Hinweise zur Labordiagnostik bei V.a. Pest
Hintergrund
Pest ist eine schwere, schnell fortschreitende und lebensbedrohliche bakterielle Erkrankung, die durch das gram-negative Bakterium Yersinia pestis hervorgerufen wird. Die Letalität ist hoch und kann bei nicht behandelten Patienten mit Lungenpest bis zu 100% betragen. Deshalb ist eine schnelle Diagnose und damit Einleitung einer effektiven Therapie von entscheidender Bedeutung. Der Verdacht einer Pesterkrankung ist bei Patienten anzunehmen, die eine entsprechende klinische Symptomatik und ggf. Reiseanamnese in endemische Pestgebiete aufweisen (siehe RKI-Ratgeber zu Pest und Flussschema begründeter Verdacht).
nach oben
Benötigte Informationen
Folgende Informationen sind vom Einsender von Untersuchungsproben für das mikrobiologische Diagnostiklabor wichtig, um die Proben in richtiger Art und Weise zu bearbeiten:
- Patientenname oder Identifizierungsnummer
- Typ des Untersuchungsmaterials (z.B. Sputum, Lymphknoten, Aspirate etc.)
- vermutete Ansteckungsquelle
- Datum des Beginns der Symptome
- Kurze Beschreibung der Symptome
- Datum und Zeit der Abnahme des Untersuchungsmaterials
- Informationen zur Antibiotikatherapie (Startzeit, eingesetzte Antibiotika und deren Dosis, auch unter Berücksichtigung einer evtl. Malariaprophylaxe (Tetracycline, z.B. Doxycyclin), wenn möglich
- Angaben zur Reiseanamnese (Datum der Ankunft und Abreise in Endemiegebiete), wenn zutreffend
Eine Vorabankündigung der Probe und ggf. Absprachen zum Probenversand mit dem Diagnostiklabor ist in der Regel notwendig.
nach oben
Klinische Proben
Hinweise zur Probennahme und zum Probenversand finden sich im RKI-Ratgeber zu Pest unter 2. Labordiagnostik.
Allgemeine Anmerkungen zu diagnostischen Methoden
Unbestätigte Primärproben müssen mindestens unter Schutzstufe 2 analysiert werden. Proben von bestätigten Patienten mit anhaltender klinischer Manifestation sowie Anreicherungen und Kulturen von Y. pestis müssen unter Schutzstufe 3 bearbeitet werden. Sicher inaktiviertes Material (validiertes Verfahren) kann unter Schutzstufe 2 bearbeitet werden.
Es ist anzumerken, dass positive und negative Ergebnisse nach Möglichkeit mit verschiedenen Methoden abgesichert werden sollten, z.B. PCR mit verschiedenen Zielsequenzabschnitten, zusätzlich Isolatgewinnung, immunologische Verfahren.
Sollten die Untersuchungsergebnisse in einem frühen Stadium der Erkrankung negativ ausfallen, ist bei anhaltendem klinischem Verdacht auf eine Pesterkrankung und Progression der klinischen Symptomatik eine weitere labordiagnostische Untersuchung durchzuführen.
Immunologische Schnellverfahren sind in erster Linie auf die Detektion des F1-Kapselantigens ausgerichtet und werden in der Praxis insbesondere bei Pestausbrüchen angewendet. Positive Ergebnisse können auf eine Pesterkrankung hinweisen; negative Ergebnisse sind wegen der relativ geringen Sensitivität der Assays nicht aussagekräftig. Zudem sind diese Tests meist nicht für die Diagnostik beim Menschen zugelassen. Die Ergebnisse sollten in jedem Fall mit anderen etablierten Methoden bestätigt werden. Um Kulturen des Erregers mit der Detektion des F1-Antigens zu identifizieren, müssen diese bei 37°C inkubiert werden, da das Antigen bei niedrigeren Temperaturen (wie 28°C s.u.) nicht produziert wird.
Spezielle diagnostische Methoden
Ein direkter Erregernachweis kann durch klassische Mikroskopie von Blutausstrichen, Sputum- oder Sekretproben erfolgen. Y. pestis erscheint mit verschiedenen Färbeverfahren als kurzes, gram-negatives Stäbchen mit einer charakteristischen bipolaren Färbung ("safety pin"). Die Wahrscheinlichkeit eines mikroskopischen Erregernachweises ist in frühen Stadien der Erkrankung eher gering. In Aspiraten aus Bubonen kann der Erreger in der Regel gut mikroskopisch beobachtet werden. Empfohlene Färbungen und Nachweisverfahren sind: Gram, Wright, Giemsa, Waysons’s, - Methylenblau. Immunfluoreszenz mit Antikörpern gegen das F1-Kapselantigen und Fluoreszenz-in situ-Hybridisierung (FISH) sind nur in einigen Speziallaboratorien verfügbar.
Zur Abklärung eines begründeten Verdachtsfalls sollten sowohl eine PCR als auch ein kultureller Erregernachweis durchgeführt werden. PCR-Verfahren eignen sich insbesondere für die Akutdiagnostik und weisen in der Regel die Gene des F1-Kapselantigens (caf1) und des Plasminogenaktivators (pla) nach.
Ein Isolat ist bei Vorhandensein entsprechender Sicherheitsbedingungen (Schutzstufe 3 zur weiteren Charakterisierung) immer anzustreben. Ggf. sollten dafür Proben an entsprechend ausgerüstete Speziallaboratorien gesendet werden. Das Bakterium benötigt in der Regel mindestens 24h, eher 48h, bis Kolonien sichtbar werden. Da die Bakterien schnell von Begleitflora überwachsen werden können, sollten Selektivnährboden, wie modifizierter CIN-Agar (4 mg/l Cefsulodin, kein Irgasan), eingesetzt werden. Das beste Wachstum der Bakterien wird bei 28°C erzielt (keine Produktion von F1-Kapselantigen!).
Die Antimikrobielle Sensitivitätstestung (AST) von Isolaten sollte nach Möglichkeit immer durchgeführt werden (Schutzstufe 3 erforderlich!). Für die Durchführung der Testung und Interpretation der Ergebnisse können die Empfehlungen des Clinical and Standards Institute (CLSI), M45-A2 herangezogen werden. Es sollten mindestens folgende Substanzen getestet werden: Gentamicin, Streptomycin, Ciprofloxacin, Levofloxacin, Doxycyclin, Trimethoprim/Sulfamethoxazol und Chloramphenicol. Eine Empfehlung vom EUCAST (European Committee on Antimicrobial Susceptibility Testing) gibt es derzeit nicht.
Als weitere Methode ist ein Nachweis des F1-Kapselantigens möglich, in äußerst seltenen Fällen kann es F1-negative Stämme geben. Sein Nachweis gelingt mit verschiedenen immunologischen Verfahren (u.a. ELISA, Zytofluorometrie, Streifentest). Die Limitierungen von Schnelltests sind bereits weiter oben beschrieben worden.
Antikörpernachweise eignen sich für retrospektive und epidemiologische Untersuchungen. Als spezifisches Antigen wird in der Regel das F1-Kapselantigen eingesetzt. Derzeit stehen nur In-house-Tests in wenigen Speziallaboratorien zur Verfügung.
nach oben
Literatur
- Clinical Laboratory Standards Institute (CLSI). Methods for Antimicrobial Dilution and Disk Susceptibility Testing of Infrequently Isolated or Fastidious Bacteria, 3rd Edition, M45.
- Riehm JM, Rahalison L, Scholz HC, Thoma B, Pfeffer M, Razanakoto LM, Al Dahouk S, Neubauer H, Tomaso H. Detection of Yersinia pestis using real-time PCR in patients with suspected bubonic plague. Mol Cell Probes. 2011 Feb;25(1):8-12.
- Manual of Clinical Microbiology, 10th Edition. Editors: James Versalovic, Karen C. Carroll, Guido Funke, James H. Jorgensen, Marie L. Landry, David W. Warnock.
- Zoonoses. Infectious Diseases Transmissible from Animals to Humans. 3rd Edition. Editors: Hartmut Krauss, Albert Weber, Max Appel, Burkhard Enders, Henry D. Isenberg, Hans G. Schiefer, Werner Slenczka, Alexander von Graevenitz, Horst Zahner.
nach oben