Minderung des Infektionsrisikos bei Blut und Blutprodukten durch optimiertes Screening von Spendern
V 4 (05.1994)
Votum des AK Blut
Das Risiko einer Infektionsübertragung durch Blut und Blutprodukte wird minimiert durch eine sorgfältige Spendervorauswahl und durch eine optimale Testung des Spenders auf Infektionsmarker.
1. Spenderauswahl:
Die sorgfältige Spenderauswahl ist eine zentrale Voraussetzung für die Sicherheit von Blutprodukten. Die Kriterien zur Spenderauswahl sind in den Richtlinien zur Blutgruppenbestimmung und Bluttransfusion der Bundesärztekammer und des Bundesgesundheitsamtes festgelegt. Der Arbeitskreis Blut appelliert an die Bundesärztekammer, die Richtlinien bezüglich der Spenderauswahl, des Spenderfragebogens, des vertraulichen Selbstausschlußes und der ärztlichen Untersuchung weiter zu präzisieren und kontinuierlich unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Europarates und der WHO zu aktualisieren.
2. Testung des Spenders auf Infektionsmarker
a) Doppeltestung. Als eine Maßnahme zur Optimierung des Screening auf Infektionsmarker wurde die Einführung einer "Doppeltestung" diskutiert. Eine Doppeltestung wäre in diesem Zusammenhang eine parallele Testung einer Serumprobe nach dem gleichen Testprinzip (z.B. ELISA auf HIV-spezifische Antikörper), aber mit zwei unabhängigen Tests, die sich bezüglich ihrer Feinspezifität oder in Verfahrensdetails voneinander unterscheiden. Ausgangspunkt derartiger Überlegungen waren Einzelbeobachtungen, daß in der Serokonversionsphase nach einer HIV-Infektion jeweils unterschiedliche Tests als erste einen positiven Befund lieferten. Eine kritische Auswertung einer größeren Zahl derartiger Einzelbefunde ergab jedoch keine grundsätzliche Überlegenheit eines bestimmten Einzeltests oder eines Testpaares. Eine generelle Aussage zur Wertigkeit einer bestimmten Testkombination für eine Doppeltestung ist somit nicht möglich. Andererseits resultiert aus der relativ geringen HIV-Prävalenz in der hiesigen Blutspenderpopulation von etwa 1:100 000 ohnehin eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, daß sich ein Spender in der Serokonversionsphase befindet. Daher ist durch eine Doppeltestung nur ein marginaler Sicherheitszugewinn zu erwarten, der in keinem vertretbaren Verhältnis zu dem erforderlichen Aufwand steht. Auch beim Screening auf HCV-Antikörper wird eine Doppeltestung wegen der noch nicht optimalen Spezifität der derzeit verfügbaren Tests nicht für sinnvoll erachtet, da sich dabei zahlreiche falsch-positive Befunde ergäben.
b) Neopterin. Neopterin wird in der Frühphase viraler Infektionen durch Zellen des Immunsystems freigesetzt und könnte deshalb als unspezifischer früher Infektionsmarker dienen. Die Bestimmung von Neopterin wurde in Österreich bei Blutspendern vor kurzem versuchsweise eingeführt. Die ersten Erfahrungen haben gezeigt, daß nach der Umstellung des Tests auf das ELISA-Prinzip einige methodische Fragen einer Klärung bedürfen. Gleichzeitig wird erst die Auswertung einer größeren Anzahl von Neopterin-Tests aus voneinander unabhängigen Spendeeinrichtungen die Wertigkeit dieses Testsystems für das Spendewesen aufzeigen. Aus diesem Grunde sollten die in Österreich gemachten Erfahrungen nach Ablauf eines Jahres ausgewertet werden und als Grundlage für eine Entscheidung über eine etwaige Einführung dieses Tests in der Bundesrepublik herangezogen werden.
c) Temperaturmessung. In einigen Blutspendediensten und Plasmaphereseinrichtungen wird die Messung der Körpertemperatur routinemäßig durchgeführt und eine Erhöhung über einen Grenzwert von 37,5°C als Hinweis auf eine akute Infektion herangezogen. Durch die Verwendung von geeichten Einwegthermometern kann die Körpertemperatur relativ einfach auch bei einer großen Anzahl von Spendern gemessen werden. Der Arbeitskreis Blut sieht in der Temperaturmessung eine Maßnahme mit einer vergleichsweise hohen Aussagekraft und schlägt daher vor, eine obligatorische Temperaturmessung bei Blut- und Plasmaspendern einzuführen und in die Richtlinien zur Blutgruppenbestimmung und Bluttransfusion aufzunehmen.
d) Leukozytenzahl. Verschiedene Infektionserkrankungen gehen mit einer Erhöhung der Leukozytenzahl einher. Somit könnte die Leukozytenzahl als ein unspezifischer Indikator einer Infektion herangezogen werden. Allerdings unterliegen die Leukozytenzahlen großen individuellen Schwankungen und werden von exogenen Faktoren (z.B. körperliche Anstrengung) beeinflußt. Die Festsetzung einer festen Leukozytenobergrenze als Ausschlußkriterium für eine Blut- oder Plasmaspende erscheint deswegen nicht sinnvoll.
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