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Verleihung des 3. Hamburger Forschungspreises für Alternativen zum Tierversuch für eine am Robert Koch-Institut entwickelte Methode zur Routinediagnostik des Botulismus

Vergiftungen mit Botulinum Neurotoxinen (BoNTs) sind seltene, aber lebensbedrohliche Erkrankungen. Sie werden unter anderem durch verdorbene Lebensmittel verursacht, in denen sich durch unsachgemäße Herstellung BoNT-produzierende Bakterien der Gattung Clostridium vermehren konnten. BoNTs gelten als die giftigsten bekannten Substanzen überhaupt, da bereits kleinste Mengen in der Lage sind, zielgenau die Übertragung von Nervenimpulsen auf die Muskulatur zu unterbinden. Hierdurch werden Lähmungserscheinungen hervorgerufen, die beim Krankheitsbild Botulismus zum Tod durch Atemlähmung führen können. Um Botulismus zu diagnostizieren, sind bislang sehr belastende Tierversuche mit Mäusen vorgeschrieben. Einem Forscherteam unter Federführung des Robert Koch-Instituts ist es nun gelungen, eine alternative Methode für den Nachweis der klinisch relevanten BoNTs zu entwickeln. Die Methode wurde 2019 im Fachmagazin Scientific Reports publiziert und wurde im Juni 2021 mit dem 3. Hamburger Forschungspreis für Alternativen zum Tierversuch ausgezeichnet (Abbildung 1).

Abbildung 1: Verleihung des 3. Hamburger Forschungspreis für Alternativen zum Tierversuch. v.l.n.r. Staatsrätin Dr. Eva Gümbel, Dr. Daniel Stern, Dr. Sabrina Köcher, Dr. Brigitte Dorner, Verbraucherschutzsenatorin Anna Gallina

Abbildung 1: Verleihung des 3. Hamburger Forschungspreis für Alternativen zum Tierversuch. v.l.n.r. Staatsrätin Dr. Eva Gümbel, Dr. Daniel Stern, Dr. Sabrina Köcher, Dr. Brigitte Dorner, Verbraucherschutzsenatorin Anna Gallina.

Verursacht werden die Lähmungserscheinungen, die bei Botulismus auftreten, durch die Unterbrechung der Reizweiterleitung von Nervenzellen zur Muskulatur, indem die Ausschüttung neuronaler Botenstoffe in den synaptischen Spalt verhindert wird. Auf molekularer Basis zerschneiden die Toxine ganz bestimmte Zielproteine in der Synapse in zwei Teile – dies verhindert die Verschmelzung von Botenstoff-gefüllten Transportvesikeln mit der synaptischen Membran und nachfolgend die Ausschüttung von Botenstoffen (Abbildung 2 A). Von den Botulinum-Neurotoxinen gibt es verschiedene Varianten, sogenannte Serotypen, die alle diese Wirkung haben (alphabetisch BoNT/A bis BoNT/F benannt). Die genaue Schnittstelle an den synaptischen Zielproteinen ist hierbei für jeden Serotyp anders, so dass das Zerschneiden der synaptischen Zielproteine wie ein Fingerabdruck die Anwesenheit und biologische Aktivität der Toxine beweist und anzeigt, welcher Serotyp für die Symptome verantwortlich ist (Abbildung 2 B).

Schematische Darstellung der Botulinum Neurotoxine (BoNT) und Modell der Wirkungsweise sowie Schnittstellen, an denen die BoNT-Serotypen die Zielproteine schneiden Quelle: Berl Münch Tierärztl Wochenschr 131, 9/10, 375-394 DOI 10.2376/0005-9366-17110

Abbildung 2. A. Schematische Darstellung der Botulinum Neurotoxine und Modell der Wirkungsweise, die zur klinischen Symptomatik führt:

1. Bindung der Toxine an zelluläre Rezeptoren
2. Aufnahme in die Nervenzelle
3. Spaltung spezieller synaptischer Zielproteine, die die Verschmelzung Botenstoff-gefüllter Transport­vesikel mit der Nervenzellmembran vermitteln.

Abbildung 2. B. Schnittstellen, an denen die sechs klinisch relevanten BoNT-Serotypen BoNT/A bis BoNT/F die beiden synaptischen Zielproteine VAMP-2 oder SNAP-25 schneiden. Abbildung modifiziert nach [1].

Wissenschaftlern unter Federführung des Robert Koch-Instituts ist es nun gelungen, genau diese für jeden BoNT Serotyp spezifische Spaltung für alle klinisch relevanten Serotypen (BoNT/A bis BoNT/F) im Labor nachzuweisen [2]. Hierzu wurden spezielle monoklonale Antikörper entwickelt, die in der Lage sind, nur die gespaltenen, aber nicht die intakten synaptischen Zielproteine zu erkennen. Diese Antikörper werden auch Neoepitop-spezifische Antikörper genannt, da sie die nach der Spaltung neu entstandene "Enden" der synaptischen Zielproteine als Bindungsstelle erkennen. Mit diesen Reagenzien ist es möglich, die biologische Aktivität der BoNTs durch Detektion der gespaltenen synaptischen Zielproteine auf einfache Art und Weise im Labor nachzuweisen (Abbildung 3).

Dies ist vor allem deshalb so wichtig, da Vergiftungen mit BoNTs bislang auf Basis einer DIN-Vorschrift mit einem Tierversuch, dem sogenannten Maus-Bioassay, nachgewiesen werden. Dabei handelt es sich um einen schwer belastenden Tierversuch, der ethisch umstritten ist und auch technische Nachteile aufweist. Die Entwiklung von Alternativmethoden zum Tierversuch für den Einsatz in der Botulismus-Diagnostik ist dringend notwendig, stellt jedoch aufgrund der hohen Toxizität und Variabilität der BoNTs weltweit eine Herausforderung dar. Der am Robert Koch-Institut entwickelte Ansatz stellt erstmals ein technisch einfaches, robustes Verfahren dar, das mittelfristig auch in Routine-Laboren Anwendung finden kann und helfen wird, Tierversuche zu vermeiden.

Schematische Darstellung des neuen Meßprinzips zur Erfassung der biologischen Aktivität aller klinisch relevanten BoNTs. Quelle: Scientific Reports 9(1): p. 5531 DOI:10.1038/s41598-019-41722-z

Abbildung 3. Schematische Darstellung des neuen Meßprinzips zur Erfassung der biologischen Aktivität aller klinisch relevanten BoNTs.

A. Die Spaltstellen der BoNTs werden durch Neoepitop-spezifische Antikörper erkannt, die nach der Spaltung der synaptischen Zielproteine SNAP-25 oder VAMP-2 durch verschiedene BoNTs die neu entstandenen „Enden“ spezifisch binden. Zum Nachweis der Spaltung werden die beiden synaptischen Zielproteine an mikroskopisch kleine, durch Fluoreszenzfarbstoffe unterscheidbare Kügelchen, sogenannte Luminex-Beads, gekoppelt.

B. In Anwesenheit von BoNT wird eines der beiden synaptischen Zielproteine an seiner charakteristischen Schnittstelle gespalten. Die neu entstandenen "Enden" werden durch Inkubation mit Neoepitop-spezifischen Antikörpern mittels immunologischer Methoden nachgewiesen [2].

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben gezeigt, dass mit dem neuen Verfahren erstmals ein sicherer und empfindlicher Nachweis aller relevanten BoNTs auch aus komplexen Probenmaterialien wie z.B. Serum oder Lebensmitteln möglich ist. An der Studie waren auch die medizinische Hochschule Hannover und das Labor Spiez in der Schweiz beteiligt.

Weitere umfassende Validierungsarbeiten sind notwendig, um die Methode bis zur Marktreife zu führen. Die Arbeiten werden derzeit in einem vom Robert Koch-Institut koordinierten Konsortium unter Mitwirkung der Medizinischen Hochschule Hannover und dem Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im BMBF-Projekt TiViBoNT fortgeführt [3].

Referenzen
[1] Stern D, von Berg L, Dorner MB, Dorner BG (2018). Replacing the mouse bioassay for diagnostics and potency testing of botulinum neurotoxins – progress and challenges. Berl Münch Tierärztl Wochenschrift 131, 9/10, 375-394.

[2] von Berg L, Stern D, Pauly D, Mahrhold S, Weisemann J, Jentsch L, Hansbauer EM, Müller C, Avondet MA, Rummel A, Dorner MB, Dorner BG (2019). Functional detection of botulinum neurotoxin serotypes A to F by monoclonal neoepitope-specific antibodies and suspension array technology. Scientific Reports 9(1): p. 5531.

[3] BMBF-Projekt TiViBoNT: Eine Tierversuchsersatzmethode für die BoNT-Diagnostik. FKZ: 031L0111A.

Stand: 29.06.2021

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