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191. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 01.11.2023

1. Genehmigungsinhaber

Medizinische Hochschule Hannover.

2. Zell-Linien

Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linien:

  • H1 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • H9 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • HES-3 (ES Cell International Pte Ltd, Singapur)
  • HUES4 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
  • HUES8 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
  • MEL-1 (Stem Cells Ltd, Brisbane, Australien)
  • Shef 1 (Sheffield University, Großbritannien)
  • Shef 2 (Sheffield University, Großbritannien)
  • Shef 3 (Sheffield University, Großbritannien)

Die Genehmigung gilt auch für die Verwendung von Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Im Zusammenhang mit bereits seit mehreren Jahren bei der Genehmigungsinhaberin durchgeführten Forschungsarbeiten, in denen humane embryonale Stammzellen als Ausgangsmaterial für die Gewinnung potentiell therapeutisch nutzbarer pankreatischer ß-Zellen verwendet werden, soll hier die Fragestellung geklärt werden, ob und inwieweit durch eine funktionale Deletion spezifischer Zytokinrezeptoren in hES-Zellen die toxische Wirkung proinflammatorischer Zytokine auf aus diesen hES-Zellen differenzierte β-Zellen vermindert und so das Überleben dieser Zellen in vivo gefördert werden kann.

Im Rahmen der Forschungsarbeiten sollen daher Gene für Zytokinrezeptoren, deren Genprodukte in aus hES-Zellen abgeleiteten β-Zellen stark exprimiert werden, funktional unter Nutzung etablierter Methoden deletiert werden, wobei die (mono- oder biallelische) Deletion des betreffenden Gens sowohl in Wildtyp-Zellen als auch in Reporter-Zellen erfolgen soll, in denen die Expression des Reportergens an die Differenzierung in die pankreatische Linie gekoppelt ist. Nach umfassender Charakterisierung der genetisch modifizierten hES-Zellen sollen diese dann in pankreatische Organoide differenziert, deren Phänotyp detailliert analysiert und die Wirkung verschiedener Zytokine auf die Vitalität, Funktionalität und molekularen Charakteristika der pankreatischen Organoide bestimmt werden. Ggf. sollen die Untersuchungen auf downstream gelegene Gene ausgedehnt werden, die für die Vermittlung der Zytokin-Effekte von Relevanz sind. Die genetisch veränderten hES-Zellen sowie die aus ihnen abgeleiteten ß-Zellen sollen dann auch in den anderen Forschungsvorhaben verwendet werden, die bei der Genehmigungsinhaberin durchgeführt werden und die auf die Entwicklung regenerativer Therapien für Patienten mit Diabetes mellitus zielen.

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des Robert Koch-Institutes (RKI) der Erreichung hochrangiger Forschungsziele sowohl in der Grundlagenforschung als auch bei der Entwicklung neuer therapeutischer Verfahren zur Anwendung bei Menschen.

Diabetes mellitus stellt mit weltweit ca. 425 Millionen betroffenen Menschen, von denen zwischen 5 und 10% an Typ-1-Diabetes (T1D) leiden, ein schwerwiegendes medizinisches und gesundheitspolitisches Problem dar. Obgleich bei der Mehrzahl der T1D-Patienten eine adäquate Behandlung der Erkrankung durch Insulingaben möglich ist, ist eine Heilung des T1D derzeit nicht möglich. Die Transplantation von in vitro aus humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen) hergestellten Insulin-produzierenden ß-Zellen ist für bestimmte Patientengruppen eine vielversprechende Behandlungsmöglichkeit, und erste klinische (Phase-1/2-)Studien zur Behandlung des T1D beim Menschen unter Nutzung hES-Zell-abgeleiteter pankreatischer Zellen wurden bereits erfolgreich durchgeführt.

Im Rahmen von in der Vergangenheit genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen, die bei der Genehmigungsinhaberin durchgeführt wurden, konnte u. a. gezeigt werden, dass proinflammatorische Zytokine eine toxische Wirkung auf aus hES-Zellen abgeleitete ß-Zellen haben, was u. a. mit der starken Präsenz bestimmter Zytokin-Rezeptoren auf ß-Zellen einhergeht und was zu einer Zerstörung transplantierter ß-Zellen führen kann. Die hier geplante funktionale Ausschaltung von (als für die durch Autoimmunität bedingte Schädigung der ß-Zellen maßgeblich erkannten) Zytokin-Wirkungen durch funktionale Deletion der betreffenden Rezeptorgene in hES-Zellen und aus diesen abgeleiteten β-Zellen stellt eine bislang nicht erforschte Möglichkeit dar, die Wirkungen des Immunsystems auf transplantierte ß-Zellen zu vermindern. Während bisherige Strategien zur Verringerung der Anfälligkeit transplantierter pankreatischer Zellen vor allem auf die Verhinderung ihrer HLA-bedingten Abstoßung durch den Transplantat-Empfänger zielten, soll hier untersucht werden, ob und inwieweit die Autoimmunität gegen β-Zellen gemindert werden kann. Die Untersuchungen erfolgen auch vor dem Hintergrund, dass aus hES-Zellen abgeleitete (in der Regel nicht vollkommen ausgereifte) ß-Zellen, wie sie für regenerative Zwecke genutzt werden sollen, einer Schädigung durch Zytokine wie IL-1ß offenbar deutlich stärker zugänglich sind als (reife) adulte pankreatische ß-Zellen oder etablierte humane ß-Zell-Linien.

Im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten sollen in hES-Zellen zunächst die Gene für jene Zytokin-Rezeptoren deletiert werden, deren Beteiligung an der autoimmunen Zerstörung von ß-Zellen gut belegt ist, später sollen diese Untersuchungen auch auf Gene für weitere Zytokin-Rezeptoren bzw. auf Gene für downstream gelegene Mediatoren der Autoimmunität gegen pankreatische β-Zellen ausgedehnt werden. Hierfür sollen die entsprechenden Gene unter Nutzung etablierter Vorgehensweise funktional deletiert, die genetisch veränderten Zellen in Richtung pankreatischer ß-Zellen bzw. pankreatischer Organoide differenziert und dabei insbesondere überprüft werden, ob die Entwicklungsfähigkeit der hES-Zellen infolge der genetischen Veränderungen verändert ist. Anschließend sollen die Zellen/Organoide verschiedenen Zytokinen/Zytokin-Kombinationen ausgesetzt und deren Effekte umfassend auf morphologischer, molekularbiologischer und funktionaler Ebene analysiert werden. Es wird erwartet, dass diese Untersuchungen neue Erkenntnisse über die Möglichkeit erbringen werden, hypoimmunogene β-Zellen zu produzieren, die – trotz einer Exposition gegenüber bestimmten proinflammatorischen Zytokinen – ihre Viabilität und ihre funktionalen Charakteristika beibehalten und folglich vor einer (im Patienten persistierenden) Autoimmunität in gewissem Umfang geschützt sind.

Im Ergebnis der genehmigten Forschungsarbeiten wird die Verfügbarkeit eines Zellmodells erwartet, an dem spezifische Aspekte des Wechselspiels zwischen (noch nicht völlig ausgereiften) pankreatischen ß-Zellen und dem Immunsystem weiter untersucht werden könnten und das ggf. auch zu einem vertieften Verständnis der Rolle spezifischer Zytokine bei der Pathogenese juveniler Formen des Diabetes mellitus beitragen könnte, von denen vor allem junge ß-Zellen betroffen sind, die den aus hES-Zellen abgeleiteten ß-Zellen in vielerlei Hinsicht ähnlich sind. Vor allem aber könnte auf Grundlage der zu erwartenden Erkenntnisse eine neuartige Strategie zur Minderung der autoimmunogen bedingten Abstoßung transplantierter ß-Zellen entwickelt werden, was angesichts der Dringlichkeit der Verfügbarmachung von Zellersatztherapien zur Behandlung des T1D von hoher Relevanz ist.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass die Forschungsfragen in allen wesentlichen Punkten hinreichend vorgeklärt sind.

Die Toxizität von proinflammatorischen Zytokinen gegenüber β-Zellen ist durch Studien unter Nutzung muriner und humaner immortalisierter Zell-Linien bereits vielfach belegt worden. Murine Mausmodelle mit spontan auftretendem oder induziertem Diabetes sind ebenfalls vielfältig genutzt worden, um autoimmune Prozesse aufzuklären. Untersuchungen an primären Inseln nach Isolierung aus verstorbenen Spendern haben die Ergebnisse dieser Studien bestätigt und legen eine zentrale Rolle der Zytokin-Toxizität bei der Zerstörung der β-Zellmasse im Rahmen eines T1D nahe.

In einer in der jüngeren Vergangenheit publizierten Studie wurde zudem gezeigt, dass eine Exposition aus humanen pluripotenten Stammzellen abgeleiteter pankreatischer Organoide gegenüber Zytokinen zu einem erheblichen Stress des endoplasmatischen Retikulums, zu proinflammatorischen Reaktionen, zu Dedifferenzierung und schließlich zu Apoptose führen. Diese Daten wurden allerdings auf Grundlage von unsortierten pankreatischen Organoiden erhoben, in denen sich neben β-Zellen auch noch weitere endokrine Zelltypen sowie pankreatische Vorläuferzellen und nicht-pankreatische Zellen befanden. Bei der Genehmigungsinhaberin wurde durch Entwicklung verbesserter Verfahren für die Anreicherung von β-Zellen die Grundlage dafür geschaffen, die Wirkungen proinflammatorischer Zytokine nunmehr in hoch aufgereinigten β-Zell-Populationen zu messen. Dies erlaubte es, die toxischen Effekte von Zytokinen in aus hES-Zellen abgeleiteten β-Zellen genauer als bislang möglich zu bestimmen, was u. a. Hinweise auf die Induktion von insgesamt 11 Zytokinen und 17 Chemokinen ergab. Darüber hinaus zeigte sich beispielsweise eine verstärkte Expression einer Reihe von Genen, die mit der MHC-Klasse-I-Familie in Zusammenhang stehen sowie eine Aktivierung wichtiger (in inflammatorische Prozesse involvierter) Transkriptionsfaktoren.

Die Vorgehensweisen für die Differenzierung von hES-Zellen zu pankreatischen ß-Zellen sowie für deren Anreicherung wurden bereits vielfach in der Literatur beschrieben, wobei die bei der Genehmigungsinhaberin durchgeführten Arbeiten nicht unerheblich zu diesem Kenntnisstand beigetragen haben. Die Methoden zur genetischen Modifikation von hES-Zellen, zur Analyse des Differenzierungserfolges sowie zur Charakterisierung der Zytokin-Effekte sind in der Literatur beschrieben und bei der Genehmigungsinhaberin etabliert.

Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.

Die Nutzung von ß-Zellen aus anderen Spezies als dem Menschen kommt nach derzeitigem Kenntnisstand für Transplantationszwecke nicht in Frage. Hierfür sind humane Zellen erforderlich, folglich müssen bereits die Forschungsarbeiten an menschlichen Zellen durchgeführt werden.

Die hier geplanten Untersuchungen können auch nicht unter Nutzung anderer als pluripotenter menschlicher Zellen durchgeführt werden. Pankreatische Inseln, die aus Verstorbenen gewonnen werden könnten, sind den für die Versuchsdurchführung zwingend notwendigen genetischen Veränderungen deutlich schlechter zugänglich als pluripotente Stammzellen. Hinweise darauf, dass adulte pankreatische Stammzellen des Menschen in Kultur genommen und zu den für die hier verfolgten Projektziele ausreichenden Zellmengen vermehrt und in ß-Zellen differenziert werden könnten, liegen bislang nicht vor. Eine Nutzung von (pankreatischen) Zellen aus abgetriebenen menschlichen Föten ist zwar denkbar, aufgrund von deren geringer Verfügbarkeit und Reproduzierbarkeit jedoch hier nicht möglich.

Die Erreichung der Forschungsziele ist nach derzeitigem Kenntnisstand auch nicht unter Verwendung von humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) möglich. Zwar wurden auch hiPS-Zellen bereits zur Herstellung pankreatischer ß-Zellen eingesetzt, jedoch haben hiPS-Zellen ein stark variierendes und deutlich geringeres pankreatisches Differenzierungspotential als humane ES-Zellen. Es ist auch nicht hinreichend geklärt, welche Konsequenzen die in manchen Studien beobachteten, infolge des Reprogrammierungs-prozesses auftretenden genetischen Veränderungen und das für hiPS-Zellen postulierte epigenetische Gedächtnis für das pankreatische Differenzierungspotential von hiPS-Zellen haben. Auch die Frage danach, in welchem Umfang der Reprogrammierungsprozess zu genetischen Veränderungen führt, ist weiterhin strittig. Eine jüngst publizierte Studie hat erneut starke Anhaltspunkte dafür geliefert, dass ein Großteil der hiPS-Zellen dieselben Mutationen wie die zur Reprogrammierung genutzten somatischen aufweisen. Darüber hinaus wurde in einer der wenigen publizierten Studien, in denen gleichzeitig sowohl hES- als auch hiPS-Zellen in funktionale Beta-Zellen differenziert wurden, ausdrücklich eine geringere Effizienz der pankreatischen Differenzierung festgestellt, wenn hiPS-Zellen verwendet wurden. Zudem sollen die Forschungsarbeiten teils unter Verwendung von Reporter-Zell-Linien durchgeführt werden, die aus hES-Zellen abgeleitet wurden und für die Äquivalente auf der Basis von hiPS-Zellen derzeit nicht verfügbar sind.

Stand: 01.11.2023

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