Navigation und Service

Zielgruppeneinstiege

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Mit dem Klick auf "Erlauben" erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihren Aufenthalt auf der Seite anonymisiert aufzeichnen. Die Auswertungen enthalten keine personenbezogenen Daten und werden ausschließlich zur Analyse, Pflege und Verbesserung unseres Internetauftritts eingesetzt. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz

OK

162. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 04.11.2020.

1. Genehmigungsinhaber(in)

Professor Dr. med. Wolfram-H. Zimmermann, Universitätsmedizin Göttingen

2. Zell-Linien

Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linien:

  • ESI-017 (BioTime Inc., Almeda, CA, USA)
  • ESI-035 (BioTime Inc., Almeda, CA, USA)
  • H1 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • H7 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • H9 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • HES-2 (ES Cell International Pte Ltd, Singapur)
  • HES-3 (ES Cell International Pte Ltd, Singapur)
  • HES-4 (ES Cell International Pte Ltd, Singapur)

Die Genehmigung gilt jeweils auch für Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Gegenstand der genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen) ist die Etablierung dreidimensionaler menschlicher In-vitro-Gewebemodelle für Skelettmuskel, für Bindegewebe, für Nervengewebe sowie für die Leber. Im Mittelpunkt stehen hierbei vergleichende Arbeiten unter Nutzung von hES-Zellen und humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen), in denen die Äquivalenz von Gewebemodellen, die aus dem jeweiligen Zelltyp abgeleitet wurden, bestätigt bzw. Unterschiede bestimmt werden sollen. Die Herstellung der humanen Gewebe aus pluripotenten Stammzellen soll dabei zum einen unter Nutzung von Tissue Engineering-Techniken erfolgen, bei denen pluripotente Stammzellen unter Anwendung und weiterer Optimierung etablierter Protokolle zunächst in verschiedene (Vorläufer-)Zelltypen differenziert und die Zellen anschließend mit Biomaterialien zu dreidimensionalen Strukturen kombiniert werden. Zum anderen sollen Organoid-Ansätze genutzt werden, bei denen sich die Zellen während des von außen gesteuerten Differenzierungsprozesses selbst zu Gewebe- und Organstrukturen organisieren. Durch Herstellung und Nutzung verschiedener Reporter-Zelllinien, in denen die Expression des Reportergens an die Expression von Genen mit zelltypspezifischer Expression gekoppelt ist, sollen die verschiedenen für die Etablierung der Gewebemodelle benötigten Zelltypen während der Differenzierung nachgewiesen und die Vorgehensweisen für die Differenzierung optimiert werden. Die Bestimmung der Reifung und Funktionalität der jeweiligen Gewebe erfolgt unter Nutzung etablierter Methoden/Vorgehensweisen. Die aus pluripotenten Stammzellen abgeleiteten Gewebemodelle sollen künftig in der Pharmakologie/Toxikologie sowie ggf. als Grundlage für die Entwicklung von Gewebeersatztherapien zum Einsatz kommen.

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen dienen nach übereinstimmender Auffassung des Robert Koch-Instituts (RKI) und der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) der Erreichung hochrangiger Forschungsziele sowohl in der Grundlagenforschung als auch bei der Schaffung von Grundlagen für die Entwicklung neuer therapeutischer Verfahren zur Anwendung bei Menschen.

Ziel der geplanten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen ist die Entwicklung von auf humanen pluripotenten Stammzellen basierenden Gewebemodellen, die als In-vitro-Testsysteme bei der Arzneimittelentwicklung oder bei Toxizitätsprüfungen eingesetzt, aber auch für künftige Gewebeersatztherapien angewandt werden können. Dabei soll ein systematischer Vergleich der beiden derzeit am häufigsten genutzten pluripotenten Stammzelltypen des Menschen, hES- und hiPS-Zellen, erfolgen, um im Ergebnis der Arbeiten belastbare Aussagen zur Nutzbarkeit beider Zellarten für die Bereitstellung der hier angestrebten Zell- und Gewebemodelle treffen zu können. Die in der präklinischen Testung derzeit häufig eingesetzten Testsysteme, die auf zweidimensionalen Zellkulturen oder auf Tiermodellen beruhen, können die Situation im Menschen oftmals nur unzureichend abbilden, so dass die mit diesen Systemen erzielten Ergebnisse in der klinischen Prüfung teilweise keine Bestätigung finden. Das Auftreten unerwarteter Nebenwirkungen sowie das Fehlen der im Ergebnis präklinischer Untersuchungen erwarteten gewünschten Wirkung in späten Phasen der klinischen Prüfung sind wesentliche Ursachen für das Scheitern von Arzneimittelkandidaten. Aus diesem Grunde ist die Entwicklung reproduzierbarer und zuverlässigerer Gewebemodelle auf Grundlage menschlicher Zellen ein wichtiges Erfordernis. Derartige Gewebemodelle werden aller Voraussicht nach die Situation im Menschen besser widerspiegeln können als bislang verwendete Systeme, wodurch künftig eine präzisere Bewertung der Risiken und der Wirksamkeit neuer Wirkstoffe im Vorfeld ihrer klinischen Testung ermöglicht würde.

Die Arbeiten zielen zunächst auf die Entwicklung von humanen Gewebemodellen für die Skelettmuskulatur, deren Schädigung eine häufig beobachtete Nebenwirkung von Pharmaka ist und mit geeigneten Gewebemodellen bereits frühzeitig in der Arzneimittelentwicklung erkannt werden könnte. Zudem werden – da umfangreiche Analysen des Transkriptoms und Proteoms zu verschiedenen Zeitpunkten der Differenzierung vorgesehen sind – aus den entsprechenden Forschungsarbeiten auch neue Erkenntnisse über molekulare Prozesse der Muskelentwicklung beim Menschen erwartet.

Ferner sind die genehmigten Forschungsarbeiten auf die Etablierung von dreidimensionalen Bindegewebe-Modellen und auf die Klärung der Frage gerichtet, wie sich verschiedene (gewebetypische) Arten von Bindegewebe in vitro optimiert herstellen lassen. Dazu sollen Vorgehensweisen für die Differenzierung von hES-Zellen zu organspezifischen Stromazellen für mesodermales (Herz und Skelettmuskulatur), ektodermales (Neuronen) sowie entodermales (Leber) Gewebe entwickelt und optimiert werden. Es wird erwartet, dass im Ergebnis dieser Arbeiten auf humanen Zellen basierende funktionale und gut charakterisierte 3D-Stromazellmodelle verfügbar gemacht werden können, die – beispielsweise in Kombination mit Kardiomyozyten, Hepatozyten oder Neuronen – zur Herstellung von humanen Gewebemodellen genutzt werden können. Zudem werden neue Erkenntnisse über molekulare und funktionale Unterschiede zwischen Stromazellen unterschiedlicher Organsysteme des Menschen erwartet. Darüber hinaus sollen die Bindegewebe-Modelle künftig Studien zu den zellulären und molekularen Mechanismen der Fibrose sowie zur Identifikation neuer Behandlungsoptionen ermöglichen.

Im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten sollen auch Vorgehensweisen für die Herstellung neuronaler Organoide entwickelt und optimiert werden. Dabei sollen hES-Zellen in Organoid-Ansätzen zu sog. Bioengineered Neuronal Organoids (BENOs) oder in Tissue-Engineering-Ansätzen zu Engineered Neuronal Organoids (ENOs) differenziert, das experimentelle Vorgehen hierfür optimiert und in diesem Zusammenhang geklärt werden, auf welchem Wege sich BENOs/ENOs mit einem erhöhten Anteil an spezifischen Typen von Neuronen herstellen lassen. Im Ergebnis dieser Arbeiten sollen Vorgehensweisen für die Herstellung komplexer organotypischer Organoide des menschlichen Gehirns mit spezifischen Funktionen und Eigenschaften verfügbar sein; derartige Organoide können zur pharmakologisch-toxikologischen Testung (potentiell) neurobiologisch wirksamer Substanzen genutzt werden sowie – in einer längerfristigen Perspektive – auch Anwendung in einer Gewebeersatztherapie degenerativer Erkrankungen des menschlichen Zentralnervensystems finden. Die Forschungsarbeiten können ferner dazu beitragen, das Verständnis von an der neuronalen Entwicklung im Menschen beteiligten Molekülen und Signalwegen sowie der dafür benötigten Zell-Zell-Interaktionen zu erweitern.

Schließlich sollen Methoden für die Herstellung dreidimensionalen Lebergewebes aus hES-Zellen etabliert werden, wobei u. a. untersucht werden soll, ob und auf welche Weise die Wechselwirkung der Hepatozyten/Cholangiozyten mit Stromazellen zu einer besseren Reifung der Leberzellen und zur Entwicklung wesentlicher funktionaler Eigenschaften beitragen, insbesondere zu einer hohen metabolischen Kompetenz. Dies ist unter dem Gesichtspunkt, dass bislang aus pluripotenten Zellen hergestellte leberzellähnliche Zellen häufig eine für pharmakologische Zwecke nicht hinreichende Menge und Funktion von Enzymen der Cytochrom-P450-Familie aufweisen, von außerordentlicher Relevanz. Durch Nutzung entsprechender humaner Leber-Modelle könnten beispielsweise Arzneimittelkandidaten mit lebertoxischem Potential im Menschen frühzeitig erkannt und so Leberschädigungen, die während der klinischen Testung oder gar erst nach Zulassung eines Medikamentes sichtbar werden, verhindert werden. Dies kann u. a. zu einer beschleunigten Arzneimittelentwicklung beitragen, Patienten und Probanden vor möglichen Risiken schützen und die Identifikation von leberschädigenden Stoffen in der Umwelt erleichtern.

Im gesamten Forschungsvorhaben sollen hES- und hiPS-Zellen vergleichend genutzt und ihre Fähigkeit zur Differenzierung in verschiedene menschliche Gewebe bewertet werden, wenn identische Vorgehensweisen zum Einsatz kommen. Durch den Vergleich der aus beiden pluripotenten Zelltypen des Menschen gewonnenen Gewebe bzw. Organoide soll eingeschätzt werden können, welcher pluripotente Zelltyp sich besser für die Etablierung der jeweiligen Gewebemodelle eignet, was zu Erkenntnissen über spezifische Eigenschaften des jeweiligen Zelltyps beitragen kann und ebenfalls ein hochrangiges Forschungsziel darstellt.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten vorgeklärt ist.

Der Genehmigungsinhaber selbst hat bereits umfangreiche Arbeiten zur Entwicklung von Gewebemodellen durchgeführt und die Ergebnisse im Antragsverfahren dargelegt. Unter anderem wurden Arbeiten zur Entwicklung menschlichen Herzgewebes für den Einsatz zu pharmakologisch-toxikologischen Zwecken und zum Einsatz bei der Modellierung und Therapie ischämischer Erkrankungen des Herzens durchgeführt und publiziert. Zudem wurden Ergebnisse von Forschungsarbeiten zur Herstellung von Skelettmuskelgewebe, Bindegewebe, neuronalen Netzwerken und Lebergewebe vom Antragsteller durchgeführt und zum Teil veröffentlicht. So wurden bereits, um die Bindegewebsstruktur und pathologische Umbauvorgänge in vitro nachzubilden und anti-fibrotische Behandlungsstrategien zu testen, sogenannte Engineered Connective Tissue (ECT) aus primären Fibroblasten-Kulturen der Ratte und des Menschen in einer Hydrogel-Umgebung (u. a. Kollagen) entwickelt und auf biomechanischer, struktureller und molekularer Ebene charakterisiert. Zudem hat der Genehmigungsinhaber eine Methode für die Differenzierung mesodermaler Stromazellen aus menschlichen Zellen entwickelt.

Ferner hat der Genehmigungsinhaber in einer kürzlich publizierten Studie über die Herstellung von funktionalen Netzwerkkulturen aus hiPS-Zellen als Bioengineered Neuronal Organoids (BENOs) berichtet. In diesem Zusammenhang wurde u. a. gezeigt, dass sich – durch eine gezielte Manipulation bestimmter Signalwege in hiPS-Zellen und nach Einbettung in ein Kollagenhydrogel – in den Organoiden vorrangig Neurone verschiedener Subtypen sowie Gliazellen entwickeln. In der wissenschaftlichen Literatur liegen ferner umfangreiche Arbeiten zur Differenzierung von pluripotenten Stammzellen des Menschen in Leberzellen vor.

Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.

Ziel der beantragten Forschungsarbeiten ist die Entwicklung humaner Gewebemodelle für Skelettmuskelgewebe, Bindegewebe, neuronale Netzwerke und Lebergewebe, die in der Arzneimittelentwicklung zur Analyse humanspezifischer Wirkungen/Nebenwirkungen von Medikamenten sowie künftig ggf. auch für Gewebeersatztherapien zur Behandlung degenerativer Erkrankungen des Menschen verwendet werden sollen. Dies erfordert zwingend die Nutzung eines humanen Zellmaterials. Ferner können andere humane Zellen als pluripotente Stammzellen ebenfalls nicht zum Erreichen der Forschungsziele genutzt werden: transformierte menschliche Zelllinien können, aufgrund ihrer teils unzureichenden Differenzierungsfähigkeit, nicht für die Herstellung der hier angestrebten humanen Zell- und Gewebemodelle genutzt werden. Primäre somatische Zellen lassen sich, ebenso wie fötale Stammzellen oder gewebespezifische Stammzellen, des Menschen, nicht in für die Durchführung der Versuche ausreichend reproduzierbarer und standardisierbarer Qualität gewinnen und vermehren. Solche Zellen sind außerdem den für die Durchführung des Forschungsvorhabens erforderlichen genetischen Veränderungen nicht oder nicht in gleichem Maße zugänglich wie pluripotente menschliche Stammzellen. Zudem liegen derzeit keine Anhaltspunkte dafür vor, dass andere als humane pluripotente Stammzellen erfolgreich für Herstellung der hier erforderlichen Organoide, beispielsweise neuronale Organoide, genutzt und damit zur Erreichung der Forschungsziele eingesetzt werden könnten. Im Forschungsvorhaben soll ferner geklärt werden, ob hES- und hiPS-Zellen ein identisches Potential zur Differenzierung in die hier interessierenden Zelltypen haben; dies erfordert zwingend die Nutzung von hES-Zellen, die Forschungsziele können unter alleiniger Nutzung von hiPS-Zellen nicht erreicht werden.

Stand: 04.11.2020

Zusatzinformationen

Gesundheits­monitoring

In­fek­ti­ons­schutz

Forschung

Kom­mis­sio­nen

Ser­vice

Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit

© Robert Koch-Institut

Alle Rechte vorbehalten, soweit nicht ausdrücklich anders vermerkt.