Es gibt unterschiedliche wissenschaftliche Studien zur Schätzung der jährlichen Zahl der Borreliosefälle. Das Robert Koch-Institut hat keine eigene Schätzung durchgeführt.
Bei einer Studie in Niedersachen in den Jahren 1987 bis 1988 wurden Einsendungen von niedergelassenen Ärzten untersucht und auf Deutschland hochgerechnet. Bei der Annahme einer homogenen geographischen Verteilung der Borreliose ergab sich dabei die Zahl 40.000 bis 80.000 jährlich Neuerkrankungen (Horst, 1993, Perimed-Spitta Medizinische Verlagsgesellschaft).
In den Neunzigerjahren wurden unter anderem in Würzburg sogenannte prospektive (auf die Zukunft gerichtete) Studien durchgeführt, dabei wurde in einzelnen Regionen über einen festgelegten Zeitraum überprüft, wie viele Borreliose-Fälle auftreten. Dabei wurde eine Zahl von 100 bis 150 Fällen/100.000 Einwohner gefunden (Huppertz, Eur J Clin Microbiol Infect Dis. 1999). Das würde auf Deutschland hochgerechnet 80.000 bis 120.000 Fälle bedeuten.
Eine Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI) identifizierte aus Abrechnungsdaten jährlich zwischen 240.000 (2010) und 312.000 (2018) Patienten der Gesetzlichen Krankenversicherung mit Lyme Borreliose. In dieser Arbeit wurden erhebliche Unterschiede mit einem großen räumlichen Cluster im Südosten Deutschlands sowie einem weiteren Cluster in Ostbayern gefunden (Akmatov et al. 2021. DOI: 10.20364/VA-21.06). Aufgrund von klinischen Fehldiagnosen oder fehlerhafter Kodierung können Analysen von Abrechnungsdaten zu fehlerhaften Schätzungen führen.
Unabhängig von den unterschiedlichen Ergebnissen solcher Studien ist unstrittig, dass es sich bei der Borreliose um eine weit verbreitete Erkrankung handelt, die ernst zu nehmen ist. Allerdings handelt es sich bei den allermeisten Erkrankungen um vergleichsweise milde Verläufe („Wanderröte“), die mit Antibiotika gut behandelbar sind und auch behandelt werden müssen, damit keine Komplikationen auftreten. Die vorrangig erforderlichen Maßnahmen für Fortschritte in der Bekämpfung der Lyme-Borreliose - die Standardisierung der Labordiagnostik und die Entwicklung therapeutischer Leitlinien - sind unabhängig von der genauen Zahl der Neuerkrankungen pro Jahr.
Stand: 24.06.2021