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188. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 20.09.2023

1. Genehmigungsinhaber

Bayer AG, Leverkusen

2. Zell-Linien

Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linie:

  • H9 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)

Die Genehmigung gilt jeweils auch für Sub-Linien (z.B. für klonale Sub-Linien oder genetisch modifizierte Derivate) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Gegenstand der genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen ist die Entwicklung und Optimierung von Verfahren für die Etablierung eines Prozesses zur Herstellung des bereits in der klinischen Erprobung befindlichen zellbasierten Therapeutikum Bemdaneprocel, das zur Behandlung des Morbus Parkinson eingesetzt werden soll, in größeren Maßstäben als bislang. Dabei soll eine Optimierung des ersten Teilschritts des Herstellungsprozesses von Bemdaneprocel erfolgen, in dessen Verlauf die (pluripotenten) hES-Zellen aus einer Arbeitszellbank entnommen und zu großen Zellmengen expandiert werden. Hierfür sollen das Kulturmedium für die Expansion der pluripotenten Stammzellen optimiert und insbesondere der Ernteschritt am Ende der Expansionsphase, der die Dissoziation, Zentrifugation, Abfüllung und Kryokonservierung der Zellen beinhaltet, verbessert werden. Durch eine optimierte Kryokonservierung der Zellen soll zudem die Möglichkeit geschaffen werden, die Stammzellexpansion und die spätere Differenzierung der Zellen in das Zellprodukt räumlich und zeitlich zu entkoppeln. Der erfolgreiche Abschluss der beantragten Arbeiten dient der Überführung des aktuellen Herstellungsprozesses in einen Maßstab, in dem Bemdaneprocel zunächst in für die geplanten klinischen Folgestudien erforderlichen großen Mengen bereitgestellt werden kann.

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des Robert Koch-Institutes (RKI) vorrangig der Erreichung hochrangiger Forschungsziele für die Entwicklung eines neuen therapeutischen Verfahrens zur Anwendung bei Menschen.

Derzeit sind weltweit mehr als 10 Millionen Menschen von der Parkinson-Erkrankung betroffen. Der Krankheitsverlauf ist chronisch progressiv, wobei keine Chance auf Heilung besteht. Die derzeit favorisierte Behandlung von Parkinson-Patienten basiert auf einer pharmakologischen Substitution von L-Dopa; allerdings verliert die L-Dopa-Behandlung in der Regel innerhalb von 10 und mehr Jahren an Wirksamkeit. Die Transplantation von Dopamin-produzierenden Neuronen, die aus humanen pluripotenten Stammzellen gewonnen werden, stellt eine vielversprechende Therapieoption dar und könnte ggf. zu einer kompletten Wiederherstellung der Dopamin-Produktion im zentralen Nervensystem führen.

Bei Bemdaneprocel handelt es sich um ein derartiges aus hES-Zellen abgeleitetes Zellprodukt, das aus Dopamin-produzierenden menschlichen Neuronen besteht. Diese Dopamin-produzierenden Neuronen werden in die Putamen-Region des Gehirns implantiert, wo sie die abgestorbenen dopaminergen Neurone ersetzen und hierdurch motorische sowie nicht-motorische Funktionen in betroffenen Patienten wiederherstellen sollen. Bemdaneprocel wird aktuell in einer klinischen Studie der Phase I zur Behandlung von Parkinson-Patienten vom Biotechnologieunternehmen Bluerock Therapeutics LP erprobt, einer Tochterfirma der Bayer AG, die bislang hauptsächlich in den USA tätig war. Erste Ergebnisse dieser klinischen Studie, nach denen keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auftraten, wurden kürzlich über die Presse bekanntgemacht. Demnach überlebten die transplantierten Zellen, zudem integrierten sie sich in das Zentralnervensystem der Patienten und zeigten dopaminerge Aktivität, wobei die Transplantation von Bemdaneprocel auch zu einer gewissen Verbesserung des klinischen Bildes führte. Es wird derzeit davon ausgegangen, dass eine Folgestudie der Phase II im ersten Halbjahr 2024 beginnen kann.

Die hier beantragten Forschungsarbeiten dienen der Weiterentwicklung des Herstellungsprozesses von Bemdaneprocel, der begleitend zur klinischen Entwicklung erfolgen soll, und beinhalten ausschließlich unterstützende biotechnologische Prozessentwicklungsarbeiten. Dabei soll zunächst eine Optimierung des Expansionsmediums erfolgen, wobei im Hochdurchsatzverfahren Faktoren und Signalwege identifiziert werden sollen, die zu höherer Viabilität und verbesserter Proliferation der Zellen bei ggf. verbesserten Pluripotenz-Eigenschaften führen könnten. Ggf. identifizierte Moleküle sollen anschließend experimentell validiert und optimierte Medien getestet werden, wobei jeweils eine umfassende Charakterisierung der hES-Zellen erfolgen soll. Aus diesen Experimenten werden Erkenntnisse darüber erwartet, welche weiteren als die bislang bekannten Moleküle für die Expansion pluripotenter Stammzellen von Bedeutung sind. Dies könnte dann Grundlage für die Optimierung entsprechender Expansionsmedien sein.

Ferner sollen Prozessoptimierungen der Zellernte und der Kryokonservierung bezüglich ihrer Skalierbarkeit auf größere Maßstäbe evaluiert werden. Bisherige Entwicklungsarbeiten haben gezeigt, dass der Zellernteschritt am Ende der Expansionsphase, insbesondere bei größeren Prozessmaßstäben, zu einer reduzierten Ausbeute an viablen Zellen führen kann. Für die Optimierung des Ernte-Einfrier-Prozesses, der im Wesentlichen die Dissoziation, die Zentrifugation, die Resuspension, die Kryokonservierung sowie die anschließende Lagerung der Zellen beinhaltet, sollen zahlreiche Parameter jeweils systematisch (einzeln und in Kombination) variiert und der jeweilige Effekt auf relevante Charakteristika der Zellen – von der Präsenz von Pluripotenzmarkern über ihre Vitalität und Teilungsraten bis hin zu ihrer Differenzierungsfähigkeit in dopaminerge Neurone – bestimmt werden. Im Ergebnis dieser Arbeiten soll ein gut charakterisiertes Modell für den Ernte-Einfrier-Schritt im Miniaturmaßstab zur Verfügung stehen, das die benannten Prozess-Schritte im aktuellen Bemdaneprocel-Herstellungsprozess repräsentiert und auf größere Maßstäbe übertragbar ist. Es wird erwartet, dass aus den Arbeiten neue Erkenntnisse darüber gewonnen werden können, welche Prozessparameter im angestrebten Herstellungsprozess mit hoher Skalierbarkeit auf große Maßstäbe verändert werden müssen, um zu einer optimierten Dissoziation, Zentrifugation und Kryokonservierung der Zellen zu gelangen und den Anteil viabler Zellen hoher Qualität zu erhöhen sowie den Anteil apoptotischer oder geschädigter Zellen zu vermindern.

Insgesamt wird erwartet, dass mit den genehmigten Forschungsarbeiten ein deutlich verbessertes Expansionsmedium sowie verbesserte Verfahren für die Ernte und das Einfrieren bei der Gewinnung des pluripotenten Stammzell-Intermediats etabliert werden können, die zu einer höheren Ausbeute an viablen Zellen mit für pluripotente Stammzellen günstigen Eigenschaften führen. Dies stellt einen wichtigen Schritt für die Übertragung des Herstellungsprozesses auf einen Maßstab dar, der die Herstellung ausreichender Mengen eines gleichbleibend wirksamen und sicheren Zellproduktes für klinische Folgestudien und einen angestrebten späteren breiten klinischen Einsatz sicherstellen kann.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass die Forschungsfragen in allen wesentlichen Punkten weitestmöglich vorgeklärt sind.

Die Tatsache, dass Dopamin-produzierende Neuronen, die aus hES-Zellen abgeleitet wurden, ein regeneratives Potential aufweisen und daher zur Behandlung von Morbus Parkinson genutzt werden könnten, ist durch entsprechende Transplantationsstudien in Tiermodellen für Morbus Parkinson bereits vielfach belegt worden. Zudem wird Bemdaneprocel bereits in einer klinischen Studie der Phase I zur Behandlung von Parkinson-Patienten vom Biotechnologieunternehmen Bluerock Therapeutics LP in den USA und in Kanada erprobt (NCT04802733). Erste positive Ergebnisse dieser Phase-I-Studie wurden bereits in der Presse veröffentlicht. Bemdaneprocel wurde demnach von allen 12 Patienten ohne größere Probleme für bislang ein Jahr gut vertragen. Darüber hinaus bestätigte eine erste Auswertung sekundärer Endpunkte den Erfolg der Zelltransplantation und lieferte wichtige Informationen zum Überleben und Heranwachsen der Zellen im Patientengewebe. Basierend auf diesen Befunden soll im ersten Halbjahr 2024 eine klinische Phase-II Studie begonnen werden.

Der Herstellungsprozess für das Zelltherapeutikum Bemdaneprocel ist bereits umfassend vorgeklärt. So liegen publizierte Studien vor, die den dreistufigen Prozess zur Erzeugung von dopaminergen Neuronen des Mittelhirns aus humanen embryonalen Stammzellen für den klinischen Einsatz beschreiben. Die entsprechenden Zellprodukte wurden bereits umfassend in Biodistributions-, Toxizitäts- und Tumorigenitätsstudien mit Mäusen unter GLP-Bedingungen und in Wirksamkeitsstudien in einem Parkinson-Rattenmodell getestet. Es zeigten sich keine unerwünschten Wirkungen, die auf die transplantierten Zellen zurückzuführen waren, keine offensichtliche Verteilung außerhalb des Gehirns und keine Zellüberwucherung oder Tumorbildung. Die im Antrag beschriebenen Vorgehensweisen zur Herstellung vom Bemdaneprocel sowie zur Analyse der expandierten pluripotenten Stammzellen auf morphologischer, zellbiologischer und molekularer Ebene sind in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben worden und im Labor des für die Forschung verantwortlichen Wissenschaftlers etabliert.

Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.

Ziel der beantragten Forschungsarbeiten ist die Weiterentwicklung eines Verfahrens für den Herstellungsprozess von funktionalen, klinisch anwendbaren Dopamin-produzierenden Neuronen zur Therapie des Morbus Parkinson. Da diese Zellersatztherapie bei Menschen eingesetzt werden soll, erfordert bereits ihre Entwicklung die Nutzung eines humanen Zellmaterials, zumal sich die Eigenschaften humaner und tierischer (insbesondere muriner) ES-Zellen in vielerlei Hinsicht unterscheiden. Die Forschungsziele können nach derzeitigem Kenntnisstand auch nur unter Nutzung humaner pluripotenter Stammzellen erreicht werden. Andere menschliche Zellen, insbesondere primäre menschliche fötale mesenzephale dopaminerge Neuronen, die aus abgetriebenen Föten gewonnen werden, stehen in für die Durchführung des Forschungsvorhabens ausreichender Menge, Qualität und Reproduzierbarkeit nicht zur Verfügung.

Nach derzeitigem Kenntnisstand ist für die Erreichung der Forschungsziele die Verwendung der hES-Zellinie H9 erforderlich, da nur auf diesem Wege ein Transfer der neu gewonnenen Erkenntnisse auf den Herstellungsprozess für das zellbasierte Therapeutikum Bemdaneprocel ermöglicht werden kann. Die vielfach beschriebene interindividuelle Variabilität humaner pluripotenter Stammzellinien beeinflussen auch das neuronale Differenzierungsvermögen dieser Zellen, und diese Unterschiede stellen eine erhebliche Hürde für die Übertragbarkeit optimierter Verfahren auf den Herstellungsprozess dar, wenn andere Zellen, beispielsweise humane induzierte pluripotente Stammzellen (hiPS-Zellen) genutzt würden. Der Herstellungsprozess von Bemdaneprocel basiert aber – ebenso wie die bereits gewonnenen Erkenntnisse der bereits durchgeführten klinischen Studie – auf der Zellinie H9 als Ausgangsmaterial, und alle Teilabschnitte des Herstellungsprozesses sind auf Zellen dieser Linie ausgerichtet, so dass die hier angestrebte Optimierung und Ausdehnung dieses Prozesses auf größere Maßstäbe nur unter Nutzung der hES-Zellinie H9 erfolgen kann. Zudem sind vergleichbare Kenntnisse über den Herstellungsprozess und die klinische Erprobung eines entsprechenden Zellproduktes für den Ersatz dopaminerger Neuronen, das auf Grundlage von anderen pluripotenten Stammzellen, beispielsweise hiPS-Zellen, hergestellt wurde, derzeit nicht verfügbar.

Stand: 20.09.2023

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