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1891 bis 1900: Krankheit aus dem Labor – Robert Kochs „Untersuchungen über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten“

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Robert Koch mit Kollegen in Alexandria, Ägypten, 1891. Quelle: © RKI Robert Koch mit Kollegen in Alexandria, Ägypten, 1891. Quelle: RKI

Es kommt fast unscheinbar daher in seinem bräunlich-schwarz marmorierten Einband mit den abgestoßenen Lederkanten. Doch wenn man die intellektuellen Grundlagen der medizinischen Bakteriologie zurückverfolgen will, sagt der Medizinhistoriker Christoph Gradmann von der Universität in Oslo, „dann landet man bei diesem Buch“: Die „Untersuchungen über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten“ von „Dr. Robert Koch, Kreisphysikus in Wollstein“, veröffentlicht 1878.
Robert Koch hat darin erstmals seine experimentellen Techniken voll entwickelt. Mit diesem Buch erreichte er einen gewissen wissenschaftlichen Bekanntheitsgrad. Kochs Arbeit zur Wundinfektion hat die zeitgenössische Infektionsforschung umgekrempelt – und ihn, wenn auch über Umwege, letzten Endes nach Berlin geführt.

In den 1870er Jahren ist man sich schon weitgehend einig, dass verschiedene Infektionskrankheiten durch verschiedene Bakterien verursacht werden, erzählt Christoph Gradmann. Einige davon haben Wissenschaftler bereits klar identifiziert, zum Beispiel Milzbrand- und Borreliose-Erreger. Bei der Wundinfektion ist das anders. „Hier gab es nicht den einen guten Kandidaten, sondern viele.“ So verschieden die pathologischen Verläufe bei den Patienten sind: Alle werden offenbar von den gleichen Bakterien verursacht – so genannten Mikrokokken. Unter dem Mikroskop sehen sie aus wie kleine Kügelchen; es scheint unmöglich, sie voneinander zu unterscheiden, geschweige denn eine Ordnung in die Bakterien zu bringen. „Die Ursache von Wundinfektionen war das Problem, das am schwersten zu lösen war“, sagt Gradmann.

Bakterien – oder doch polymorphe Pilzwesen?

Theorien gibt es dazu in den 1870er Jahren einige. Manche, wie Theodor Billroth, halten die Bakterien, die in großer Zahl in infizierten Wunden auftreten, nur für eine Begleiterscheinung und Gifte für die eigentliche Ursache. Der Pathologe Edwin Klebs, der während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 ein Feldlazarett am Karlsruher Hauptbahnhof leitet und etliche entzündete Schusswunden begutachtet, vermutet als Ursache ein polymorphes Pilzwesen, das je nach Krankheitsstadium in verschiedenen Formen auftritt. Die Herangehensweise der Wissenschaftler ist dabei immer die gleiche: Sie arbeiten in Präparaten, schauen auf die Konstellation der Bakterien. Sie wollen aus der pathologisch-anatomischen Erscheinung der Wundinfektion beim Patienten heraus Aussagen über deren Ursache treffen. Nicht so Robert Koch. „Aus heutiger Sicht hat er die Forschung vom Kopf auf die Füße gestellt“, sagt Christoph Gradmann.

Mikrokokken sehen unter dem Mikroskop aus wie kleine Kügelchen; es scheint unmöglich, sie voneinander zu unterscheiden, geschweige denn eine Ordnung in die Bakterien zu bringen.

Der Arzt aus Wollstein setzt bei den Bakterien selbst an. Er will beweisen, dass verschiedene Bakterienspezies jeweils verschiedene Arten der Wundinfektion hervorrufen. In einem menschlichen Präparat, davon war er überzeugt, könne das niemals gelingen. Koch setzt ausschließlich auf Tierexperimente: Das methodische Rüstzeug dafür – Färbe- und Schnitttechniken, Mikrofotografie und das Entwickeln von Tiermodellen – erhält er in Breslau, bei einer Gruppe von Botanikern und Pathologen um Ferdinand Julius Cohn und Julius Cohnheim.

Tiere als Kulturapparat

Tierversuche sind nicht neu in der Ära Robert Kochs. Es gibt sie seit Jahrhunderten. Dem Landarzt aus Wollstein gelingt es aber, mit Hilfe verschiedener Tierarten ein Laborsystem zu entwickeln – und Wundinfektionen völlig unabhängig vom Menschen zu untersuchen. Er nutzt die Tiere als Kulturapparat.

„Koch ging davon aus, dass sich einzelne Bakterienspezies gezielt herausfiltern lassen, indem man mehrere Versuchstiere hintereinander schaltet“, sagt Gradmann, sie also nacheinander infiziert. Koch weiß, dass unterschiedliche Bakterien unterschiedliche Kulturmedien bevorzugen. Er infiziert also verschiedene Tierarten – weiße und bunte Mäuse, Meerschweinchen und Kaninchen – nacheinander mit Wasser aus einem Straßengraben. Die Versuche zeichnete er auf wie Stammbäume: In den einzelnen Tieren wird die gemischte Bakterienmasse aufgereinigt, einzelne Spezies auf die Weise identifiziert. So gelingt es Koch tatsächlich, mehrere unterschiedliche Krankheitsbilder mit verschiedenen Mikrokokken-Spezies in Verbindung zu bringen.

Von Wollstein über Breslau nach Berlin

Und welche konkreten Ergebnisse brachten Kochs Untersuchungen für den Menschen? „Sehr wenige“, sagt der Historiker. Das Buch präsentiere vielmehr eine Methode. Koch löst die Frage nach den Ursachen der Wundinfektion, indem er eine Methode vorstellt, mit der sich auch diverse andere Fragestellungen untersuchen lassen – auch in dieser Hinsicht sei seine wissenschaftliche Arbeit sehr modern. Über Wundinfektionen beim Menschen schreibt Koch in seinem Buch nur: Er habe experimentell „an Thieren Krankheitsprozesse erzeugt, welche den beim Menschen beobachteten Wundinfectionskrankheiten ähnlich sind und als Beispiele für diese dienen können.“ Erst einige Jahre später untersucht ein britischer Forscher menschliche Wundinfektionen nach Kochs Methode.
Die „Untersuchungen über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten“ sollten sein wissenschaftlicher Durchbruch werden, treiben Robert Koch und seine Familie aber an den Rand des Ruins. „Koch hatte sicher gehofft, dass die Arbeit sein Einstieg würde in eine glanzvolle Karriere als universitärer Forscher“, sagt Christoph Gradmann. Kurz nach Erscheinen gibt er deshalb seine gut gehende Praxis in Wollstein auf und geht nach Breslau, um sich der Gruppe um Cohn anzuschließen. Nebenher will er weiter als Amtsarzt arbeiten, doch die Konkurrenz in Breslau ist groß. Koch gerät in finanzielle Schwierigkeiten. 1879, in Breslau, weiß er nicht, wie es weitergehen soll. Seine Breslauer Kollegen empfehlen ihn schließlich an das Kaiserliche Gesundheitsamt in Berlin, wo er die bakteriologische Methodik weiter ausbaut. Es gelingt ihm schließlich, den Erreger der Tuberkulose nachzuweisen – eine Entdeckung, für die ihm später der Nobelpreis für Medizin verliehen wird. 1885 wechselt er ans Hygiene-Institut der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, wo er unter anderem an einem Heilmittel gegen Tuberkulose forscht. 1891 wird Robert Koch der Direktor des neu gegründeten Königlich Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten, dem heutigen Robert Koch-Institut.

Stand: 16.10.2017

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