Je später die zweite Impfung gegeben wird, desto länger ist die Zeitspanne, in der Kinder, die nach der ersten Impfung keinen ausreichenden Schutz entwickelt hatten, an Masern erkranken können.
Weitere Gründe sprechen für eine zweite Impfung: Die Elimination der Masern kann erst dann erreicht werden, wenn mit einer Immunität von 95% der Bevölkerung ein Gemeinschaftsschutz (Herdenimmunität) gegen Masern aufgebaut ist. Dieses Ziel wird mit einer einmaligen Masernimpfung nicht erreicht. Auch die Effektivität der anderen Komponenten des MMR-Impfstoffes ist zu bedenken. Die Wirksamkeit, eine Mumpserkrankung zu verhindern, liegt für die einmalige Mumpsimpfung der in Deutschland verwendeten Impfstoffe bei Kindern und Jugendlichen bei 64-66%. Nach zweimaliger Impfung sind 83-88% der Geimpften wirksam geschützt. Nach einer Impfung gegen Röteln weisen rund 95% der im Alter von ≥ 12 Monaten geimpften Kinder schützende Antikörper auf; nach zweimaliger Impfung sind es rund 99%.
Es wird weiterhin von einer lebenslangen Immunität gegen Masern nach zweimaliger Impfung ausgegangen.
Die Immunitätsfeststellung nach Masernimpfung sollte auf Basis einer Impfbuchkontrolle erfolgen. Sind zwei Impfungen gegen Masern dokumentiert, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer ausreichenden Immunität gegen Masern ausgegangen werden. Nach einer ersten Impfung gegen Masern wird die zweite Impfung und keine Titerkontrolle von der STIKO empfohlen. Die Gründe dafür sind in einer FAQ des RKI zusammengestellt.
MMR-Kombinationsimpfstoffe wurden seit ihrer Zulassung millionenfach verabreicht. Ein systematischer Cochrane-Review zur Untersuchung von schweren unerwünschten Wirkungen der MMR-Impfstoffe bei Kindern bis zu einem Alter von 15 Jahren belegt, dass das Sicherheits- und Wirksamkeitsprofil der Impfstoffe die bestehenden bevölkerungsweiten Impfprogramme gegen Masern, Mumps und Röteln rechtfertigen. Die WHO bestätigt in ihrem Positionspapier zu Masernimpfstoffen diese Sicherheitseinschätzung. Berechnungen mit Daten der Post-Marketing-Surveillance unter allen Altersgruppen ergaben, dass unerwünschte Wirkungen der MMR-Impfstoffe, einschließlich der häufig auftretenden Lokal- und Allgemeinreaktionen, bei 31 von 1 Million Geimpften zu erwarten sind. Der Impfstoff wird somit für alle Altersgruppen als sicher eingeschätzt.
Impfreaktionen werden grundsätzlich häufiger nach der ersten als nach der zweiten Impfung beobachtet. Häufig treten als Ausdruck einer Auseinandersetzung des Organismus mit dem Impfstoff Lokalreaktionen an der Injektionsstelle wie Rötung, Schwellung und Schmerzen für 1-3 Tage auf. Ferner können Allgemeinsymptome wie Kopfschmerzen, Mattigkeit und Fieber beobachtet werden. Etwa 5-15% der Geimpften zeigen mäßiges bis hohes Fieber zwischen dem 7. und 12. Tag nach Impfung, das 1-2 Tage anhält. Ein Exanthem kann bei etwa 5% der Geimpften in der 2. Woche nach der Impfung auftreten. Hierbei handelt es sich um eine milde, selbstlimitierende Symptomatik, die nicht ansteckend ist und 1-3 Tage andauert. Das Auftreten von Fieber und einem Exanthem kann zu einer Verwechslung mit einer Wildviruserkrankung führen, insbesondere nach Riegelungsimpfung (Inkubationsimpfung). Ein früher als 6 Tage nach Impfung aufgetretenes Exanthem deutet eher auf eine Wildvirusinfektion hin. Etwa 1% der Geimpften, insbesondere Erwachsene, berichten nach der Impfung über Arthralgien. Die beschriebenen Symptome treten nach der zweiten Impfung nur noch selten auf.
Schwere unerwünschte Wirkungen der Impfung sind selten. Eine nach der Impfung auftretende Thrombozytopenie oder idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP) ist in der Regel selbstlimitierend. Ferner erhöhen die Masernimpfungen bei Kindern im Alter zwischen 10 und 24 Monaten das Baseline-Risiko für Fieberkrämpfe. Für Fieberkrämpfe wurde ein impfbedingtes attributales Risiko von 1 Fall pro 1.150 bis 1 Fall pro 1.700 Impfstoffdosen berechnet. Das impfbedingte attributale Risiko für eine ITP wird auf etwa 1 Fall pro 40.000 verabreichte MMR-Impfstoffdosen geschätzt. Bei älteren Kindern oder Erwachsenen ist das Risiko für Fieberkrämpfe nach der MMR-Impfung nicht erhöht. In 1-4 Fällen pro 1 Million Geimpfte wird eine Anaphylaxie nach der Impfung beobachtet. Es besteht keine Assoziation zwischen der Impfung und dem Auftreten eines Morbus Crohn, einer Colitis ulcerosa, von Autismus oder einer SSPE.
In Fallberichten wurden bei Personen mit einer Immunsuppression nach einer Impfung schwere Komplikationen wie eine Einschlusskörper-Enzephalitis oder Pneumonie beschrieben. Die Impfung ist daher für Personen mit bestimmten angeborenen oder erworbenen Störungen des Immunsystems durch eine mögliche unkontrollierte Vermehrung der abgeschwächten Erreger sowie bei Schwangeren oder bei bekannter Allergie gegen eine der Komponenten der Impfstoffe kontraindiziert. Eine Hühnereiweißallergie stellt im Allgemeinen keine Kontraindikation gegen die Impfung dar.
Empfehlungen der STIKO
Die Standardimpfung für Kinder umfasst zwei Impfstoffdosen.
Die erste MMR-Impfung sollte im Alter von 11 Monaten erfolgen. Sie kann jedoch unter Berücksichtigung der gegebenen epidemiologischen Situation bereits ab einem Alter von 9 Monaten verabreicht werden, wenn das Kind in eine Gemeinschaftseinrichtung mit einem erhöhten Risiko einer Masernexposition aufgenommen werden soll. Im Rahmen eines Ausbruchs kann eine individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung die Impfung von 6-8 Monate alten Säuglingen ausnahmsweise begründen (Off-Label-Use).
Die empfohlene Zweitimpfung kann 4 Wochen nach der ersten Masernimpfung erfolgen und soll im Alter von 15 Monaten verabreicht werden.
Falls die Erstimpfung im Alter von 9-10 Monaten erfolgte, soll die zweite MMR/V-Impfung bereits zu Beginn des 2. Lebensjahres gegeben werden. Säuglinge, die im Alter von 6-8 Monaten geimpft wurden, sollten zum Aufbau einer langfristigen Immunität zwei weitere MMR/V-Impfstoffdosen mit 11 und 15 Monaten erhalten.
Eine einmalige MMR-Standardimpfung für Erwachsene sollte bei allen nach 1970 geborenen ungeimpften bzw. in der Kindheit nur einmal geimpften Personen ≥ 18 Jahre oder nach 1970 geborenen Personen ≥ 18 Jahre mit unklarem Impfstaus nachgeholt werden.
Ferner ist nach STIKO-Empfehlung seit Januar 2020 die zweimalige Impfung für nach 1970 geborene Personen (einschließlich Auszubildende, Praktikantinnen/Praktikanten, Studierende und ehrenamtlich Tätige) in folgenden beruflichen Tätigkeitsbereichen indiziert:
- Medizinische Einrichtungen inklusive Einrichtungen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe
- Tätigkeiten mit Kontakt zu potenziell infektiösem Material
- Einrichtungen der Pflege
- Gemeinschaftseinrichtungen
- Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbenden, Ausreisepflichtigen, Flüchtlingen und Spätaussiedelnden
- Fach-, Berufs- und Hochschulen
Im Rahmen einer Postexpositionsprophylaxe sollten nach 1970 Geborene mit unklarem Impfstatus, ohne Impfung oder mit nur einer Impfung in der Kindheit möglichst innerhalb von 3 Tagen nach Exposition mit einem MMR-Impfstoff geimpft werden und fehlende Impfungen altersentsprechend ergänzt werden (siehe auch unter 3. Umgang mit Kontaktpersonen).
Die aktuellen STIKO-Empfehlungen und weitere hilfreiche Informationen zum Impfen können unter folgendem Link aufgerufen werden.
Die Gesundheitsämter und Gemeinschaftseinrichtungen (gemäß § 33 IfSG) sollten die betreuten Personen oder deren Sorgeberechtigten gemeinsam über die Bedeutung eines vollständigen, altersgemäßen, nach den Empfehlungen der STIKO ausreichenden Impfschutzes und über die Prävention übertragbarer Krankheiten aufklären (§ 34 Abs. 10 IfSG).
Nachweispflicht von Impfungen gegen Masern
Das am 1.3.2020 in Kraft getretene (Masernschutzgesetz) regelt die Nachweispflicht eines ausreichenden Masernschutzes für nach dem 31.12.1970 geborene Personen, die mindestens 1 Jahr alt sind und
- in einer Gemeinschaftseinrichtung gemäß § 33 Nr. 1 bis 3 IfSG betreut werden; zu diesen Einrichtungen zählen Kindertageseinrichtungen und Horte, bestimmte Formen der Kindertagespflege, Schulen und sonstige Ausbildungseinrichtungen, in denen überwiegend minderjährige Personen betreut werden,
- die bereits 4 Wochen in einem Kinderheim (Gemeinschaftseinrichtung gemäß § 33 Nr. 4 IfSG) betreut werden oder in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerbende und Flüchtlinge oder Spätaussiedelnde (Einrichtung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 4 IfSG) untergebracht sind,
- die in Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäusern und ärztlichen Praxen oder in Gemeinschaftseinrichtungen oder Gemeinschaftsunterkünften (siehe oben) tätig sind.
Personen, die aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können und einen entsprechenden Nachweis vorlegen, sind von den Regelungen ausgenommen (§ 20 Abs. 8 Satz 4 IfSG).
Die betroffenen Personen müssen der Leitung der jeweiligen Einrichtung vor dem tatsächlichen Beginn ihrer Betreuung oder ihrer Tätigkeit folgenden Nachweis vorlegen (vgl. § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG):
- Einen Impfausweis oder ein ärztliches Zeugnis (auch in Form einer Anlage zum Untersuchungsheft für Kinder) darüber, dass bei ihnen ein Impfschutz gegen Masern besteht. Kinder ab 1 Jahr müssen eine Masernschutzimpfung, Kinder ab 2 Jahre sowie Erwachsene zwei Masernimpfungen nachweisen.
- Ein ärztliches Zeugnis darüber, dass bei ihnen eine Immunität gegen Masern vorliegt (aufgrund einer Titerbestimmung) oder sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können oder
- eine Bestätigung einer staatlichen Stelle oder der Leitung einer anderen vom Gesetz betroffenen Einrichtung darüber, dass ein Nachweis bereits vorgelegen hat.
Die gesetzlichen Vorgaben orientieren sich an den Empfehlungen der STIKO. Der Nachweis der zweifachen Impfung gilt als ausreichend. Wenn der Impfstatus unklar ist, sollten die Impfungen nachgeholt werden. Eine Antikörperkontrolle wird von der STIKO nicht empfohlen.
Die oberste Landesgesundheitsbehörde oder eine von ihr bestimmte Stelle kann bestimmen, dass der Nachweis nicht der Leitung der jeweiligen Einrichtung sondern dem Gesundheitsamt oder einer anderen staatlichen Stelle gegenüber zu erbringen ist (§ 20 Abs. 9 Satz 3 IfSG).
Unter www.masernschutz.de wurden Informationen zum Masernschutzgesetz und häufige Fragen dazu zusammengestellt. Die Webseite wird laufend aktualisiert.
Präventive Maßnahmen in medizinischen Einrichtungen
Personal im Gesundheitswesen hat ein deutlich erhöhtes Risiko, mit Masernviren in Kontakt zu kommen und zu erkranken, wenn es nicht über eine ausreichende Immunität verfügt. Die Prävention einer Masernerkrankung in Einrichtungen zur medizinischen Untersuchung, Behandlung und Pflege von Menschen zählt zur arbeitsmedizinischen Pflichtvorsorge (ArbmedVV) bei Tätigkeiten mit regelmäßigem direktem Kontakt zu erkrankten oder krankheitsverdächtigen Personen. Ferner besteht die Gefahr, dass die hier Tätigen die Masern auf von ihnen Betreute (teilweise mit einem hohen Komplikationsrisiko wie Säuglinge, Immunsupprimierte, Schwangere) übertragen.
Gemäß STIKO-Empfehlung sollen alle nach 1970 geborenen Mitarbeitenden einer medizinischen Einrichtung zweimal gegen Masern geimpft sein. Nach dem Masernschutzgesetz dürfen Personen ohne ausreichenden Masernschutz keine Tätigkeiten in den vom Gesetz betroffenen Einrichtungen aufnehmen.
Der Impfstatus des Personals gegen Masern sollte den Beschäftigten selbst und dem Betriebsarzt bekannt sein.
Gemäß § 23 Abs. 3 IfSG haben leitende medizinischer Einrichtungen sicherzustellen, dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um nosokomiale Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern zu vermeiden. Die Einhaltung des Standes der medizinischen Wissenschaft auf diesem Gebiet wird vermutet, wenn insbesondere die veröffentlichten Empfehlungen der Kommission für Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen und in Einrichtungen und Unternehmen der Pflege und Eingliederungshilfe (KRINKO) beim RKI beachtet worden sind.
Die KRINKO verweist in ihrer Empfehlung „Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten“ (2015) darauf, dass „das Risiko der Infektion und der Übertragung von Erkrankungen in Einrichtungen des Gesundheitssystems sowohl für die Beschäftigten als auch für die von ihnen betreuten Patienten […] durch Impfungen reduziert werden [kann].“ Sie verweist ferner auf die STIKO-Empfehlungen für Impfungen auf Grund eines erhöhten beruflichen Risikos, das z.B. nach Gefährdungsbeurteilung gemäß Arbeitsschutzgesetz / Biostoffverordnung / Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbmedVV) und dem G 42 (Berufsgenossenschaftlicher Grundsatz G 42 „Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung“) festgestellt wird. In der KRINKO-Empfehlung „Impfungen von Personal in medizinischen Einrichtungen in Deutschland: Empfehlung zur Umsetzung der gesetzlichen Regelung in § 23a IfSG“ (2021) ist die Masernimpfung als eine zum Schutz von Patientinnen und Patienten erforderliche Impfung für alle Bereiche in Gesundheitseinrichtungen aufgeführt.
Entsprechend der KRINKO-Empfehlung „Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten“ (2015) [kann] bei bekannter Immunität […] nach TRBA 250[*] ggf. auf spezielle, über die Basishygiene hinausgehende Schutzmaßnahmen im Krankenhaus verzichtet werden. Im Zweifel über den Impfstatus sind entsprechende Schutzmaßnahmen anzuwenden […]. Bevor auf Schutzmaßnahmen verzichtet wird, muss sichergestellt sein, dass eine entsprechende Immunität vorliegt.“
[*] Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe 250 des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe
2. Maßnahmen bei Einzelerkrankungen
Da Masern keine harmlose Krankheit sind und eine hohe Kontagiosität aufweisen, sollten bereits bei Auftreten eines ersten Masernverdachtsfalls unverzüglich Ermittlungen durchgeführt werden, um erforderliche Schutzmaßnahmen schnellstmöglich einleiten zu können. Diese Maßnahmen dienen grundsätzlich dem Schutz von infektionsgefährdeten Personen sowie der Verhinderung einer weiteren Ausbreitung der Infektion. Maßnahmen sollten deshalb innerhalb von 48 Stunden nach Auftreten eines Verdachtes oder einer Erkrankung eingeleitet werden.
Die im Folgenden vorgeschlagenen Maßnahmen geben einen Ermessungsspielraum vor und müssen im Einzelfall angepasst werden. Siehe hierzu auch den „Generischen Leitfaden für das Management von Masern- und Rötelnfällen und -ausbrüchen in Deutschland“, der von der Nationalen Lenkungsgruppe Impfen herausgegeben wurde.
Die Labordiagnostik ist zum sicheren Nachweis der akuten Masernerkrankung unerlässlich geworden und sollte bei jedem Verdachtsfall durchgeführt werden. Zum diagnostischen Vorgehen bei Einzelerkrankungen s. bitte Abschnitt Labordiagnostik.
Personen mit einer bestätigten Masernerkrankung sollten nach ärztlicher Beurteilung einer vorliegenden Ansteckungsgefahr mindestens bis zum 4. Tag nach Ausbruch des Exanthems zu Hause bleiben und Kontakte zu Personen vermeiden, bei denen der Impfstatus nicht geklärt ist und/oder kein Schutz gegen Masern angenommen werden kann.
Die Ermittlung der konkreten Ansteckungsquelle ist wichtig, um weitere potenzielle Masernfälle sowie Personen mit einem hohen Komplikationsrisiko nach Exposition identifizieren zu können. Ferner kann abgeschätzt werden, ob die Masern z.B. importiert wurden (Ansteckung im Ausland oder in anderen Regionen; importierter Fall) oder ob sie zu einer Infektionskette gehören, die durch einen importierten Fall ausgelöst worden war (importassoziierte Fälle). Diese Informationen sind für die Einschätzung der Länge der Transmissionsketten und die Einschätzung des Status der Elimination der Masern entscheidend.
Information und Aufklärung
Bei Auftreten eines Masern(verdachts)falls, z.B. innerhalb der Gemeinschaftseinrichtung, sollte so schnell wie möglich über die Symptomatik und Risiken einer Masernerkrankung, über das Infektionsrisiko, über die Wirksamkeit und Sicherheit der Impfung sowie über weitere Maßnahmen informiert werden (§ 34 Abs. 8 IfSG).
Folgende Personen oder Institutionen sollten Informationen über aufgetretene Masern erhalten:
- Erkrankte, Krankheitsverdächtige und Ansteckungsverdächtige
- Ärzteschaft im entsprechenden Zuständigkeitsbereich und zuständige Gesundheitsämter in angrenzenden Kreisen
- die jeweiligen Landesbehörden
- Leitungen von Gemeinschaftseinrichtungen und Sorgeberechtigte
- im Falle eines Ausbruchs: Frühzeitige Information an die Bevölkerung
Hygienemaßnahmen unter stationären Bedingungen
Personen mit Verdacht auf eine akute Masernerkrankung oder mit einer labordiagnostisch nachgewiesenen akuten Maserninfektion sollten unverzüglich für die Dauer der Ansteckungsfähigkeit isoliert werden.
Das Tragen einer persönlichen Schutzausrüstung des Personals, bestehend aus Schutzkittel, Einmalhandschuhen und FFP2-Maske mit Dichtsitz ist bei Betreten des Patientenzimmers empfohlen (siehe aktualisierte Tabelle 1 in der Empfehlung „Integration von SARS-CoV-2 als Erreger von Infektionen in der endemischen Situation in die Empfehlungen der KRINKO ‚Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten‘“[2023]).
Ferner sind unverzüglich weitere Ermittlungen und Maßnahmen zur Verhinderung einer Weiterverbreitung der Masern zum Schutz der Patientinnen und Patienten sowie des Personals der Einrichtung in die Wege zu leiten.
Die Maßnahmen sollten für mindestens 4 Tage nach Beginn des Hautausschlags aufrechterhalten werden, auf Stationen mit immunsupprimierten Patientinnen und Patienten über die Dauer der Symptomatik.
Desinfektionsmaßnahmen
Zur Desinfektion sind Mittel mit nachgewiesener Wirksamkeit mit dem Wirkbereich „begrenzt viruzid“ (wirksam gegen behüllte Viren) anzuwenden. Mittel mit einem erweiterten Wirkbereich gegen Viren wie „begrenzt viruzid PLUS“ oder „viruzid“ können ebenfalls verwendet werden. Geeignete Mittel enthalten z.B. die „Liste der vom RKI geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren“ und die Desinfektionsmittel-Liste des Verbundes für Angewandte Hygiene (VAH). Bei behördlich angeordneten Desinfektionsmaßnahmen ist die RKI-Liste heranzuziehen.
Informationen zum Umgang mit Abfällen sind in der Vollzugshilfe zur Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes - Richtlinie der LAGA Nr. 18“ enthalten. Für die Aspekte des Arbeitsschutzes sind die einschlägigen TRBA, wie z.B. die TRBA 250, zu beachten, die von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BauA) veröffentlicht werden.
Informationen zu Betretungs- und Tätigkeitsverboten in Gemeinschaftseinrichtungen oder medizinischen Einrichtungen sind unter 5. Betretungs- und Tätigkeitsverbote, Wiederzulassung zu finden.
Umgang mit infektiösen Verstorbenen
Der Umgang mit infektiösen Verstorbenen ist in den Seuchen- und Infektionsalarmplänen, den Bestattungsgesetzen der Bundesländer und der Information 214-021 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung „Biologische Arbeitsstoffe beim Umgang mit Verstorbenen“ geregelt. Erreger werden durch den Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) in Risikogruppen eingestuft. Es wird daher empfohlen, auf der Todesbescheinigung (Totenschein bzw. Leichenschauschein) die Erkrankung namentlich zu benennen. Datenschutzrechtliche Bestimmungen der Länder sind dabei zu beachten. Für in Bestattungsunternehmen tätige Personen gelten auch die arbeitsschutzrechtlichen Regelungen nach der BioStoffV. Eine individuelle Gefährdungsbeurteilung muss vor Arbeitsaufnahme durchgeführt werden, um das individuelle Infektionsrisiko abzuschätzen und entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen zu können. Für weitere Informationen hierzu verweisen wir auf die Vorgaben des Arbeitsschutzes (s.u.a. TRBA 250) und auf die BAuA und die bestattungsrechtlichen Regelungen des jeweiligen Bundeslandes.
3. Umgang mit Kontaktpersonen
Jeder Kontakt zu einem an Masern Erkrankten sollte als potenzieller Ansteckungskontakt gewertet werden. Ein besonders hohes Ansteckungsrisiko besteht in einer Wohngemeinschaft sowie bei Kontaktpersonen mit längeren oder häufigeren Kontaktzeiten (z.B. in Gemeinschaftseinrichtungen, am Arbeitsplatz, im Freundeskreis etc.).
Die Immunität der Kontaktpersonen sollte so schnell wie möglich anhand der Impfpässe festgestellt werden. Besonders sorgfältig sind Kontaktpersonen zu ermitteln, bei denen mit Komplikationen gerechnet werden muss (ungeschützte Schwangere, Säuglinge und Kinder < 5 Jahre, immunsupprimierte Patientinnen und Patienten).
Eine ausreichende Immunität von Kontaktpersonen nach Exposition liegt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vor, wenn
- zwei MMR-Impfungen laut Impfpass belegt werden können,
- ein vorliegender schriftlicher Laborbefund eine Immunität gegen Masern ausgewiesen hat.
Zwar besteht bei vor 1970 Geborenen eine hohe Wahrscheinlichkeit einer erworbenen Immunität, dennoch kann auch bei ihnen eine individuelle Prüfung des Risikos einer fehlenden Immunität nach Exposition sinnvoll sein, insbesondere bei Vorliegen einer Erkrankung des Immunsystems.
Anamnestische Angaben von Personen zu einer durchgemachten Masernerkrankung sind unzuverlässig und gelten nicht als Beweis für einen sicheren Schutz.
Exponierte Personen, bei denen eine ausreichende Immunität nicht sicher angenommen werden kann, sollten über die folgenden Punkte informiert werden:
- Notwendigkeit einer postexpositionellen Prophylaxe
- Notwendigkeit von Betretungs- oder beruflichen Tätigkeitsverboten:
- Personen, in deren Wohngemeinschaft ein Verdacht auf oder eine Erkrankung an Masern aufgetreten ist, dürfen Gemeinschaftseinrichtungen (gemäß § 33 IfSG) nicht betreten bzw. in ihnen tätig sein (§ 34 Abs. 3 IfSG).
- Gemäß § 28 Abs. 2 IfSG können Personen in Gemeinschaftseinrichtungen, die weder einen den Empfehlungen der STIKO entsprechenden Impfschutz noch eine Immunität gegen Masern durch ärztliche Bescheinigung nachweisen können, mit Betretungs- oder Tätigkeitsverboten gemäß § 34 IfSG belegt werden.
- Gemäß § 31 IfSG kann die zuständige Behörde Kranken, Krankheitsverdächtigen und Ansteckungsverdächtigen die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise untersagen. Die Entscheidung im Einzelfall obliegt dem Gesundheitsamt.
- Entsprechende Isolierungs- bzw. Quarantänemaßnahmen werden vom Gesundheitsamt angeordnet.
Weitere Informationen sowie Informationen zur Wiederzulassung sind im Abschnitt 5. Betretungs- und Tätigkeitsverbote, Wiederzulassung zu finden.
- Kontakte zu sich möglicherweise in der Inkubation befindender, empfänglicher Personen betroffener Einrichtungen zu anderen Einrichtungen oder Gemeinschaften (z.B. in Sportvereinen, auf Schulfesten und Gruppenfahrten) sollten während der Inkubationszeit unterbleiben.
- Informationen über die Symptome der Masernerkrankung sollten bereitgestellt werden, insbesondere über die unspezifischen Prodromalsymptome, die 10-14 Tage nach Exposition auftreten können.
- Bei Auftreten dieser Symptomatik sollten die Personen zu Hause bleiben und sich zunächst telefonisch mit einem Arzt/einer Ärztin in Verbindung setzen.
Postexpositionelle Prophylaxe durch Inkubationsimpfung
Der Ausbruch der Masern kann durch eine rechtzeitige postexpositionelle Impfung von ansteckungsverdächtigen Personen nach Kontakt zu Masernerkrankten wirksam unterdrückt werden (s. a. unter präventive Maßnahmen), sofern keine Kontraindikationen vorliegen.
Es sollte unverzüglich mit Riegelungsimpfungen für alle nicht vollständig Geimpften im ausbruchsrelevanten Kontext, auch bei exponiertem Personal in medizinischen Einrichtungen, begonnen werden. Serologische Kontrollen zur Einschätzung der Immunität von Kontaktpersonen / Beschäftigten sind zeit- und kostenintensiv und können zu einer unnötigen Verlängerung eines Ausbruchs führen.
Die STIKO empfiehlt grundsätzlich ungeimpften, nach 1970 geborenen Personen ab dem Alter von 9 Monaten bzw. in der Kindheit nur einmal geimpften Personen oder Personen mit unklarem Impfstatus nach Kontakt mit einem an Masern Erkrankten eine einmalige Impfung mit einem MMR(V)-Impfstoff möglichst innerhalb von 3 Tagen nach Exposition, sofern keine Kontraindikationen bestehen (www.rki.de/impfen).
Darüber hinaus wird ausnahmsweise von der STIKO eine aktive Impfung nach individueller Risiko-Nutzenabwägung als Postexpositionsprophylaxe auch bei 6-8 Monate alten Säuglingen empfohlen (Off-Label-Use). Zur Anzahl indizierter Impfungen sind weitere altersspezifische Hinweise zu beachten (s. Tab. 2).
Eine Impfung innerhalb von 3 Tagen kann eine akute Erkrankung häufig noch verhindern. Die Effektivität einer postexpositionellen Impfung ist in der Familie bzw. Wohngemeinschaft begrenzt, da die Exposition bei Diagnose des Indexfalls meist schon länger zurückliegt.
Indizierte Riegelungsimpfungen sollten jedoch auch dann vorgenommen werden, wenn der genaue Zeitpunkt des Kontaktes unbekannt oder eine Exposition länger als 3 Tage her ist. In diesem Fall kann möglicherweise noch die Schwere der Erkrankung sowie eine weitere Ausbreitung der Masern durch die Verhinderung von Sekundär- oder Tertiärfällen beeinflusst werden. Eine Impfung während der Inkubationszeit ist nicht mit vermehrten unerwünschten Wirkungen verbunden. Über die Möglichkeit einer Erkrankung trotz Impfung und die Möglichkeit einer fiebrigen Impfreaktion sollte aufgeklärt werden.
Tab. 2: Empfehlungen der STIKO zur Postexpositionsprophylaxe mit Impfungen
Postexpositionelle Impfungen bei Personen mit unklarem Impfstatus, ohne Impfung oder mit nur einer Impfung in der Kindheit (möglichst innerhalb von 3 Tagen) |
---|
im Alter von | Anzahl der MMR(V)-Impfstoffdosen |
6-8 Monaten nach individueller Risiko-Nutzen-Abwägung
(Off-Label-Use) | 1. Impfung; die 2. und 3. Impfung soll im Alter von 11 und 15 Monaten erfolgen. |
9-10 Monaten | 1. Impfung; die 2. Impfung soll zu Beginn des zweiten Lebensjahres erfolgen. |
11 Monaten bis 17 Jahren | Ungeimpfte bzw. Personen mit unklarem Impfstatus erhalten eine zweimalige Impfung im Abstand von 4 Wochen; bisher einmal Geimpfte erhalten eine Impfung |
≥18 Jahren, nach 1970 Geborene | Ungeimpfte bzw. Personen mit unklarem Impfstatus oder mit nur einer Impfung in der Kindheit erhalten eine einmalige Impfung |
Postexpositionelle Prophylaxe durch Immunglobuline
Im Fall von bestehenden Kontraindikationen gegen Impfungen können Immunglobuline als passive Immunisierung zum Einsatz kommen (s. auch „Fachliche Anwendungshinweise zur Masern-Postexpositionsprophylaxe bei Risikopersonen“ der STIKO: Epid Bull 2/2017).
Dosierung: Immunglobuline werden mit einer Dosierung von einmalig 400 mg/kg Körpergewicht intravenös (i.v.) verabreicht.
Vorherige Laboruntersuchungen: Nach Exposition mit akuten Masern sollte bei Kindern im Alter von < 6 Monaten und Schwangeren, bei denen keine Impfung oder nur eine Impfung dokumentiert wurde oder bei denen der Impfstatus unbekannt ist, so schnell wie möglich eine Laboruntersuchung (Serologie) durchgeführt werden (s. Tab. 3). Das Laborergebnis muss innerhalb von 3 Tagen nach Exposition vorliegen. Eine verzögerte Ergebnisübermittlung darf die Gabe von Immunglobulinen innerhalb von 6 Tagen nicht gefährden. Kann dieser Zeitraum nicht eingehalten werden, sollte die Immunglobulingabe sofort erfolgen.
Kinder < 6 Monaten: Bei negativem serologischem Befund sollte sofort die Gabe eines Humanimmunglobulins erfolgen. Wenn ausreichend Zeit für eine Laboruntersuchung bleibt, ist bei positivem Ergebnis die Immunglobulingabe unnötig. Eine i.v.-Immunglobulingabe mit einer Dosierung von einmalig 400 mg/kg Körpergewicht führt dazu, dass die aktive Immunisierung mit einem masernhaltigen Impfstoff über einen Zeitraum von 8 Monaten nicht sicher wirksam ist.
Kindern im Alter von 6-8 Monaten können alternativ zur ersten aktiven Immunisierung (s. oben) Immunglobuline verabreicht werden, wenn zum Beispiel der optimale Zeitpunkt von 3 Tagen nach Exposition für die aktive Immunisierung versäumt wurde.
Bei Schwangeren ist Immunität anzunehmen, wenn zwei Impfungen gegen Masern dokumentiert sind oder ein schriftlicher Laborbefund mit Nachweis einer bestehenden Immunität vorliegt. Die anamnestische Angabe zu einer durchgemachten Masernerkrankung ist unsicher und sollte nicht herangezogen werden. Bei negativem serologischem Befund sollte sofort die Gabe eines Humanimmunglobulins erfolgen.
Tab. 3: Empfehlungen der STIKO zur Postexpositionsprophylaxe mit Immunglobulinen nach Ergebnissen der Labordiagnostik bei Säuglingen und Schwangeren
Immunglobulingabe (möglichst innerhalb von sechs Tagen) |
---|
Risikogruppe | IgG positiv | IgG negativ |
Im Alter unter 6 Monaten | nein | sofort |
Schwangere (mit einer dokumentierten fehlenden Impfung, einer dokumentierten einmaligen Impfung oder mit unklarem Impfstatus) | nein | sofort |
Bei Immundefizienten mit Kontraindikation für eine aktive Masernimmunisierung: Bei immundefizienten Patientinnen und Patienten, bei denen die MMR-Lebendimpfung kontraindiziert sein kann, sollte die Indikation für Immunglobulingabe nach Masernkontakt so schnell wie möglich geprüft und ggf. vorgenommen werden. Die Masernimmunität immundefizienter Patientinnen und Patienten ist abhängig von der individuellen und zuweilen hochkomplexen Ursache der Immundefizienz und ihrer spezifischen Therapie (z.B. Immunglobulinsubstitution) sowie von der Anzahl und dem Zeitpunkt früherer Masernimpfungen. Aus diesem Grund sollte vor einer Labordiagnostik und der Verabreichung der Immunglobuline die behandelnde immunologische Praxis zu Rate gezogen werden. Auch eine Immunglobulingabe mehr als 6 Tage nach Masernkontakt ist zu erwägen, da diese die Masern immer noch abschwächen bzw. möglicherweise das Risiko für Komplikationen reduzieren kann. Im Zweifelsfall empfiehlt die STIKO eine Immunglobulingabe.
Folgendes ist grundsätzlich zu beachten:
- Voraussetzung für einen Impferfolg und die Begrenzung des Impfrisikos ist ein kompetentes Immunsystem. Impfrisiken und ein zu erwartender Impferfolg müssen bei Patientinnen und Patienten mit einem primären oder sekundären Immundefekt sorgfältig abgewogen werden.
- Viele der Patientinnen und Patienten verfügen trotz einer bekannten Störung des Immunsystems möglicherweise dennoch über eine ausreichende Immunität gegen Masern aufgrund einer durchgemachten Infektion, Impfung oder einer regelmäßigen Immunglobulinsubstitutionstherapie.
- Eine MMR-Lebendimpfung zur Postexpositionsprophylaxe bei primärem oder sekundärem Immundefekt sollte nur in Absprache mit den behandelnden Spezialisten erfolgen.
- Patientinnen und Patienten mit (insbesondere partiellen) Störungen des Immunsystems können in besonderer Weise von Impfungen profitieren. Bei einigen (auch primären) Immundefekten oder bei isolierten Defekten der unspezifischen Abwehr sind MMR(V)-Lebendimpfungen im Einzelfall möglich.
4. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Bei einem Masernausbruch ergeben sich Maßnahmen des Gesundheitsamtes ggf. im Zusammenwirken mit Leitungen von Einrichtungen und beteiligten Ärzten/Ärztinnen (z.B. Kontrolle der labordiagnostischen Sicherung, Information, Überprüfen des Impfstatus aller Personen, Schutz empfänglicher Personen). Grundsätzlich können Maßnahmen, wenn sie z.B. zur Sicherung des Erfolges der Bekämpfung einer weiteren Ausweitung der Masern für notwendig gehalten werden, auf § 25 IfSG und den §§ 28-31 IfSG gestützt durchgeführt werden.
Die Verdachtsdiagnose Masern sollte mindestens beim Indexfall und den ersten fünf bis zehn Fällen eines Ausbruchs sowie in den kommenden Wochen bei weiteren Erkrankungsfällen und ferner bei allen geimpften Fällen labordiagnostisch gesichert werden. Das NRZ MMR bietet Beratung zur Diagnostik und kostenfreie Untersuchungen im Verdachtsfall an.
Alle Personen im ausbruchsrelevanten Kontext mit einem gemäß STIKO-Empfehlungen nicht vollständigen Impfstatus sollten so schnell wie möglich auch ohne einen nachgewiesenen Kontakt mit einer akut an Masern erkrankten Person fehlende Impfungen erhalten. Titerbestimmungen zur Einschätzung der Immunität von Kontaktpersonen kosten Zeit und können zu einer unnötigen Verlängerung von Ausbrüchen führen.
Sofern die lokalen Gesundheitsbehörden nicht selbst die Impfungen durchführen, ist eine Kontrolle der Umsetzung der Empfehlungen ratsam. Dies kann zum Beispiel erreicht werden durch Vorlage des Impfausweises oder auch durch eine Rückmeldekarte, die durch die beteiligte Ärzteschaft ausgefüllt und dem Gesundheitsamt zugesandt wird.
5. Betretungs- und Tätigkeitsverbote, Wiederzulassung
Tätigkeits- und Beschäftigungsverbote
(siehe Zusammenfassung der empfohlenen Maßnahmen in Tabelle 4)
In § 34 IfSG werden besondere Regelungen für Einrichtungen gemäß § 33 IfSG im Bereich Infektionsschutz festgelegt. Hierzu zählen u.a. Kinderkrippen, Kindergärten, Kindertagesstätten, Kinderhorte, Schulen oder sonstige Ausbildungseinrichtungen, Heime, Ferienlager und ähnliche Einrichtungen, in denen überwiegend Säuglinge, Kinder oder Jugendliche betreut werden.
Das Ziel der Regelungen gemäß § 34 IfSG ist die Unterbrechung der Kontaktmöglichkeiten in der Gemeinschaftseinrichtung, sodass keine weitere Übertragung von Infektionskrankheiten erfolgen kann. Die Regelung betrifft sowohl die betreuten Kinder als auch die betreuenden Erwachsenen.
Die Regelungen bestehen von Gesetzes wegen; hierzu bedarf es keiner Anordnung der Behörde. Eine entsprechende Information zum Beispiel durch das Gesundheitsamt ist allerdings von Vorteil.
- Erkrankte/Krankheitsverdächtige:
Gemäß § 34 Abs. 1 IfSG wird geregelt, dass Personen, die an Masern erkrankt sind bzw. bei denen der Verdacht auf das Vorliegen der Krankheit besteht, bestimmte Tätigkeiten nicht ausüben dürfen, wenn sie in einer Gemeinschaftseinrichtung tätig sind. Das betrifft insbesondere Tätigkeiten, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben. Gleiches gilt für die in der Gemeinschaftseinrichtung betreuten Personen, die die Gemeinschaftseinrichtung weder betreten, benutzen noch an Veranstaltungen der Einrichtung teilnehmen dürfen. - Kontaktpersonen in Wohngemeinschaft mit Erkrankten/Krankheitsverdächtigen:
Gemäß § 34 Abs. 3 IfSG gelten die Regelungen aus § 34 Abs. 1 IfSG auch für Personen, die mit den an diesen Krankheiten erkrankten Personen bzw. mit Personen, bei denen der Verdacht auf diese Krankheit besteht, in einer Wohngemeinschaft zusammenleben. Dies gilt nur, wenn die Erkrankung bzw. der Krankheitsverdacht von einer Ärztin/einem Arzt festgestellt wurde.
34 Abs. 7 IfSG sieht die Möglichkeit vor, dass durch die zuständige Behörde im Einvernehmen mit dem Gesundheitsamt Ausnahmen zugelassen werden. Voraussetzung ist, dass Maßnahmen durchgeführt wurden oder werden, mit denen eine Übertragung verhütet werden kann.
- Ansteckungsverdächtige in Gemeinschaftseinrichtungen mit Masern:
Gemäß § 28 Abs. 2 IfSG können Personen in Gemeinschaftseinrichtungen, die weder einen den Empfehlungen der STIKO entsprechenden Impfschutz noch eine Immunität gegen Masern durch ärztliche Bescheinigung nachweisen können, mit Betretungs- oder Tätigkeitsverboten gemäß § 34 IfSG für Gemeinschaftseinrichtungen (gemäß §33 IfSG) belegt werden, wenn eine Person in der Gemeinschaftseinrichtung an Masern erkrankt ist. Die früh einsetzende Infektiosität und die hohe Ansteckungsfähigkeit der Masern sind Tatsachen, die einen Ansteckungsverdacht in einer Gemeinschaftseinrichtung begründen. Hier kann das Gesundheitsamt Schutzmaßnahmen gemäß § 28 IfSG anordnen, um eine Weiterübertragung der Krankheit zu verhindern. Im Gegensatz zu § 34 IfSG tritt dieses Betretungsverbot nicht automatisch in Kraft, sondern muss durch die zuständige Behörde angeordnet werden. Darüber hinaus ist auf der Grundlage von § 28 IfSG immer zu prüfen, ob weitere Schutzmaßnahmen erforderlich sind, wie z.B. der Ausschluss von Ansteckungsverdächtigen und Impfangebote. - Gemäß § 31 IfSG kann die zuständige Behörde Kranken, Krankheitsverdächtigen und Ansteckungsverdächtigen die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise untersagen.
Wiederzulassung
Die Einschränkung der Tätigkeit bzw. des Besuchs der Gemeinschaftseinrichtung dauert fort, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit nicht mehr zu befürchten ist. Das ärztliche Urteil kann die Beurteilung durch die behandelnde Ärztin/den behandelnden Arzt oder einer Ärztin/eines Arztes des zuständigen Gesundheitsamtes sein. Das ärztliche Urteil kann mündlich erfolgen. § 34 IfSG fordert keine schriftliche Bescheinigung über das ärztliche Urteil, dennoch kann diese zur Absicherung aller Beteiligten zweckmäßig sein.
Für weitere Informationen siehe auch die Empfehlungen des RKI für die Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen und den „Generischen Leitfaden für das Management von Masern- und Rötelnfällen und -ausbrüchen in Deutschland.“
- Erkrankte/Krankheitsverdächtige gemäß § 34 Abs. 1 IfSG
Die Wiederzulassung zum Besuch der Gemeinschaftseinrichtung kommt ab dem 5. Tag nach Auftreten des Exanthems in Betracht.
- Kontaktpersonen in Wohngemeinschaft mit Erkrankten/Krankheitsverdächtigen gemäß § 34 Abs. 3
Für eine gesunde Kontaktperson in einer betroffenen Wohngemeinschaft ist ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot für Gemeinschaftseinrichtungen nicht notwendig oder kann aufgehoben werden, wenn sie:
- für den Zeitpunkt eines infektionsrelevanten Kontaktes einen Impfstatus entsprechend der STIKO-Empfehlung oder eine ausreichende, dokumentierte Immunität nachweisen kann (siehe oben)
- oder 21 Tage nach letztem infektionsrelevantem Kontakt in der Wohngemeinschaft der Gemeinschaftseinrichtung ferngeblieben ist.
Auf die ggf. notwendigen zwei Impfungen bei nach 1970 Geborenen und die besondere Aufmerksamkeit auf beginnende typische Masernsymptome (aufgrund einer Masernerkrankung oder aufrund der Impfung) ist hinzuweisen.
- Kontaktpersonen in einer Gemeinschaftseinrichtung mit Masern
Für eine Kontaktperson in einer betroffenen Gemeinschaftseinrichtung ist ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot nicht notwendig oder kann aufgehoben werden, wenn sie:
- für den Zeitpunkt eines infektionsrelevanten Kontakts einen Impfstatus entsprechend der STIKO-Empfehlung oder eine ausreichende, dokumentierte Immunität nachweisen kann
- oder bereits über eine einmalige vorangegangene Impfung verfügt und eine weitere postexpositionelle Impfung nach erstem infektionsrelevantem Kontakt möglichst innerhalb von 3 Tagen erhalten hat
- oder mindestens über eine einmalige, postexpositionelle Impfung nach erstem infektionsrelevantem Kontakt verfügt
- Die erste postexpositionelle Impfung muss innerhalb von 3 Tagen nach erster Exposition gegeben worden sein. Kann dieses Zeitintervall von 3 Tagen nicht eingehalten werden, ist das Betreten der Einrichtung erst 21 Tage (maximale Inkubationszeit) nach letztem infektionsrelevantem Kontakt wieder möglich.
- Auf eine notwendige zweite Impfung nach 4 Wochen bei nach 1970 Geborenen und die besondere Aufmerksamkeit auf beginnende typische Masernsymptome (aufgrund einer Masernerkrankung oder aufgrund der Impfung) ist hinzuweisen.
- oder 21 Tage nach dem letzten infektionsrelevanten Kontakt der Einrichtung ferngeblieben ist und in der Zwischenzeit in der Einrichtung kein Fall mehr aufgetreten ist.
Auf die ggf. notwendigen zwei Impfungen im Abstand von 4 Wochen bei nach 1970 Geborenen und die besondere Aufmerksamkeit auf beginnende typische Masernsymptome (aufgrund einer Masernerkrankung oder aufgrund der Impfung) ist hinzuweisen.
Erläuterung: Die Unterscheidung der Hinweise zu Kontaktpersonen der Wohngemeinschaft und der Gemeinschaftseinrichtung beruht auf der Annahme, dass für Personen in der Wohngemeinschaft in der Regel das erforderliche Zeitintervall von 3 Tagen für die postexpositionelle Impfung nicht eingehalten werden kann.
- Erkrankte/Krankheitsverdächte in medizinischen Einrichtungen inkl. Einrichtungen sonstiger medizinischer Heilberufe
Ein Tätigkeitsverbot von Mitarbeitenden gemäß § 31 IfSG in einer betroffenen medizinischen Einrichtung einschließlich Einrichtungen sonstiger medizinischer Heilberufe ist nicht notwendig/kann aufgehoben werden, wenn sie:
- für den Zeitpunkt eines infektionsrelevanten Kontakts einen Impfstatus entsprechend der STIKO-Empfehlung oder eine ausreichende, dokumentierte Immunität nachweisen können
- oder bereits über eine einmalige vorangegangene Impfung verfügen und eine weitere postexpositionelle Impfung nach erstem infektionsrelevantem Kontakt innerhalb von 3 Tagen erhalten haben
- auf die besondere Aufmerksamkeit auf beginnende typische Masernsymptome (aufgrund einer Masernerkrankung oder aufgrund der Impfung) ist hinzuweisen
- oder 21 Tage nach dem letzten infektionsrelevanten Kontakt der Einrichtung ferngeblieben sind und in der Zwischenzeit in der Einrichtung kein Fall mehr aufgetreten ist.
Auf die notwendigen zwei Impfungen bei nach 1970 Geborenen sowie die Vorgaben des IfSG und die besondere Aufmerksamkeit auf beginnende typische Masernsymptome (aufgrund einer Masernerkrankung oder aufgrund der Impfung) ist hinzuweisen.
In Abhängigkeit von der Vulnerabilität der betreuten Personen sind ggf. auch weitreichendere Empfehlungen sinnvoll. In medizinischen Einrichtungen sollten erforderliche Maßnahmen günstigenfalls in einem interdisziplinären Team gemeinsam beraten und beschlossen werden. ´
Zur Tabelle 4 klicken Sie bitte hier:
Übersicht zu Empfehlungen zum Management von Kontaktpersonen in Wohn-, Gemeinschafts- und medizinischen Einrichtungen (PDF, 188 KB, Datei ist nicht barrierefrei)
Gesetzliche Grundlage
Meldepflicht gemäß IfSG
Dem Gesundheitsamt ist der Krankheitsverdacht, die Erkrankung an Masern sowie den Tod durch Masern namentlich zu melden (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i IfSG). Dem Gesundheitsamt ist ebenfalls zu melden, wenn Personen an einer SSPE infolge einer Maserninfektion erkranken oder versterben (§ 6 Abs. 2 IfSG). Dies gilt insbesondere für Ärztinnen/Ärzte, aber auch für andere zur Meldung verpflichtete Personen (§ 8 IfSG).
Ebenfalls zur namentlichen Meldung des Krankheitsverdachts, der Erkrankung sowie des Todes in Bezug auf Masern gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 7 IfSG verpflichtet sind die Leitungen von:
- Gemeinschaftseinrichtungen, außer Einrichtungen der Kindertagespflege (§ 33 Nr. 2 IfSG);
- voll- oder teilstationären Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen;
- Obdachlosenunterkünften;
- Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbenden, vollziehbar Ausreisepflichtigen, Flüchtlingen und Spätaussiedelnden;
- sonstigen Massenunterkünften sowie
- Justizvollzugsanstalten.
Die Angaben, die in der Meldung enthalten sein sollen, sind in § 9 Abs. 1 IfSG geregelt.
Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 31 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis von Masernvirus, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet. Dies gilt insbesondere für Labore, aber auch für Arztpraxen mit Erregerdiagnostik. Die Angaben, die in der Meldung enthalten sein sollen, sind in § 9 Abs. 2 IfSG geregelt.
Die Meldung muss unverzüglich erfolgen und dem Gesundheitsamt spätestens 24 Stunden nach erlangter Kenntnis vorliegen (§ 9 Abs. 3 IfSG).
Meldungen müssen gemäß § 14 Abs. 8 IfSG elektronisch erfolgen.
Benachrichtigungspflicht gemäß IfSG
In Gemeinschaftseinrichtungen tätige sowie betreute Personen bzw. deren Sorgeinhabende haben der Gemeinschaftseinrichtung unverzüglich Mitteilung von der Erkrankung oder dem Krankheitsverdacht bei ihnen oder bei einer Person in ihrer Wohngemeinschaft zu machen (§ 34 Abs. 5 IfSG).
Leitungen von Gemeinschaftseinrichtungen haben gemäß § 34 Abs. 6 IfSG das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich zu benachrichtigen,
- wenn in ihrer Einrichtung betreute oder betreuende Personen an Masern erkrankt oder dessen verdächtig sind oder
- wenn in den Wohngemeinschaften der in ihrer Einrichtung betreuten oder betreuenden Personen nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung an oder ein Verdacht auf Masern aufgetreten ist.
Die Benachrichtigungspflicht entfällt, wenn der Leitung ein Nachweis darüber vorliegt, dass bereits eine Meldung des Sachverhalts gemäß § 6 IfSG (siehe oben) durch sie selbst oder eine andere meldepflichtige Person, namentlich den Arzt erfolgt ist (§ 34 Abs. 6 IfSG).
Übermittlung
Das Gesundheitsamt übermittelt gemäß § 11 Abs. 1 IfSG an die zuständige Landesbehörde nur Erkrankungs- oder Todesfälle und Erregernachweise, die der Falldefinition gemäß § 11 Abs. 2 IfSG entsprechen.
Die vom RKI erstellten Falldefinitionen sind auf den Internetseiten des RKI unter www.rki.de/falldefinitionen veröffentlicht.
Beratung und Spezialdiagnostik
Das RKI führt keine individuelle medizinische Beratung zu Klinik, Therapie oder Impfungen durch. Bitte wenden Sie sich diesbezüglich an Ärzte oder Kliniken in Ihrer Nähe, bei denen möglichst eine Spezialisierung für Infektionskrankheiten besteht. Zu Fragen der Auslegung von STIKO-Empfehlungen können sich Ärztinnen und Ärzte an die Impfhotline wenden.
Bezüglich Fragen zu Infektionsschutz und -prävention kontaktieren Sie bitte Ihr zuständiges Gesundheitsamt (https://tools.rki.de/plztool/).
Ausführliche Informationen zu Impfungen mit vielen weiteren Links, z.B. zu Impfempfehlung, Begründung, FAQs finden Sie unter: Impfungen A-Z
Beratung zur Epidemiologie
Robert Koch-Institut
Abteilung für Infektionsepidemiologie
Fachgebiet 33 - Impfprävention
Seestraße 10, 13353 Berlin
Ansprechpartnerin: Dr. Dorothea Matysiak-Klose
Tel.: 030 18754 3414
E-Mail: Kontaktformular
Beratung zur Spezialdiagnostik
Nationales Referenzzentrum für Masern, Mumps, Röteln
Robert Koch-Institut
Abteilung für Infektionskrankheiten
Fachgebiet 12 - Masern, Mumps, Röteln und Viren bei Abwehrschwäche
Seestraße 10, 13353 Berlin
Ansprechpartnerin: Prof. Dr. Annette Mankertz
Tel.: 030 18754 – 2610/2516
Fax: 030 18754 2598
E-Mail: Kontaktformular
Bestellung der Probenentnahmesets für die kostenlose molekulare Diagnostik am NRZ MMR: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/NRZ/MMR/mmr_node.html
Zum Probenbegleitschein des NRZ MMR: Probenbegleitschein des NRZ MMR (html, 84 KB, Datei ist nicht barrierefrei)
Literatur
- DGPI-Handbuch: Infektionen bei Kindern und Jugendlichen: 6. Aufl., Thieme-Verlag, Stuttgart: 2018: 613 ff
- Heymann DL (ed): Control of Communicable Diseases Manual. American Public Health Association 2015; 389-397
- Falldefinitionen des RKI zur Übermittlung von Erkrankungs- oder Todesfällen und Nachweisen von Kranheitserregern: https://www.rki.de/falldefinitionen
- Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2019. RKI, Berlin, 2020. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Jahrbuch/Jahrbuecher/2019.html
- Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2022. RKI, Berlin, 2024. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Jahrbuch/Jahrbuch_2022.html
- RKI: Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim RKI: Empfehlung und wissenschaftliche Begründung für die Angleichung der beruflich indizierten Masern-Mumps-Röteln (MMR-) und Varizellen-Impfung. Epid Bull 2020;2:1-22.
- RKI: Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut. Stand: Januar 2024. Epid Bull 2024;4:3-72
- RKI: Mitteilung der STIKO am RKI: Neuerungen in den aktuellen Empfehlungen der STIKO am RKI vom Juli 2010. Zur Impfung gegen Masern im Erwachsenenalter. Epid Bull 2010; 33:332-333
- Nationale Lenkungsgruppe Impfen: Nationale Lenkungsgruppe Impfen: Generischer Leitfaden für das Management von Masern- und Rätelnfällen und -ausbrüchen in Deutschland.
- RKI: Empfehlungen des Robert Koch-Instituts für die Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen gemäß § 34 Infektionsschutzgesetz.
- Matysiak-Klose D, Mankertz A: Epidemiologie der Masern in Deutschland und Bewertung der Situation, März 2024. Epid Bull 2024;15:3-7. DOI 10.25646/12030
- Matysiak-Klose D, Santibanez S, Mankertz A, Siedler A: Aktuelles zu Masern in Deutschland und weltweit (Datenstand: 01.08.2022). Epid Bull 2022;34:3-18. DOI 10.25646/10439
- RKI: Berichte der Nationalen Verifizierungskommission Masern/Röteln zum Stand der Eliminierung der Masern und Röteln in Deutschland werden jährlich auf der Website des RKI veröffentlicht.
- RKI: Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten. Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut. Bundesgesundheitsbl 2015; 58:1151–1170. DOI: 10.1007/s00103-015-2234-2 Online publiziert: 28. September 2015
- RKI: Seroprävalenz von IgG-Antikörpern gegen Masern bei Erwachsenen in Deutschland, Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1)
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- Schönberger K, Ludwig MA, Wildner M, Weissbrich B: Epidemiology of Subacute Sclerosing Panencephalitis (SSPE) in Germany from 2003 to 2009: A Risk Estimation. PLOS ONE 2013: 8 (7): e68909
Autoren
Robert Koch-Institut
Korrespondenz
Hinweise zur Reihe "RKI-Ratgeber" richten Sie bitte an das Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektionsepidemiologie (Kontaktformular) oder an die Redaktion des Epidemiologischen Bulletins (Kontaktformular).
Vorgeschlagene Zitierweise
Robert Koch-Institut: RKI-Ratgeber Masern
Epid Bull 2024;46:3-24 | DOI 10.25646/12902
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