Hepatitis E
Präambel
Die Herausgabe der RKI-Ratgeber erfolgt durch das Robert Koch-Institut (RKI) auf der Grundlage des § 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Zielgruppe der RKI-Ratgeber sind Fachkreise, u.a. Ärztinnen und Ärzte, medizinisches Fachpersonal und der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD). Informationen zu wichtigen Infektionskrankheiten sollen aktuell und konzentriert der Orientierung dienen. Die Beiträge werden in Zusammenarbeit mit den Nationalen Referenzzentren (NRZ), Konsiliarlaboren (KL) sowie weiteren Expertinnen und Experten erarbeitet. Die RKI-Ratgeber sind auf der Internetseite des RKI (www.rki.de/ratgeber) abrufbar. Neu erstellte RKI-Ratgeber und deutlich überarbeitete Folgeversionen werden im Epidemiologischen Bulletin (www.rki.de/epidbull) veröffentlicht.
Erstveröffentlichung im Epidemiologischen Bulletin 44/2015. Letzte Aktualisierungen:
- Abschnitt "Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen" vom November 2023
- Abschnitte „Reservoir“, „Klinische Symptomatik“, „Umgang mit Kontaktpersonen“ und „Ausgewählte Informationsquellen“ vom September 2021
- Abschnitte "Gesetzliche Grundlage" und "Beratung und Spezialdiagnostik" vom Februar 2018
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Erreger
Die Hepatitis E wird durch eine Infektion mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) verursacht. Es handelt sich um ein einzelsträngiges RNA-Virus aus der Familie Hepeviridae (Genus Orthohepevirus). Eine weitergehende Differenzierung von beim Menschen vorkommenden HEV der Spezies Orthohepevirus A erfolgt in die Genotypen 1 bis 4 und in Subgenotypen (z.B. 3f).
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Vorkommen
Die Hepatitis E und das verursachende Hepatitis-E-Virus kommen weltweit vor, weisen jedoch je nach Region und Genotyp deutliche Unterschiede in Epidemiologie und Klinik auf. In Deutschland sowie mehreren Ländern Europas und Nordamerikas kommt die durch HEV Genotyp 3 verursachte Hepatitis E endemisch vor. Die Zahl der jährlich gemeldeten Infektionen nimmt in vielen dieser Länder kontinuierlich zu, was jedoch höchstwahrscheinlich nicht auf eine tatsächliche Steigerung der Erkrankungszahlen beim Menschen zurückzuführen ist, sondern auf eine erhöhte Aufmerksamkeit der Ärzteschaft, häufigere Diagnostik und den Einsatz sensitiverer diagnostischer Tests. Die in Deutschland gemäß IfSG gemeldeten symptomatischen Infektionen betreffen zu etwa drei Vierteln Personen über 40 Jahren und zu etwa zwei Dritteln Männer. Todesfälle im Zusammenhang mit Hepatitis E-Infektionen sind in Deutschland sehr selten. Die Letalität unter den gemeldeten Fällen liegt deutlich unter 1%.
Die Prävalenz von Antikörpern gegen HEV in der erwachsenen Bevölkerung Deutschlands liegt bei 16,8% (etwa 5% bei unter 30-Jährigen bis zu 25% bei den über 60-Jährigen). In der altersgruppenspezifischen Seroprävalenz von Frauen und Männern bestehen keine Unterschiede (Faber, Wenzel et al., 2012) Die Antikörper-Prävalenz liegt damit im Bereich der Ergebnisse anderer in Europa oder den USA durchgeführter Studien. Im Zusammenhang mit den gemeldeten Infektionen deutet dies (neben einer Untererfassung symptomatischer Infektionen) auf einen hohen Anteil asymptomatisch oder subklinisch verlaufender Infektionen hin.
In vielen Ländern Asiens und Afrikas mit unzureichender Trinkwasser- und Lebensmittelhygiene kommt das Hepatitis-E-Virus ebenfalls endemisch vor. Die dort vorherrschenden Genotypen 1 und 2 verursachen sporadische Infektionen und Ausbrüche, die in der Regel in Verbindung zu mit menschlichen Fäkalien kontaminiertem Trinkwasser stehen. Vereinzelt werden auch in Deutschland Genotyp-1- und -2-Infektionen bei Reiserückkehrern diagnostiziert.
Aktuelle Fallzahlen und weitere epidemiologische Kenngrößen aller meldepflichtigen Krankheiten finden Sie im aktuellen Infektionsepidemiologischen Jahrbuch unter www.rki.de/jahrbuch. Ein vereinfachter Datenbestand der gemäß IfSG meldepflichtigen Krankheitsfälle und Erregernachweise kann mit Hilfe von SurvStat@RKI unter www.rki.de/survstat abgefragt werden.
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Reservoir
Für den hauptsächlich in Deutschland und anderen Industrienationen vorkommenden HEV Genotyp 3 und den in Teilen Asiens vorkommenden Genotyp 4 stellen Haus- und Wildschweine das wichtigste tierische Reservoir dar. Andere Wildtiere (z.B. Reh) sind von untergeordneter Bedeutung.
Für die in Asien und Afrika hauptsächlich anzutreffenden Genotypen 1 und 2 ist der Mensch das einzige bekannte Reservoir.
Weiter entfernte Verwandte der o.g. „klassischen“ Hepatitis E-Viren werden bei einer ganzen Reihe verschiedener Haus- und Wildtiere (z.B. Nagetiere, Geflügel, Fische) gefunden. Inwieweit diese für die Epidemiologie der Hepatitis E beim Menschen relevant sind bzw. überhaupt auf den Menschen übertragbar sind, ist nicht abschließend geklärt.
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Infektionsweg
In den Industrieländern inklusive Deutschland findet hauptsächlich eine zoonotische Übertragung über den Verzehr von unzureichend gegartem Schweine- bzw. Wildfleisch und daraus hergestellten Produkten statt. Filtrierende Organismen (z.B. Muscheln) können im Wasser vorkommendes HEV anreichern und so ebenfalls als Infektionsquelle dienen. Das Virus kann auch parenteral (z.B. durch kontaminierte Blutprodukte) übertragen werden. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung (z.B. unter Haushaltsangehörigen) ist bei reiseassoziierten HEV-1- und -2-Infektionen durch Kontaktübertragung (Schmierinfektion) möglich. In Deutschland erworbene Infektionen durch HEV-3 scheinen (wenn überhaupt) jedoch nur extrem selten direkt von Mensch zu Mensch übertragbar zu sein. Ausbrüche mit diesem Genotyp wurden bisher lediglich im Zusammenhang mit dem Verzehr kontaminierter Lebensmittel (z.B. Schweinefleischprodukte) beobachtet.
In Ländern mit wenig Ressourcen und niedrigem Hygienestandard wird das Virus (Genotyp 1 und 2) hauptsächlich durch die Aufnahme von fäkal verunreinigtem Wasser oder Lebensmitteln übertragen.
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Inkubationszeit
15 bis 64 Tage
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Klinische Symptomatik
Die Infektion mit dem in Deutschland vorkommenden Hepatitis-E-Virus (HEV-3) verläuft überwiegend asymptomatisch. Symptomatische Infektionen verlaufen in der Regel akut, selbstlimitierend und häufig ohne Ikterus mit milden gastrointestinalen oder allgemeinen Symptomen. Prinzipiell ist jedoch ein breites Spektrum der klinischen Symptomatik zu beobachten, bis hin zu fulminanten Hepatitiden (insbesondere bei bestehender Vorschädigung der Leber oder unter Immunsuppression).
Neben der typischen Symptomatik infektiöser Hepatitiden mit Ikterus, Dunkelfärbung des Urins, Entfärbung des Stuhls, Fieber, Oberbauchbeschwerden, Müdigkeit und Verlust des Appetits wurden auch atypische Krankheitszeichen beschrieben, insbesondere eine Reihe neurologischer Manifestationen. Eine kausale Beziehung zwischen Hepatitis E und neurologischen Symptomen wird für neuralgische Schulteramyotrophie (häufig bilateral), das Guillain-Barré-Syndrom und die Enzephalitis/Myelitis angenommen. Häufig dominieren bei diesen atypischen Krankheitsverläufen die neurologischen Symptome das klinische Bild und die Leberwerte sind nur leicht erhöht oder normal.
Aus Gebieten mit endemischer Verbreitung des Genotyps 1 wurde bei Schwangeren, insbesondere im letzten Schwangerschaftsdrittel, ein hoher Anteil fulminanter Hepatitiden mit Todesraten von bis zu 30% berichtet. Für die hierzulande überwiegend auftretenden Genotyp-3-Infektionen gibt es bislang keine Hinweise, dass eine Schwangerschaft die Prognose der Infektion verschlechtert.
Bei immunsupprimierten Personen (z.B. Transplantatempfänger, Patienten mit unbehandelter HIV-Infektion/AIDS oder während und nach Chemotherapie) kann es zu chronischen Hepatitis-E-Virusinfektionen kommen. Auch diese verlaufen oft zunächst ohne ausgeprägte Symptomatik, können aber nicht selten zu einer Leberzirrhose führen. Hier sollte deshalb die vollständige Ausheilung überwacht (z.B. PCR-Test 3 Monate nach Erkrankungsbeginn) und ggf. unterstützt (z.B. Reduktion/Anpassung der Immunsuppression und/oder antivirale Therapie) werden.
Antikörper können mehrere Jahre nach einer Hepatitis E-Infektion persistieren. Es ist jedoch unklar, ob eine lebenslange Immunität bestehen bleibt. Wahrscheinlich besteht eine weitgehende Kreuzimmunität zwischen den Genotypen.
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Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Die Dauer der Ansteckungsfähigkeit ist nicht abschließend geklärt. Das Virus kann im Stuhl etwa eine Woche vor bis 4 Wochen nach Beginn des Ikterus nachgewiesen werden. Im Falle von chronischen Infektionen muss davon ausgegangen werden, dass das Virus ausgeschieden wird, solange die Infektion bestehen bleibt. Wahrscheinlich besteht eine weitgehende Kreuzimmunität zwischen den Genotypen.
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Diagnostik
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1. Differentialdiagnostik
Bei den Hepatitis-E-Patienten ist eine Erhöhung der Transaminasen AST und ALT zu beobachten, die in der Regel überproportional zur Erhöhung der alkalischen Phosphatase (AP) und Gamma-GT ausfällt. Besonders bei ikterischen Verläufen kommt es zu deutlich erhöhten Konzentrationen des Gesamt-Bilirubins im Serum und des Urobilinogens im Urin.
Differenzialdiagnostisch kommen für das klinische Bild einer akuten Hepatitis verschiedene Ursachen in Frage:
- Virushepatitis (z.B. verursacht durch HAV, HBV, HCV, HDV, aber auch durch die Herpesviren EBV, CMV, HSV und VZV),
- Medikamente (z.B. Paracetamol), Alkohol und andere Gifte (z.B. Pilzgifte),
- Speicherkrankheiten (z.B. Morbus Wilson, Hämochromatose), Alpha-1-Antitrypsinmangel und Autoimmunhepatitis.
Zur Abklärung stehen jeweils spezifische labordiagnostische Nachweisverfahren zur Verfügung.
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2. Labordiagnostik
Bei entsprechender klinischer Symptomatik und Erhöhung der Transaminasen ist der Nachweis von Anti-HEV-IgM im Serum in der Regel beweisend für eine frische HEV-Infektion. Diese Antikörper sind beim immunkompetenten Patienten bereits bei Auftreten der ersten Symptome nachweisbar (Nachweisdauer ca. 3-6 Monate). Unspezifische IgM-Reaktionen kommen jedoch gelegentlich vor. Positive IgM-Befunde bei nicht eindeutiger oder fehlender Symptomatik (z.B. im Rahmen von Umgebungsuntersuchungen) sollten daher durch den direkten Erregernachweis im Blut oder Stuhl mittels Nukleinsäureamplifikationstechniken (NAT), z.B. PCR, verifiziert werden. Auch Anti-HEV-IgG ist zu Beginn der Symptomatik bereits meist positiv; ansonsten zeigt der Nachweis von Anti-HEV-IgG eine früher abgelaufene Infektion an. Von Bedeutung ist die Verwendung von Nachweisverfahren, die Antikörper gegen HEV des in Deutschland vorkommenden Genotyps 3 mit ausreichender Empfindlichkeit erfassen. Der Nachweis von HEV-RNA (z.B. mittels PCR) im Blut oder Stuhl beweist eine frische HEV-Infektion.
Bei Patienten unter Immunsuppression ist die serologische Diagnostik der Hepatitis E unzuverlässig. Bei entsprechender Indikation sollte der Erregernachweis mittels NAT in Erwägung gezogen werden, da unter Immunsuppression das Risiko einer persistierenden oder chronischen HEV-Infektion mit rapider Progression zur Leberzirrhose besteht. Eine chronische HEV-Infektion liegt vor, wenn der Virusnachweis über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten positiv ausfällt.
Eine nur in Speziallaboratorien durchgeführte Sequenzierung von Teilen des HEV-Genoms („HEV-Feintypisierung“) kann zur Klärung von Infektionsquellen oder Ausbruchsanalysen beitragen.
Der Nachweis von HEV mit Hilfe von Zellkultur-Infektionsmodellen ist möglich, hat jedoch wegen der hohen Komplexität und des Zeitbedarfs von ca. 4 Wochen keine Bedeutung für die Labordiagnostik der Hepatitis E erlangt. Elektronenmikroskopische Nachweisverfahren sowie immunhistochemische Färbeverfahren aus Lebergewebepräparaten sind nur an wenigen spezialisierten Laboratorien etabliert und spielen für die Diagnostik zurzeit keine nennenswerte Rolle.
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Therapie
Die akute Hepatitis E bedarf bei immunkompetenten Personen in der Regel keiner oder allenfalls symptomatischer Behandlung.
Bei bestehender Lebervorschädigung (z.B. schwerer Alkoholabusus, HBV- und/oder HCV-Infektion, Autoimmunhepatitis) besteht ein erhöhtes Risiko eines fulminanten Verlaufs. Dies gilt auch bei bestehender Schwangerschaft, wenn die Möglichkeit einer Genotyp 1-Infektion besteht. Daher sollten schwangere Patientinnen nach Aufenthalten in Afrika und Asien, und hier insbesondere in Nordindien und Bangladesch, befragt werden.
Bei chronischer HEV-Infektion sollte eine Viruselimination angestrebt werden, um eine verlängerte Ausscheidungsdauer und weitere Zerstörung des Leberparenchyms zu verhindern. Ist eine Reduzierung der Immunsuppression nicht möglich oder erfolgreich, so kommt eine antivirale Behandlung (z.B. mit Ribavirin oder pegyliertem Interferon alpha) in Frage.
Eine Lebertransplantation ist zurzeit die einzige Behandlungsoption bei Leberversagen im Rahmen eines fulminanten Verlaufs einer Hepatitis E.
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Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen
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1. Präventive Maßnahmen
Ein Impfstoff gegen die Hepatitis E (Hecolin) ist in China zugelassen und verfügbar, steht in Europa aber nicht zur Verfügung.
Bei Reisen in Gebiete mit endemischer Verbreitung des Genotyps 1 oder 2 sollten die allgemeinen Regeln zur Vermeidung von lebensmittelbedingten Infektionen beachtet werden:
- nicht abgekochtes Leitungswasser und damit hergestelltes Eis für Getränke nach Möglichkeit meiden,
- kein Verzehr von rohen oder nicht ausreichend erhitzten Speisen. Es gilt deshalb die alte Regel erfahrener Tropenreisender „Peel it, cook it, or forget it!“ („Schäle es, koche es oder vergiss es!“).
In Deutschland und anderen Ländern mit Vorkommen des Genotyps 3 und 4 sollten Produkte von Schwein und Wild (z.B. Wildschwein, Reh und Hirsch), insbesondere Innereien, nur durchgegart verzehrt werden. Das Durchgaren bzw. Erhitzen auf ≥ 71°C über mindestens 20 Minuten inaktiviert das Virus. Zur Vermeidung von Kreuzkontaminationen sollte auf eine gute Küchenhygiene geachtet werden.
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2. Maßnahmen bei Einzelerkrankungen
Im Rahmen einer ambulanten Behandlung ist zur Vermeidung des Risikos einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung auf eine gute persönliche Hygiene hinzuweisen. Diese und die Reinigung der Wäsche in einer handelsüblichen Waschmaschine erscheinen ausreichend, um eine Übertragung zu verhindern.
Im Rahmen eines stationären Aufenthalts sind in der Regel Maßnahmen der Basishygiene ausreichend. Weiterführende Angaben sind in der Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) "Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten" (2015) enthalten. Die Tabelle 1 dieser Empfehlung wurde 2023 aktualisiert und an den aktuellen Wissensstand angepasst, u.a. um den Erreger SARS-CoV-2 ergänzt. Die aktualisierte Tabelle 1 ist in der Empfehlung „Integration von SARS-CoV-2 als Erreger von Infektionen in der endemischen Situation in die Empfehlungen der KRINKO ‚Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten“ zu finden. Für die Händedesinfektion ist die Verwendung eines Händedesinfektionsmittel mit nachgewiesener "viruzider" Wirksamkeit zu empfehlen (siehe KRINKO-Empfehlung „Händehygiene in Einrichtungen des Gesundheitswesens“ (2016)).
Das Virus kann außerhalb des Wirts unter Umständen monatelang stabil bleiben, daher sind kontaminierte Oberflächen mit einem Desinfektionsmittel mit nachgewiesener "viruzider" Wirksamkeit zu desinfizieren (siehe KRINKO-Empfehlung „Anforderungen an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen“ (2022). Geeignete Mittel enthalten z.B. die „Liste der vom RKI geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren“ und die Desinfektionsmittel-Liste des Verbundes für Angewandte Hygiene (VAH). Bei behördlich angeordneten Desinfektionsmaßnahmen ist die RKI-Liste heranzuziehen.
Bei immunsupprimierten Patienten wird die Überwachung der Viruselimination bzw. eine unterstützende Behandlung empfohlen, um eine chronische Infektion mit verlängerter Ausscheidungsdauer und Zerstörung des Leberparenchyms zu verhindern.
Blutspendeeinrichtungen sollten umgehend informiert werden, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Patient in der virämischen Phase Blut gespendet hat.
Weiterführende Angaben sind auch in der "Vollzugshilfe zur Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes" enthalten. Für die Aspekte des Arbeitsschutzes sind die einschlägigen Technischen Regeln für biologische Arbeitsstoffe, wie z. B. die TRBA 250, zu beachten, die von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin veröffentlicht werden.
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3. Gemeinschaftseinrichtungen gemäß § 33 IfSG (u.a. Kindergärten, Schulen, Heime)
Gemäß § 34 Abs. 1 IfSG dürfen Personen, die an Virushepatitis E erkrankt oder dessen verdächtig sind, in Gemeinschaftseinrichtungen keine Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben.
In Gemeinschaftseinrichtungen Betreute, die an Virushepatitis E erkrankt oder dessen verdächtig sind, dürfen die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen. Für weitere Informationen siehe die Empfehlungen des RKI für die Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen gemäß § 34 IfSG.
Die zuständige Behörde kann im Einvernehmen mit dem Gesundheitsamt in den in § 33 IfSG genannten Einrichtungen Ausnahmen von den genannten Verboten zulassen, wenn Maßnahmen durchgeführt werden oder wurden, mit denen eine Übertragung der aufgeführten Erkrankung verhütet werden kann.
Die Einschränkung der Tätigkeit bzw. des Besuchs der Gemeinschaftseinrichtung gilt, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit nicht mehr zu befürchten ist. Das ärztliche Urteil kann das Urteil des behandelnden Arztes oder eines Arztes des zuständigen Gesundheitsamtes sein. Das ärztliche Urteil kann mündlich erfolgen. § 34 IfSG fordert keine schriftliche Bescheinigung über das ärztliche Urteil, dennoch kann diese zur Absicherung aller Beteiligten zweckmäßig sein.
Hinweis
Bei strikter Einhaltung der persönlichen Hygiene bzw. der oben genannten Maßnahmen im Rahmen eines stationären Aufenthaltes ist eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung des Hepatitis-E-Virus sehr unwahrscheinlich. Aus epidemiologischer Sicht sollte daher die Verhältnismäßigkeit des Verbots des Besuchs von Gemeinschaftseinrichtung genau geprüft werden.
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4. Tätigkeit in Lebensmittelbetrieben und Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung (gemäß § 42 Abs. 1)
Gemäß § 42 IfSG dürfen Personen, die an Hepatitis E erkrankt oder dessen verdächtig sind, unabhängig vom Genotyp, nicht tätig sein oder beschäftigt werden:
a) beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen der in § 42 Absatz 2 genannten Lebensmittel (s.u.), wenn sie dabei mit diesen in Berührung kommen,
oder
b) in Küchen von Gaststätten und sonstigen Einrichtungen mit oder zur Gemeinschaftsverpflegung.
Lebensmittel im Sinne des § 42 Abs. 2 IfSG sind:
- Fleisch, Geflügelfleisch und Erzeugnisse daraus
- Milch und Erzeugnisse auf Milchbasis
- Fische, Krebse oder Weichtiere und Erzeugnisse daraus
- Eiprodukte
- Säuglings- und Kleinkindernahrung
- Speiseeis und Speiseeishalberzeugnisse
- Backwaren mit nicht durchgebackener oder durcherhitzter Füllung oder Auflage
- Feinkost-, Rohkost- und Kartoffelsalate, Marinaden, Mayonnaisen, andere emulgierte Soßen, Nahrungshefen
- Sprossen und Keimlinge zum Rohverzehr sowie Samen zur Herstellung von Sprossen und Keimlingen zum Rohverzehr.
Hinweis
Die in § 42 IfSG genannte Liste von Lebensmitteln ist im Zusammenhang mit dem Hepatitis-E-Virus als unvollständig anzusehen. Aus epidemiologischer Sicht sollten Personen, die Virus ausscheiden, nicht mit unverpackten Lebensmitteln umgehen, die potenziell ohne weiteres Erhitzen (auf mindestens 71°C über 20 Minuten) oder Kochen verzehrt werden können.
Hinweis auf EU-Verordnung 852/2004 über Lebensmittelhygiene
Gemäß Anhang 2 Kapitel VIII ("Persönliche Hygiene") Nr. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004, die allgemeine Lebensmittelhygienevorschriften für Lebensmittelunternehmer enthält, ist Personen, die an einer Krankheit leiden, die durch Lebensmittel übertragen werden kann, oder Träger einer solchen Krankheit sind, sowie Personen mit beispielsweise infizierten Wunden, Hautinfektionen oder –verletzungen oder Diarrhö der Umgang mit Lebensmitteln und das Betreten von Bereichen, in denen mit Lebensmitteln umgegangen wird, generell verboten, wenn die Möglichkeit einer direkten oder indirekten Kontamination besteht.
Bezüglich weiterer Informationen verweisen wir auf die auf der RKI Internetseite veröffentlichten Materialien.
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5. Umgang mit Kontaktpersonen
Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung von Hepatitis-E-Virus unter engen Kontaktpersonen (z.B. unter Haushaltsangehörigen) kann zwar prinzipiell nicht ausgeschlossen werden, ist in der Praxis aber offensichtlich ein sehr seltenes Ereignis. Insofern sollten Haushaltskontakte von Erkrankten bei Wahrung guter persönlicher Hygiene aller Haushaltsangehörigen als nicht ansteckungsverdächtig gelten.
Lediglich in Situationen, in denen die Konsequenz einer Ansteckung sehr groß wäre, sollte erwogen werden, Kontaktpersonen sicherheitshalber auf das Vorliegen einer Hepatitis E Infektion zu testen. Beispiele: eine Kontaktperson arbeitet auf einer Station mit stark immunsupprimierten Personen oder ist in der Küche tätig bzw. kommt beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen in Berührung mit Lebensmitteln gemäß Absatz 2 §42 IfSG, die zur Versorgung von stark immunsupprimierten Patienten vorgesehen sind.
Die oben genannten Vorschriften für Gemeinschaftseinrichtungen gelten auch für Personen, in deren Wohngemeinschaft nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung oder ein Verdacht auf Virushepatitis E aufgetreten ist. Die Verhältnismäßigkeit eines Besuchsverbots von Gemeinschaftseinrichtungen sollte aber genau geprüft werden.
Eine Ausnahme bilden stark abwehrgeschwächte Personen, welche empfänglicher für die Infektion sind, nach Kontakt mit Hepatitis-E-Erkrankten eine chronische Hepatitis E entwickeln und das Virus unbemerkt über längere Zeit ausscheiden können. Bei dieser Personengruppe empfiehlt sich der Ausschluss einer asymptomatischen Hepatitis E im Abstand von einigen Wochen nach Exposition.
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6. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Beim Auftreten von zeitlich-räumlichen Häufungen sollte bei serologisch oder mittels NAT bestätigten Fällen eine Feintypisierung des Virus durchgeführt werden. Durch einen Stammvergleich ist es möglich, zufällige Häufungen von echten Ausbrüchen mit epidemiologischem Zusammenhang zwischen den Patienten sicher abzugrenzen bzw. die zum Ausbruch gehörenden Patienten von sporadischen Fällen zu unterscheiden. Für den ÖGD führt das Konsiliarlabor für HAV und HEV Feintypisierungen und Stammvergleiche kostenlos durch.
Ausbrüche durch Mensch-zu-Mensch-Übertragung von Hepatitis-E-Virus Genotyp 3 sind bisher nicht beobachtet worden. Durch kontaminierte Lebensmittel könnten aber unter Umständen regional oder überregional vermehrt Erkrankungsfälle auftreten. Besteht der Verdacht auf eine Übertragung durch bestimmte Lebensmittel oder infizierte Tiere, sollte das Gesundheitsamt die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde und das zuständige Veterinäramt unverzüglich informieren. In gleicher Weise sollten auch Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsbehörden bei Kenntnis von Krankheiten, die im Zusammenhang mit Lebensmittelverzehr oder Tierkontakt stehen, das zuständige Gesundheitsamt informieren.
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Gesetzliche Grundlage
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Meldepflicht gemäß IfSG
Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 IfSG der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an akuter Virushepatitis sowie gemäß § 7 Abs. 1 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis von Hepatitis-E-Virus, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet.
Des Weiteren ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 IfSG der Verdacht auf und die Erkrankung an einer akuten infektiösen Gastroenteritis meldepflichtig,
- wenn die betroffene Person Umgang mit Lebensmitteln hat oder in Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung (z. B. Küchen, Gaststätten) beschäftigt ist (siehe Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen), oder
- wenn zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird.
Die Meldungen müssen dem Gesundheitsamt spätestens 24 Stunden nach erlangter Kenntnis vorliegen.
In § 8 IfSG werden die zur Meldung verpflichteten Personen benannt (https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__8.html). In § 9 IfSG ist festgelegt, welche Angaben die namentliche Meldung an das Gesundheitsamt enthalten darf (https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__9.html).
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Benachrichtigungspflicht gemäß IfSG
Leiterinnen und Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen haben gemäß § 34 Abs. 6 IfSG das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich zu benachrichtigen,
- wenn in ihrer Einrichtung betreute oder betreuende Personen an Virushepatitis E erkrankt oder dessen verdächtig sind oder
- wenn in den Wohngemeinschaften der in ihrer Einrichtung betreuten oder betreuenden Personen nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung an oder ein Verdacht auf Virushepatitis E aufgetreten ist.
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Übermittlung
Das Gesundheitsamt übermittelt gemäß § 11 Abs. 1 IfSG an die zuständige Landesbehörde nur Erkrankungs- oder Todesfälle und Erregernachweise, die der Falldefinition gemäß § 11 Abs. 2 IfSG entsprechen.
Die vom RKI erstellten Falldefinitionen sind auf den Internetseiten des RKI unter www.rki.de/falldefinitionen veröffentlicht.
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Beratung und Spezialdiagnostik
Das Robert Koch-Institut führt keine individuelle medizinische Beratung zu Klinik, Therapie oder Impfungen durch. Bitte wenden Sie sich diesbezüglich an Ärzte oder Kliniken in Ihrer Nähe, bei denen möglichst eine Spezialisierung für Infektionskrankheiten besteht.
Bezüglich Fragen zu Infektionsschutz und -prävention kontaktieren Sie bitte Ihr zuständiges Gesundheitsamt (https://tools.rki.de/plztool/).
Beratung zur Epidemiologie
Robert Koch-Institut
Abteilung für Infektionsepidemiologie
Fachgebiet 35 – Gastrointestinale Infektionen, Zoonosen und tropische Infektionen
Seestraße 10, 13353 Berlin
E-Mail: Kontaktformular
Beratung zur Spezialdiagnostik
Konsiliarlabor für Hepatitis-A-Virus (HAV) und Hepatitis-E-Virus (HEV)
Universitätsklinikum Regensburg
Institut für Klinische Mikrobiologie und Hygiene
Franz-Josef-Strauß-Allee 11, 93053 Regensburg
Ansprechpartner: Prof. Dr. Jürgen Wenzel
Tel.: 0941 944 6411
Fax.: 0941 944 6402
E-Mail: juergen.wenzel@ukr.de
Homepage: https://imhr.de/?page_id=172
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Weitere Informationen
www.rki.de/hev
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Ausgewählte Informationsquellen
- Faber M, Willrich N, Schemmerer M, Rauh C, Kuhnert R, Stark K, Wenzel JJ. Hepatitis E virus seroprevalence, seroincidence and seroreversion in the German adult population. J Viral Hepat. 2018 Jun;25(6):752-758. doi: 10.1111/jvh.12868. Epub 2018 Mar 1. PMID: 29377436
- Kamar N, Pischke S. Acute and Persistent Hepatitis E Virus Genotype 3 and 4 Infection: Clinical Features, Pathogenesis, and Treatment. Cold Spring Harb Perspect Med. 2019 Jul 1;9(7):a031872. doi: 10.1101/cshperspect.a031872. PMID: 29735575; PMCID: PMC6601456.
- European Association for the Study of the Liver. Electronic address: easloffice@easloffice.eu; European Association for the Study of the Liver. EASL Clinical Practice Guidelines on hepatitis E virus infection. J Hepatol. 2018 Jun;68(6):1256-1271. doi: 10.1016/j.jhep.2018.03.005. Epub 2018 Mar 31. PMID: 29609832.
- Schemmerer M, Wenzel JJ, Stark K, Faber M. Molecular epidemiology and genotype-specific disease severity of hepatitis E virus infections in Germany, 2010-2019. Emerg Microbes Infect. 2022 Dec;11(1):1754-1763. doi: 10.1080/22221751.2022.2091479. PMID: 35713010; PMCID: PMC9295818.
- RKI: Prüfung und Deklaration der Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln gegen Viren. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz Gesundheitsschutz 2017; 60:353–363.
- Smith DB, Simmonds P; International Committee on Taxonomy of Viruses Hepeviridae Study Group, et al.: Consensus proposals for classification of the family Hepeviridae. J Gen Virol. 2014 Oct;95(Pt 10):2223-2232.
- Wenzel JJ, Preiss J, Schemmerer M, et al.: Test Performance Characteristics of Anti-HEV IgG Assays Strongly Influence Hepatitis E Seroprevalence Estimates. J Infect Dis 2013, 207(3):497-500.
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Redaktion der Reihe "RKI-Ratgeber"
Hinweise zur Reihe "RKI-Ratgeber" richten Sie bitte an das Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektionsepidemiologie (Kontaktformular) oder an die Redaktion des Epidemiologischen Bulletins (Kontaktformular).
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