Strategie-Ergänzung bei Auftreten von akuten Atemwegserkrankungen im Winterhalbjahr während der COVID-19-Pandemie
Wieso man sich bei akuten Atemwegserkrankungen für wenigstens 5 Tage zu Hause auszukurieren sollte
Seit dem 19.10.2020 können sich Personen mit Atemwegserkrankungen wieder telefonisch bei ihrer Ärztin krankschreiben lassen. Fünf (bis 7) Tage zuhause zu bleiben bis die akuten Symptome abklingen und sich auszukurieren ist medizinisch für die Heilung sinnvoll auch wenn keine zusätzliche ärztliche Behandlung erforderlich ist. Die meisten Patienten mit Atemwegserkrankungen sind mit eher ungefährlichen respiratorischen Viren infiziert, und können sich so gut zu Hause auskurieren. Allerdings sind die meisten dieser Viren (Influenzaviren, Rhinoviren, RS-Viren, etc.) auch wenn sie häufig nur leichte Symptome auslösen, sehr gut auf andere Personen übertragbar. Diese Viren - insbesondere die Influenza-Viren – können bei Risikogruppen auch zu schweren Erkrankungen führen. Mit Influenza infizieren sich jährlich zwischen 5% und 20% der Bevölkerung (1), einige der Patienten müssen ins Krankenhaus. In der Saison 2018/19 wurden 40.000 Labor-bestätigte Influenzafälle im Krankenhaus behandelt (2). Durch eine 5- bis 7-tägige Genesungszeit zuhause wird verhindert, dass diese Patienten in vollen Wartezimmern andere Personen anstecken. Es wird aber auch weitgehend verhindert, dass sie z.B. in ihrem Arbeitsumfeld oder in der Schule andere Kollegen, Mitschüler, etc. anstecken. Solche Ansteckungen könnten dann leicht zu einem Herd- oder Clustergeschehen führen, also zu einer Häufung von Erkrankungen. Dessen Ursache müsste in der aktuellen COVID-19 Pandemie untersucht und von SARS-CoV-2 abgegrenzt werden. Dies würde wichtige Ressourcen der Gesundheitsämter binden.
Die Verhinderung einer kollektiven Belastung durch die Schließung von Schulen und Kitas bei Ausbrüchen von ARE überwiegt dabei die individuelle Belastung von Eltern/Betreuungspersonen insbesondere bei mehrfachen ARE von Kindern und Jugendlichen (0-4 Jahre Interquartilsbereich bei Kleinkindern 4-8 Erkrankungen pro Jahr, 5-14 Jahre 2-4 Erkrankungen pro Jahr (3)). Es erscheint realistisch anzunehmen, dass die durchschnittliche Frequenz von respiratorischen Infektionen insbesondere auch bei Kleinkindern deutlich zu reduzieren wäre, wenn sich alle Altersgruppen an diese Empfehlung halten. Zudem könnte die Zahl von Ausbrüchen in Kitas und Schulen reduziert werden, wodurch sich die Abwesenheit durch Quarantäne verringern würde.
Nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts - basierend auf den Daten des GrippeWeb - erkranken aktuell pro Woche ca. 3,3 Millionen Personen und haben Symptome von akuten Atemwegserkrankungen. Auch wenn es momentan noch selten vorkommt, wird immer ein kleiner Teil dieser Patienten mit SARS-CoV-2 infiziert sein. Da sich die Symptome von COVID-19 von Patient zu Patient extrem unterscheiden können, ist es unmöglich, alleine aufgrund der Symptome COVID-19 ein- oder auszuschließen. Zum Beispiel schließt das Ausbleiben von Fieber COVID-19 keinesfalls aus. Wenn also Personen mit leichten Atemwegserkrankungen jeglicher Art ihre Erkrankung für 5 (bis 7) Tage zu Hause auszukurieren, dann hat das auch einen positiven Nebeneffekt. Denn diese unerkannten Patienten mit COVID-19 reduzieren so während einem Großteil der Phase, in der sie ansteckend sind, ihre Kontakte und damit die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Virus weitergegeben.
Eine 100%ige Identifizierung aller COVID-19-Patienten würde erfordern, dass wöchentlich mehrere Millionen Menschen getestet werden, dies ist nicht möglich und auch nicht notwendig, wenn alle Menschen mit Atemwegserkrankungen so vorgehen, wie oben beschrieben. Es ist viel sinnvoller, die Testkapazität auf diejenigen Personen zu fokussieren, die aus medizinischen oder epidemiologischen Gründen getestet werden sollten.
Literatur
- RKI-Ratgeber Influenza (Teil 1): Erkrankungen durch saisonale Influenzaviren.
- RKI. Bericht zur Epidemiologie der Influenza in Deutschland, Saison 2018/19.
- Bayer et al.: Internet-based syndromic monitoring of acute respiratory illness in the general population of Germany, weeks 35/2011 to 34/2012; Eurosurveillance 2014;
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