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173. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 07.10.2021

1. Genehmigungsinhaber

TWINCORE, Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung GmbH

2. Zell-Linien

Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linien:

  • H1 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • H9 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • I3 (Technion ‒ Israel Institute of Technology, Haifa, Israel)
  • HES-2 (ES Cell International Pte Ltd, Singapur)
  • HES-3 (ES Cell International Pte Ltd, Singapur)
  • HUES2 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
  • HUES8 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)

Die Genehmigung gilt jeweils auch für Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Gegenstand der genehmigen Forschungsarbeiten ist die Etablierung eines aus humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen) abgeleiteten Zellmodells für die Infektion menschlicher Hepatozyten mit dem Hepatitis-D-Virus (HDV), an dem bislang ungeklärte Fragen zur Biologie und Immunologie dieses Virus untersucht werden sollen. Hierfür werden in einem ersten Projektteil hES-Zellen zunächst in Richtung hepatozytenähnlicher Zellen (hepatocyte like cells, HLCs) differenziert, diese umfassend charakterisiert und die Permissivität von HLCs sowie ihrer Vorläuferzellen für eine Infektion mit HDV analysiert. Dabei sollen ggf. für die Infektion durch HDV erforderliche Wirtszellfaktoren identifiziert und deren Relevanz durch Überexpression der entsprechenden Gene in nicht-permissiven Vorläuferzellen bzw. durch knockdown dieser Gene in permissiven Zellen bestätigt werden. In einem zweiten Projektteil soll untersucht werden, ob und inwieweit bestimmte Wege der angeborenen Immunantwort, durch die eine virale Infektion kontrolliert werden kann, in HLCs funktionell aktiv sind und durch eine HDV-Infektion aktiviert werden. In einem dritten Projektteil sollen die Analysen des Transkriptoms verfeinert und durch Einzelzell-RNA-Sequenzierungen die individuellen Genexpressionsmuster von durch HDV infizierten Zellen, von ihnen benachbarten (nicht-infizierten) Bystander-Zellen sowie von Kontrollzellen des jeweils gleichen Entwicklungsstadiums bestimmt und verglichen werden, wodurch u.a. Veränderungen im Transkriptom infolge der HDV-Infektion exakt erfasst, die Art und das Ausmaß der Aktivierung immunrelevanter Signalwege in HDV-infizierten Zellen ermittelt und die Präsenz und Natur möglicher kritischer Wirtszellfaktoren bestimmt werden sollen. Im Rahmen eines vierten Projektteils soll ein stärker authentisches HLC-basiertes Modell für die Infektion mit HDV etabliert werden, indem eine Ko-Infektion mit einem für die Bildung infektiöser Partikel erforderlichen Helfervirus (insbesondere mit dem Hepatitis-B-Virus, HBV) erfolgt. Schließlich soll durch Einbringung des Gens für das HBV-S-Antigen in hES-Zellen und Differenzierung der genetisch veränderten Zellen zu HLCs ein humanes In-vitro-Modell für die Untersuchung des gesamten HDV-Replikationszyklus etabliert werden.

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des Robert Koch-Institutes (RKI) in erster Linie der Erreichung hochrangiger Forschungsziele in der Grundlagenforschung, können aber auch zur Schaffung von Grundlagen für neue therapeutische Verfahren zur Anwendung bei Menschen beitragen. Für diese Beurteilung sind folgende Gründe maßgeblich:

Das Hepatitis-D-Virus (HDV) ist ein defektes RNA-Virus, dessen vollständiger Replikationszyklus in vivo nur bei Präsenz von Oberflächen-Proteinen des Hepatitis-B-Virus (HBV-S-Antigenen) ablaufen kann und das daher auf HBV als Helfervirus angewiesen ist. Allerdings birgt eine chronische Infektion mit HDV und HBV – verglichen mit einer Infektion durch HBV alleine – ein deutlich höheres Risiko für die Entwicklung einer Leber-Zirrhose oder eines hepatozellulären Karzinoms. Im Gegensatz zu einer bloßen HBV-Infektion, die mittlerweile medikamentös gut kontrollierbar ist, ist eine Therapie oder wenigstens Kontrolle der HDV-Infektion derzeit nur eingeschränkt möglich. Für die künftige Entwicklung neuer therapeutischer Optionen ist ein tieferes Verständnis der HDV-Biologie und des Zusammenspiels von HDV und Wirtszellfaktoren bei der Etablierung einer HDV-Infektion vonnöten, was wiederum möglichst authentische, auf humanen Zellen basierende In-vitro-Modelle erfordert.

Mit den genehmigten Forschungsarbeiten, die sich in vier Projektteile gliedern, werden mehrere Ziele im Bereich der Grundlagenforschung verfolgt. Erstens soll ein weitgehend authentisches humanes Leberzellmodell etabliert werden, an dem die Infektion menschlicher Hepatozyten mit HDV untersucht und die dafür erforderlichen zellulären Faktoren identifiziert werden können. Hierfür sollen hES-Zellen zunächst zu HLCs differenziert, die Permissivität verschiedener Entwicklungsstadien der HLCs für eine HDV-Infektion untersucht und zelluläre Faktoren identifiziert und charakterisiert werden, die für die Replikation von HDV erforderlich sind. Die Etablierung eines solchen Zellmodells ist – insbesondere angesichts der mangelnden Verfügbarkeit authentischer Zellmodelle für die Infektion mit HDV – ein hochrelevantes Forschungsziel.

Zweitens sollen Kenntnisse darüber gewonnen werden, welche Prozesse der angeborenen Immunantwort durch eine HDV-Infektion in HLCs aktiviert werden und auf welchem Wege diese Aktivierung erfolgt. Die Auslösung der angeborenen Immunantwort ist für die Kontrolle der viralen Infektion unabdingbar, ihre Umgehung oder Ausschaltung ist Voraussetzung für die Etablierung einer persistenten (chronischen) Infektion. Im Rahmen der Forschungsarbeiten soll insbesondere geklärt werden, welche Signalwege des angeborenen Immunsystems in HLCs durch HDV aktiviert werden, welche molekularen Grundlagen diese Aktivierung hat und auf welche Weise das Virus die zellulären Abwehrmechanismen ausschaltet oder umgeht. Derartige Kenntnisse sind nicht nur für das Verständnis der Biologie der HDV-Infektion relevant, sondern wären auch für die Entwicklung neuer therapeutischer Strategien bedeutsam, die auf einer Aktivierung der antiviralen Reaktion der Zellen bzw. auf einer Hemmung der Mechanismen basieren, mit denen das Virus die angeborene Immunantwort in Hepatozyten hemmt.

Drittens sollen – da die Infektion von HLCs mit HDV ein sehr heterogenes Geschehen ist – Transkriptomanalysen auf Einzelzellebene Aufschluss darüber erbringen, welche Unterschiede in der Genexpression HDV-infizierter Zellen und in der Nähe infizierter Zellen befindlicher, aber durch HDV nicht infizierter Zellen bestehen und welche infolge der HDV-Infektion differentiell exprimierten Gene eine Rolle für die Etablierung der HDV-Infektion spielen. Im Falle einer stark veränderten Expression bestimmter Gene sollen diese in HLCs herunterreguliert oder überexprimiert werden, was Hinweise auf die Rolle der entsprechenden Genprodukte für die Etablierung der HDV-Infektion ergeben kann. Erwartet werden insgesamt neue Erkenntnisse über Genexpressionsprogramme und Signalwege, die durch eine HDV-Infektion in infizierten und nicht-infizierten HLCs induziert, moduliert oder inhibiert werden.

Viertens sollen Infektionsmodelle für eine Ko-Infektion von HLCs mit HDV und einem hepatotropen Helfervirus entwickelt werden, da die Produktion infektiöser HDV-Partikel nur in Gegenwart eines entsprechenden Helfervirus erfolgen kann. Im Ergebnis dieser Arbeiten sollen neue Zellmodelle verfügbar sein, an dem alle Schritte des HDV-Replikationszyklus (von der Aufnahme in die Wirtszelle bis zur Freisetzung neuer infektiöser Partikel) in vitro nachvollzogen werden können. Ein solches Modell, das eine hohe Authentizität für die HDV-Infektion hätte, würde die Analyse auch später Stadien des Viruszyklus ermöglichen und könnte die Entwicklung/Testung von Wirkstoffen gegen späte Prozesse der Virusreplikation wie Assemblierung oder Freisetzung erleichtern. Zudem soll überprüft werden, ob und inwieweit die Produktion der HBV-S-Antigene in den aus hES-Zellen abgeleiteten HLCs die Etablierung eines Zellmodells ermöglichen kann, an dem der gesamte HDV-Replikationszyklus untersucht werden kann. Derartige transgene HLCs wären für die Untersuchung der HDV-Infektion ggf. besser geeignet als Ko-Infektionsmodelle, da sie zum einen deutlich leichter handhabbar und die Experimente aufgrund der gleichmäßigen und von ggf. variierenden Infektionsraten unabhängigen Präsenz der S-Antigene im Modellsystem voraussichtlich besser reproduzierbar wären.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten ausreichend vorgeklärt ist.

In der Literatur liegen zahlreiche Arbeiten zur Biologie, Epidemiologie und klinischen Bedeutung von HDV vor, wobei für die jeweiligen Untersuchungen vielfach immortalisierte humane Leberzell-Linien verwendet wurden, in denen das für den HBV/HDV-Eintrittsrezeptor codierende Gen stabil exprimiert wird. Allerdings weisen die betreffenden Zell-Linien erhebliche Defizite im Hinblick auf funktionale Eigenschaften von Leberzellen auf und können nur eingeschränkt zur Beantwortung der hier anstehenden Fragen, beispielsweise zur Wechselwirkung von HDV mit dem angeborenen Immunsystem, verwendet werden. Ergebnisse, die u. a. bei der Antragstellerin selbst gewonnen wurden, belegen, dass aus humanen pluripotenten Stammzellen abgeleitete HLCs einer Infektion mit hepatotropen Viren zugänglich sind, was darauf hindeutet, dass diese Zellen auch für eine Infektion mit HDV permissiv sein sollten und folglich als HDV-Zellmodell genutzt werden könnten.

Fragen der angeborenen Immunantwort als zelluläre Reaktion des Wirtes auf eine Infektion mit HBV/HDV wurden in der Vergangenheit ebenfalls von zahlreichen Forschergruppen untersucht. Zu den Signalwegen der angeborenen Immunantwort, die im Falle einer HBV/HDV-Infektion aktiviert werden, liegen bereits umfangreiche Erkenntnisse vor, die für das hier zu etablierende Modellsystem für die HDV-Replikation bestätigt werden sollen. Die zum Einsatz kommenden Methoden, beispielsweise zur Untersuchung der Permissivität der hES-Zell-abgeleiteten HLCs für HDV, der zellulären Reaktion der Wirtszellen auf eine Virusinfektion auf molekularer Ebene, zur Sequenzierung des Transkriptoms von Einzelzellen und zur Differenzierung von hES-Zellen zu HLCs, sind in der wissenschaftlichen Literatur vielfach beschrieben worden und im Labor der Antragstellerin bereits etabliert.

Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.

Ziel der beantragten Forschungsarbeiten ist die Etablierung eines möglichst authentischen und prädiktiven Zellmodells für die Infektion humaner Leberzellen mit HDV, mittels dessen Wechselwirkungen zwischen dem Virus und der Wirtszelle untersucht werden können. Die Nutzung tierischer Zellen kommt – mit Ausnahme primärer Hepatozyten des Schimpansen – für die Erreichung der Forschungsziele nicht in Frage, da allein Menschen und Schimpansen für HDV permissiv sind. Primäre Hepatozyten aus Schimpansen stehen nicht zur Verfügung; die Erreichung der Forschungsziele kann folglich nur unter Nutzung menschlicher Zellen erfolgen.

Die Forschungsziele können auch nicht unter Nutzung anderer menschlicher Zellen als humaner pluripotenter Stammzellen erreicht werden. Zwar werden (adulte) primäre humane Hepatozyten (PHH) als Zellmodell für die Infektion mit HDV genutzt, jedoch ist ihre Verfügbarkeit begrenzt und ihre Charakteristika hängen in teils starkem Maße von der jeweiligen Präparation sowie von den spezifischen Eigenschaften des Spenders ab, so dass die Verwendung von PHH mit erheblichen Problemen bezüglich der Reproduzierbarkeit und Standardisierbarkeit der Ergebnisse verbunden sein kann. Immortalisierte bzw. transformierte humane hepatische Zell-Linien können ebenfalls nicht zur Erreichung der Forschungsziele genutzt werden. Die entsprechenden Zell-Linien werden zwar derzeit auch als Zellmodell für die HDV-Infektion genutzt, sie weisen jedoch nicht die Eigenschaften auf, die für eine authentische virale Replikation und für die Untersuchung der angeborenen Immunität erforderlich sind.

Nach derzeitigem Kenntnisstand können die Forschungsziele auch nicht unter Verwendung von humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) erreicht werden. Da die Wechselwirkungen zwischen Viren und ihrem natürlichen Wirt, dem Menschen, untersucht werden sollen, sind Zellen erforderlich, die einen möglichst ursprünglichen Charakter aufweisen. hiPS-Zellen weisen jedoch im Gegensatz zu hES-Zellen reprogrammierungsbedingte genetische und epigenetische Veränderungen auf. Zudem bestehen zwischen hiPS- und hES-Zellen Unterschiede im miRNA-Profil. Da miRNAs aber eine entscheidende Rolle bei der Leberzelldifferenzierung und bei der Replikation hepatotroper Viren spielen können, eignen sich hiPS-Zellen nach gegenwärtigem Kenntnisstand nicht in gleichem Maße zur Erreichung der Forschungsziele wie hES-Zellen. Zudem bestehen im Vermögen von verschiedenen hiPS-Zell-Linien, sich in hepatische Zellen zu differenzieren, teils erhebliche Unterschiede, was für die angestrebte Entwicklung eines robusten Infektionsmodells für HDV ein Problem darstellen könnte.

Stand: 07.10.2021

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