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182. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 29.11.2022

1. Genehmigungsinhaberin

Universität Heidelberg

2. Zell-Linien

Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linien:

  • H9 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • RUES2 (Rockefeller University, New York, NY, USA)

Die Genehmigung gilt auch für die Verwendung von Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Die genehmigten Forschungsarbeiten zur Entwicklung eines In-vitro-Modells, mit dem Prozesse der Infektion menschlicher Leberzellen mit dem Hepatitis-D-Virus (HDV) untersucht werden können, erfolgen vor dem Hintergrund bereits erfolgreich durchgeführter und publizierter Arbeiten zur Entwicklung eines entsprechenden Systems zur Untersuchung der Infektion menschlicher Leberzellen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV). Auf Grundlage der bei diesen Forschungsarbeiten gemachten Erfahrungen sollen zunächst zwei verschiedene hepatische Differenzierungsprotokolle zur Gewinnung von humanen leberzellähnlichen Zellen (HLC) auf humane embryonale Stammzellen (hES-Zellen) angewandt und überprüft werden, ob und inwieweit die jeweils gewonnenen Zellen den Eintrittsrezeptor für HDV (NTCP) produzieren und einer Infektion mit HDV zugänglich sind. Anschließend soll geklärt werden, in welchem Stadium der Leberzell-Entwicklung eine (ggf. partielle) Permissivität für HDV besteht und ob sich die Permissivität für eine Infektion mit HDV durch ektopische Expression des NTCP-Gens (ggf. weiter) erhöhen lässt. Im folgenden soll dann überprüft werden, ob die aus hES-Zellen abgeleiteten HLC – entweder mittels ektopischer Expression des Gens für die S-Antigene des Hepatis-B-Virus (HBV) oder über eine Ko-Infektion mit HBV – in der Lage sind, den gesamten HDV-Lebenszyklus zu rekapitulieren, von der Infektion mit HDV-Partikeln bis zur Freisetzung neu gebildeter Viruspartikel. Schließlich soll überprüft werden, ob die Infektion mit HDV im hier entwickelten In-vitro-System durch Einsatz von Wirkstoffen mit nachgewiesener Anti-HDV-Aktivität vermindert oder gar vollständig gehemmt werden kann und sich das entwickelte Modellsystem folglich grundsätzlich auch zur Identifizierung neuer antiviral wirksamer Substanzen eignet.

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des Robert Koch-Institutes (RKI) der Erreichung hochrangiger Forschungsziele in der Grundlagenforschung:

Mit den genehmigten Forschungsarbeiten werden mehrere hochrangige Forschungsziele verfolgt. Erstens soll ein weitgehend authentisches humanes Leberzellmodell etabliert und optimiert werden, an dem die partielle oder vollständige Infektion menschlicher Hepatozyten mit HDV untersucht werden kann. Zweitens soll geklärt werden, in welchem Stadium der Leberzell-Entwicklung eine Infektion mit HDV möglich ist und ob der Eintrittsrezeptor NCTP der für die Infektion limitierende Faktor ist. Drittens schließlich soll Klarheit darüber erlangt werden, ob am hier angestrebten Modellsystem künftig Wirkstoffe identifiziert oder getestet werden können, die verschiedene Schritte im Replikationszyklus von HDV hemmen.

Das Hepatitis-D-Virus (HDV) ist ein defektes RNA-Virus, dessen vollständiger Replikationszyklus nur in Präsenz von Oberflächen-Proteinen des Hepatitis-B-Virus (HBV-S-Antigene) ablaufen kann und das daher auf HBV als Helfervirus angewiesen ist. Eine chronische Infektion mit HDV und HBV birgt – verglichen mit einer Infektion durch HBV alleine – ein deutlich höheres Risiko für die Entwicklung einer Leber-Zirrhose oder eines hepatozellulären Karzinoms. Schätzungen über die Zahl der weltweit mit HDV infizierten Patienten belaufen sich auf 12 bis 75 Millionen. Im Gegensatz zu einer Infektion mit HBV, die mittlerweile medikamentös gut kontrollierbar ist, ist eine Therapie oder wenigstens Kontrolle der HDV-Infektion derzeit nur eingeschränkt möglich. Für die Entwicklung weiterer therapeutischer Optionen ist ein tieferes Verständnis der HDV-Biologie und des Zusammenspiels von HDV mit Wirtszellfaktoren bei der Etablierung einer HDV-Infektion vonnöten, was wiederum nur auf der Grundlage möglichst authentischer, auf humanen Zellen basierender In-vitro-Modelle erlangt werden kann.

Zunächst soll hier überprüft werden, ob nach herkömmlichen Protokollen gewonnene oder nach jüngeren Vorgehensweisen hergestellte (polarisierte) HLC-Kulturen besser für die Infektion mit HDV geeignet sind, wobei auch untersucht werden soll, ob nach verschiedenen Vorgehensweisen hergestellte HLC Unterschiede in der Expression des Gens für den (die HDV-Infektion offenbar limitierenden) Faktor NCTP aufweisen, ob Unterschiede in der Lokalisation von NCTP in polarisierten HLC-Kulturen bestehen und ob eine Infektion der HLC mit HDV über die basale oder apikale Membran zu unterschiedlichen Infektionsraten führt. Ferner soll überprüft werden, ob und inwieweit Vorläuferzellen von HLC, die im Zuge der hepatischen Differenzierung auftreten, bereits einer HDV-Infektion zugänglich sind. Die Beantwortung dieser Fragen kann für die weitere Erforschung der Biologie des Hepatitis-D-Virus sowie für die Entwicklung neuer Therapien bereits von großer Relevanz sein. Zudem könnten, beispielsweise in unreifen (d. h. bereits proliferationsinaktiven, jedoch noch nicht terminal differenzierten) Zellen ggf. Faktoren identifiziert werden, die für bestimmte Schritte der Etablierung einer HDV-Infektion (Virus-Eintritt, RNA-Replikation usw.) erforderlich sind bzw. ihr im Wege stehen.

Im weiteren sollen Infektionsmodelle entwickelt werden, in denen die HDV-Infektion in Anwesenheit von HBS-Ag bzw. gemeinsam mit einer Infektion durch HBV erfolgt, da die Produktion infektiöser HDV-Partikel nur in Gegenwart von HBV-Komponenten erfolgen kann. Hierdurch soll ein Zellmodell etabliert werden, an dem der komplette HDV-Replikationszyklus analysiert werden kann, wobei u. a. die Zahl infektiöser HDV-Partikel bestimmt und untersucht werden soll, ob in polarisierten HLC-Kulturen die Ausscheidung von HDV-Partikeln über die basale oder über die apikale Membran erfolgt. Im Ergebnis dieser Arbeiten soll ein humanes Zellmodell verfügbar sein, an dem alle Schritte des HDV-Replikationszyklus untersucht werden können. Ein solches Modell, das eine hohe Authentizität für die HDV-Infektion haben könnte, würde die Analyse auch später Stadien des Viruszyklus ermöglichen und könnte die Entwicklung/Testung von Wirkstoffen gegen späte Prozesse der Virusreplikation wie Assemblierung oder Freisetzung ermöglichen.

Schließlich soll überprüft werden, ob das etablierte Infektionsmodell auch hinsichtlich der Hemmbarkeit der HDV-Infektion durch pharmakologisch wirksame Substanzen authentische Eigenschaften aufweist. Hierfür sollen verschiedene, eine produktive HDV-Infektion hemmende Substanzen hinsichtlich ihrer antiviralen Wirkung untersucht werden, wobei auch ggf. auftretende Veränderungen in der Vitalität der HLC infolge zytotoxischer oder protektiver Nebenwirkungen der jeweiligen Substanzen untersucht werden sollen. Im Ergebnis dieser Arbeiten soll Klarheit darüber bestehen, ob und inwieweit die im Rahmen der Forschungsarbeiten entwickelten Infektionsmodelle für künftige Forschungen zur Identifizierung, Testung und Validierung antiviraler Substanzen geeignet sind, die bestimmte Schritte der Infektion mit HDV inhibieren. Dies kann für die Entwicklung neuer Therapeutika zur Behandlung von Patienten mit einer HDV-Infektion bzw. für die Prävention einer Infektion mit HDV ggf. von Bedeutung sein.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass die Forschungsfragen in allen wesentlichen Punkten weitestmöglich vorgeklärt sind.

In der Literatur liegen zahlreiche Arbeiten zur Biologie, Epidemiologie und klinischen Bedeutung von HDV vor. Dabei wurden als Modellsysteme u. a. verschiedene immortalisierte humane Leberzell-Linien verwendet, in denen das Gen, das für den HBV/HDV-Eintrittsrezeptor NTCP codiert, stabil exprimiert wurde. Allerdings weisen die betreffenden Zell-Linien erhebliche Defizite im Hinblick auf funktionale Eigenschaften von Leberzellen auf und können nur eingeschränkt zur Beantwortung der hier anstehenden Fragen verwendet werden. Die Ergebnisse publizierter Studien belegen zudem, dass aus humanen pluripotenten Stammzellen abgeleitete HLCs einer Infektion mit hepatotropen Viren (HBV, HCV, HEV) zugänglich sind: die für die Forschung verantwortliche Wissenschaftlerin selbst hat ein auf aus hES-Zellen abgeleiteten HLC basierendes Zellmodell für die Infektion humaner Leberzellen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) entwickelt und publiziert. Jüngst publizierte Daten belegen, dass HLC offenbar auch für eine Infektion mit HDV permissiv sind und folglich als HDV-Zellmodell genutzt werden könnten. Das auf hES-Zellen basierende 2D-polarisierte HLC-Modell, das eine mögliche Direktionalität der HDV-Infektion in vitro abbilden kann, wurde im Rahmen zuvor genehmigter Forschungsarbeiten bereits erfolgreich etabliert und für die Untersuchung der Infektion humaner Leberzellen mit HEV verwendet; es soll nun für die Analyse der Infektion humaner Leberzellen mit HDV zum Einsatz kommen. Das polarisierte HLC-System erlaubt es ggf., die apikale bzw. basale Infektion der Zellen durch HDV, den Transport des Virus bzw. seiner Bestandteile durch die Zelle und die Sekretion neuer HEV-Partikel an der apikalen bzw. basalen Membran zu untersuchen.

Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.

Die Nutzung tierischer Zellen, mit Ausnahme primärer Hepatozyten des Schimpansen, kommt für die Erreichung der Forschungsziele nicht in Frage, da nur der Mensch und der Schimpanse, aber keine andere Spezies, für HDV permissiv sind. Primäre Hepatozyten aus Schimpansen stehen nicht zur Verfügung. Die Erreichung der Forschungsziele kann folglich nur unter Nutzung menschlicher Zellen erfolgen.

Ferner können die Forschungsziele auch nicht unter Nutzung anderer menschlicher Zellen als humaner pluripotenter Stammzellen erreicht werden. Zwar werden (adulte) primäre humane Hepatozyten (PHH), die als Goldstandard für viele Fragen der Leberzellforschung verwendet werden, als Zellmodell für die Infektion mit HDV genutzt, jedoch ist ihre Verfügbarkeit begrenzt und ihre Kultivierung sehr aufwendig. Zudem sind die Charakteristika von PHH in teils starkem Maße von der jeweiligen Präparation sowie von den spezifischen Eigenschaften des Spenders abhängig, so dass ihre Verwendung mit erheblichen Problemen bezüglich der Reproduzierbarkeit und Standardisierbarkeit der Ergebnisse verbunden sein kann. Auch immortalisierte bzw. transformierte humane (Leber)Zell-Linien können nicht zur Erreichung der Forschungsziele genutzt werden: die entsprechenden Zell-Linien werden – teilweise nach genetischer Modifikation – zwar derzeit auch als Zellmodell für die HDV-Infektion genutzt, sie weisen jedoch nicht die Eigenschaften auf, die für eine authentische virale Replikation erforderlich sind. Daher ist es zweifelhaft, ob Zellen dieser Linien tatsächlich alle Aspekte einer HDV-Infektion authentisch nachbilden können. Zudem sollen auch Fragen nach der Infektion sich entwickelnder hepatischer Zellen durch HDV untersucht werden: andere Zellen als pluripotente Stammzellen haben aber die hierbei interessierenden Entwicklungsstadien bereits durchschritten und eignen sich daher nicht zur Beantwortung dieser Forschungsfrage.

Nach derzeitigem Kenntnisstand können die Forschungsziele auch nicht unter Verwendung von humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) erreicht werden. hiPS-Zellen weisen im Gegensatz zu hES-Zellen reprogrammierungsbedingte genetische und epigenetische Veränderungen auf. Zudem haben hiPS-Zellen, wie jüngst erneut gezeigt wurde, erhebliche genetische Variationen, die teils auf ihren somatischen Ursprung und teils auf eine Selektion für bestimmte Mutationen zurückzuführen sind. Ferner wurde kürzlich in der Literatur beschrieben, dass zwischen hiPS- und hES-Zellen reprogrammierungsbedingte Unterschiede im miRNA-Profil bestehen können. Da miRNAs eine entscheidende Rolle bei der Leberzelldifferenzierung und bei der Replikation hepatotroper Viren spielen können, eignen sich hiPS-Zellen nach gegenwärtigem Kenntnisstand weniger gut zur Erreichung der Forschungsziele als hES-Zellen.

Stand: 29.11.2022

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