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Meningokokken, invasive Erkrankungen (Neisseria meningitidis)

RKI-Ratgeber

Präambel

Die Herausgabe der RKI-Ratgeber erfolgt durch das Robert Koch-Institut (RKI) auf der Grundlage des § 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Zielgruppe der RKI-Ratgeber sind Fachkreise, u.a. Ärztinnen und Ärzte, medizinisches Fachpersonal und der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD). Informationen zu wichtigen Infektionskrankheiten sollen aktuell und konzentriert der Orientierung dienen. Die Beiträge werden in Zusammenarbeit mit den Nationalen Referenzzentren (NRZ), Konsiliarlaboren (KL) sowie weiteren Expertinnen und Experten erarbeitet. Die RKI-Ratgeber sind auf der Internetseite des RKI (www.rki.de/ratgeber) abrufbar. Neu erstellte RKI-Ratgeber und deutlich überarbeitete Folgeversionen werden im Epidemiologischen Bulletin (www.rki.de/epidbull) veröffentlicht.

Erstveröffentlichung im Epidemiologischen Bulletin 11/1999, umfassend überarbeitete Fassung vom Mai 2021; letzte Aktualisierung:

  • Abschnitt "Präventive Maßnahmen" > "Impfung", Januar 2024

Erreger

Invasive Meningokokken-Erkrankungen werden durch Neisseria meningitidis (Meningokokken) verursacht. Eine invasive Infektion durch Meningokokken- liegt vor, wenn aus Blut, Liquor, hämorrhagischen Hautinfiltraten oder anderen normalerweise sterilen klinischen Materialien direkt oder indirekt Meningokokken nachgewiesen werden oder das spezifische klinische Bild (Purpura fulminans, inkl. Waterhouse-Friderichsen-Syndrom) erfüllt ist (siehe Klinische Symptomatik). Meningokokken sind gramnegative Diplokokken, die sich im Nasen-Rachen-Raum des Menschen ansiedeln und dort bei etwa 10% der Bevölkerung ohne klinische Symptome nachweisbar sind. Bei den meisten Isolaten, die bei Trägern untersucht wurden, handelt es sich um apathogene, nichtinvasive Meningokokken. Mit molekularen Typisierungsmethoden lassen sich diese Isolate von hypervirulenten Stämmen abgrenzen, die in der Bevölkerung selten vorkommen, aber für fast alle Erkrankungsfälle verantwortlich sind.

Aufgrund der Zusammensetzung der Kapselpolysaccharide werden insgesamt 12 Serogruppen unterschieden (A, B, C, E, H, I, K, L, W, X, Y, Z). Invasive Meningokokken-Erkrankungen werden in den allermeisten Fällen durch Erreger der Serogruppen A, B, C, W, X und Y verursacht, in Deutschland derzeit fast ausschließlich durch B,C,W und Y. Neben der Bestimmung der Serogruppe kann durch die molekulare Feintypisierung die Diversität der zirkulierenden Meningokokken genauer abgebildet werden. Die molekulare Typisierungsformel lautet Serogruppe: PorA-Sequenztyp: FetA-Sequenztyp: klonaler Komplex (cc) (z.B. B: P1.7–2,4:F1–5:cc41/44). Die Feintypisierung wird vom Nationalen Referenzzentrum (NRZ) für Meningokokken und Haemophilus influenzae seit 2019 auf Basis der Ganzgenomsequenzierung (whole genome sequencing; WGS) durchgeführt. WGS erlaubt einen über die Typisierungsformel hinausgehenden feinen Stammvergleich.

Vorkommen

Invasive Meningokokken-Erkrankungen treten weltweit auf. Große saisonale Epidemien, bedingt in erster Linie durch Meningokokken der Serogruppe A, aber auch C, W und X, traten in den vergangenen Jahrzehnten überwiegend im Meningitisgürtel der Subsaharazone und in Asien auf. Infolge der breiten Anwendung eines Meningokokken-A-Impfstoffs im Meningitis-Gürtel seit 2010 treten nunmehr vor allem Ausbrüche durch die Serogruppen C, W und X auf (Trotter CL, et al. 2017refs).

Sich langsamer entwickelnde Epidemien durch Meningokokken der Serogruppe B wurden bis in die 2000er Jahre in Europa (Island, Norwegen, Irland, Spanien, den Niederlanden), den USA, Mittelamerika und Neuseeland beobachtet.

In den letzten Jahren lag die Inzidenz invasiver Meningokokken-Erkrankungen in Europa, auf dem amerikanischen Kontinent sowie in Neuseeland und Australien im Allgemeinen meist ≤ 2 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner; Fälle traten vor allem als Einzelerkrankungen oder selten in Form von kleineren Häufungen auf (Acevedo R, et al. 2019, Borrow R, et al. 2013, Serra LC, et al. 2018 Refs). In den meisten dieser Länder war lange Zeit die Serogruppe B für die Mehrzahl der Erkrankungen verantwortlich. In den letzten Jahren kam es zu einer Zunahme von Erkrankungen durch die Serogruppen Y (USA, Europa) und insbesondere W (Europa, Lateinamerika, Australien und Neuseeland) (Booy R, et al. 2019, Parikh SR, et al. 2020refs).

In Deutschland wurde seit 2004 ein Rückgang der Inzidenz beobachtet. Gegenwärtig liegt die bundesweite jährliche Inzidenz bei unter 0,4 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. Die Mehrzahl der Erkrankungen wird durch Erreger der Serogruppe B (ca. 60%) und seltener der Serogruppen C, W und Y (jeweils ca. 10 bis 15%) verursacht, während andere Serogruppen äußerst selten beobachtet werden. Der Anteil der Erkrankungen durch Erreger der Serogruppe C hat sich vor allem bei Kleinkindern verringert, seitdem im Jahr 2006 für alle Kinder im ersten Lebensjahr eine Impfung mit einem monovalenten Meningokokken-C-Konjugatimpfstoff empfohlen wurde. Bei der Geburtskohorte von 2016 lag die Meningokokken-C-Impfquote im Alter von 2 bzw. 3 Jahren bei 78% bzw. 83%. Bei Schulanfängern im Jahr 2018 lag sie bei 90% (Rieck T et al. 2020). Die COVID-19-Schutzmaßnahmen haben zu einer drastischen Reduktion der Zahl invasiver Meningokokken-Fälle von 257 im Jahr 2019 auf 138 im Jahr 2020 geführt.

Eine invasive Meningokokken-Erkrankung kann in jedem Lebensalter auftreten, jedoch findet man im Wesentlichen zwei Morbiditätsgipfel. Die höchsten Inzidenzen werden im 1. und 2. Lebensjahr beobachtet, mit einem zweiten, kleineren Inzidenzgipfel bei 15- bis 19-jährigen Jugendlichen. Aktuelle Inzidenzwerte, Fallzahlen und weitere epidemiologische Kenngrößen aller meldepflichtigen Krankheiten finden Sie im aktuellen Infektionsepidemiologischen Jahrbuch des RKI unter www.rki.de/jahrbuch. Ein vereinfachter Datenbestand der gemäß IfSG meldepflichtigen Krankheitsfälle und Erregernachweise kann mit Hilfe von SurvStat@RKI unter www.rki.de/survstat abgefragt werden. Daten der Laborsurveillance können auf der Homepage des NRZ in Form von Jahresberichten (www.meningococcus.uni-wuerzburg.de/startseite/berichte/berichte-meningokokken/) eingesehen werden.

Reservoir

Der Mensch ist der einzige Wirt von Neisseria meningitidis.

Infektionsweg

Da die Erreger gewöhnlich außerhalb des Körpers rasch absterben, ist für eine Infektion ein enger Kontakt mit Übertragung von oropharyngealen Sekreten von einem Keimträger oder einem Erkrankten erforderlich. Eine Begegnung von Menschen ohne engen Kontakt führt in der Regel nicht zu einer Ansteckung (siehe Umgang mit Kontaktpersonen).

Inkubationszeit

Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 3 bis 4 Tage, sie kann allerdings auch zwischen 2 und 10 Tagen liegen.

Klinische Symptomatik

Invasive Meningokokken-Erkrankungen verlaufen vor allem als Meningitis und/oder Sepsis. Septische Verläufe werden bei über zwei Drittel der in Deutschland gemeldeten Erkrankungen berichtet. Diese gehen in 10 bis 15% der Fälle mit einer besonders schweren Form des septischen Schocks, als Waterhouse-Friderichsen-Syndrom, einher, gekennzeichnet durch Einblutungen in die Nebennieren und eine sehr hohe Letalität (s.u.). Mischformen können ebenfalls auftreten. Seltener treten im Rahmen von invasiven Erkrankungen auch Pneumonien, Myokarditis, Endokarditis, Perikarditis, Arthritis oder Osteomyelitis auf. Invasive Infektionen können in seltenen Fällen auch im Kontext von Meningokokken-Konjunktivitis, -Urethritis oder -Zervizitis auftreten.

Bei invasiven Meningokokken-Infektionen kommt es häufig nach einem kurzen Prodromalstadium mit Symptomen eines Infekts der oberen Atemwege zu plötzlich auftretenden allgemeinen Krankheitszeichen wie Kopfschmerzen, Fieber, Schüttelfrost und Schwindel mit schwerstem Krankheitsgefühl. Innerhalb weniger Stunden kann sich ein schweres, lebensbedrohliches Krankheitsbild entwickeln. Petechiale Exantheme oder großflächigere Hauteinblutungen sind charakteristisch und vor allem bei septischen Verläufen ausgeprägt. Zusätzlich kann ein makulopapulöses Exanthem auftreten. Bei einer Meningitis kommen Erbrechen und Nackensteifigkeit hinzu, Kernig- und Brudzinski-Zeichen sind positiv. Weiterhin können neurologische Symptome wie Reizbarkeit, Schläfrigkeit, Stupor bis zum Koma sowie Krampfanfälle oder Hirnnervenlähmungen auftreten. Bei septischen Verläufen kommt es zum Blutdruckabfall, zur disseminierten intravasalen Koagulopathie und zum Organversagen.

Bei Säuglingen und Kleinkindern sind die Symptome oft weniger charakteristisch. Es können Fieber, Erbrechen, Reizbarkeit oder auch Schläfrigkeit, Krämpfe, Aufschreien sowie eine vorgewölbte oder harte Fontanelle auftreten. Die Nackensteifigkeit kann fehlen.

Bei einer isolierten Meningokokken-Meningitis liegt die Letalität in Deutschland bei ca. 1%, bei einer Sepsis bei ca. 13% und bei Sepsis mit Waterhouse-Friderichsen-Syndrom bei ca. 33%. Zudem führt die Erkrankung bei ca. 10 bis 20% aller Betroffenen zu Komplikationen. Dabei kann es nach einer Meningitis zu Hirnnervenlähmungen, Hemiplegie, Krampfanfällen, Hydrozephalus, Einschränkungen des Intellekts, Lernschwierigkeiten sowie Schädigungen des Innenohrs mit resultierender Taubheit kommen. Komplikationen nach septischen Verlaufsformen reichen von begrenzten Nekrosen bis zu ausgedehnter Gangrän der Akren und Gliedmaßen, die eine Amputation des befallenen Körperteils erforderlich machen können, mit nachfolgenden schweren Behinderungen.

Dauer der Ansteckungsfähigkeit

Patienten sind bis zu 7 Tage vor Beginn der Symptome und bis 24 Stunden nach Beginn einer erfolgreichen Therapie mit ß-Laktam-Antibiotika ansteckend. Drittgenerations-Cephalosporine (insbesondere Ceftriaxon) führen zu einer Keimeradikation im Nasopharynx des Patienten. Eine Penicillin-Therapie führt vermutlich nur zu einer Suppression, aber nicht zu einer langfristigen Eradikation der nasopharyngealen Meningokokken (Zalmanovici Trestioreanu A, et al. 2001; ECDC 2010 (1)).

Diagnostik

1. Differenzialdiagnostik

Da verschiedene Viren und Bakterien eine ähnliche Symptomatik hervorrufen können, ist bei klinischem Verdacht auf eine invasive Meningokokken-Infektion eine schnell einsetzende Diagnostik und Therapie erforderlich.

2. Labordiagnostik

Für die Labordiagnostik ist in erster Linie die Untersuchung von Liquor und Blut von Bedeutung. Bei einer stationären Aufnahme wegen des Verdachtes einer invasiven Meningokokken-Infektion sollte daher umgehend eine Liquorpunktion durchgeführt und Blutkulturen angelegt werden. Aber auch Stanzbioptate, Aspirate und Skarifikationen aus Hauteffloreszenzen sind für eine Diagnostik durch Polymerase-Kettenreaktion (PCR) geeignet, insbesondere bei begonnener Antibiose.

Zudem sollten bei antherapierten Patienten Rachenabstriche entnommen werden. Das Rachenisolat kann ggf. bei negativer Blut- oder Liquorkultur sowie bei begonnener Antibiotika-Therapie wichtige Hinweise auf den krankheitsauslösenden Stamm liefern. Bei Verdacht auf eine invasive Meningokokken-Erkrankung sind der mikroskopische Nachweis des Erregers (gefärbter Ausstrich) im Liquor und Hauteffloreszenzen sowie die kulturelle Anzucht des Erregers aus Liquor- und Blutkulturen geeignete Untersuchungsverfahren.

Zusätzlich kann ein Antigennachweis im Nativliquor, z.B. durch Latexagglutination, durchgeführt werden. Diese Methode hat jedoch eine nur wenig über die der Mikroskopie hinausgehende Sensitivität. Gelegentlich wird fälschlicherweise die Serogruppe A von solchen Untersuchungen abgeleitet. Hierbei ist zu beachten, dass polyvalente Seren zum Einsatz kommen. Daher sollte zusätzlich immer auch der Erregernachweis durch Kultur oder PCR (s.u.) angestrebt werden.

Weiterhin kann bei negativem Ergebnis der Anzucht eine PCR zum Nachweis der Meningokokken-DNA im Liquor und im Blut (vorzugsweise EDTA-Blut) veranlasst werden. Sie besitzt eine hohe Sensitivität und Spezifität. Mit dieser Methode lassen sich auch Serogruppe und Feintyp des Erregers bestimmen, da ein erweitertes PCR-Verfahren eingesetzt wird.

Es ist daher dringend empfohlen, vor allem unmittelbar nach Aufnahme eines vorbehandelten Patienten EDTA-Blut und ggf. Liquor zur molekularen Untersuchung und Feintypisierung zu asservieren. Diese Untersuchung wird in Deutschland kostenlos vom NRZ für Meningokokken und H. influenzae angeboten. Laboratorien, die primäre Diagnostik durchführen, sind aufgefordert, jedes Isolat oder – falls eine Anzüchtung nicht angestrebt wird oder erfolglos bleibt – Nativmaterial an das NRZ zu schicken, damit eine eventuell ausstehende Serogruppenbestimmung sowie eine weitere Feintypisierung des Erregers vorgenommen werden kann. Hinweise zum Probentransport finden sich auf der Internetseite des NRZ für Meningokokken und H. influenzae. Die genannte Spezialdiagnostik ist zur frühzeitigen Erkennung von Ausbrüchen und für den europäischen und internationalen Datenaustausch wichtig. Die Feintypisierung liefert zudem wertvolle Daten für die Evaluation der seit 2006 geltenden Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO). Die Daten über die zirkulierenden Serogruppen und Feintypen sind außerdem für die epidemiologische Bewertung der seit Dezember 2013 möglichen Impfung mit einem Meningokokken-B-Impfstoff interessant (siehe Präventive Maßnahmen > Impfung).

Das NRZ untersucht ca. 80% der an das RKI gemeldeten Fälle; allerdings liegen hier deutliche regionale Unterschiede vor. Nur durch eine möglichst vollständige Untersuchung der Stämme von auftretenden Meningokokken-Fällen aus allen Teilen Deutschlands am NRZ kann eine repräsentative Laborsurveillance gewährleistet werden. Der aufwändige Nachweis von Antikörpern gegen Kapselpolysaccharide im Serum mittels ELISA und Serumbakterizidietest ist für die Akutdiagnostik ungeeignet, wird jedoch zur Kontrolle des Impfstatus bei immunsupprimierten Personen am NRZ eingesetzt.

Therapie

Da sich innerhalb weniger Stunden ein schweres, lebensbedrohliches Krankheitsbild entwickeln kann, sollte bei begründetem klinischem Verdacht auf eine invasive Meningokokken-Erkrankung umgehend mit einer empirischen Antibiotikatherapie mit Cephalosporinen der Gruppe 3 (außer bei anamnestisch bekannter Penicillinallergie mit systemischer Reaktion) begonnen werden (z.B. Cefotaxim oder Ceftriaxon) (Tenenbaum T, et al. 2013). Sofern die Sensibilität der Meningokokken nachgewiesen wird, könnte eine Umstellung auf Penicillin G erwogen werden.

Aufgrund der zur Verfügung stehenden sensitiven molekularen diagnostischen Methoden ist es unter Umständen gerechtfertigt, vor der Materialentnahme die Antibiose einzuleiten (s.o.). Bei septischen Verlaufsformen ist zudem eine intensivmedizinische Behandlung des Kreislaufversagens entscheidend, die unverzüglich begonnen werden sollte.

Da Penicillin G nicht zu einer Eradikation der Keime im Nasen-Rachen-Raum führt, sollten Patienten, die allein mit diesem Antibiotikum behandelt wurden, vor der Entlassung eine ergänzende Therapie mit Rifampicin, Ciprofloxacin oder Ceftriaxon erhalten, wie für enge Kontaktpersonen empfohlen (siehe unter Umgang mit Kontaktpersonen).

Beim Auftreten von Komplikationen sind weitere therapeutische Maßnahmen unter intensivmedizinischen Bedingungen erforderlich, wie z.B. Schocktherapie mit Volumen- und Elektrolytersatz, Therapie von Gerinnungsstörungen, Behandlung eines Hirnödems oder von epileptischen Anfällen.

Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen

1. Präventive Maßnahmen

Grundsätzlich stehen Maßnahmen der Impf- und Postexpositionsprophylaxe im Vordergrund.

Impfung
Verfügbare Meningokokken-Impfstoffe: In Deutschland sind ab dem Alter von 2 Monaten zwei monovalente Konjugatimpfstoffe gegen Meningokokken der Serogruppe C zugelassen: Menjugate 10 Mikrogramm und NeisVac-C.

Zudem stehen drei quadrivalente Konjugatimpfstoffe gegen Meningokokken der Serogruppen A, C, W und Y zur Verfügung: Nimenrix ab dem Alter von 6 Wochen, MenQuadfi ab dem Alter von 12 Monaten und Menveo ab dem Alter von 2 Jahren.

Gegen die Serogruppe B konnte aufgrund des Vorhandenseins identischer Polysaccharidstrukturen auf der B-Kapsel und auf menschlichen Nervenzellen nicht wie für die anderen Serogruppen ein Impfstoff basierend auf den Kapselantigenen entwickelt werden. Daher wurden andere Ansätze gewählt, die auf Oberflächenproteinen als Impfantigene basieren. Seit 2013 bzw. 2017 sind in Deutschland zwei Meningokokken-B-Impfstoffe ab dem Alter von 2 Monaten (Bexsero) bzw. ab dem Alter von 10 Jahren (Trumenba) zugelassen.

Empfehlung zur Anwendung der Meningokokken-Impfstoffe in Deutschland: Ausführliche Informationen hinsichtlich der empfohlenen Impfstoffe und -schemata sind in den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) abrufbar. Im Folgenden ist eine Zusammenfassung der Empfehlung dargestellt.

Die monovalente Meningokokken-C-Konjugatimpfung wird in Deutschland von der STIKO seit Juli 2006 für alle Kinder im Alter von 12 Monaten empfohlen (Begründung der STIKO-Empfehlungen zur Impfung gegen Pneumokokken und Meningokokken vom Juli 2006). Versäumte Impfungen sollten spätestens bis zum 18. Geburtstag nachgeholt werden. Des Weiteren empfiehlt die STIKO seit 2024 allen Säuglingen ab dem Alter von 2 Monaten die Impfung gegen Meningokokken der Serogruppe B mit dem Impfstoff Bexsero. Die Impfung soll bis zum 5. Geburtstag nachgeholt werden. Für Hinweise zur praktischen Umsetzung, insbesondere der empfohlenen Paracetamol-Prophylaxe, wird hier auf die STIKO-Empfehlungen verwiesen.

Zudem empfiehlt die STIKO für Personen mit einem erhöhten Risiko für invasive Meningokokken-Erkrankungen eine Impfung mit einem altersgerecht zugelassenen Meningokokken-ACWY-Konjugatimpfstoff sowie mit einem Meningokokken-B-Impfstoff. Dies gilt für die nachfolgend aufgeführten gefährdeten Personengruppen:

  • Personen mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten mit T- und/oder B-zellulärer Restfunktion, insbesondere Komplement-/Properdindefekte, Therapie mit C5-Komplement-Inhibitoren (z.B. Eculizumab oder Ravulizumab), Hypogammaglobulinämie, Asplenie
  • Gefährdetes Laborpersonal (bei Exposition gegenüber N. meningitidis-haltigen Aerosolen)
  • Haushaltskontaktpersonen eines Erkrankten mit einer impfpräventablen invasiven Meningokokken-Infektion, so bald wie möglich nach dem Kontakt (zusätzlich zur Chemoprophylaxe), sofern nicht bereits ein Impfschutz gegen die entsprechende Serogruppe besteht (siehe unter "Umgang mit Kontaktpersonen")
  • Reisende in Länder mit epidemischem Vorkommen, besonders bei engem Kontakt zur einheimischen Bevölkerung (z.B. Personal in der Entwicklungshilfe und der Katastrophenhilfe, medizinisches Personal, bei Langzeitaufenthalt); dies gilt auch für Aufenthalte in Regionen mit Krankheitsausbrüchen und Impfempfehlung für die einheimische Bevölkerung (WHO- und Länderhinweise beachten)
  • Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Studierende vor Langzeitaufenthalten im Ausland entsprechend den Empfehlungen der Zielländer (Hintergrund: Diesen Personen soll die Möglichkeit gegeben werden, einen dem Gastland vergleichbaren Impfstatus zu erlangen).
  • in Deutschland Personen im Umfeld bestimmter Ausbrüche oder bei regional gehäuftem Auftreten auf Empfehlung der Gesundheitsbehörden

2. Maßnahmen bei Einzelerkrankungen

Bei Verdacht auf eine Meningokokken-Erkrankung muss eine sofortige Krankenhauseinweisung erfolgen.

Patientinnen und Patienten müssen bis zu 24 Stunden nach Beginn einer spezifischen Therapie isoliert werden und gelten danach nicht mehr als infektiös. In dieser Zeit sind vom betreuenden Pflegepersonal und von den behandelnden Ärzten besondere Barrieremaßnahmen zu beachten. Gemäß KRINKO-Empfehlung "Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten" wird hierfür eine Einzelunterbringung im Isolierzimmer, und für das Personal die Verwendung von Schutzhandschuhen, das Tragen eines Schutzkittels, und das Tragen eines medizinischen Mund-Nasen-Schutzes (MNS) oder ggf. eines höherwertigeren Atemschutzes, sowie die strikte Einhaltung der Basishygiene empfohlen. (siehe o.g. KRINKO-Empfehlung, insbesondere Tabelle 1).

In Gemeinschaftseinrichtungen gemäß § 33 IfSG (u.a. Kindergärten, Schulen, Heime)
Gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 10 IfSG dürfen Personen, die an einer Meningokokken-Infektion erkrankt oder dessen verdächtig sind, in Gemeinschaftseinrichtungen keine Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben.

In Gemeinschaftseinrichtungen Betreute, die an einer Meningokokken-Infektion erkrankt oder dessen verdächtig sind, dürfen die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen. Eine Wiederzulassung ist nach klinischer Genesung, frühestens 24 Stunden nach Beginn einer wirksamen Antibiotikatherapie möglich.

Die Einschränkung der Tätigkeit bzw. des Besuchs der Gemeinschaftseinrichtung dauert fort, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit nicht mehr zu befürchten ist. Das ärztliche Urteil kann das Urteil der behandelnden Ärztin/des behandelnden Arztes oder einer Ärztin/eines Arztes des zuständigen Gesundheitsamtes sein. Das ärztliche Urteil kann mündlich erfolgen. § 34 IfSG fordert keine schriftliche Bescheinigung über das ärztliche Urteil, dennoch kann diese zur Absicherung aller Beteiligten zweckmäßig sein.

Gemäß § 34 Abs. 3 IfSG gelten die oben aufgeführten Regelungen aus Abs. 1 auch für Personen, die mit den an diesen Krankheiten erkrankten Personen bzw. mit Personen, bei denen der Verdacht auf diese Krankheit besteht, in einer Wohngemeinschaft zusammenleben. Dies gilt nur, wenn die Erkrankung bzw. der Krankheitsverdacht von einer Ärztin oder einem Arzt festgestellt worden ist. Eine Wiederzulassung ist 24 Stunden nach Beginn einer Chemoprophylaxe möglich. Ohne Chemoprophylaxe ist eine Wiederzulassung frühestens 10 Tage nach einem Kontakt angezeigt. Die Maßnahmen sind unabhängig vom Impfstatus der Kontaktperson einzuleiten, da die Impfung nicht immer vor einer Besiedelung durch invasive Meningokokken-Stämme schützt.

Für weitere Informationen siehe die die Empfehlungen des RKI für die Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen gemäß § 34 IfSG.

Umgang mit Verstorbenen
Der Umgang mit infektiösen Verstorbenen ist in den Seuchen- und Infektionsalarmplänen, den Bestattungsgesetzen der Bundesländer und der Information 214-021 der Deutschen Gesetzliche Unfallversicherung „Biologische Arbeitsstoffe beim Umgang mit Verstorbenen“ geregelt. Erreger werden durch den Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) in Risikogruppen eingestuft. Es wird daher empfohlen, auf dem Todesschein bzw. Leichenschauschein die Erkrankung namentlich zu benennen. Datenschutzrechtliche Bestimmungen der Länder sind dabei zu beachten. Für in Bestattungsunternehmen tätige Personen gelten auch die arbeitsschutzrechtlichen Regelungen nach der BioStoffV. Eine individuelle Gefährdungsbeurteilung muss vor Arbeitsaufnahme durchgeführt werden, um das individuelle Infektionsrisiko abzuschätzen und entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen zu können. Für weitere Informationen hierzu verweisen wir auf die Vorgaben des Arbeitsschutzes (s. u.a. TRBA 250) und auf die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und die bestattungsrechtlichen Regelungen des jeweiligen Bundeslandes.

3. Umgang mit Kontaktpersonen

Nach den Empfehlungen der STIKO sind enge Kontaktpersonen:

  • alle Haushaltsmitglieder,
  • Personen, bei denen der begründete Verdacht besteht, dass sie mit oropharyngealen Sekreten des Patienten in Berührung gekommen sind, z.B. Intimpartner, enge Freunde, evtl. feste Banknachbarn in der Schule, medizinisches Personal, z.B. bei Mund-zu-Mund-Beatmung, Intubation und Absaugen des Patienten ohne Atemschutz und ohne geschlossene Absaugsysteme,
  • Kontaktpersonen in Kindereinrichtungen mit Kindern unter 6 Jahren (bei guter Gruppentrennung nur die betroffene Gruppe),
  • Personen mit engen Kontakten in sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen mit haushaltsähnlichem Charakter, z.B. Internaten, Wohnheimen sowie Kasernen.

Enge Kontaktpersonen haben ein erhöhtes Risiko, an einer invasiven Meningokokken-Infektion zu erkranken, und sollten daher über Frühsymptome (Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen) informiert werden, bei denen unbedingt ein Arzt konsultiert werden muss. Insgesamt sind jedoch nur 1 bis 2% aller Fälle sekundäre Fälle. Das höchste Risiko haben enge Haushaltskontaktpersonen, deren Erkrankungsrisiko in verschiedenen Studien zwischen 400- bis 1.200-fach gegenüber der Allgemeinbevölkerung erhöht ist, wenn keine Chemoprophylaxe erfolgt (ECDC 2010 (1); Hastings L, et al. 1997).

In einer Metaanalyse konnte ferner gezeigt werden, dass Haushaltskontaktpersonen im Zeitraum zwischen 14 und 365 Tagen nach der Erkrankung des Indexfalls trotz einer Chemoprophylaxe ein erhöhtes Erkrankungsrisiko hatten, das ca. 100-fach über der Hintergrundinzidenz lag (Hoek M, et al. 2008). In verschiedenen Studien wurde ebenfalls ein erhöhtes Erkrankungsrisiko bei Kontaktpersonen in Kindergärten (bis 76-fach erhöht gegenüber der Allgemeinbevölkerung) und Schulen (2- bis 3-fach erhöht) beobachtet (ECDC 2010(1)). Krankenhauspersonal hat nach Kontakt nur dann ein erhöhtes Risiko, wenn Kontakt mit respiratorischen Sekreten stattfindet, z.B. durch Mund-zu-Mund-Beatmung oder wenn ohne Atemschutz intubiert oder tracheal abgesaugt wurde (Begg N 1999; Gilmore A, et al. 2000; Pollard AJ, et al. 1999).

Im Rahmen von Reisen sollte die Beurteilung einer möglichen Exposition ausschließlich von der Frage abhängig gemacht werden, ob ein direkter Kontakt mit oropharyngealen Sekreten des Indexpatienten stattgefunden hat. Leider können entgegen früheren vereinzelten Empfehlungen keine Ableitungen über die Reisedauer oder die Nähe zum Indexpatienten gemacht werden, da für diese Faktoren keine wissenschaftliche Evidenz vorliegt (ECDC 2010 (1); ECDC 2010 (2); Rachael T, et al. 2009). Reisekontakte, die zusätzlich Haushaltskontakte sind, bedürfen unabhängig von der Reiseanamnese einer Chemoprophylaxe.

Postexpositionelle Prophylaxe: Die Chemoprophylaxe muss schnellstmöglich durchgeführt werden. Sinnvoll ist eine solche Maßnahme für eine der aufgeführten engen Kontaktpersonen maximal bis 10 Tage nach dem letzten Kontakt zu einem Erkrankten (7 Tage vor Ausbruch seiner Erkrankung bis 24 Stunden nach Beginn der antibiotischen Behandlung).

Bei Haushaltskontakten sowie engen Kontakten mit haushaltsähnlichem Charakter sollte – sofern der Indexfall an einer impfpräventablen Serogruppe erkrankte – zusätzlich eine postexpositionelle Meningokokken-Impfung erfolgen mit einem Impfstoff, der die entsprechende Serogruppe enthält, da für diese Gruppe trotz einer Chemotherapie ein erhöhtes Risiko für eine Meningokokken-Erkrankung im Jahr nach dem Kontakt beobachtet wurde (RKI Epid Bull 31/2009; Hoek M. et al. 2008).

In Schulen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen sollte der Kreis der engen Kontaktpersonen so genau wie möglich entsprechend den o.g. Kriterien definiert werden. Je nach Alter und Verhalten der Betroffenen, dem Grad der Gruppentrennung in Kindereinrichtungen etc. sollte versucht werden, nur solchen Personen eine Chemoprophylaxe zu empfehlen, die der Definition einer engen Kontaktperson entsprechen. Dies gilt auch für medizinisches Personal, welches nur dann eine Chemoprophylaxe erhalten sollte, wenn ein ungeschützter Kontakt mit oropharyngealen Sekreten des Indexpatienten stattgefunden hat.

Die Antibiotika Rifampicin, Ciprofloxacin, Ceftriaxon und Azithromycin führen mit hoher Sicherheit zur Eradikation von Meningokokken im Nasopharynx (Zalmanovici Trestioreanu A, et al. 2011; ECDC 2010). Mittel der Wahl für Kinder ist Rifampicin. Bei Neugeborenen im 1. Lebensmonat beträgt die Dosis 2 x 5 mg/kg KG/Tag für 2 Tage. Es wird bei Säuglingen (ab dem 2. Lebensmonat), Kindern und Jugendlichen bis 60 kg über 2 Tage in einer Dosierung von 2 x 10 mg/kg KG/Tag gegeben (maximale ED 600 mg). Jugendliche ab 60 kg und Erwachsene erhalten 2 x 600 mg/Tag für 2 Tage.

Für Erwachsene ist alternativ Ciprofloxacin (einmalige Dosis 500 mg p.o.) für die Chemoprophylaxe zugelassen. (Hinweis: für die einmalige Verabreichung von Ciprofloxacin besteht weiterhin keine Anwendungsbeschränkung hinsichtlich der Chemoprophylaxe bei invasiven N. meningitidis-Infektionen, vergl. https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RV_STP/a-f/fluorchinolone-bewegungsapparat.html).
Zudem ist eine Prophylaxe mit Ceftriaxon (nur i.m. Applikation) mit einer einmaligen Gabe von 125 mg bei Kindern unter 12 Jahren und 250 mg bei Kontaktpersonen über 12 Jahren möglich.
Bei Schwangeren ist Ceftriaxon das Mittel der Wahl. Das darin enthaltene Lidocain gilt in dieser einmaligen Dosierung trotz des generellen Hinweises der Roten Liste auf eine Kontraindikation von Lidocain als unbedenklich in der Schwangerschaft (Schaefer C, et al. 2006). Alternativ kann eine i.v.-Gabe erwogen werden, allerdings wurde diese nicht hinsichtlich der Effektivität der Eradikation von N. meningitidis untersucht. Pharmakokinetisch unterscheiden sich die durchschnittlichen Plasmakonzentrationen 4 h, 6 h, 8 h, 12 h und 24 h nach einmaliger Gabe von verschiedenen Dosierungen von Ceftriaxon jeweils zwischen der IV- und der IM-Gabe nur minimal (https://www.accessdata.fda.gov/drugsatfda_docs/label/2010/050585s064lbl.pdf), so dass wahrscheinlich ist, dass der für die Eradikation erforderliche Schwellenwert über einen ähnlich langen Zeitraum erreicht wird wie bei der i.m.-Gabe.

Als weitere Alternative für Erwachsene steht Azithromycin als Einzeldosis von 500 mg zur Verfügung. Diese Alternative sollte vor dem Hintergrund der bislang geringen Erfahrung bzgl. einer möglichen Resistenzentwicklung bei einer breiteren Anwendung vor allem exponierten Schwangeren vorbehalten bleiben.

Wie bei der antimikrobiellen Therapie einer an einer invasiven Meningokokken-Infektion erkrankten Person gilt eine Kontaktperson gleichermaßen 24 Stunden nach Beginn einer Chemoprophylaxe als nicht mehr ansteckend.

Bei stationären Patienten mit einer invasiven Meningokokken-Infektion, die eine Therapie mit Penicillin G erhalten haben, wird eine ergänzende Chemotherapie wie oben beschrieben mit Rifampicin, Ciprofloxacin oder Ceftriaxon vor der Entlassung aus dem Krankenhaus empfohlen, da Penicillin G nicht zu einer Eradikation der Erreger im Nasen-Rachen-Raum führt (ECDC 2010 (1)).

Es liegen bisher keine Daten dazu vor, wie häufig es nach einer kurzzeitigen Exposition von medizinischem Personal mit Pharyngealsekret eines Patienten zu einer Meningokokken-Besiedlung des Nasen-Rachenraums kommt, wenn keine postexpositionelle Chemoprophylaxe erfolgt. Ebenso ist nicht bekannt, wie lange es dauert, bis eine Erregerdichte erreicht wird, die ausreicht, um eine Übertragung auf Dritte zu ermöglichen. Vermutlich vergehen nach Erstkontakt mehrere Tage, bis eine ausreichend hohe Erregerdichte im Nasen-Rachen-Raum erreicht wird. Daher kann bei der Einnahme einer postexpositionellen Prophylaxe innerhalb von 48 Stunden nach Kontakt davon ausgegangen werden, dass keine Ansteckungsgefahr von diesen Personen ausgeht, auch wenn es keine publizierten Daten zur Stützung dieser Annahme gibt. In dieser Zeit kann das exponierte medizinische Personal daher in der Regel nach einer entsprechenden Risikoanalyse durch den zuständigen Betriebsarzt vor Ort weiterarbeiten und stellt auch keine Gefahr für sein häusliches Umfeld dar.

4. Maßnahmen bei Ausbrüchen

Entscheidend bei invasiven Meningokokken-Erkrankungen ist, eine Verdachtsdiagnose so früh als möglich zu stellen, die medikamentöse Therapie einzuleiten und eine Krankenhauseinweisung des Patienten zu veranlassen. Zur weiteren Begrenzung von Ausbrüchen ist eine Chemoprophylaxe bei engen Kontaktpersonen sinnvoll. Die Serogruppenbestimmung und Feintypisierung tragen insbesondere bei größeren und bei kommunalen Ausbrüchen zur Identifikation eines zusammenhängenden Krankheitsgeschehens bei. Außerdem besteht bei Ausbrüchen durch Meningokokken mit impfpräventablen Serogruppen zur langfristigen Senkung des Infektionsrisikos die Möglichkeit einer Impfung von Kontaktpersonen bzw. möglicherweise gefährdeter Gruppen. Hierfür ist die Serogruppen-Information unerlässlich. Diese Möglichkeit ist von der STIKO für definierte Ausbrüche oder regional gehäufte Erkrankungen vorgesehen und wird im Einzelfall von den zuständigen Gesundheitsbehörden entschieden.

Gesetzliche Grundlage

Meldepflicht gemäß IfSG

Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 IfSG der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an Meningokokken-Meningitis oder -Sepsis sowie gemäß § 7 Abs. 1 IfSG der direkte Nachweis von Neisseria meningitidis aus Liquor, Blut, hämorrhagischen Hautinfiltraten oder anderen normalerweise sterilen Substraten, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet.

Die Meldungen müssen dem Gesundheitsamt spätestens 24 Stunden nach erlangter Kenntnis vorliegen.

In § 8 IfSG werden die zur Meldung verpflichteten Personen benannt (https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__8.html). In § 9 IfSG ist festgelegt, welche Angaben die namentliche Meldung an das Gesundheitsamt enthalten darf (https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__9.html).

Benachrichtigungspflicht gemäß IfSG

Die Leitung einer Gemeinschaftseinrichtung hat gemäß § 34 Abs. 6 IfSG das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich zu benachrichtigen, wenn in ihrer Einrichtung betreute oder betreuende Personen

  • an einer Meningokokken-Infektion erkrankt oder dessen verdächtig sind oder
  • in deren Wohngemeinschaften nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung an oder ein Verdacht auf eine Meningokokken-Infektion aufgetreten ist.

Eine Benachrichtigungspflicht besteht nicht, wenn der Leitung ein Nachweis darüber vorliegt, dass die Meldung des Sachverhalts gemäߧ 6 IfSG bereits erfolgt ist.

Übermittlung

Das Gesundheitsamt übermittelt gemäß § 11 Abs. 1 IfSG an die zuständige Landesbehörde nur Erkrankungs- oder Todesfälle und Erregernachweise, die der Falldefinition gemäß § 11 Abs. 2 IfSG entsprechen.

Die vom RKI erstellten Falldefinitionen sind auf den Internetseiten des RKI unter www.rki.de/falldefinitionen veröffentlicht.

Weitergehende Mitteilungspflichten

Es bestehen ergänzende Verordnungen in Sachsen und Thüringen.

Beratung und Spezialdiagnostik

Das Robert Koch-Institut führt keine individuelle medizinische Beratung zu Klinik, Therapie oder Impfungen durch. Bitte wenden Sie sich diesbezüglich an Ärzte oder Kliniken in Ihrer Nähe, bei denen möglichst eine Spezialisierung für Infektionskrankheiten besteht.

Bezüglich Fragen zu Infektionsschutz und -prävention kontaktieren Sie bitte Ihr zuständiges Gesundheitsamt (https://tools.rki.de/plztool/).

Ausführliche Informationen zu Impfungen mit vielen weiteren Links, z.B. zu Impfempfehlung, Begründung, FAQ finden Sie unter: Impfungen A-Z

Beratung zur Epidemiologie

Robert Koch-Institut
Abteilung für Infektionsepidemiologie
Fachgebiet 33 - Impfprävention
Seestraße 10, 13353 Berlin
Ansprechpartner: Amelie Friedsam
Tel.: 030 18754 3241
Fax: 030 18754 3533
E-Mail: Kontaktformular

Beratung zur Spezialdiagnostik

Nationales Referenzzentrum für Meningokokken und Haemophilus influenzae
Nationales Referenzzentrum für Meningokokken und Haemophilus influenzae
Institut für Hygiene und Mikrobiologie
Universität Würzburg
Josef-Schneider-Straße 2, E1, 97080 Würzburg
Ansprechpartnerin: PD Dr. rer. nat. Heike Claus
Tel.: 0931-31 46936
Fax: 0931 4 6445
E-Mail: hclaus@hygiene.uni-wuerzburg.de; nrzm@hygiene.uni-wuerzburg.de
Internet: www.meningococcus.de

Weitere Informationen

Task Force Paket der Arbeitsgemeinschaft Meningokokken in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Grünen Kreuz:
https://dgk.de/impfen-und-infektionen/krankheiten-von-a-bis-z/meningokokken-erkrankungen.html

Ausgewählte Informationsquellen

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  23. RKI: Mitteilung der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut: Empfehlung zur Standardimpfung von Säuglingen gegen Meningokokken der Serogruppe B und die dazugehörige wissenschaftliche Begründung, Epid Bull 2024,3:3-32.
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Redaktion der Reihe "RKI-Ratgeber"

Hinweise zur Reihe "RKI-Ratgeber" richten Sie bitte an das Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektionsepidemiologie (Kontaktformular) oder an die Redaktion des Epidemiologischen Bulletins (Kontaktformular).

Stand: 04.06.2021

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