Ebola-Ausbruchsbekämpfung in der Demokratischen Republik Kongo, Provinz Équateur, im Frühsommer 2018 - ein Erfahrungsbericht
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Ebolafieber-Behandlungszentrum von Ärzte ohne Grenzen in Itipo.
Quelle: Thomas Kratz, RKI
Das Global Outbreak Alert & Response Network (GOARN) ist ein Netzwerk von mehr als 200 Partnern, das Länder weltweit bei der Bekämpfung von Krankheitsausbrüchen unterstützt. Im Rahmen von GOARN, das bei der Weltgesundheitsorganisation angesiedelt ist, entsendet das RKI auf Anfrage Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu Auslandseinsätzen– in jüngster Zeit waren Epidemiologen des RKI auf Madagaskar (Lungenpest), in Nigeria (Lassafieber) und Bangladesh (Diphtherie) tätig.
Beim aktuellen Ebola-Ausbruch in der Demokratischen Republik Kongo ist der RKI-Wissenschaftler Dr. Thomas Kratz für GOARN vor Ort, in Itipo, in der Provinz Equateur. Von dort hat er am Anfang Juni 2018 einen Erfahrungsbericht und einige Fotos übermittelt.
Teil 1: Itipo, Demokratische Republik Kongo, den 4. Juni 2018
Heute komme ich endlich zum Schreiben und möchte das bisher Geschehene rekapitulieren: Mitte Mai hatte ich auf eine GOARN-Anfrage (Netzwerk zur Ausbruchsbekämpfung) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geantwortet, in dem zur Entsendung von Experten in die Demokratische Republik Kongo (COD) im Rahmen des Ebolafieber-Ausbruchs in der Provinz Equateur aufgerufen wurde. Da ich bereits mit GOARN und Ärzte ohne Grenzen in vergleichbaren Einsätzen tätig war und mich durch insgesamt einjährige Tätigkeit in COD mich diesem Land verbunden fühle, habe ich mich hierauf hin gemeldet. Am 26. Mai 2018 traf ich, nach einem Briefing im WHO – Hauptquartier in Genf, in Kinshasa (COD) ein. Am 30. Mai 2018 flog ich mit einem Flugzeug der Vereinten Nationen (UN) weiter nach Mbandaka, der Provinzhauptstadt von Equateur. Dort fand ein umfangreiches Briefing statt. In Mbandaka blieb ich über Nacht, bevor es dann mit einem Helikopter des World Food Programme nach Itipo weiter ging. Ja, es handelt sich um diese markanten russischen Hubschrauber, die häufig in schwer zugänglichen Gebieten eingesetzt werden. Und bei Itipo handelt es sich um ein extrem schwer zugängliches Gebiet: Die Straßen in COD sind nur zu einem sehr geringen Anteil asphaltiert, und dies auch fast nur in den Städten. Selbst Großstädte sind oft quasi wie Inseln, die (für gut Begüterte) auf dem Luftweg und ansonsten häufig durch Wasserwege erreichbar sind. Itipo ist weder eine Großstadt, noch auf dem Wasserweg erreichbar. Allerdings ist das gros der laborbestätigten Fälle von Ebolafieber in Itipo (insgesamt 20) aufgetreten, - auch sind durchaus Leute auf dem Landweg zwischen Itipo und der zur Republik Kongo grenznah gelegenen 1,5 Mio.-Einwohner-Stadt Mbandaka unterwegs. Mein Arbeitsauftrag ist, Verbesserungen im Bereich Infektionsschutz und -Kontrolle in regulären Einrichtungen des Gesundheitssystems (nicht in Ebolafieber-Behandlungszentren) herbeizuführen. Eine schwere Aufgabe in einem im Human Development Index (HDI) am unteren Rand angesiedelten Land.
In Itipo angekommen, landeten wir mit dem Hubschrauber auf einem großen Feld direkt vor dem Kloster, welches als Unterkunft und Büro für die WHO und Mitarbeiter des kongolesischen Gesundheitsministeriums dient. Das Kloster wurde unverkennbar in der Kolonialzeit von den Belgiern errichtet - im Speisesaal steht noch ein Orden „Legioen van Maria“. Bilder der Päpste Franziskus und Benedikt hängen an der Wand. Ein Käseteller „Roquefort, Brie, Camembert“ steht im Schrank – auch wenn es hier in COD weit und breit keinen Käse gibt. Ich empfinde das Ganze als eine skurrile Mischung aus den 50’er Jahren und der Neuzeit. Im Innenhof des Klosters sind Zelte als Übernachtungsmöglichkeiten aufgebaut. Ich wurde mit anderen Ankömmlingen aber in der Unterkunft des Klosters untergebracht: Einem U-förmigen Bau mit Zimmern einfachster Bauweise, ohne fest installierte Duschen oder Toiletten. Pritschen, Moskitonetze und Schlafsäcke werden zur Verfügung gestellt. Zum Duschen bedient man sich der rustikalen „Bucket Shower“, heißt dem Schöpfen von Wasser aus einem Brunnen in einen Eimer und der anschließenden Dusche, wobei man sich mit einem Schöpfbehältnis bedient. Wäsche wird von Hand gewaschen und mit einem mit Holzkohle betriebenem Bügeleisen gebügelt.
Von Tag zu Tag kamen mehr Leute an, so dass mittlerweile ca. 100 in der Ausbruchsbekämpfung Tätige, hauptsächlich von der WHO und des kongolesischen Gesundheitsministeriums, hier im Kloster leben und arbeiten. Die Logistik ist dabei eine große Herausforderung. Ein wesentlicher Anteil der Personen ist in der epidemiologischen Surveillance tätig, dies auch, da es unabdinglich ist, Kontaktpersonen (d.h. Personen, die Kontakt zu an Ebolafieber Erkrankten hatten) zu erfassen, beobachten sowie Kontaktpersonen und Kontakte von Kontaktpersonen den Impfstoff VSV-ZEBOV anzubieten. Vorgestern fanden im Innenhof des Klosters erstmals Impfungen für die in der Ausbruchsbekämpfung tätigen Mitarbeiter statt – nicht trivial, da der Impfstoff bei -80°C gelagert werden muss. Es wurden zur Impfung Tische, Stühle und Überdächer aufgebaut.
Die Organisation in einem so großen Team und die stark erschwerte Zugänglichkeit des Gebietes um Itipo machen die Arbeit hier komplex. Viele Dörfer sind nicht mit dem Auto (Allrad-Jeep) sondern nur per Motorrad erreichbar. Gott sei Dank ist das Gros der Regenzeit vorbei, so dass zumindest die größeren Pisten einigermaßen zugänglich sind.
Heute haben wir zwei Gesundheitszentren bei Itipo besucht. Vieles aus dem Bereich Infektionsschutz – und Kontrolle ist hier nur sehr schwer realisierbar. Es mangelt in den kongolesischen Gesundheitszentren oft am allernötigsten wie Handschuhe, Gesichtsmasken, Chlorlösung zur Desinfektion und einfachem medizinischen Material. Ressourcen für die Ausbruchsbekämpfung sind vorhanden – es ist aber schlicht logistisch schwierig, diese ins Feld zu bekommen. Die Mitarbeiter in den Gesundheitszentren sind sehr freundlich und tun ihr Bestes, um mit den allereinfachsten Mitteln Patienten zu helfen, die mit hier alltäglichen Erkrankungen wie Malaria vorstellig sind. Das beeindruckt mich sehr. Im Rahmen des Ebolafieber-Ausbruchs sind aus Sicherheitsgründen die Aktivitäten in den Laboren der Gesundheitszentren eingestellt. Aber auch sonst arbeiten die Labore mit einfachsten Mitteln, wobei ein sicheres Arbeiten fast unmöglich erscheint. Wir, ein Kollege der WHO und ich, haben uns heute auf die Einrichtung von Bereichen zur Ersteinschätzung in den beiden Gesundheitszentren konzentriert. Dort geht es darum, mittels einer einfachen Befragung auf Symptome, Eruierung von Risikokontakten und kontaktlosem Messen von Fieber herauszufinden, ob regulär die Gesundheitseinrichtung aufsuchende Patienten möglicherweise Ebolafieber-Verdachtsfälle sind. Mit einfachsten Mitteln wie Bambusrohren und aus Bambus geschnittenen Fäden konnten abgetrennte Bereiche geschaffen werden, so dass ein Befragen des Patienten mit einem Sicherheitsabstand von 2 Metern möglich und die Laufwege für Nicht-Verdachtsfälle und Ebolafieber-Verdachtsfälle klar sind. Die Bevölkerung in den Dörfern hat unser Ankommen sehr gut akzeptiert und aufgenommen, und wir genossen gemeinsam zum Abendessen Bananen, Kochbananen, Süßkartoffeln und Kokosnüsse.
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Teil 2: Mbandaka, Demokratische Republik Kongo, den 17. Juni 2018
Gestern ging alles plötzlich ganz schnell. Als sich herausstellte, dass am Sonntag kein Helikopter von Kinshasa nach Mbandaka fliegt, konnte ich sehr spontan einen Platz im Helikopter am Samstag ergattern. Sachen packen, sich von den Kollegen verabschieden... und 15 Minuten später war ich schon am Hubschrauberlandeplatz, um mit drei anderen Kollegen der WHO nach Mbandaka zu fliegen. Hier bin ich nun in einem Hotel am Ufer des Kongo-Flusses einquartiert. Der Balkon des Zimmers bietet einen wunderschönen Ausblick auf den Fluss. Das opulent gebaute Hotel mit Swimming-Pool hat seine besten Tage wohl hinter sich: Die Farbe des Wassers im Pool geht ins Tiefbraune, im mit Neonlicht beleuchtetem Flur fliegen nachts Flughunde hin und her und das Zimmer hat kein Wasser – und nur stundenweise Strom. Dafür trat gestern eine lautstarke Musikgruppe auf einer direkt am Pool gebauten Bühne auf. Auf dem Fluss verkehren flussauf- und abwärts überfüllte motorisierte Boote, die in abenteuerlichem Zustand sind. Nach zwei recht hektischen Wochen ist das Hotel ein perfekter Ort, um die Ereignisse in Itipo zusammenzufassen.
Um es gleich vorne weg zu nehmen – in Bezug auf die Ebolafieber-Epidemie blieb es ruhig. Es traten keine neuen Fälle der Erkrankung auf. Wir haben uns auf die Errichtung von Triagezonen in priorisierten Gesundheitszentren sowie auf Basishygienemaßnahmen (Handhygiene) konzentriert. Bei vorhergehenden Besichtigungen der Zentren hatte sich herausgestellt, dass es an Ressourcen und Kenntnissen fehlt. Kenntnisse über das richtige Waschen der Hände, Händedesinfektion sowie An- und Ausziehen von Handschuhen waren praktisch nicht vorhanden. Komponenten von Schutzkleidung wurden eher zufällig zusammengesetzt. Wir bauten mit Hilfe der Einheimischen und vor Ort vorhandenen Baustoffen - Bambus, Lianen, Holzweiter - Triagezonen auf. Ausführliche Erläuterungen über Basishygienemaßnahmen vor Ort erfolgten ebenfalls – wobei es sich in Folge als ein unschätzbarer Vorteil herausstellte, wenn sachkundige kongolesische Mitarbeitende des Gesundheitswesen einen Großteil der Unterrichtstätigkeiten übernahmen. Kulturell bedingte Unterschiede in der Didaktik und Sprachbarrieren konnten so besser überwunden und die Akzeptanz der Trainings somit gesteigert werden. Das Tragen von Schutzkleidung soll Thema von künftigen Schulungen werden – wobei die Priorität in den Gesundheitszentren in einem effizienten Erkennen von Verdachtsfällen, temporären Isolieren und Behandeln in den Ebolafieber-Behandlungszentren in Itipo und Iboko liegt.
Vor besondere Herausforderungen stellte uns die Errichtung einer Triagezone im Gesundheitszentrum Loondo: Der Dschungel hatte sich die Straße dorthin teils zurückgeholt, und es gab zuvor Probleme der Akzeptanz der Bevölkerung. Nachdem die Kommunikationsteams gute Arbeit geleistet haben, um ebenjene Akzeptanz in der Bevölkerung zu verbessern, fuhren eine kongolesische Expertin und ich mehrmals nach Loondo, dies zwecks Errichtung der Triagezone und einem vor Ort stattfindendem Briefing. Bei der ersten Besichtigung schauten wir uns die Quelle in der Nähe des Gesundheitszentrums an, um die Wasserversorgung sicherzustellen. Dies entpuppte sich als 500-Meter-Expedition in den Urwald: Ein kleiner Trampelpfad war gerade so als solcher erkennbar, links und rechts standen üppige grüne Büsche und Bäume. Die Quelle selbst bestand aus einem Rinnsal mit einem anschließenden Teich mit stehendem Wasser. An das Ermitteln einer Förderrate der Quelle war nicht zu denken – die Wasserversorgung würde schwierig werden. Auf dem Rückweg von der Quelle ins Gesundheitszentrum nahm ich ein sehr lautes Rascheln im Busch rechts neben uns wahr – die kongolesische Mitarbeiterin meinte, dass es sich um eine Schlange gehandelt habe. Bei einer anderen Fahrt nach Loondo trat dreimalig eine Reifenpanne auf. Schließlich musste bei einer Fahrt ein Team anrücken, um mit Kanistern und einem aus einer Mineralwasserflasche gebasteltem Trichter den Jeep mit Diesel zu betanken – der Treibstoff war zuvor zu knapp bemessen worden. Wir konnten, dank der großartigen Hilfe der kongolesischen Kollegen, fitte Arbeitskräfte für das Errichten der Triagezone gewinnen.
An einem Sonntag besuchten wir den Gottesdienst der katholischen Kirche in Itipo. Es war ein wunderschönes Ereignis mit viel Gesang und guter Stimmung. In den mehr als zwölf Monaten, die ich insgesamt im Kongo bei drei Einsätzen verbracht habe, ist mir die Herzlichkeit, Fröhlichkeit und die Tatsache, dass viele Kongolesen hervorragende Sänger sind, sehr positiv im Gedächtnis geblieben. Nicht von ungefähr kommt ein wesentlicher Anteil von afrikanischen Sängern aus der Demokratischen Republik Kongo.
In der Zwischenzeit wuchs die Personenzahl der doch recht kleinen WHO-Basis im Kloster von Itipo von anfangs 20 über 80 auf am Schluss schwindelerregende 120 Personen. Dies stellte die Logistik vor nur schwierige Aufgaben hinsichtlich der Versorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln. Gegen Ende meines Einsatzes wurde dies durch die Vergabe von Essensmarken in organisierte Bahnen gelenkt. Außerdem wurden mehr Latrinen, Duschen (die im ersten Teil meines Berichtes beschriebenen „Bucket shower“) und etliche Zelten gebaut. Das 3-Bett-Zimmer im Klosterbau, in dem ich übernachtet habe, wurde angesichts der 12-Betten-Schlafsääle in den Zelten wie Gold gehandelt - und ich hatte sehr viel Glück, bis zum Schluss dort übernachten zu können.
Als Resümee kann ich sagen, dass es sich um einen gelungenen Einsatz in einem sehr schwer zugänglichen Gebiet und mit vielen Herausforderungen gehandelt hat. Es war nicht die „typische“ Ausbruchsbekämpfung, sondern vielmehr Ursachenbekämpfung. Ich habe die hygienischen Bedingungen als prekär und in keiner Weise mit Deutschland vergleichbar empfunden. Dies sollte, so finde ich, bei allen berechtigten Ängsten, die hier gegenüber Erkrankungen wie Ebola- und Marburgfieber bestehen, mit bedacht werden.
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