Navigation und Service

Zielgruppeneinstiege

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Mit dem Klick auf "Erlauben" erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihren Aufenthalt auf der Seite anonymisiert aufzeichnen. Die Auswertungen enthalten keine personenbezogenen Daten und werden ausschließlich zur Analyse, Pflege und Verbesserung unseres Internetauftritts eingesetzt. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz

OK

190. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 01.11.2023

1. Genehmigungsinhaber

Universitätsmedizin Göttingen

2. Zell-Linien

Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linie:

  • H9 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)

Die Genehmigung gilt auch für die Verwendung von Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linie.

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Vor dem Hintergrund, dass fehlende oder dysfunktionale Mikroglia eine erhebliche Rolle bei der Entwicklung neurodegenerativer Erkrankungen des Zentralnervensystems spielt und dass die Transplantation von funktionaler Mikroglia eine denkbare Therapieoption für diese Krankheiten darstellt, soll im Rahmen der beantragten Forschungsarbeiten unter Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen) die Frage nach der Rolle eines spezifischen Chemokin-Rezeptors (CX3CR1-Rezeptor) für die Entwicklung humaner Mikroglia in vitro und in vivo näher untersucht werden. Hierfür sollen hES-Zellen genutzt werden, in denen die Expression des Gens für den genannten Rezeptor an die Expression eines Reportergens gekoppelt ist, ferner hES-Zellen, in denen das Gen für CX3CR1 funktional deletiert ist. Die Zellen sollen jeweils in vitro zu Mikroglia-Vorläuferzellen differenziert und dann deren Fähigkeit untersucht werden, sich nach Transplantation in Mikroglia-depletierte Mäuse in Abhängigkeit von der Expression des Gens für CX3CR1 zu reifer Mikroglia zu entwickeln. Die aus hES-Zellen entstandene Mikroglia soll zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Transplantation aus der Maus entnommen und umfassend untersucht werden, insbesondere hinsichtlich ihres Reifungsgrades sowie ihrer molekularen Eigenschaften, woraus Rückschlüsse auf die Funktion von CX3CR1 und seiner zellulären Wechselwirkungspartner für die Entwicklung und Reifung von humaner Mikroglia gezogen werden sollen.

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des Robert Koch-Institutes (RKI) der Erreichung hochrangiger Forschungsziele in der Grundlagenforschung, wobei die Ergebnisse künftig auch zur Entwicklung neuer diagnostischer und therapeutischer Verfahren zur Anwendung bei Menschen beitragen können.

Die genehmigten Forschungsarbeiten unter Nutzung von hES-Zellen erfolgen vor dem Hintergrund, dass eine dysfunktionale Mikroglia eine erhebliche Rolle bei der Pathogenese neurodegenerativer, neuroimmunologischer und neurometabolischer Erkrankungen spielt. Prominente Beispiele hierfür sind die X-chromosomale Adrenoleukodystrophie und die Alzheimer-Krankheit. Die Transplantation von funktionaler Mikroglia stellt für diese Erkrankungen eine Therapieoption dar: bei zerebralen Formen von X-ALD beispielsweise kann die frühzeitige Transplantation von hämatopoetischen Stammzellen zu einer deutlich verzögerten Demyelinisierung führen. Auch im Falle der Alzheimer-Erkrankung könnte der Ersatz von dysfunktionaler Mikroglia durch funktionale Zellen ggf. zu einer verstärkten Phagozytose der Amyloid-Plaques und damit zu einer Besserung des Krankheitsbildes führen.

Allerdings erfolgt die Entwicklung mikroglialer Zellen nach Transplantation hämatopoetischer Vorläuferzellen sehr langsam, und die molekularen Vorgänge dieser Differenzierung sind wenig verstanden. Im Rahmen der geplanten Forschungsarbeiten soll daher zum einen geklärt werden, ob sich aus hES-Zellen abgeleitete mikrogliale Vorläuferzellen in einer geeigneten Umgebung (also nach Transplantation in das Maus-Gehirn) effizienter in reife Mikroglia entwickeln, als dies hämatopoetische Stammzellen tun, ob sie typische Eigenschaften mikroglialer Zellen aufweisen und ob folglich eine Transplantation mikroglialer Vorläufer einer Transplantation hämatopoetischer Vorläufer vorzuziehen wäre. Zum zweiten soll geklärt werden, ob ein funktionales CX3CR1 (und dessen Wechselwirkung mit seinem Liganden) auch für die Entwicklung humaner Mikroglia essentiell ist.

Zur Beantwortung dieser Fragen sollen hES-Zellen, die ein Reportergen unter der Kontrolle des CX3CR1-Locus enthalten, nach bekannten Vorgehensweisen in vitro zu Vorläufern von Mikroglia und zu frühen hämatopoetischen Stammzellen differenziert und diese, nach ausführlicher Charakterisierung, stereotaktisch in die Gehirne experimentell erzeugter Mikroglia-depletierter Mäuse transplantiert werden. Durch Untersuchung der Maus-Gehirne zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Transplantation soll geklärt werden, ob sich die transplantierten Zellen zu reifen Mikroglia-Zellen weiterentwickeln und zu welchem Zeitpunkt der Entwicklung eine Expression des CX3CR1-Gens festgestellt werden kann. Durch vergleichende Untersuchungen sollen sich u. a. Kenntnisse darüber ergeben, ob sich aus hES-Zellen hergestellte mikrogliale Vorläuferzellen schneller zu Mikroglia entwickeln können als hämatopoetische Stammzellen und ob erstere die gleichen oder ggf. stärker für Mikroglia typische Eigenschaften haben als letztere. Zudem soll Klarheit darüber geschaffen werden, in welcher Phase der mikroglialen Entwicklung/Reifung mikroglialer Zellen in einem In-vivo-Kontext das Gen für CX3CR1 in welchem Maße aktiv ist. Ferner sollen hES-Zellen in vitro über mikrogliale Vorläuferzellen hinaus zu sog. induzierten Mikroglia-ähnlichen Zellen differenziert und diese hinsichtlich ihres Potentials zur weiteren Entwicklung nach Transplantation in Mausgehirne untersucht werden, wodurch die Frage geklärt werden soll, ob diese Zellen ggf. ein besseres Ausgangsmaterial für den Mikroglia-Ersatz im Rahmen künftig vorstellbarer regenerativer Therapien sein könnten als (weniger reife) mikrogliale Vorläuferzellen.

Die o. g. Analysen sollen dann unter Nutzung von hES-Zellen durchgeführt werden, in denen das CX3CR1-Gen (homozygot) deletiert ist. Dabei soll geklärt werden, ob sich hES-Zellen, die kein funktionales CX3CR1-Gen mehr enthalten, in vitro noch in gleichem Maße zu mikroglialen Vorläuferzellen differenzieren lassen wie genetisch unveränderte hES-Zellen und ob das Fehlen eines funktionales CX3CR1-Gens die Reifung der Zellen zu funktionaler Mikroglia verhindert, beeinträchtigt und/oder verzögert. Diese Untersuchungen sollen Rückschlüsse auf die Erforderlichkeit von funktionalem CX3CR1 für die Differenzierung von hES-Zellen zu funktionalen Mikroglia-Zellen zulassen. Im Ergebnis der geplanten molekularen Analysen können sich auch neue Erkenntnisse über (bislang unbekannte) Funktionen von CX3CR1 bei der mikroglialen Differenzierung sowie über intra- und interzelluläre Prozesse ergeben, die von CX3CR1 moduliert werden bzw. an deren Regulation CX3CR1 beteiligt ist.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass die Forschungsfragen in allen wesentlichen Punkten hinreichend vorgeklärt sind.

Die wesentliche Rolle der Mikroglia in der Pathogenese verschiedener neurodegenerativer Erkrankungen des Menschen ist bereits seit längerem bekannt. Protokolle für die Differenzierung humaner embryonaler Stammzellen in transplantierbare hämatopoetische Vorläuferzellen sind bereits seit langem etabliert und wurden vielfach in der wissenschaftlichen Literatur veröffentlicht. Auch der Nachweis, dass sich aus pluripotenten humanen Stammzellen gewonnene hämatopoetische Stammzellen nach Transplantation in die Maus zu Mikroglia-ähnlichen Zellen differenzieren können, ist bereits erbracht worden. Vorgehensweisen für die In-vitro-Differenzierung von hES-Zellen zu mikroglialen Zellen, die sich nach Transplantation in das Gehirn zu integrieren vermögen, wurden vor einigen Jahren ebenfalls entwickelt und in der wissenschaftlichen Literatur publiziert. Die transgene hES-Zell-Linie, die ein Monitoring der CX3CR1-Aktivität infolge der CX3CR1-abhängigen Aktivierung eines Reportergens erlaubt, ist ebenfalls in der Literatur beschrieben. Ferner ist die grundsätzliche Möglichkeit, Mikroglia durch hämatopoetische Stammzellen ersetzen zu können, in der Maus bereits umfassend vorgeklärt. Auch bei der Antragstellerin selbst wurden in der Vergangenheit Experimente durchgeführt, die zeigten, dass die zuvor experimentell depletierte endogene Mikroglia durch Mikroglia ersetzt werden kann, die sich aus Knochenmarkstammzellen von Spendertieren differenziert hatte, dass die transplantierten Zellen in vivo reiften und sich stabil in das ZNS der Empfängertiere integrierten.

Eine offenbar grundsätzliche Rolle von CX3CR1 für die Entwicklung und Reifung mikroglialer Zellen ist durch Experimente, die in der Vergangenheit bei der Antragstellerin durchgeführt worden sind, ebenfalls belegt. Dabei wurde gezeigt, dass sich hämatopoetische Stammzellen von Mäusen, in denen das CX3CR1-Gen funktional inaktiviert worden war, sich nach Transplantation nicht mehr in mikrogliale Zellen zu entwickeln vermochten.

Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.

Langfristiges Ziel der beantragten Forschungsarbeiten ist die Entwicklung eines Verfahrens für die Differenzierung von funktionalen, therapeutisch nutzbaren Mikrogliazellen für regenerative Therapien von Erkrankungen, die mit einer fehlenden oder dysfunktionalen Mikroglia einhergehen. Da diese Therapie künftig bei Menschen eingesetzt werden soll, erfordert ihre Entwicklung und Optimierung die Nutzung eines humanen Zellmaterials. Es bestehen zudem erhebliche Spezies-spezifische Unterschiede zwischen der Mikroglia des Menschen und der anderer Spezies, was eine Nutzung tierischer Zellen zur Erreichung der Forschungsziele ausschließt.

Die Forschungsziele können nach derzeitigem Kenntnisstand auch nicht unter Nutzung anderer menschlicher als humaner pluripotenter Stammzellen erreicht werden. Andere menschliche Zellen, insbesondere hämatopoetische Knochenmark-Stammzellen, können sich zwar nach Transplantation grundsätzlich in Mikroglia-ähnliche Zellen differenzieren und – insbesondere in pathologischen Situationen – das reife Gehirn besiedeln, jedoch unterscheiden sich diese Zellen hinsichtlich bestimmter Charakteristika von „wahren“ mikroglialen Zellen, die embryonalen Ursprungs sind und deren Entwicklung zu Mikroglia im Rahmen der beantragten Forschungsarbeiten untersucht und verstanden werden soll.

Nach derzeitigem Kenntnisstand lassen sich die Forschungsziele voraussichtlich auch nicht unter Verwendung humaner induzierter pluripotenter Stammzellen (hiPS-Zellen) erreichen. Die Untersuchung der Eigenschaften hES-Zell-abgeleiteter Mikrogliazellen soll unter Nutzung eines Reportersystems erfolgen, das bereits in hES-Zellen etabliert, umfangreich charakterisiert sowie erfolgreich zur Untersuchung von Fragestellungen im Zusammenhang mit der Differenzierung pluripotenter Stammzellen zu Mikroglia eingesetzt wurde. Eine entsprechende Reporter-Zelllinie auf Grundlage von hiPS-Zellen ist derzeit nicht verfügbar. Zudem sollen u. a. die funktionalen Auswirkungen einer CX3CR1-Defizienz auf die mikrogliale Entwicklung menschlicher Zellen untersucht werden ; hierfür sind Zellen besser geeignet, die einen möglichst ursprünglichen Charakter aufweisen. Diese Voraussetzung erfüllen aber hiPS-Zellen nicht in gleichem Maße wie hES-Zellen, da sie aufgrund ihrer Ableitung aus somatischen Zellen ggf. bereits Mutationen tragen, die in ihren somatischen Ursprungszellen präsent waren; hinzu kommen Mutationen und epigenetische Veränderungen, die durch den Reprogrammierungsprozess erworben wurden.

Stand: 01.11.2023

Zusatzinformationen

Gesundheits­monitoring

In­fek­ti­ons­schutz

Forschung

Kom­mis­sio­nen

Ser­vice

Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit

© Robert Koch-Institut

Alle Rechte vorbehalten, soweit nicht ausdrücklich anders vermerkt.