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165. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 31.03.2021

1. Genehmigungsinhaber

Dr. Claudio Acuna Goycolea, Universitätsklinikum Heidelberg

2. Zell-Linien

Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linien:

  • H1 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • H9 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • HES-1 (ES Cell International Pte Ltd, Singapur)
  • HUES7 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)

Die Genehmigung gilt jeweils auch für Sub-Linien (z.B. für klonale Sub-Linien oder genetisch modifizierte Derivate) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Hintergrund der genehmigten Forschungsarbeiten ist die Assoziation von Erkrankungen aus dem Feld der Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) mit Mutationen in Genen, die für synaptische Komponenten codieren. Daher sollen hES-Zellen für die Etablierung von Zellmodellen für die Untersuchung der molekularen und zellbiologischen Effekte spezifischer Mutationen mit potentieller Relevanz für ASS genutzt werden. Hierfür sollen – unter Verwendung eines innovativen und effizienten, auf der CRISPR/Cas-Technologie basierenden Mutageneseverfahrens – für synaptische Komponenten codierende Gene in hES-Zellen zunächst mono- oder biallelisch mit jeweils einer krankheitsassoziierten Mutation versehen und entsprechende genetisch stabil veränderte hES-Zell-Linien etabliert werden. Nach ihrer umfassenden Charakterisierung sollen die hES-Zellen dann unter Verwendung etablierter Vorgehensweisen in Neurone und Astrozyten differenziert, diese zur Etablierung neuronaler Netzwerke genutzt und in diesen Netzwerken die Effekte der pathogenen Mutationen auf die Eigenschaften der Neurone und auf deren Funktionalität bestimmt werden. Insbesondere sollen umfassende Untersuchungen zur Struktur, Ultrastruktur und zu den elektrischen Eigenschaften der Synapsen durchgeführt, deren molekularen Eigenschaften analysiert sowie mögliche mutationsbedingte Veränderungen in der Struktur und Funktion der Synapsen bestimmt werden.

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des Robert Koch-Institutes (RKI) der Erreichung hochrangiger Forschungsziele in der Grundlagenforschung. Für diese Beurteilung sind folgende Gründe maßgeblich:

Erkrankungen aus dem Spektrum der Autismus-Störungen (autism spectrum disorders, ASD, oder Autismus-Spektrum-Störungen, ASS) betreffen in der westlichen Welt derzeit mehr als 1% der Kinder. Obwohl nunmehr bekannt ist, dass bis zu 40% der mit ASS diagnostizierten Patienten genetische Erkrankungen/Veränderungen aufweisen, sind die den jeweiligen ASS-Erkrankungen zugrundeliegenden Pathogenesemechanismen bislang nicht oder nicht vollständig verstanden. Vor dem Hintergrund einer gut belegten Assoziation von ASS mit genetischen Veränderungen, die zu Störungen in der Entwicklung, Spezifizierung, Stabilisierung und Funktion von Synapsen im Zentralnervensystem führen, soll nun untersucht werden, in welcher Weise synaptische Dysfunktionen zur Pathogenese von ASS auf molekularer und zellulärer Ebene beitragen.

Dafür sollen hES-Zellen spezifisch mutiert, anschließend in funktionale exzitatorische und inhibitorische Neuronen sowie in Astrozyten differenziert und diese zur Etablierung neuraler Netzwerke verwendet werden. Die Neurone sowie die aus ihnen gebildeten Netzwerke sollen dann umfassend und im Vergleich mit aus isogenen, genetisch unveränderten hES-Zellen abgeleiteten Neuronen untersucht werden, wobei mögliche Veränderungen an exzitatorischen und inhibitorischen Synapsen im Mittelpunkt des Interesses stehen. Dabei soll mittels immunohistochemischer und hochauflösender mikroskopischer Analysen auch geklärt werden, ob und inwieweit die jeweilige Mutation zu Veränderungen in der Präsenz und subzellulären Verteilung synaptischer Proteine in menschlichen Neuronen und neuronalen Netzwerken verändert führt. Zudem sollen mögliche Veränderungen in der elektrischen Aktivität der Neurone/neuronalen Netzwerke bestimmt werden Dadurch soll geklärt werden, welche spezifischen Effekte die jeweilige Mutation auf die funktionalen Eigenschaften menschlicher exzitatorischer und inhibitorischer Neuronen hat und ob und in welchem Maße die jeweilige Mutation die synaptische Kommunikation in neuronalen Netzwerken bzw. Neuronen verändert. Dadurch sollen elektrophysiologische Veränderungen identifiziert werden, die im Ergebnis der mit ASS assoziierten Mutationen ausgelöst werden und die möglicherweise zur Entstehung der Erkrankung beitragen, was ggf. auch zu neuen Erkenntnissen über die Funktion der jeweiligen Genprodukte für die Bildung, Aufrechterhaltung und Funktion menschlicher Synapsen führen kann, womit ein Beitrag zum Verständnis der Biologie menschlicher Synapsen geleistet würde. Ferner können neue Erkenntnisse darüber gewonnen werden, auf welche Weise und in welchem Maße sich mit ASS assoziierte Mutationen auf die Differenzierung und Entwicklung menschlicher neuronaler Zellen auswirken, was ggf. auch von entwicklungsbiologischer Relevanz sein kann.

Darüber hinaus sollen an den aus hES-Zellen abgeleiteten Neuronen bzw. in neuronalen Netzwerken hochauflösende lichtmikroskopische Untersuchungen durchgeführt und die Transkriptome von genetisch modifizierten und Wildtyp-Neuronen mittels RNAseq analysiert werden. Auf diesem Wege sollen Erkenntnisse über mögliche Veränderungen in der Ultrastruktur der Synapsen in Folge der jeweiligen Mutation gewonnen und zum anderen Veränderungen in den Genexpressionsmustern der mutierten Zellen im Vergleich zu genetisch unveränderten Neuronen bestimmt werden. Für den Fall der Identifizierung von Genen, deren Expression in Folge einer spezifischen Mutation vermindert oder erhöht ist, sollen diese Gene in hES-Zellen ebenfalls ausgeschaltet bzw. überexprimiert und die Effekte auf die Eigenschaften der aus diesen Zellen differenzierten Neuronen detailliert untersucht werden. Die dabei zu erwartenden Ergebnisse können voraussichtlich sowohl einen tieferen Einblick in die Konsequenzen ASS-assoziierter Mutationen auf molekularer Ebene geben als auch die Folgen möglicher Veränderungen von Molekülen und Signalwegen deutlich machen, die für eine authentische Synapsen-Struktur und eine störungsfreie synaptische Funktion erforderlich sind.

Die beantragten Forschungsarbeiten können voraussichtlich dazu beitragen, die der Pathogenese von mutationsassoziierten Autismus-Spektrum-Störungen zugrundeliegenden molekularen und zellulären Prozesse besser als bislang zu verstehen und damit zur Aufklärung der Ursachen dieser neuropsychiatrischen Erkrankungen beizutragen.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten ausreichend vorgeklärt ist.

Genetische Veränderungen, die mit Autismus-Spektrum-Erkrankungen assoziiert sind, sind in großer Zahl bekannt. Bereits 2015 wurde eine Liste mit nahezu 800 menschlichen Genen publiziert, die in ASS-Patienten verschiedene Mutationen aufwiesen. Es wird angenommen, dass diese Mutationen an der Krankheitsentstehung beteiligt sein könnten. Zu diesen Genen zählen zahlreiche Mitglieder der Neuroligin-, Neurexin-, GABA-Rezeptor-Cadherin- und SHANK-Genfamilien. Erkrankungen aus dem Spektrum der Autismus-Störungen beim Menschen sind auch mit Mutationen in weiteren Genen für präsynaptische Komponenten (RIMBPs, CASKs) und postsynaptische Komponenten (u. a. GRIAs, GABRAs), assoziiert. Für die im Forschungsvorhaben zur Analyse vorgesehen ca. 20 Gene, deren Produkte an der Bildung und Funktion menschlicher Synapsen beteiligt sind, ist die Assoziation mit ASS in jedem Fall durch Literatur belegt; die genetischen Veränderungen, die in hES-Zellen in diesen Genen vorgenommen werden sollen, sind dabei jeweils in entsprechenden Publikationen beschrieben worden, und ihre phänotypischen Effekte wurden bereits teilweise dokumentiert. Die im Antrag beschriebenen Vorgehensweisen zur genetischen Veränderung der hES-Zellen unter Nutzung spezieller CRISPR/Cas9-Systeme, zur Differenzierung von hES-Zellen in funktionale exzitatorische und inhibitorische Neurone und Astrozyten sowie zur Analyse der morphologischen und molekularen Eigenschaften der Neurone sowie ihrer funktionalen Aktivität sind in der wissenschaftlichen Literatur vielfach beschrieben worden und im Labor des Genehmigungsinhabers bereits etabliert.

Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.

Trotz der Konservierung einer Reihe synaptischer Gene in der Phylogenese haben deren Genprodukte in den Synapsen verschiedener Spezies teils unterschiedliche Funktionen. Zudem unterscheiden sich Neurone von Nagern, die für Untersuchungen synaptischer Funktionen als Modellorganismen dienen, in zahlreichen Aspekten deutlich von denen des Menschen. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass Erkenntnisse, die in tierischen Modellorganismen wie der Maus gewonnen werden, sich ohne weiteres auf den Menschen übertragen lassen. Nicht-pluripotente Zellen des Menschen (beispielsweise humane fötale neurale Stammzellen, adulte Stammzellen etc.) stehen derzeit nicht in für die Durchführung des Forschungsvorhabens ausreichender Menge, Qualität und Reproduzierbarkeit zur Verfügung und weisen in vitro, wo sie teils in nur geringen Mengen vermehrt werden können, häufig stark veränderte Teilungs- und Differenzierungseigenschaften auf. Zudem sind diese Zellen den für die Projektdurchführung zwingend erforderlichen genetischen Veränderungen nach derzeitigem Kenntnisstand nicht in gleicher Weise zugänglich wie pluripotente Stammzellen.

Die Forschungsziele lassen sich nach derzeitigem Kenntnisstand voraussichtlich auch nicht unter Verwendung von humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) erreichen. Da Effekte von geringfügigen genetischen Veränderungen (Punktmutationen, kleine Deletionen etc.) untersucht werden sollen, ist nämlich ein möglichst ursprüngliches und wenig verändertes Zellmaterial erforderlich, in dem sich wenige genetische Veränderungen infolge von Kultivierung und In-vitro-Manipulationen vollzogen haben. Diese Voraussetzung erfüllen hiPS-Zellen aber nicht in gleichem Maße wie hES-Zellen. hiPS-Zellen können zum einen Mutationen enthalten, die bereits in den für ihre Herstellung genutzten somatischen Zellen angelegt waren. Zum anderen können im Reprogrammierungsprozess nachweislich genetische Veränderungen erworben werden, deren Einfluss auf die hier zu analysierenden (ggf. subtilen) Veränderungen in der Biologie der Synapsen unbekannt ist. Derartige Unwägbarkeiten würden es ggf. erschweren, eindeutige Rückschlüsse auf die tatsächlichen Ursachen für die erwarteten pathologischen Effekte zu ziehen, so dass die Verwendung von hES-Zellen für die Erreichung der Forschungsergebnisse erforderlich ist.

Stand: 31.03.2021

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