Navigation und Service

Zielgruppeneinstiege

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Mit dem Klick auf "Erlauben" erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihren Aufenthalt auf der Seite anonymisiert aufzeichnen. Die Auswertungen enthalten keine personenbezogenen Daten und werden ausschließlich zur Analyse, Pflege und Verbesserung unseres Internetauftritts eingesetzt. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz

OK

HIV-Infektion/AIDS

RKI-Ratgeber

Präambel

Die Herausgabe der RKI-Ratgeber erfolgt durch das Robert Koch-Institut (RKI) auf der Grundlage des § 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Zielgruppe der RKI-Ratgeber sind Fachkreise, u. a. Ärztinnen und Ärzte, medizinisches Fachpersonal und der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD). Informationen zu wichtigen Infektionskrankheiten sollen aktuell und konzentriert der Orientierung dienen. Die Beiträge werden in Zusammenarbeit mit den Nationalen Referenzzentren (NRZ), Konsiliarlaboren (KL) sowie weiteren Expertinnen und Experten erarbeitet. Die RKI-Ratgeber sind auf der Internetseite des RKI (www.rki.de/ratgeber) abrufbar. Neu erstellte RKI-Ratgeber und deutlich überarbeitete Folgeversionen werden im Epidemiologischen Bulletin (www.rki.de/epidbull) veröffentlicht.

Erstveröffentlichung im Epidemiologischen Bulletin 4/2006, Aktualisierung des Abschnitts „Prävention im medizinischen Bereich/Hygienemaßnahmen“ im März 2016, der Abschnitte „Gesetzliche Grundlage“ und „Beratung und Spezialdiagnostik“ im Februar 2018 sowie „Diagnostik“ im November 2018, vollständig aktualisierte Fassung vom Juni 2022.

Erreger

Die Humanen Immundefizienz-Viren (HIV) sind lymphotrope Lentiviren aus der Familie der Retroviren. Die einzelnen Viruspartikel enthalten je zwei RNA-Stränge, umschlossen von einem Capsid-Protein (p24) und einer Lipidmembran mit Hüllproteinen (gp120, gp41). Die virale RNA wird durch eine viruseigene reverse Transkriptase in provirale DNA umgeschrieben, die nach dem Transport in den Zellkern durch eine virale Integrase in das Zellgenom integriert wird. Eine infizierte Zelle ist damit prinzipiell während ihrer gesamten Lebenszeit in der Lage, neues Virus zu produzieren.

Bei HIV wird zwischen HIV-1 undHIV-2 differenziert, die jeweils weiter in verschiedene Untergruppen und Subtypen unterteilt werden. Beim Menschen werden mittlerweile neun Subtypen der am weitesten verbreiteten HIV-1 Gruppe M und mindestens 15 breiter zirkulierende rekombinante Formen (CRF) unterschieden. Zuletzt wurden die sehr selten vorkommenden Gruppe N- und P-Viren beschrieben. Infektionen mit der HIV-1 Gruppe O (Outlier) sind weitgehend auf Westafrika (Kamerun) beschränkt. HIV-2 wird ebenfalls vorwiegend in Westafrika gefunden.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit stellte die HIV-Infektion ursprünglich eine Zoonose dar. Die den HIV verwandten Simianen Immundefizienz-Viren (SIV) werden bei vielen Altweltaffen in Afrika nachgewiesen. Das HIV-1 am nächsten verwandte SIV wurde in Schimpansen gefunden, das HIV-1 Gruppe P verwandte SIV in Gorillas, das HIV-2 verwandte SIV in Rußmangaben (Cercocebus atys).

Vorkommen

Die AIDS-Erkrankung (englisch: Acquired Immune Deficiency Syndrome; erworbenes Immunschwächesyndrom) wurde anhand klinischer und immunologischer Charakteristika 1981 als neu auftretendes Krankheitsbild unbekannter Ätiologie beschrieben.

Im Jahr 1983 wurde HIV-1 erstmals aus einem Patienten isoliert. Das verwandte HIV-2 wurde 1986 aus westafrikanischen AIDS-Erkrankten isoliert. Zum Zeitpunkt der Entdeckung und Erstbeschreibung in den USA waren HIV-Infektionen bereits in Zentralafrika, in der Karibik und in bestimmten Bevölkerungsgruppen in Nordamerika und Westeuropa verbreitet. Die älteste gesichert dokumentierte HIV-1-Infektion stammt aus dem Jahr 1959 bei einem afrikanischen Patienten.

Molekularbiologische Untersuchungen und Analysen legen nahe, dass ein Spezieswechsel der beiden Viren vom Affen auf den Menschen im frühen 20. Jahrhundert stattgefunden haben muss. Eine Etablierung der Infektion in der menschlichen Population kann auf iatrogenem Weg durch intravenöse (i. v.) Injektionsbehandlung von Tropenkrankheiten in den 30er- bis 50er-Jahren erfolgt sein. In Regionen Zentralafrikas, in denen SIV-Infektionen bei Schimpansen nachgewiesen wurden, wird in höheren Alterskohorten noch heute eine hohe Prävalenz von Hepatitis-C-Virus (HCV) gefunden. HCV ist ein sensibler Marker für blutübertragene Infektionen. Hohe HCV-Prävalenzen in einigen afrikanischen Ländern konnten auf Kampagnen zur Behandlung von Tropenkrankheiten mittels Injektionsbehandlung in der Kolonialzeit zurückgeführt werden.

Seit seiner Entdeckung hat sich vor allem HIV-1 weltweit ausgebreitet und zu Epidemien unterschiedlicher Schweregrade geführt (s. a. Tab. 1). Nach Schätzungen des Gemeinsamen Programms der Vereinten Nationen für HIV/AIDS (UNAIDS) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) lebten Ende 2020 etwa 37,7 Millionen Menschen weltweit mit einer HIV-Infektion oder AIDS. Die Zahl der HIV-Neuinfektionen wurde im Jahr 2020 auf 1,5 Millionen Menschen geschätzt. Mehr als 95% aller HIV-Infizierten leben in Entwicklungsländern, die Hälfte aller betroffenen Erwachsenen sind Frauen. Bis Ende 2020 waren bereits über 36 Millionen Menschen an den Folgen derHIV-Infektion verstorben – allein im Jahr 2020 waren es 680.000 Menschen.

Weltweit*Subsahara*-AfrikaOsteuropa*Deutschland**
Infizierte37,7 Mio.25,3 Mio.1,6 Mio.91.400
Neuinfektionen jährlich1,5 Mio.870.000140.0002.000
davon Kinder unter 15 Jahren150.000130.000keine Angabe<10
Tote jährlich680.000460.00035.000380

Tab. 1:  Anzahl HIV-Infizierter und AIDS-Toter im globalen Vergleich
*  Schätzungen der WHO, Stand Ende 2020
** Schätzung des RKI, Stand Ende 2020

In Deutschland sind seit Beginn der Epidemie Ende der 1970er-Jahre bis Ende 2020 etwa 29.900 Menschen an den Folgen einer HIV-Infektion verstorben. Die Zahl derHIV-Infizierten in Deutschland liegt nach Schätzung desRKI im Jahr 2020 bei etwa 91.400, was im europäischen Vergleich eine eher niedrige Prävalenz darstellt. Deutschland zählt zu den Ländern, in denen HIV-Infektionen bislang im Wesentlichen auf einige Bevölkerungsgruppen mit besonders hohem Infektionsrisiko beschränkt geblieben sind. Bei diesen Gruppen handelt es sich um Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten (MSM; ca. 65% der aktuell diagnostizierten Infektionen), Personen mit Herkunft aus Ländern mit hoher Verbreitung von HIV in der Allgemeinbevölkerung (den sogenannten Hochprävalenzregionen) und Personen, die i. v. Drogen konsumieren (10%). Etwa 24% der in Deutschland diagnostizierten HIV-Infektionen werden derzeit über heterosexuelle Kontakte erworben, meist über Partnerinnen oder Partner aus einer der drei genannten Hauptbetroffenengruppen. Zu den Hochprävalenzregionen, in denen mehr als 1% der erwachsenen Bevölkerung infiziert ist, zählen derzeit alle Länder in Subsahara-Afrika, große Teile der Karibik und einige Länder Südostasiens; in den am stärksten betroffenen Regionen im südlichen Afrika werden Prävalenzen bis zu 40% in der erwachsenen Bevölkerung erreicht.

Die HIV-Infektionen bzw. AIDS-Erkrankungen sind in Deutschland in der Bevölkerung sehr ungleich verteilt. Nach wie vor dominieren wenige Großstädte das epidemiologische Geschehen. Etwa 30% der HIV-Infektionen werden in den Großstädten Berlin, Frankfurt am Main, München, Köln, Düsseldorf und Hamburg diagnostiziert.

Aktuelle Fallzahlen und weitere epidemiologische Kenngrößen aller meldepflichtigen Krankheiten finden Sie im aktuellen Infektionsepidemiologischen Jahrbuch unter www.rki.de/jahrbuch. Ein vereinfachter Datenbestand der gemäß IfSG meldepflichtigen Krankheitsfälle und Erregernachweise kann mit Hilfe von SurvStat@RKI unter www.rki.de/survstat abgefragt werden.

Reservoir

Einziges bekanntes Reservoir für HIV-1 und HIV-2 ist der Mensch. Schimpansen können mit HIV-1 infiziert werden, erkranken aber entweder gar nicht oder erst nach sehr langen Inkubationszeiten.

Infektionswege

HIV wird durch Blut und andere infektiöse Körperflüssigkeiten, im Wesentlichen Sperma, Vaginalsekret und den Flüssigkeitsfilm auf der Darmschleimhaut übertragen. Häufigster Übertragungsweg sind ungeschützte Sexualkontakte.

Die sexuelle Übertragung kann durch Kontakt virushaltiger Körperflüssigkeit mit der rektalen oder vaginalen/zervikalen oder der Schleimhaut von Glans penis und Vorhaut erfolgen. Mit der Höhe der Viruslast in den Sekreten steigt die Infektiosität. Die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung über die oralen Schleimhäute ist sehr gering (Ausnahme: Stillen bei Neugeborenen). Schleimhautläsionen sind für eine Übertragung keine Voraussetzung, können diese aber begünstigen. Lokale Faktoren wie gleichzeitig vorliegende andere sexuell übertragbare Infektionen (STI) können sowohl die Infektiosität als auch die Suszeptibilität deutlich steigern und stellen damit wichtige Kofaktoren für eine Übertragung von HIV dar.

Die parenterale Inokulation des Virus in Form kontaminierten Blutes oder von Blutprodukten, in Form einer gemeinsamen Verwendung von Injektionsutensilien, z.B. bei Personen mit i. v. Drogengebrauch, oder durch Schnitt- oder Stichverletzungen an kontaminierten Instrumenten, z.B. bei medizinischem Personal, ist ebenfalls ein wichtiger Übertragungsweg.

Übertragungen von der Schwangeren auf ihr Kind sind kurz vor, aber vor allem während der Geburt möglich. Nach der Geburt kann die Infektion durch Stillen übertragen werden. Kein Infektionsrisiko stellen Körperkontakte im alltäglichen sozialen Miteinander, die gemeinsame Benutzung von Geschirr, Besteck u. Ä. sowie die gemeinsame Benutzung sanitärer Einrichtungen dar. HIV wird nicht über Speichel, Tränenflüssigkeit, Tröpfcheninfektion, durch Insektenstiche oder über Nahrungsmittel oder Trinkwasser übertragen. Die Kontamination von intakter Haut mit virushaltiger (Körper-)Flüssigkeit führt ebenso wenig zu einer Übertragung.

Inkubationszeit

Sechs Tage bis sechs Wochen, meist aber zwei bis drei Wochen nach der Infektion tritt bei einem Teil der Infizierten ein unspezifisches akutes Krankheitsbild eines viralen Infektes auf. Die Symptome können mild sein bzw. werden meist als grippaler Infekt verkannt.

Nach der Phase der akuten Infektion folgt meist ein symptomfreies oder symptomarmes Stadium der HIV-Infektion, welches Monate oder Jahre dauern kann.

Ergebnisse prospektiver Kohortenstudien zeigten, dass beim therapeutisch unbeeinflussten Krankheitsverlauf zehn Jahre nach Infektion etwa 50% der Infizierten mit schweren Immundefekten erkrankt sind. In den beiden ersten Jahren nach Infektion ist der Anteil der an AIDS Erkrankenden gering, danach erkranken jährlich etwa 6% der Infizierten.

Säuglinge und Kleinkinder erkranken schneller. Bei ihnen stehen Entwicklungsstörungen und schwere bakterielle Infektionen im Vordergrund.

Mit den heute zur Verfügung stehenden antiretroviralen Medikamenten können klinische Manifestationen eines schweren Immundefektes in der Regel verhindert werden.

Dauer der Ansteckungsfähigkeit

Jede infizierte Person ist lebenslang potenziell ansteckungsfähig. Die Ansteckungsfähigkeit ist in den ersten Wochen nach der Infektion, bevor sich körpereigene Abwehrstoffe und spezifische Abwehrzellen gebildet haben, besonders hoch. Danach sinkt die Infektiosität in der Regel und nimmt bei fortgeschrittenem Immundefekt und dem Auftreten klinischer Symptome wieder zu. Grundsätzlich korreliert die Ansteckungsfähigkeit mit der Höhe der Viruslast im Blut und anderen Körpersekreten.

Durch eine erfolgreiche antiretrovirale Therapie (ART), die die Viruslast im Plasma unter die Nachweisgrenze der verfügbaren Testverfahren (derzeit ca. 20 Viruskopien/ml) reduziert, wird daher auch die Ansteckungsfähigkeit praktisch aufgehoben (n = n – nicht nachweisbar = nicht übertragbar).

Eine „Superinfektion“ mit einer weiteren Virusvariante bei bereits bestehender HIV-Infektion ist grundsätzlich möglich und kann u. a. zu Medikamentenresistenzen und zu einem beschleunigten Krankheitsverlauf beitragen. Voraussetzung für eine Superinfektion ist in der Regel, dass keine der beteiligten infizierten Personen effektiv antiretroviral behandelt wird.

Klinische Symptomatik

Sechs Tage bis sechs Wochen, meist zwei bis drei Wochen nach einer Infektion wird bei einem Teil der Infizierten ein akutes Mononukleose-ähnliches Krankheitsbild mit Fieber, akuter Lymphknotenschwellung, diskretem Exanthem des Stammes, z. T. Durchfall und schmerzhaften Schluckbeschwerden beobachtet. In seltenen Fällen bestehen Symptome einer flüchtigen Meningoenzephalitis.

Das in der Regel auf ein bis zwei Wochen limitierte akute Krankheitsbild ist häufig so schwach ausgeprägt, dass es nicht zum Arztbesuch veranlasst, oder es wird differenzialdiagnostisch nicht an eine akute HIV-Infektion gedacht.

Der Nachweis HIV-spezifischer Antikörper kann nach der akuten Infektionsphase der einzige Hinweis auf eine bestehende HIV-Infektion sein. Das symptomfreie Stadium der HIV-Infektion kann Monate bis Jahre dauern. In diesem Stadium können indolente, mehrere Regionen betreffende Lymphknotenschwellungen auftreten und über Wochen bis Monate persistieren. Symptome der chronischen HIV-Infektion manifestieren sich meist als unspezifische Störungen des Allgemeinbefindens, als Veränderungen an Haut und Schleimhäuten und als gastrointestinale Beschwerden. Gelegentlich findet sich eine diskrete neurologische Symptomatik.

Die individuellen Verläufe und Krankheitsbilder sind von bemerkenswerter Vielfältigkeit. Eine deutliche klinische Symptomatik kann gefolgt sein von Phasen völliger oder weitgehender Beschwerdefreiheit. Andererseits können sich die Komplikationen, die durch einen schweren Immundefekt bedingt sind, auch akut aus scheinbar völliger Gesundheit entwickeln. Allen Erkrankten gemeinsam sind ausgeprägte Störungen der zellulären Immunabwehr, die nur durch eine erfolgreiche Therapie reversibel sind. Die schweren, meist lebensbedrohlichen Manifestationen werden als AIDS bezeichnet.

Der schwere Immundefekt (AIDS) manifestiert sich in der überwiegenden Zahl (70%) der bis dahin unerkannten bzw. nicht antiretroviral behandelten Fälle in Form lebensbedrohlicher opportunistischer Infektionen. Die bedeutsamsten sind die Pneumonien durch Pneumocystis jirovecii (PjP) (früher Pneumocystis carinii-Pneumonie), Ösophagitiden durch Candida albicans, durch Toxoplasmen verursachte zerebrale Abszesse und Reaktivierungen von Zytomegalievirus-Infektionen mit unterschiedlicher Lokalisation (Auge, Lunge, Hirn, Darm). Bei den opportunistischen Krankheitserregern handelt es sich meist um ubiquitäre und/oder persistierende Keime.

Eine weitere bedeutende AIDS-definierende Erkrankung ist die aktive Tuberkulose. Diese ist i. e. S. keine opportunistische Infektion, da ein Erregernachweis von Mycobacterium tuberculosis auch bei immunkompetenten Personen bedeutet, dass eine aktive Tuberkulose vorliegt.

In knapp 15% der Fälle führt eine maligne Neubildung zur AIDS-Diagnose. Am häufigsten sind bei nicht antiretroviral Behandelten Kaposi-Sarkome, die nicht wie die klassische Form nur kutan auftreten, sondern häufig auch den Gastrointestinaltrakt, das lymphoretikuläre System und die Lungen befallen, sowie B-Zell-Lymphome.

Diagnostik

Die Diagnostik der HIV-Infektion stützt sich auf den Nachweis spezifischer Antikörper in Kombination mit dem Nachweis von viralen Proteinen (Antigene) oder viralen Nukleinsäuren (Zweistufendiagnostik mit Such- und Bestätigungstest).1

Spezifische Antikörper werden im Durchschnitt nach 22 Tagen bei Infizierten nachweisbar, Virusantigen bereits nach 16 bis 18 Tagen. Virale Nukleinsäuren können im Durchschnitt sogar schon nach elf Tagen diagnostiziert werden. Ein sicherer Ausschluss erfordert jedoch deutlich längere Zeiträume als die genannten Durchschnittswerte. Bei Verwendung einer Zweistufendiagnostik, die im Suchtest allein auf dem Nachweis von HIV-Antikörpern beruht (ELISA 3. Generation), ist daher noch immer ein Zwölf-Wochen-Zeitfenster festgelegt, um eine HIV-Infektion sicher zu diagnostizieren oder auszuschließen. Werden moderne Suchtests der 4. Generation verwendet, die neben Antikörpern auch HIV-Antigene nachweisen, ist ein sicherer Nachweis in der Regel schon nach maximal sechs Wochen möglich. Damit gilt auch, dass sechs Wochen nach möglicher Exposition durch ein negatives Ergebnis im HIV-Antikörper-/Antigen-Suchtest der 4. Generation eine Infektion mit großer Sicherheit ausgeschlossen werden kann (keine spezifischen Antikörper oder p24-Antigen nachweisbar).

Im ersten Schritt der Zweistufendiagnostik wird in einem hochsensitiven Test, z.B. einem ELISA oder einem vergleichbaren Test, geprüft, ob Antikörper gegen virale Antigene und/oder virales p24-Antigen vorliegen. Die meisten der in Deutschland verwendeten ELISA können gleichzeitig HIV-1- und HIV-2-spezifische Antikörper erkennen. In seltenen Fällen kann es im Suchtest zu unspezifischen Reaktionen kommen. Daher wird mit einem zweiten, hochspezifischen Test, dem sogenannten Immunoblot, die Bindungsspezifität der Antikörper an die Antigene geprüft. Zur Bestätigung eines reaktiven ELISA durch den Immunoblot genügt nicht der Nachweis eines einzigen viralen Proteins, sondern es ist immer ein definiertes Reaktionsmuster erforderlich, anhand dessen eine HIV-Infektion erst diagnostiziert werden kann. Ist das Ergebnis im Immunoblot nicht eindeutig, kann zur weiteren Abklärung ein HIV-Nukleinsäureamplifikationstest (NAT) durchgeführt werden. Ist auch dadurch eine Infektion nicht zu bestätigen, muss zur endgültigen Abklärung die Testung aus einer zweiten Blutprobe wiederholt werden, die nach ein bis drei Wochen entnommen werden sollte. Im Falle einer frischen Infektion würde ein noch unvollständig ausgebildetes Bandenmuster im Immunoblot bei Wiederholung der Untersuchung eine bis mehrere Wochen später ein eindeutiges Bandenmuster und damit eine abgeschlossene Serokonversion anzeigen. Generell sollte zum Ausschluss einer Probenverwechslung immer eine zweite Blutprobe getestet werden.

Alternativ zur Bestätigung im Immunoblot kann die Bestätigung eines reaktiven Suchtests auch durch den Nachweis viraler Nukleinsäuren in einem NAT, z.B. mit der PCR, erfolgen – vorausgesetzt, die gemessene Viruslast beträgt mindestens 1.000 Kopien/ml. Bei begründetem Verdacht auf eine kürzlich erworbene HIV-Infektion mit noch negativem oder unklarem Ergebnis im ELISA der 4. Generation, aber mit positivem NAT-Ergebnis (in der Regel > 100.000 Kopien/ml) sollte vor Beginn einer ART das positive NAT-Ergebnis in einer zweiten Blutprobe bestätigt werden. Dies gilt auch für die HIV-Diagnose bei einem Neugeborenen, bei dem der Antikörpernachweis auf Grund des Vorhandenseins mütterlicher Antikörper für den Infektionsstatus des Kindes nicht aussagekräftig ist.

Die NATs wurden in den letzten Jahren verbessert und werden für viele diagnostische Fragestellungen verwendet. Neben der häufig verwendeten qualitativen und quantitativen PCR stehen auch andere NATs (NASBA, b-DNA) für den quantitativen Nachweis von HIV-Genomkopien zur Verfügung. Die verfügbaren kommerziellen NATs haben nicht dieselbe Sensitivität für alle bekannten HIV-1-Gruppen und -Subtypen. Dies kann zu erniedrigten oder falsch-negativen Testergebnissen führen. Daher sollte in Fällen von niedriger oder nicht nachweis-barer Viruslast bei reaktivem Suchtest auch an die Möglichkeit einer HIV-2-Infektion oder das Vorliegen seltener Virusvarianten gedacht werden.

Zur Differenzierung von HIV-1 und HIV-2 werden in der Regel typspezifische Immunoblots eingesetzt. Aufgrund der Verwandtschaft der beiden Virustypen kann es zu Kreuzreaktivitäten kommen, die eine Differenzialdiagnose erschweren. In solchen Fällen kann eine typspezifische PCR zur Abklärung durchgeführt werden.

Zum Nachweis von HIV-2 gibt es bislang noch keinen kommerziellen NAT-Test. HIV-2-Infektionen machen in Deutschland jedoch nur ca. 0,5% aller Neudiagnosen aus. Aufgrund des möglichen Versagens der NAT bei Vorliegen von Infektionen mit HIV-2 und/oder seltenen HIV-1 müssen negative NAT-Ergebnisse in der Bestätigungsdiagnostik durch serologische Untersuchungen abgesichert werden. Falls serologisch der Verdacht auf eine HIV-2-Infektion besteht, kann in virologischen Speziallaboren ein HIV-2-NAT zur Diagnose zusätzlich zur serologischen Untersuchung herangezogen werden.

Neben der Anzahl bzw. dem Anteil der CD4+-Helferzellen unter den T-Lymphozyten stellen die Viruslast im Blut (Viruskopien/ml Plasma) und das Ausmaß der Aktivierung des Immunsystems wichtige prognostische Marker für den Verlauf der Erkrankung und die Wirksamkeit der Therapie dar. Zur Klärung eines unzureichenden Ansprechens auf eine Therapie oder eines Therapieversagens können die Bestimmung von Medikamentenspiegeln im Plasma bzw. Resistenztestungen indiziert sein.

Seit dem 29.09.2018 können HIV-Schnelltests zur Eigenanwendung, sogenannte HIV-Selbsttests oder HIV-Heimtests, in Deutschland legal vertrieben werden. Die in Deutschland verfügbaren Tests verfügen über eine CE-Markierung als Zeichen dafür, dass sie für den Zweck der Anwendung durch Laien geprüft und in der Europäischen Union (EU) zugelassen sind. Auf der Internetseite des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) sind weitere Informationen zu den in Deutschland vertriebenen HIV-Selbsttests abrufbar (www.pei.de/hiv-selbsttests). Abgeraten wird vom Erwerb von im Internet vertriebenen, nicht in der EU zugelassenen Selbsttests, da unklar ist, ob diese Tests die notwendigen Qualitätsanforderungen erfüllen. CE-zertifizierte Selbsttests können in Apotheken, Drogeriemärkten, über lokale AIDS-Hilfen, über die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) und über Online-Bestellung erworben werden. Weitere Informationen zur Durchführung solcher Selbsttests und zu Beratungsangeboten finden Sie auf den Internetseiten der DAH.

Therapie

Zur Therapie der HIV-Infektion stehen eine Reihe von Substanzen zur Verfügung, die sich in bislang fünf Substanzgruppen einteilen lassen. Dabei handelt es sich um Inhibitoren viraler Enzyme, welche essenzielle Funktionen im Vermehrungszyklus des Virus wahrnehmen, und um Stoffe, die das Eindringen des Virus in seine Zielzellen verhindern (sogenannte Fusionsinhibitoren und CCR5-Rezeptorenblocker). Die Enzyminhibitoren lassen sich unterteilen in zwei Gruppen von Inhibitoren der Reversen Transkriptase, Nukleosidanaloga und nichtnukleosidische Hemmstoffe sowie Hemmstoffe der viralen Protease. Die neueste Substanzgruppe sind Integrase-Inhibitoren, die die Integration proviraler DNA in die Zell-DNA verhindern. Wirkstoffe, die an weiteren Ansatzpunkten angreifen, befinden sich in der Entwicklung.

Ziel der ART ist es, die Entstehung eines klinisch relevanten Immundefektes und der sich daraus ergebenden Komplikationen zu verhindern. Die Schädigung des Immunsystems ist durch die fortgesetzte und mit zunehmender Schädigung immer schlechter kontrollierbare Vermehrung von HIV bedingt. Um den Ausbruch von AIDS aufzuhalten, muss die Vermehrung von HIV durch eine ART unterdrückt werden. Ein zusätzlicher und erwünschter Effekt einer wirksamen ART ist die Verminderung der Infektiosität. Von einer mit HIV infizierten Person, die seit mindestens sechs Monaten eine ART erhält und bei der die aktuelle Viruslast unter der Nachweisgrenze liegt, kann HIV auf sexuellem Wege oder durch akzidentelle Kontaminationen (z.B. Nadelstichverletzungen) nicht mehr übertragen werden.

Bei fortdauernder nennenswerter Virusreplikation unter einer medikamentösen nicht effektiven Suppressionstherapie muss mit einer raschen Resistenzentwicklung gerechnet werden. Einmal entstandene Resistenzen beeinflussen fast immer auch die Wirksamkeit von Folgetherapien (Kreuzresistenz). Daher besteht von Therapiebeginn an das Ziel, eine möglichst vollständige Hemmung der Virusvermehrung zu erreichen. Nur so kann der Entstehung von Resistenzen maßgeblich entgegengewirkt werden. Mit den verfügbaren Medikamenten ist dies derzeit nur bei Einsatz einer Kombination von mehreren, in der Regel drei Substanzen möglich. Prinzipiell ist der maßgebliche Parameter die Potenz eines Regimes, also die erreichbare Hemmung der Virusvermehrung. Weil permanent ausreichend hohe Wirkspiegel erreicht werden müssen, ist die regelmäßige Einnahme der Medikamente eine Bedingung für die langfristige Aufrechterhaltung ihrer Wirksamkeit. Die ART erfordert daher ein hohes Maß an Compliance, das aber in den meisten Fällen in enger Zusammenarbeit von Arzt/Ärztin und Patient/Patientin erreicht werden kann. In diesem Zusammenhang ist der besondere Stellenwert der ersten Therapie zu nennen, die einer den individuellen Bedürfnissen angemessenen Vorbereitung bedarf. Die Durchführung einer ART und insbesondere die Umstellung von Therapien wegen Nebenwirkungen, Unwirksamkeit, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, Heilkräutern oder Drogen bedarf eines ständig aktualisierten Fachwissens und sollte daher nur von entsprechend spezialisierten Ärztinnen und Ärzten durchgeführt werden.

Die HIV-1-Infektion stellt grundsätzlich eine Behandlungsindikation dar. Auf Grund der raschen Erkenntnisfortschritte wird bezüglich der Wahl der sinnvollsten Kombinationen auf die regelmäßig aktualisierten Leitlinien zur ART der HIV­-Infektion verwiesen, die unter Koordination der DeutschenAIDS-Gesellschaft erarbeitet werden. Der jeweils aktuelle Wortlaut der Empfehlungen findet sich u. a. auch auf der Internetseite des RKI und der Deutschen AIDS-Gesellschaft.

Nach gegenwärtigem Stand ist die ART eine Dauertherapie, die nicht zur Heilung führt, da eine Viruselimination nicht möglich ist und noch keine Verfahren entwickelt werden konnten, die das Immunsystem in die Lage versetzen können, die Infektion auf Dauer zu kontrollieren (z.B. therapeutische Immunstimulation, Gentherapie).

Neben der direkt gegen HIV gerichteten Therapie gibt es Möglichkeiten, die meisten opportunistischen Infektionen, Tumorerkrankungen und sonstige HIV-bedingte Begleiterkrankungen zu behandeln. Zur Behandlung der bedeutsamsten opportunistischen Infektionen haben sich die in Tabelle 2 aufgeführten Therapien bewährt.

ErkrankungTherapie
Pneumocysti jirovecii-Pneumonie (PjP); frühere Bezeichnung
P. carinii-Pneumonie
Cotrimoxazol, Dapson + Pyrimethamin + Leucovorin,
Atovaquon
ToxoplasmoseCotrimoxazol, Dapson + Pyrimethamin + Leucovorin,
Atovaquon
CandidoseFluconazol
Atypische MykobakterioseClarithromycin/Azithromycin + Ethambutol
Infektionen durch Zytomegalieviren (CMV)Ganciclovir, Valganciclovir, Foscavir, Cidofovir
Infektionen durch Herpes-Simplex-Viren (HSV) und Varizella-Zoster-Virus (VZV)Aciclovir, Valacyclovir, Famciclovir
KryptokokkoseAmphotericin B + Flucytosin + Fluconacol, Voriconazol
AspergilloseAmphotericin B + Flucytosin, Voriconazol, Caspofungin
Kryptosporidiose, MikrosporidioseKeine erregerspezifische Therapie bekannt

Tab. 2: Die wichtigsten opportunistischen Infektionen und ihre Behandlung

Falls durch die ART die Entwicklung eines progredienten Immundefektes nicht verhindert werden konnte, sollten zur Vermeidung einer PjP, einer Toxoplasmose und u. U. auch einer Erkrankung durch atypische Mykobakterien medikamentöse Primärprophylaxen durchgeführt werden (z.B. mit Trimethoprim/Sulfamethoxazol gegen PjP und Toxoplasmose, mit Rifabutin, Clarithromycin oder Azithromycin gegen atypische Mykobakterien). Durch den Beginn einer wirksamen ART kann die Gefahr eines Rezidivs deutlich vermindert werden, so dass eine Sekundärprophylaxe oft nur zeitlich begrenzt erforderlich ist. Falls jedoch eine Besserung der Immunparameter nicht mehr möglich ist, empfiehlt sich eine kontinuierliche Rezidivprophylaxe.

Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen

1. Präventive Maßnahmen

Angesichts des Fehlens einer kurativen Behandlung und eines vor der Infektion schützenden Impfstoffes bleibt die wirksamste Maßnahme zur Begrenzung der HIV-Epidemie die Verhütung von Neuinfektionen. Daher müssen Nichtinfizierte die Infektionsrisiken kennen, um sie vermeiden oder sich entsprechend schützen zu können. Bereits mit HIV infizierte Personen sollten wissen, dass unter einer erfolgreich durchgeführten Therapie eine Weitergabe der Infektion nicht möglich ist und müssen über Verhaltensweisen informiert werden, die die Weitergabe der Infektion verhindern, insbesondere solange die Viruslast (noch) nicht unter der Nachweisgrenze liegt

Um die Ausbreitung von HIV auf sexuellem Wege und unter Personen mit i. v. Drogengebrauch einzudämmen, ist es notwendig, neben Aufklärungs- und Präventionsmaßnahmen, die an die gesamte Bevölkerung adressiert sind, besonders gefährdete Gruppen durch entsprechende zielgruppenspezifische Maßnahmen zu erreichen. Diese können nur dann erfolgreich sein, wenn sie ausgehend von der Akzeptanz unterschiedlicher Lebensstile und unterschiedlicher sexueller Präferenzen entwickelt werden. Bei der Umsetzung bedarf es der Kooperation staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, einer Kombination massenmedialer Kampagnen und personalkommunikativer Strategien vor Ort sowie verhaltenspräventiver und verhältnispräventiver Vorgehensweisen und ggf. der prophylaktischen (vorbeugenden) Einnahme HIV-wirksamer Medikamente in Form einer Prä- oder Postexpositionsprophylaxe. Präventionsbotschaften müssen sich an der Lebenswirklichkeit orientieren und die sozialen, kulturellen und religiösen Hintergründe der Zielgruppen berücksichtigen.

Materialien und weitere Angebote zur Prävention von HIV und anderen STI sowie zur Unterstützung der Präventionsbemühungen sind kostenlos von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und anderen Organisationen wie z.B. der DAH zu erhalten.

Möglichkeit der medikamentösen HIV-Infektionsprophylaxe

Durch die prophylaktische Einnahme von bestimmten HIV-Medikamenten kann das Risiko einer HIV-Infektion stark vermindert werden. In Europa und in Deutschland ist die Kombination von Tenofovir + Emtricitabin für die HIV-Präexpositionsprophylaxe (HIV-PrPEP) zugelassen. Bei einer HIV-PrEP nehmen HIV-negativ-getestete Menschen ein HIV-Medikament vorbeugend ein, um sich vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen. Diese Präventionsmethode eignet sich insbesondere für Menschen, die wiederholt oder kontinuierlich mit Infektionsrisiken konfrontiert sind.

Seit September 2019 übernehmen in Deutschland die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für eine medikamentöse HIV-PrEP und die notwendigen Begleituntersuchungen für anspruchsberechtigte Personen. Anspruchsberechtigt sind gesetzlich Krankenversicherte mit einem substanziellen HIV-Infektionsrisiko, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. Zu Versicherten mit einem substanziellen HIV-Infektionsrisiko zählen folgende Personen:

a. MSM oder Transgender-Personen mit der Angabe von analem oder vaginalem Geschlechtsverkehr ohne Kondom innerhalb der letzten drei bis sechs Monate und/oder voraussichtlich in den nächsten Monaten bzw. einer stattgehabten STI in den letzten zwölf Monaten,

b. serodiskordante Konstellationen mit einer bzw. einem virämischen HIV-positiven Partnerin bzw. Partner ohne ART, einer nicht suppressiven ART oder in der Anfangsphase einer ART (HIV-RNA, die nicht schon sechs Monate unter 200 RNA-Kopien/ml liegt),

c. nach individueller und situativer Risikoüberprüfung drogeninjizierende Personen ohne Gebrauch steriler lnjektionsmaterialien,

d. nach individueller und situativer Risikoüberprüfung Personen mit Geschlechtsverkehr ohne Kondom mit einer Partnerin bzw. einem Partner, bei der/dem eine undiagnostizierte HIV-Infektion wahrscheinlich ist (z.B. Partnerin oder Partner aus Hochprävalenzländern oder mit risikoreichen Sexualpraktiken).

Der Arzt/die Ärztin muss seine/ihre fachliche Befähigung nachweisen, um die Beratung und die begleitende Untersuchung im Rahmen einer HIV-PrEP-Verschreibung durchführen zu können.

Viele Personen, die auf Grund der von ihnen eingegangenen Risiken zu den HIV-PrEP-Anspruchsberechtigten zählen, scheuen aus verschiedensten Gründen vor dem Beginn einer HIV-PrEP zurück. Häufig bestehen überzogene Befürchtungen vor Nebenwirkungen. Falls eines der oben beschriebenen Risiken vorliegt, sollte die Option einer HIV-PrEP daher in der Beratung aktiv angesprochen und diskutiert werden.

Weitere Informationen und Fragen zur HIV-PrEP finden Sie unter folgenden Links: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/HIVAids/FAQ-Liste.html und https://www.aidshilfe.de/faq-prep#acc-77297

Präventionsmaßnahmen entsprechend den Übertragungswegen

Sexuelle Übertragung: Zum Schutz vor der sexuellen Übertragung von HIV sollten bei penetrierendem Geschlechtsverkehr insbesondere mit neuen oder wechselnden Sexualpartnern grundsätzlich immer Kondome verwendet werden. Vor dem Verzicht auf die Verwendung von Kondomen in auf Dauer angelegten Partnerschaften sollte gegebenenfalls der HIV-Status abgeklärt werden bzw. in serodifferenten Partnerschaften die Wirksamkeit der ART durch die fortlaufende Kontrolle der Viruslast überprüft werden. Personen, die häufig oder regelmäßig riskante sexuelle Kontakte haben, sollten zur HIV-PrEP (siehe oben) beraten werden.

Übertragung bei i. v. Drogenkonsum: Durch den Wegfall von Zugangsbarrieren zu sterilen Injektionsutensilien und die Einrichtung niedrigschwelliger Spritzentauschprogramme konnte die gemeinschaftliche Verwendung von Spritzen als HIV-Übertragungsrisiko bei Personen mit i. v. Drogengebrauch in Deutschland deutlich reduziert werden. Auch die Ausweitung von Substitutionsangeboten hat zu einer Reduktion von HIV-Neuinfektionen beigetragen.

In Haftanstalten gibt es in Deutschland mit einer einzigen Ausnahme (Frauenhaftanstalt in Berlin) bisher keinen Zugang zu sterilen Einmalspritzen und -kanülen für drogengebrauchende Gefangene. Für Gefangene mit i. v. Substanzkonsum kommt seit September 2019 prinzipiell die Verordnung einer medikamentösen HIV-PrEP in Frage (siehe oben). Diese Personengruppe benötigt aber in besonderem Maße Informationen zu dieser neuen Präventionsmöglichkeit und Unterstützung bei der Durchsetzung entsprechender Ansprüche gegenüber den Anstaltsärztinnen und -ärzten.

Mutter-Kind-Übertragung: Eine Kombination verschiedener präventiver Maßnahmen ermöglicht es, die Übertragung von HIV von der Mutter auf ihr Kind weitestgehend zu verhindern (Übertragungsrate bei korrektem Einsatz aller Möglichkeiten < 1%). Dazu zählen eine ART in der Schwangerschaft, eine antiretrovirale Prophylaxe beim Neugeborenen und der Verzicht auf das Stillen des Kindes. Wenn die Viruslast vor der Geburt noch nachweisbar ist, sollte ein Kaiserschnitt angestrebt werden.

Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz dieser Maßnahmen ist, dass der HIV-Status der Schwangeren bekannt ist. Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, Schwangere zu HIV zu beraten und einen HIV-Test anzubieten. Die Beratung ist im Mutterschaftspass zu dokumentieren. Der Test ist für die Schwangere freiwillig, das Ergebnis wird im Mutterschaftspass nicht dokumentiert.

Übertragung durch erregerhaltiges Blut/Blutprodukte: Das Risiko einer HIV-Infektion durch Bluttransfusionen ist in Deutschland mittlerweile kleiner als 1 in 3 Millionen Transfusionen und damit verschwindend gering. Neben der Untersuchung auf HCV- und Hepatitis-B-Virus-(HBV-)Infektionen sowie Syphilis müssen seit 1985 alle Blutspenden auf das Vorliegen von HIV-Antikörpern untersucht werden. Seit dem 01.05.2004 ist die Testung auf das Vorliegen von HIV-Erbmaterial, die eine Erkennung auch sehr frischer HIV-Infektionen ermöglicht, ebenfalls als Pflichttest im Blutspendewesen eingeführt worden. Hierdurch wird das ohnehin schon minimale Restrisiko einer HIV-Übertragung noch weiter verkleinert.

Dennoch können theoretisch in der sehr frühen Phase der Infektion alle HIV-Tests noch negativ („Fensterphase“) und eine dann geleistete Blutspende aber bereits infektiös sein. Daher werden die Blutspendenden weiterhin zu möglichen Risikofaktoren für den Erwerb einer HIV-Infektion befragt und, falls diese vorliegen, von der Blutspende ausgeschlossen. Eine Blutspende sollte daher auch nicht dazu dienen, ein vor kurzem eingegangenes mögliches Infektionsrisiko durch den bei der Spende routinemäßig durchgeführten HIV-Test zu überprüfen, weil dies Patientinnen und Patienten gefährden kann, die auf Transfusionen angewiesen sind.

Plasma wird im Hinblick auf HIV nach den gleichen Kriterien gewonnen wie normale Blutspenden. Darüber hinaus müssen bei der Herstellung von Plasmaprodukten mindestens zwei zur Inaktivierung/Eliminierung von HIV wirksame Verfahren eingesetzt werden. Hierdurch ist die Übertragung von HIV durch diese Produkte nahezu ausgeschlossen.

Prävention im medizinischen Bereich/ Hygienemaßnahmen

Bei der Behandlung von HIV-Infizierten und AIDS-Patientinnen und -Patienten sind, ebenso wie bei der Behandlung anderer Erkrankter, die anerkannten Hygieneregeln zu beachten. Da ihr Infektionsstatus unbekannt sein kann, sind grundsätzlich bei allen Patientinnen und Patienten die Basishygienemaßnahmen anzuwenden. Während aller Manipulationen, bei denen ein Kontakt mit möglicherweise virushaltigen Körperflüssigkeiten (z.B. Blut, Sperma) stattfinden kann, müssen Schutzhandschuhe getragen werden. Wo kontaminierte Tröpfchen entstehen können, sind ein Schutzkittel oder eine Schürze, ein mehrlagiger Mund-Nasen-Schutz und eine Schutzbrille oder ein Gesichtsschutzschild zu benutzen. Alle scharfen oder spitzen Gegenstände, die mit Blut oder Körperflüssigkeiten verunreinigt sein können, müssen ohne Gefährdung Dritter sicher entsorgt werden. Entsprechende Hinweise sind z.B. in der Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) „Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten“ und der „Vollzugshilfe zur Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes (Stand: Juni 2021)“ enthalten. Für die Aspekte des Arbeitsschutzes sind die einschlägigen Technischen Regeln für biologische Arbeitsstoffe, wie z.B. die TRBA 250, zu beachten, die von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) veröffentlicht werden.

Kommt es zu einem Unfall mit parenteraler oder Schleimhautexposition zu möglicherweise HIV-haltigem Material, sollte die unverzügliche Einleitung einer medikamentösen Postexpositionsprophylaxe (HIV-PEP) in Erwägung gezogen werden (siehe 3. Umgang mit Kontaktpersonen). Das mittlere Übertragungsrisiko einer HIV-Infektion durch eine perkutane Verletzung (bei gesichert positivem Indexfall) liegt bei 1:300. Die Wirksamkeit einer unverzüglichen postexpositionellen Gabe antiretroviraler Medikamente nach berufsbedingter HIV-Exposition zur Verhinderung einer Infektion ist durch eine Fall-Kontroll-Studie3 hinreichend belegt. Die Indikation für eine HIV-PEP beschränkt sich nicht nur auf die berufliche Exposition, sondern kann auch nach sexueller Exposition (ungeschützter Vaginal- oder Analverkehr mit einer HIV-positiven Person ohne effektive ART oder wahrscheinlich HIV-positiver Person) oder Spritzentausch erfolgen. Empfehlungen zum Vorgehen und zur Kostenübernahme enthält die jeweils aktuelle Fassung der Deutsch-Österreichischen Leitlinien zur Postexpositionellen Prophylaxe der HIV-Infektion.2 Besteht eine Indikation zur Einleitung einer HIV-PEP, sollte die entsprechende Medikamentenkombination gemäß den oben genannten Leitlinien über einen Zeitraum von normalerweise vier Wochen eingenommen werden. Nachuntersuchungen der verletzten Person sollten sechs Wochen nach Ende der Prophylaxe bzw. nach Exposition, wenn keine Prophylaxe erfolgt ist, erfolgen. Bei Verdacht auf eine Inokulation von HIV-haltigem Material sollte der/die für die Meldung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten Verantwortliche unverzüglich informiert werden.

Auf den Internetseiten des RKI finden sich spezielle Empfehlungen der KRINKO zu relevanten Themen, z.B. Händehygiene, Flächendesinfektion oder Aufbereitung von Medizinprodukten.

Zur Desinfektion sind Mittel mit dem Wirkungsbereich „begrenzt viruzid“ (wirksam gegen behüllte Viren) anzuwenden. Mittel mit einem erweitertem Wirkbereich gegen Viren wie „begrenzt viruzid PLUS“ oder „viruzid“ können ebenfalls verwendet werden. Geeignete Mittel enthalten z.B. die Liste der vom RKI geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren und die Desinfektionsmittel-Liste des Verbundes für Angewandte Hygiene. Bei behördlich angeordneten Desinfektionsmaßnahmen ist die RKI-Liste heranzuziehen.

Umgang mit infektiösen Verstorbenen

Der Umgang mit infektiösen Verstorbenen ist in den Seuchen- und Infektionsalarmplänen, den Bestattungsgesetzen der Bundesländer und der Information 214-021 der Deutschen Gesetzliche Unfallversicherung „Biologische Arbeitsstoffe beim Umgang mit Verstorbenen“ geregelt. Erreger werden durch den Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) in Risikogruppen eingestuft. Es wird daher empfohlen, auf dem Todesschein bzw. Leichenschauschein die Erkrankung namentlich zu benennen. Datenschutzrechtliche Bestimmungen der Länder sind dabei zu beachten. Für in Bestattungsunternehmen tätige Personen gelten auch die arbeitsschutzrechtlichen Regelungen nach der Biostoffverordnung (BioStoffV). Eine individuelle Gefährdungsbeurteilung muss vor Arbeitsaufnahme durchgeführt werden, um das individuelle Infektionsrisiko abzuschätzen und entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen zu können. Für weitere Informationen hierzu verweisen wir auf die Vorgaben des Arbeitsschutzes (s. u. a. TRBA 250) und auf die BAuA und die bestattungsrechtlichen Regelungen des jeweiligen Bundeslandes.

2. Maßnahmen für Infizierte

Teil der ärztlichen Betreuung ist es, HIV-Infizierte über Infektionswege und mögliche Schutzmaßnahmen zur Verhütung einer Übertragung von HIV und ggf. anderer STI zu informieren. Im Hinblick auf eine medikamentöse Therapie soll der oder die Betroffene ausführlich über Möglichkeiten und Begleitaspekte (Nicht-Übertragbarkeit unter wirksamer Therapie, Compliance, Gefahr der Resistenzentwicklung, Wirksamkeit und Nebenwirkungen) aufgeklärt und dauerhaft unterstützend begleitet werden.

Zur Minderung des Risikos für andere sind Patientinnen und Patienten anzuhalten, insbesondere vor invasiven Eingriffen wie z.B. bei zahnärztlichen Behandlungen, das sie behandelnde Personal über die bestehende HIV-Infektion in Kenntnis zu setzen. Die Befolgung dieses Rates setzt voraus, dass die Mitteilung eines positiven HIV-Status nicht zu medizinisch unbegründeten Behandlungsverweigerungen führt. Nach Behandlung einer mit HIV infizierten Person genügen die routinemäßig erforderlichen Hygienemaßnahmen wie die Desinfektion der patientennahen Flächen und die sachgerechte Aufbereitung der verwendeten Medizinprodukte. Es ist weder ein eigener Behandlungsraum erforderlich noch ist es notwendig, solche Patientinnen und Patienten am Ende eines Sprechtages zu behandeln (s. Hygiene bei der Behandlung von Patienten mit blutübertragbaren Erregern (z.B. HIV, HBV oder HCV)).

Frauen im gebärfähigen Alter sind darüber aufzuklären, dass bei einer Schwangerschaft die Infektion prä- oder perinatal auf das Kind übertragen und mit welchen Maßnahmen dieses Risiko minimiert werden kann (s. Leitlinien zur Therapie in der Schwangerschaft).

Bei Bestehen einer HIV-Infektion müssen regelmäßige Kontrolluntersuchungen erfolgen. Umfang und Häufigkeit sollten sich an der bestehenden Symptomatik und den vorangehenden Befunden orientieren. Die Untersuchungsergebnisse erlauben den ärztlich Behandelnden die Beurteilung des individuellen Verlaufs und des Therapieerfolges.

Die richtige Anwendung von Kondomen und eine effektive ART können Infektionsrisiken minimieren. Eine fortlaufende Motivierung und Beratung sind erforderlich. Wenn das Einverständnis des oder der Infizierten vorliegt, sollten bestehende Probleme und mögliche Lösungen gemeinsam mit dem Partner bzw. der Partnerin der betroffenen Person erörtert werden.

Basis- und Verlaufsuntersuchungen auf weitere sexuell und durch Blut übertragbare Infektionserreger

Bei Erstdiagnose einer HIV-Infektion sollte auch der Infektions- bzw. Serostatus bezüglich Tuberkulose, Hepatitis A, Hepatitis B, Hepatitis C und Syphilis erhoben werden

HIV-infizierte Personen haben im Vergleich zu HIV-negativen Personen ein deutlich erhöhtes Risiko, nach einer Infektion mit Mycobacterium tuberculosis zeitnah an einer aktiven Tuberkulose zu erkranken. Besonders gefährdet sind Kontaktpersonen von an offener Tuberkulose Erkrankten, Personen mit einer unzureichend behandelten früheren Tuberkulose, immundefiziente und immunsupprimierte Personen sowie drogenabhängige und obdachlose Personen und Migranten aus Hochinzidenzländern für Tuberkulose.

Zur Abklärung einer tuberkulösen Infektion dienen der Tuberkulin-Hauttest (THT) sowie neuerdings auch die spezifischeren Interferon-Gamma Release Assays (IGRAs). Beide Testsysteme können bei HIV-infizierten Personen eine geringere Sensitivität und Spezifität als bei HIV-negativen Personen haben, insbesondere bei geringer CD4+-Zellzahl (Anergie). Ein negatives Testergebnis schließt daher eine tuberkulöse Infektion nicht sicher aus. Bei positivem Testergebnis sollte nach Ausschluss einer aktiven Organtuberkulose eine präventive medikamentöse Therapie (in der Regel mit Isoniazid (INH)) angeboten werden. Zu bedenken ist, dass insbesondere bei niedrigen CD4+-Zellzahlen extra-pulmonale Formen der Tuberkulose häufig sind und auch bei pulmonaler Tuberkulose das Symptombild sowie die radiologischen Befunde untypisch oder sogar unauffällig sein können. Darüber hinaus ist ein Erregernachweis oftmals schwieriger. Durch die Zunahme der CD4+-Zellzahl nach Initiierung einer ART kann es bei gleichzeitiger Erkrankung an Tuberkulose im Sinne eines Immune Reconstitution Inflammatory Syndrome (IRIS) zu einer überschießenden Immunantwort und damit zu einer klinischen Verschlechterung der Tuberkulose kommen. Die Behandlung einer aktiven Tuberkulose erfolgt mit einer antituberkulösen Kombinationstherapie in Abhängigkeit von der Medikamentensensibilität der Erreger (weitere Informationen: http://www.rki.de/tuberkulose > RKI-Ratgeber).

Bei sexueller Übertragung von HIV empfiehlt es sich, im Rahmen der Basisdiagnostik auch – neben einer Untersuchung auf Feigwarzen – das Vorliegen genitaler und ggf. rektaler Chlamydien- oder Gonokokkeninfektionen auszuschließen. Bei fehlenden Hepatitis-A-Virus-(HAV-) und/oder HBV-Antikörpern ist eine entsprechende Impfung indiziert, die Indikation für eine Impfung gegen Humane Papillomviren (HPV) ist zu prüfen.

Die meisten HIV-Infizierten bleiben auch nach der HIV-Diagnose sexuell aktiv. Eine Sexualanamnese, die u. a. auch Fragen nach Partnerzahl und Schutzstrategien beinhaltet, sollte in jährlichen Abständen wiederholt werden.

Bei allen sexuell aktiven HIV-Infizierten sollten mindestens jährlich Kontrolluntersuchungen auf Syphilis durchgeführt werden. Da seit etwa 2000 in Deutschland eine Zunahme sexuell erworbener Hepatitis C bei HIV-infizierten MSM beobachtet wurde, ist eine jährliche HCV-Kontrolle nicht nur bei i. v. Drogengebrauchenden, sondern auch bei MSM indiziert.

Einige Leitlinien empfehlen derzeit regelmäßige Untersuchungen auf rektale und pharyngeale Infektionen mit Gonokokken und Chlamydien, auch wenn keine klinischen Beschwerden vorliegen. Asymptomatische Infektionen an diesen Lokalisationen heilen nach derzeitiger Kenntnis jedoch nach einigen Wochen spontan aus. Es ist bislang nicht geklärt, ob regelmäßige Untersuchungen und die Behandlung asymptomatischer Erregernachweise einen Nutzen für das Individuum oder für die öffentliche Gesundheit haben.

Bei Nachweis einer symptomatischen Chlamydieninfektion sollte bei MSM eine weitere Subtypisierung angestrebt werden, um Lymphogranuloma venereum auslösende Serovare zu erkennen und entsprechend behandeln zu können.

Unabhängig von der Partnerzahl sollte einmal jährlich eine Vorsorgeuntersuchung auf zervikale und rektale (bei Frauen) und rektale Dysplasien (bei MSM) angeboten werden.

Aus der Diagnose einer HIV-Infektion können sich weitere schwerwiegende psychosoziale Probleme ergeben. Für die häufig sehr schwierige Bewältigung dieser Probleme stehen an vielen Orten besondere Einrichtungen zur Verfügung, wie z.B. Selbsthilfegruppen, psychosoziale Beratungsstellen u. Ä. Der oder die ärztlich Behandelnde sollte eine enge Zusammenarbeit mit derartigen Einrichtungen anstreben. Soweit regional Angebote bestehen, sollten Behandelnde auch die Empfehlung von sogenannten HIV-Gesundheitstrainings erwägen.

3. Umgang mit Kontaktpersonen

Postexpositionelle Prophylaxe nach HIV-Exposition

Auch nachdem eine gesicherte oder wahrscheinliche Exposition gegenüber HIV erfolgt ist (z.B. nach Operationsverletzung im medizinischen Bereich, nach kondomlosem Anal- oder Vaginalverkehr, oder nach gemeinsamer Spritzenverwendung zur i. v. Drogeninjektion) kann die Wahrscheinlichkeit einer Infektion durch Medikamentengabe deutlich reduziert werden. Diese Medikamenteneinnahme nach einem HIV-Risiko wird als HIV-PEP bezeichnet. Entscheidend für die Erfolgsaussichten einer HIV-PEP ist der möglichst rasche Beginn der Medikamenteneinnahme (nach Möglichkeit innerhalb der ersten Stunden nach dem Expositionsereignis). Je länger der Zeitraum zwischen Expositionsereignis und Medikamenteneinnahme, desto ungewisser werden die Erfolgsaussichten. Wenn mehr als 72 Stunden verstrichen sind, ist der Beginn einer HIV-PEP in der Regel nicht mehr sinnvoll.

Für die HIV-PEP wird eine Kombination von drei antiretroviral wirksamen Substanzen empfohlen, die über einen Zeitraum von vier Wochen eingenommen werden. Für Empfehlungen zum konkreten Vorgehen und zur Auswahl der Medikamente wird auf die Deutsch-Österreichischen Empfehlungen zur HIV-PEP2 verwiesen.

Einrichtungen, an die sich Menschen im Notfall wenden können, finden sich über https://www.aidshilfe.de/adressen?f-type=11.

Expositionen, bei denen in der Regel wegen des geringen HIV-Infektionsrisikos keine HIV-PEP notwendig ist, sind z.B.

  • Stichverletzungen an weggeworfenen Injektionsnadeln (Ausnahmen im medizinischen Bereich)
  • Kondomlose heterosexuelle Sexualkontakte ohne Anhaltspunkte für ein erhöhtes Infektionsrisiko bei einem/einer der Beteiligten

4. Maßnahmen bei Ausbrüchen

Ausbrüche im eigentlich epidemiologischen Sinn kommen wegen der Art der Übertragung und der langen Inkubationszeit sehr selten vor. HIV-Ausbrüche können sich in Populationen mit verbreitetem Risikoverhalten bei Neueinführung des Virus bzw. einer HIV-infizierten Person ereignen. Solchen Ausbrüchen sollte bereits im Vorfeld durch Erkennung und Veränderung von Risikoverhaltensweisen vorgebeugt werden. Problematisch kann dies z.B. in Gefängnissen werden, da dort die außerhalb von Haftanstalten verfügbaren Möglichkeiten zur Vermeidung drogengebrauchsassoziierter Übertragungsrisiken (sterile Spritzen) nicht für alle zugänglich sind. In Europa sind in den vergangenen Jahren zwei größere HIV-Ausbrüche unter Gefängnisinsassen entdeckt und beschrieben worden (Großbritannien und Litauen), die durch gemeinsame Verwendung von Injektionsutensilien ausgelöst wurden.

Besteht ein Verdacht auf das Vorliegen einer Infektionskette oder eines ungewöhnlichen Übertragungsweges, können durch molekularbiologische Untersuchungen und phylogenetische Analysen von Virusisolaten der beteiligten Personen epidemiologische Zusammenhänge bestätigt oder widerlegt werden.

Gesetzliche Grundlage

Meldepflicht gemäß IfSG

Dem RKI wird gemäß § 7 Abs. 3 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis von HIV nichtnamentlich gemeldet.

Die Meldungen müssen dem RKI spätestens zwei Wochen nach erlangter Kenntnis vorliegen.

In § 8 IfSG werden die zur Meldung verpflichteten Personen benannt (https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/ 8.html). In § 10 IfSG ist festgelegt, welche Angaben die nichtnamentliche Meldung an das RKI enthalten darf (https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/ 10.html).

Meldebögen und Freiumschläge für die Rücksendung der Meldebögen für die nichtnamentliche Meldung können im RKI angefordert werden: www.rki.de > Infektionsschutz > Infektionsschutzgesetz > Meldebögen

Hinweis
Um Mehrfachmeldungen ein und derselben Person zu erkennen, wird eine die Anonymität wahrende fallbezogene Verschlüsselung verwendet (§ 10 Abs. 3 IfSG), die aus Elementen des Vor- und Zunamens generiert wird..

Übermittlung

entfällt

Das AIDS-Fallregister

Seit 1982 werden die freiwilligen und anonymen Fallberichte der behandelnden Ärztinnen und Ärzte über AIDS-Erkrankungs- und Todesfälle in der Bundesrepublik Deutschland in einem zentralen Fallregister erfasst.

Grundlage der Meldungen ist die jeweils geltende AIDS-Falldefinition zur epidemiologischen Erfassung. Die europaweit angewendete „AIDS-Falldefinition für die epidemiologische Überwachung“ von 1993 ist deckungsgleich mit dem Stadium „C“ der CDC-Stadieneinteilung von 1993.

Die freiwilligen und anonymisierten Meldungen an das AIDS-Fallregister erfolgen auf einem gesonderten Meldebogen, der als vertraulicher ärztlicher Bericht gekennzeichnet ist und den standesrechtlichen Regelungen unterliegt.

Berichte über HIV-Neudiagnosen, AIDS-Fallberichte sowie Todesfallmeldungen (von allen HIV-Patientinnen und -Patienten) schicken Sie bitte an folgende Adresse:

Robert Koch­Institut
Abteilung Infektionsepidemiologie/FG 34
Nordufer 20, 13353 Berlin
Tel.: 030 18754 3424
Fax: 030 18754 3533
Kontakt: Kontaktformular

Unter dieser Adresse sind AIDS-Fallberichtsbögen und -Falldefinitionen sowie HIV-Meldebögen kostenlos zu beziehen.

Beratung und Spezialdiagnostik

Das RKI führt keine individuelle medizinische Beratung zu Klinik, Therapie oder Impfungen durch. Bitte wenden Sie sich diesbezüglich an Ärztinnen und Ärzte oder Kliniken in Ihrer Nähe, bei denen möglichst eine Spezialisierung für Infektionskrankheiten besteht.
Bezüglich Fragen zu Infektionsschutz und -prävention, kontaktieren Sie bitte Ihr zuständiges Gesundheitsamt (https://tools.rki.de/plztool/).

Beratung zur Epidemiologie

Robert Koch-Institut
Abteilung für Infektionsepidemiologie
Fachgebiet 34 – HIV/AIDS und andere sexuell oder durch Blut übertragbare Infektionen
Seestraße 10, 13353 Berlin Dr. Ulrich Marcus
Tel.: 030 18754-3467 / Fax: 030 18754-3533
E-Mail: Kontaktformular

Weitere Beratung

Robert Koch-Institut
Abteilung für Infektionskrankheiten
Fachgebiet 18 – Sexuell übertragbare bakterielle Erreger (STI) und HIV
Seestraße 10, 13353 Berlin Dr. Dagmar Heuer
Tel.: 030 18754-2967
Fax: 030 18754-2605
E-Mail: Kontaktformular

Beratung zur Spezialdiagnostik

Nationales Referenzzentrum für Retroviren Max von Pettenkofer-Institut
Pettenkoferstraße 9a, 80336 München
Homepage: http://www.mvp.uni-muenchen.de/nationales-referenzzentrum-fuer-retroviren/

Literatur

  1. Rabenau H F, Bannert N, Berger A, et al: Nachweis einer Infektion mit Humanem Immundefizienzvirus (HIV): Serologisches Screening mit nachfolgender Bestätigungsdiagnostik durch Antikörperbasierte Testsysteme und/oder durch HIV-Nukleinsäure-Nachweis. Stellungnahme der Gemeinsamen Diagnostikkommission der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung von Viruskrankheiten (DVV) und der Gesellschaft für Virologie (GfV). Bundesgesundheitsbl 2015;58:877-886. DOI 10.1007/s00103-015-2174-x
  2. Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG): Deutsch-Österreichische Leitlinien zur Postexpositionellen Prophylaxe der HIV-Infektion (update 2022)
  3. Cardo DM, Culver DH, Ciesielski CA, et al: A case-control study of HIV seroconversion in health care workers after percutaneous exposure. Centers for Disease Control and Prevention Needlestick Surveillance Group. N Engl J Med 1997; 337(21): 1485-1490.

Weitere Informationsquellen

Epidemiologie
http://www.rki.de > Infektionskrankheiten A–Z > HIV/AIDS
http://www.who.int
http://www.unaids.org/
http://www.eurohiv.org/

Medizinische Versorgung/Therapie
http://www.daignet.de/
http://www.dagnae.de/
http://www.hivbuch.de/
http://www.hivleitfaden.de/cms/index.asp?inst=hivleitfaden

Prävention
www.liebesleben.de
www.aidshilfe.de


Korrespondenz

Hinweise zur Reihe "RKI-Ratgeber" richten Sie bitte an das Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektionsepidemiologie (Kontaktformular) oder an die Redaktion des Epidemiologischen Bulletins (Kontaktformular).

Stand: 16.06.2022

Zusatzinformationen

Gesundheits­monitoring

In­fek­ti­ons­schutz

Forschung

Kom­mis­sio­nen

Ser­vice

Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit

© Robert Koch-Institut

Alle Rechte vorbehalten, soweit nicht ausdrücklich anders vermerkt.