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1951 bis 1960: „Thema durch!“ – Georg Henneberg: Arzt, Naturwissenschaftler, Staatsbürger

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Georg Henneberg als Präsident des Robert Koch-Instituts... Quelle: © RKI Georg Henneberg als Präsident des Robert Koch-Instituts... Quelle: RKI

Sie ist eine griechische Schönheit. Die Locken hochgesteckt, ein leichtes Lächeln. Dazu ein Blick, der je nach Winkel mal streng, mal mitleidig wirkt. So thronte sie jahrzehntelang auf einem Schrank in Georg Hennebergs Arbeitszimmer und schaute prüfend auf jeden hinunter, der vor seinem Schreibtisch saß: Hygieia, die griechische Göttin der Gesundheit. Ulrike Folkens hat die Büste im Archäologischen Nationalmuseum in Athen gekauft – zum 60. Geburtstag ihres Chefs. 1968 war das, Folkens balancierte das Stück den ganzen Rückflug über auf dem Schoß. „Die Büste gehörte einfach zur Aura seines Arbeitszimmers. Und für Georg Henneberg hatte sie eine Wächterfunktion. Sie wachte über das, was er für das gesundheitliche Wohl der Bevölkerung tat“, sagt sie.

Georg Henneberg war von 1955 bis 1969 Direktor des Robert Koch-Instituts, später des Bundesgesundheitsamtes. Er hat das RKI in den Nachkriegsjahren neu aufgestellt und maßgeblich dazu beigetragen, es international konkurrenzfähig zu machen. Ein Bakteriologe und Virologe, der von Anfang an alle Facetten der Gesundheit der Bevölkerung im Blick hatte – ein Vorreiter in Sachen Public Health. Ein Griechenland-Fan, der seine Mitarbeiter am Wochenende gern bei sich zu Hause mit Kaffee und Kuchen bewirtete – und jede Diskussion, die nicht nach seinen Vorstellungen verlief, mit einem „Thema durch!“ für beendet erklärte. Die beiden Frauen, die beim siebten Salon zur Institutsgeschichte auf dem roten Sofa sitzen, erinnern sich daran nur zu gut. Ulrike Folkens hat jahrelang im RKI als medizinisch-technische Assistentin gearbeitet. Henneberg war bei ihrer Hochzeit Trauzeuge, im Laufe der Zeit sei sie wie eine Tochter für das Ehepaar Henneberg gewesen, sagt Folkens. Die Ärztin Gudula von der Osten Sacken ist mit Georg Henneberg verwandt – ihr Großvater und Hennebergs Vater waren Vettern.

Berufseinstieg mit Hindernissen

Georg Henneberg wird am 12. Oktober 1908 in Berlin geboren. Er tritt in die Fußstapfen seines Vaters, Professor für Mikrobiologie in Kiel: Er studiert Medizin und Naturwissenschaften und promoviert in den 1930er Jahren. Der Berufseinstieg ist allerdings holprig. Weil Henneberg jüdische Vorfahren hat, verweigern ihm die Nationalsozialisten die Approbation als Arzt. Mit der Hilfe befreundeter Professoren bekommt er die schließlich doch, darf aber trotzdem nicht die von ihm ersehnte Universitätslaufbahn einschlagen. Auch als Sanitätsoffizier wird er abgelehnt.

Ein Bakteriologe und Virologe, der von Anfang an alle Facetten der Gesundheit der Bevölkerung im Blick hatte – ein Vorreiter in Sachen Public Health.

„1936 starben Georg Hennebergs Eltern an einer Streptokokken-Infektion“, sagt Gudula von der Osten-Sacken. Henneberg muss jetzt selbst Geld verdienen. Er fängt in der bakteriologischen Abteilung der Berliner Firma Schering an und wird, nachdem sein jüdischer Chef in die USA emigriert, sogar Abteilungsleiter. Henneberg ist da gerade 29 Jahre alt. In den folgenden Jahren stellt er für Schering einen Keuchhusten-Impfstoff, einen Gonokokken-Impfstoff und ein Diphtherie-Antitoxin her und füllt Insulin ab. Während des Zweiten Weltkriegs kommen noch Fleckfieber-,Typhus- und Cholera-Impfstoffe dazu, um den Bedarf der Wehrmacht zu decken. Gleichzeitig beginnt Henneberg mit der Produktion von Penicillin.

Penicillin aus Soldaten-Urin

Penicillin wurde erst 1942 als Medikament entdeckt und war in den Kriegsjahren nicht in ausreichenden Mengen vorhanden. Henneberg selbst erzählte davon, dass Schering damals an einen Stamm gekommen war, „der sich irgendwie bewährt haben musste“, berichtet Gudula von der Osten-Sacken. Doch bei aller Mühe: Das Penicillin fiel als Medikament durch. Es war nicht rein genug. „Daraufhin mischte Henneberg das selbst hergestellte Penicillin mit Penicillin, das schon einmal durch einen amerikanischen oder englischen Tripper-Kranken gelaufen war“, sagt von der Osten-Sacken.Praktisch heißt das: Der Patientenurin wird aufgefangen, das Penicillin daraus zurückgewonnen. „Es durfte dann allerdings nur an Amerikaner und Briten abgegeben werden, nicht an Franzosen oder Russen – das verlangten die Kommandanten der Besatzungszonen.“

Als der Krieg 1945 verloren ist, wird das Schering-Werk in der Weddinger Müllerstraße demontiert. Den Penicillin-Betrieb kann die Firma noch in Sicherheit bringen: Gefäße, Mikroskope, Kulturen und Henneberg selbst werden auf einen Lastwagen geladen und nach Adlershof gefahren. Obwohl Georg Henneberg längst im RKI angestellt ist, produziert er hier bis 1947 weiter Penicillin für Schering. Danach wird die Herstellung eingestellt.

Wiederaufbau des Robert Koch-Instituts

Auch das Robert Koch-Institut ist vom Krieg gezeichnet. Am Nordufer ist ein zentral gelegenes Laborstallgebäude zerbombt. Mehrere Häuser sind beschädigt, die Bakterienkulturen für die Impfstoffherstellung von der sowjetischen Armee zerstört. In improvisierten Laboren im Versuchstierstall an der Nordseite des Geländes geht die Arbeit weiter, wenn auch unter erschwerten Bedingungen: Versuchstiere und Futter sind kaum zu bekommen, von Glasgefäßen und Instrumenten ganz zu schweigen. Glücklicherweise hat eine Reihe von Reserve-Bakterienkulturen, unentdeckt von der Roten Armee, im Institutskeller überlebt. Und: die Alliierten beschaffen das Nötigste für die Impfstoffherstellung – darunter Bruteier.

Auch das Robert Koch-Institut ist vom Krieg gezeichnet. Am Nordufer ist ein zentral gelegenes Laborstallgebäude zerbombt. Mehrere Häuser sind beschädigt, die Bakterienkulturen für die Impfstoffherstellung von der sowjetischen Armee zerstört.

1952 wird das RKI Teil des neu gegründeten Bundesgesundheitsamtes. Es soll, so steht es in einem Erlass des damaligen Bundesinnenministers, „in einen solchen Zustand [versetzt werden], dass es sich als Forschungsinstitut in seiner Leistungsfähigkeit mit anderen Forschungsstätten im Ausland messen kann.“ Georg Henneberg führt den Ausbau des Instituts entscheidend voran – ab 1952 als kommissarischer Leiter, ab 1955 dann als Direktor des RKI. 1960 ist das Gebäude um 800 Quadratmeter Arbeitsfläche erweitert. Labore und Tierställe sind modernisiert, die Bibliothek ist ausgebaut, eine eigene Werkstatt für Glasbläserei und Feinmechanik eingerichtet. Die großen Fenster im Treppenhaus des Hauptgebäudes zieren jetzt eingeschliffene mikroskopische Pilzformen – angefertigt nach den Skizzen von Georg Hennebergs Vater. Dem Institutsgründer Robert Koch wird ein eigenes kleines Museum gewidmet, und der Institutseingang am Nordufer nach Jahrzehnten endlich wieder eröffnet.

Georg Henneberg treibt auch die Forschung voran. Seit 1946/47 hat er die Schriftleitung der seit 1887 existierenden Zentralblätter für Bakteriologie, Originale und Referate, beim Verlag Gustav Fischer Jena, dann Stuttgart inne. Er übt sie 40 Jahre lang aus – bis 1991. Georg Henneberg ist auch Mitglied und später sogar Vorsitzender der Aronson-Stiftung, die jedes Jahr einen Preis an namhafte deutsche Wissenschaftler verlieh. Und er pflegt Kontakte – national wie international. Die DDR-Wissenschaft liegt ihm besonders am Herzen. Henneberg hält Vorträge in Polen, Rumänien und Jugoslawien, um sich dort mit DDR-Kollegen austauschen zu können. Später, als Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher „Leopoldina“ in Halle, darf er sogar alle zwei Jahre zur Jahrestagung in die DDR reisen. Henneberg ist es auch, der die einst enge Verbindung zwischen dem Robert Koch-Institut und dem Kitasato-Institut in Tokio neu knüpft.

Henneberg versteht das Gesundheitswesen als universelle Einheit – mit all seinen Facetten: von der Wasser-, Boden- und Lufthygiene über den Infektionsschutz, die Lebensmittelsicherheit bis hin zur Strahlenhygiene und Tiermedizin.

1970 wird Henneberg Präsident des Bundesgesundheitsamtes. „Das Amt war ihm wie auf den Leib geschneidert“, sagt Folkens. Henneberg ist zwar Bakteriologe und Virologe, sein wissenschaftlicher Horizont aber reicht weit darüber hinaus. Er versteht das Gesundheitswesen als universelle Einheit – mit all seinen Facetten: von der Wasser-, Boden- und Lufthygiene über den Infektionsschutz, die Lebensmittel und Produktsicherheit bis hin zu Strahlenhygiene und Tiermedizin. 1994, 20 Jahre nach Hennebergs Pensionierung, wird das Bundesgesundheitsamt infolge der AIDS-Affäre aufgelöst. Henneberg stirbt 1996 an den Folgen eines Verkehrsunfalls.

Bestmögliche Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter

Georg Henneberg hat immer viel von seinen Mitarbeitern verlangt. Er hat aber auch viel zurückgegeben. Das war schon zu Kriegszeiten so, als der Mediziner noch bei Schering war. „Er hat damals für die 189 Mitarbeiter seiner Abteilung eine Ernährungszulage durchgesetzt“, sagt Gudula von der Osten-Sacken. Es gab dann täglich einen halben Liter Milch und jede Woche 62,5 Gramm Butter und 100 Gramm Fleisch. „Außerdem hat er dafür gesorgt, dass die Zwangsarbeiterinnen wieder Papier auf den Toiletten hatten“. Zeitungspapier war ihnen aus Angst vor Spionage nämlich gestrichen worden.

Legendär sind seine Wutausbrüche über die Bürokratie: „Was im BAT steht, bestimme ich!“ donnerte er dann.

Auch als Präsident des RKI und später des Bundesgesundheitsamtes sah es Henneberg als seine Aufgabe an, die bestmöglichen Arbeitsbedingungen für seine Mitarbeiter zu schaffen – egal ob es um die Laborausstattung, neue Planstellen oder eine angemessene Besoldung ging. Legendär sind seine Wutausbrüche über die Bürokratie: „Was im BAT steht, bestimme ich!“ donnerte er dann. Hennebergs Mitmenschlichkeit, berichtet Ulrike Folkens, zieht sich durch sein ganzes Berufsleben. „Sie kam allen Mitarbeitern zugute, ganz egal auf welcher Position. Und wenn doch einmal einer seiner Untergebenen aufmuckte, sagt er nur: Thema durch!“ Für Ulrike Folkens und Gudula von der Osten-Sacken ist es, als hätten sie es gestern erst gehört.

Stand: 16.10.2017

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