Lebensmittelbedingte Ausbrüche
Lebensmittelbedingte Erkrankungen werden durch den Verzehr von Lebensmitteln verursacht, die mit infektiösen Krankheitserregern (Bakterien, Viren, Parasiten) oder Toxinen verunreinigt (kontaminiert) sind. Eine Vielzahl von Krankheitserregern und Toxinen können lebensmittelbedingte Krankheiten auslösen.
Die Symptome von lebensmittelbedingten Erkrankungen können vielfältig sein. Da die Erreger oder Toxine über den Verdauungstrakt in den Körper gelangen, stehen zumeist Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle und krampfartige Bauchschmerzen im Vordergrund. Meist verlaufen die Erkrankungen selbstlimitierend und mild, es kann jedoch in Einzelfällen auch zu schwerwiegenden Erkrankungen, unter Umständen sogar mit Todesfolge, kommen. So kann es im Rahmen einer Infektion mit Listerien bei Schwangeren zu Früh-und Totgeburten kommen. Infektionen mit Campylobacter können in sehr seltenen Fällen zu einem Guillain-Barré Syndrom mit Lähmungserscheinungen, Infektionen mit enterohämorrhagischen E. coli (EHEC) zur Entwicklung eines lebensbedrohlichen hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS) führen. Eine Übersicht der in Deutschland meldepflichtigen Erreger, die potenziell über kontaminierte Lebensmittel auf den Menschen übertragen werden können, ist im Infektionsepidemiologischen Jahrbuch (Kapitel 5: Ausbrüche) aufgeführt.
Viele durch Lebensmittel übertragene Erreger sind zudem von Mensch zu Mensch übertragbar, was das Risiko einer Weiterverbreitung auf Sekundärfälle, z.B. Familienangehörige, birgt.
Lebensmittelbedingte Ausbrüche werden in Deutschland gemäß der EU-Zoonosenrichtlinie 2003/99/EG bzw. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (AVV) Zoonosen Lebensmittelkette erfasst und an die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde berichtet. Ein lebensmittelbedingter Ausbruch liegt demnach dann vor, wenn es in zwei oder mehr Fällen beim Menschen zu dem Auftreten einer mit demselben Lebensmittel (wahrscheinlich) in Zusammenhang stehenden Krankheit kommt oder wenn sich Fälle stärker häufen als erwartet. Wie viele Fälle einer Erkrankung in einem bestimmten Zeitraum und einer Region erwartet werden, lässt sich basierend auf den Meldezahlen der Vorjahre errechnen und in Form von statistischen Algorithmen modellieren.
Lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche kommen relativ häufig vor. In den vergangenen Jahren wurden dem Robert Koch-Institut über das Routine-Surveillancesystem häufig über 1.000 Ausbrüche übermittelt, die aufgrund des verursachenden Erregers als potenziell lebensmittelbedingt eingeordnet wurden. Dabei wurden Norovirus-Ausbrüche ausgeklammert, weil hier häufig eine Übertragung von Mensch zu Mensch stattfindet. Bei etwa einem Drittel der potenziell lebensmittelbedingten Ausbrüche gab es in den übermittelten Daten konkrete Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen den Erkrankungen und einem Lebensmittel (explizit lebensmittelbedingte Ausbrüche gemäß Infektionsepidemiologischem Jahrbuch, Link siehe Weitere Informationen) Die Zahl der lebensmittelbedingten Ausbrüche ist aber vermutlich deutlich höher, denn nicht jeder Krankheitsausbruch wird dem Gesundheitsamt gemeldet und nicht alle Ausbrüche durch nicht meldepflichtige oder unbekannte Erreger werden an das RKI übermittelt. Die meisten übermittelten lebensmittelbedingten Ausbrüche werden durch Salmonellen oder Campylobacter-Bakterien verursacht.
Erkennung von lebensmittelbedingten Ausbrüchen
Zu einem lebensmittelbedingten Ausbruch kommt es, wenn mehrere Menschen das gleiche verunreinigte Lebensmittel konsumiert haben und infolgedessen an derselben Krankheit erkranken. Die Ausbrüche können lokal auftreten, z.B. wenn ein erkrankter Koch bei der Zubereitung von Speisen eine Kontamination verursacht hat, oder geografisch diffus in Erscheinung treten, z.B. wenn die Kontamination eines Lebensmittels bei der Produktion erfolgte und das Lebensmittel in verschiedenen Regionen Deutschlands in den Umlauf gelangte.
Lokale Ausbrüche sind zumeist leichter zu erkennen. Häufig fällt es den betroffenen Personen selbst auf, dass es im Nachgang zu einer Veranstaltung mit gemeinsamem Speiseverzehr zu mehreren Erkrankungsfällen gekommen ist und das lokale Gesundheitsamt wird informiert. Hinweise können auch von Ärzten in Praxen oder Krankenhäusern kommen, denen eine ungewöhnlich hohe Anzahl an Fällen einer bestimmten Erkrankung auffällt und die sich daraufhin an das Gesundheitsamt wenden. Auch diagnostische Labore können einen Ausbruch über eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Nachweisen eines bestimmten Erregers entdecken und melden dies dann an das Gesundheitsamt.
Diesen lokalen Ausbrüchen stehen geographisch diffuse Ausbrüche gegenüber, bei denen Erkrankungen in verschiedenen Regionen des Landes und häufig über längere Zeiträume hinweg auftreten. Diese überregionalen Ausbrüche fallen auf der Ebene der lokalen Gesundheitsämter meist nicht auf, weil sie mitunter nur zu wenigen, vereinzelten Fällen in der Region führen, bei denen ein epidemiologischer Zusammenhang (z.B. ein gemeinsamer Infektionsort) zunächst nicht erkennbar ist. Sie sind daher besonders schwer zu entdecken.
Die Überwachung der Meldezahlen auf Ebene der Bundesländer und auf nationaler Ebene ist daher von großer Bedeutung. Neben statistischen Algorithmen (Vergleich von aktuellen Meldezahlen mit statistisch errechneten Erwartungswerten) liefert die systematische Typisierung von Krankheitserregern (Vergleich von molekularer Stamminformation als Hinweis für eine gemeinsame Infektionsquelle) wichtige Hinweise. Zum Beispiel kann bei einer weiterführenden Typisierung von Erregern die Häufung eines seltenen Serotyps bzw. identischen Erregerstammes entdeckt werden.
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Untersuchung von lebensmittelbedingten Ausbrüchen
Die zeitnahe Untersuchung und Aufklärung von lebensmittelbedingten Infektionshäufungen dient zum einen der Verhinderung von Neuerkrankungen durch rasches Erkennen und Abstellen der Infektionsquelle und damit direkt dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung. Zum anderen ist sie aber auch ein wichtiges Instrument für die Identifizierung von möglichen Gefahren im Bereich der Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln sowie des Handels mit Lebensmitteln. Somit liegt die Bedeutung der Surveillance humaner, durch Lebensmittel übertragener Erkrankungen und der Ausbruchsuntersuchungen auch in der Kontrolle der Wirksamkeit der im Bereich der Lebensmittelsicherheit ergriffenen Maßnahmen.
Darüber hinaus ist es aber auch wichtig, durch Ausbruchsuntersuchungen Erkenntnisse zu gewinnen, die dazu beitragen, in Zukunft ähnliche Ausbrüche zu verhindern. So können im Zuge von Ausbruchsuntersuchungen wichtige Informationen zum Vorkommen von Erregern in bestimmten Lebensmitteln und Tierreservoiren gesammelt werden. Basierend auf diesen Erkenntnissen können dann z.B. Verzehrsempfehlungen für besonders gefährdete Personengruppen (z.B. Schwangere, Ältere, Immungeschwächte und Kinder) entwickelt werden.
In den vergangenen Jahren war das RKI an einer Reihe von Ausbruchsuntersuchungen lebensmittelbedingter Erkrankungen beteiligt bzw. hat sie koordiniert. Dazu gehören z.B. der EHEC O104:H4-Ausbruch im Jahr 2011, bei dem Sprossen als Infektionsvehikel identifiziert wurden ein Salmonella-Newport-Ausbruch im Jahr 2011, der durch kontaminierte Mungbohnensprossen verursacht wurde und ein großer Norovirus-Ausbruch im Jahr 2012 mit mehr als 10.000 Betroffenen, vor allem Kindern und Jugendlichen in Ostdeutschland, bei dem Tiefkühlerdbeeren die Infektionsquelle waren (Link siehe Weitere Informationen). Informationen zu lebensmittelbedingten Ausbrüchen des Vorjahres sind im Infektionsepidemiologischen Jahrbuch des RKI zu finden.
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Zuständigkeiten bei der Untersuchung lebensmittelbedingter Ausbrüche
Wie bei anderen Ausbrüchen von Infektionskrankheiten ist auch bei lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüchen das Gesundheitsamt gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) die zuständige Behörde für Ermittlungen und die Anordnung von Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten. Auf Ersuchen einer obersten Landesgesundheitsbehörde eines von einem Ausbruch betroffenen Bundeslandes kann das Robert Koch-Institut bei der Untersuchung von Krankheitsausbrüchen hinzugezogen werden.
Neben den Untersuchungen der Gesundheitsbehörden sind bei lebensmittelbedingten Ausbrüchen die Lebensmittelüberwachungsbehörden für die Untersuchungen entlang der Lebensmittelkette zuständig. Eine enge Zusammenarbeit und ein Informationsaustausch der Gesundheits- und Lebensmittelüberwachungsbehörden ist deshalb eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Ausbruchsuntersuchung.
Gemäß § 25 IfSG stellt das Gesundheitsamt Ermittlungen in Hinblick auf Ursache, Ansteckungsquellen und Ausbreitung sowie Umgebungsuntersuchungen an. Erkrankte, Krankheits- oder Ansteckungsverdächtige sind hierbei auskunftspflichtig (§ 26 IfSG). Gemäß § 16 IfSG trifft das Gesundheitsamt die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren (§ 16 Absatz 1 IfSG). Dies beinhaltet u.a. das Recht zur Probenahme, Sicherstellung kontaminierter Lebensmittel, ein Betretungsrecht (z.B. Küchen, Gaststätten, Lebensmittelbetriebe), die Einsicht in Unterlagen (z.B. Lieferscheine etc.) und die Auskunftspflicht des Betreibers. Zudem können gemäß § 28 IfSG Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionskrankheiten getroffen werden, die z.B. Tätigkeitsverbote, Reinigung oder eine Desinfektion beinhalten.
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Meldepflicht
Eine große Zahl der nach § 7 Absatz 1 IfSG der Labormeldepflicht unterliegenden Erregernachweise betreffen typische Erreger lebensmittelbedingter Infektionen.
Zu den meldepflichtigen Erregern, die durch Lebensmittel übertragen werden können, gehören beispielsweise Campylobacter spp., Salmonella spp., Escherichia coli inklusive enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC), Yersinia enterocolitica, Listeria monocytogenes, Norovirus, Hepatitis-A-Virus und Hepatitis-E-Virus. Die meisten meldepflichtigen bakteriellen lebensmittelbedingten Infektionen werden durch Campylobacter und Salmonellen verursacht.
Gemäß § 6 IfSG der unterliegt der Verdacht auf bzw. die Erkrankung an einer akuten infektiösen Gastroenteritis oder mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftung der ärztlichen Meldepflicht, wenn eine Person betroffen ist, die eine Tätigkeit im Lebensmittelbereich ausübt, bzw. wenn zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen vorliegen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird.
Seit 2004 werden im Rahmen der integrierten Ausbruchserfassung in [email protected] auch Daten zur Bedeutung von Lebensmitteln als Infektionsvehikel in Ausbrüchen erhoben. Diese Daten sind wichtig für die epidemiologische Betrachtung lebensmittelbedingter Ausbrüche in Deutschland sowie für die Identifizierung des hieraus resultierenden Präventions- und Forschungsbedarfs.
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