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161. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 21.10.2020

1. Genehmigungsinhaber

Herr Dr. Jakob J. Metzger, Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), Berlin

2. Zell-Linien

Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linien:

  • H1 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • H9 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • RUES2 (Rockefeller University, New York, NY, USA)

Die Genehmigung gilt jeweils auch für Sub-Linien (z.B. für klonale Sub-Linien oder genetisch modifizierte Derivate) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Gegenstand der genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen ist die Etablierung von Methoden für die reproduzierbare Gewinnung menschlicher kortikaler Organoide, an denen Fragestellungen zur Entwicklung des menschlichen Cortex beantwortet und molekulare und zelluläre Grundlagen neuronaler Entwicklungsstörungen sowie neurodegenerativer Krankheiten besser als bislang möglich in vitro untersucht werden können.

Hierbei sollen zunächst die Vorgehensweisen für die Gewinnung kortikaler Organoide aus hES-Zellen weiterentwickelt und optimiert werden, wobei durch Nutzung von Mikrostrukturen für die Kultivierung und Differenzierung, wodurch u. a. die räumliche Ausdehnung der Organoide begrenzt werden soll, eine hohe Reproduzierbarkeit der Eigenschaften der Organoide angestrebt wird. Nach umfangreicher Charakterisierung der frühen Organoide soll die weitere Reifung dieser Zellen in den kortikalen Organoiden sowie die weitere Entwicklung der Organoide über einen längeren Zeitraum analysiert werden, wobei insbesondere Untersuchungen zur Synaptogenese und zur Entstehung der mehrlagigen Struktur des Cortex erfolgen sollen. Anschließend sollen, auf Grundlage der angestrebten hohen Reproduzierbarkeit der kortikalen Organoide, bestimmte neuronale Entwicklungsstörungen bzw. neurodegenerative Erkrankungen mit aus hES-Zellen abgeleiteten kortikalen Organoiden modelliert werden. Hierfür sollen mit den entsprechenden Erkrankungen/Entwicklungsstörungen assoziierte Mutationen in hES-Zellen erzeugt, die Zellen zur Herstellung von Organoiden verwendet und mögliche Unterschiede zur Wildtyp-Situation in der Entwicklung und in den Eigenschaften der Organoide bestimmt und Methoden des maschinellen Lernens zur Detektion auch subtiler Unterschiede zwischen genetisch unveränderten und mutierten Zellen entwickelt werden. Dabei sollen die Ergebnisse, die unter Verwendung genetisch veränderter hES-Zellen erlangt werden, mit Resultaten aus entsprechenden Versuchen auf Grundlage von humanen induzierten Stammzellen verglichen werden, die entweder analog mutiert wurden oder aus (von entsprechenden Erkrankungen/ Entwicklungsstörungen betroffenen) Patienten stammen .

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen dienen nach übereinstimmender Auffassung des Robert Koch-Instituts (RKI) und der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) der Erreichung hochrangiger Forschungsziele im Rahmen der Grundlagenforschung, wobei auch Grundlagen für die Entwicklung neuer therapeutischer Verfahren zur Anwendung bei Menschen geschaffen werden können.

Ziel der genehmigten Forschungsarbeiten ist es, Verfahren für eine hochreproduzierbare Erzeugung humaner kortikaler Organoide zu entwickeln, an denen die zellbiologischen Prozesse bei der Entwicklung des Cortex des Menschen untersucht und molekulare Ursachen neuronaler Entwicklungsstörungen und neurodegenerativer Krankheiten erforscht werden können. Zugleich soll überprüft werden, ob und inwieweit hiPS- und hES-Zellen eine identische Fähigkeit zur Entwicklung in kortikale Organoide in vitro aufweisen. Hierfür sollen neue Verfahren entwickelt und optimiert werden, nach denen hES-Zellen mit höherer Reproduzierbarkeit als bisher zu kortikalen Organoiden differenziert werden können, die die Entwicklung des menschlichen Cortex in vitro möglichst umfassend rekapitulieren. Durch die Kultivierung/Differenzierung auf definierten Mikrostrukturen soll eine authentische kortikale Schichtung der Zellen im sich entwickelnden kortikalen Organoid erreicht und dadurch eine höhere Authentizität der kortikalen Entwicklung in vitro erreicht werden, als dies bislang möglich war. Durch umfangreiche Analysen zu verschiedenen Zeitpunkten der Entwicklung der Organoide sollen die sich entwickelnden Vorläuferzellpopulationen quantifiziert und u. a. geklärt werden, ob die begrenzende Geometrie der vorgegebenen Mikrostrukturen die angestrebte Reproduzierbarkeit der In-vitro-Gewinnung kortikaler humaner Organoide ermöglicht. Durch umfangreiche Transkriptomanalysen auf Einzelzellebene und Vergleich der Ergebnisse dieser Analysen mit Daten aus der Maus sollen zudem humanspezifische Transkriptionsfaktoren und -netzwerke identifiziert werden, die die kortikale Differenzierung menschlicher Stammzellen regulieren, und deren Funktion bei der Entwicklung kortikaler Organoide näher untersucht werden. Diese Arbeiten sollen Erkenntnisse über die an der Entwicklung des menschlichen Cortex beteiligten Transkriptionsfaktoren erbringen, die zu verschiedenen Zeitpunkten der Cortex-Entwicklung in bestimmten und ggf. in vom Mausmodell verschiedenen Kombinationen und Konzentrationen präsent sind. Ferner soll bestimmt werden, ob der Verlust bestimmter Faktoren im sich entwickelnden menschlichen Organoid dieselben Konsequenzen hat wie im sich entwickelnden Cortex der Maus. Auf diesem Wege kann zum einen die Authentizität des Organoid-Modells verifiziert werden, zum anderen können speziesspezifische Besonderheiten der humanen Cortex-Entwicklung ermittelt werden. Aus den dabei zu erwartenden Resultaten lassen sich voraussichtlich auch Rückschlüsse auf Prozesse und Mechanismen der Gehirnentwicklung während der Embryonal- und Fötalentwicklung des Menschen ziehen, die auf anderem Wege derzeit nicht zugänglich sind.

Im folgenden soll eine detaillierte Untersuchung der Reifung der neuralen Zellen im sich entwickelnden humanen kortikalen Organoid erfolgen. Hierbei sollen reife Neurone nachgewiesen, die kortikale Schichtung sowie die jeweilige Präsenz und Anzahl spezifischer Zelltypen in den Schichten bestimmt und, als Kennzeichen einer funktionalen Reifung, die Synapsenbildung und die Präsenz und Aktivität neuronaler Netzwerke zu verschiedenen Zeitpunkten der Organoid-Entwicklung analysiert werden. Im Ergebnis der Arbeiten soll vor allem Klarheit darüber bestehen, ob die zum Einsatz kommenden Vorgehensweisen zur Etablierung reifer und funktional aktiver kortikaler Organoide geeignet sind, was sehr wesentlich für die Nutzung solcher Organoide bei der angestrebten Modellierung von degenerativen Erkrankungen und neuralen Entwicklungsstörungen ist. Die hier zu entwickelnden Organoide können auch zur Beantwortung weiterer entwicklungsbiologischer Fragestellungen, insbesondere zur Aufklärung molekularer Prozesse bei der menschlichen Gehirnentwicklung, genutzt werden.

Die kortikalen Organoide sollen dann für die Untersuchung möglicher molekularer Ursachen von bestimmten neuronalen Entwicklungsstörungen und neurodegenerativen Erkrankungen des Menschen genutzt werden. Da die molekularen Prozesse, die bei den hier interessierenden Krankheiten ablaufen, auf längere Sicht unter Verwendung von aus betroffenen Patienten abgeleiteten hiPS-Zellen untersucht werden sollen, sich hiPS-Zellen jedoch hinsichtlich ihrer epigenetischen Eigenschaften, ihres Differenzierungspotentials und ihres genetischen Alters von hES-Zellen unterscheiden, soll geklärt werden, ob und inwieweit hES- und hiPS-Zellen ein identisches Potential zur Bildung kortikaler Organoide haben. Anschließend soll untersucht werden, welche molekularen Konsequenzen die Gendefekte, die mit bestimmten Erkrankungen/Entwicklungsstörungen assoziiert sind und die in hES-Zellen etabliert werden sollen, im sich entwickelnden Organoid haben. Dabei sollen deutlich sensitivere und zuverlässigere Verfahren für die Detektion potentieller Unterschiede entwickelt werden, als sie bislang verfügbar sind. Das dabei verfolgte Ziel, krankheitsspezifische Signaturen bereits während kortikaler Entwicklungsprozesse zu identifizieren, ist vor dem Hintergrund, dass die spätere Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen mit Veränderungen bereits in der frühen neuralen Entwicklung verbunden sein kann, von erheblicher Relevanz. Zudem können voraussichtlich Rückschlüsse auf spezifische Prozesse und Signalwege gezogen werden, die infolge des Vorliegens der jeweiligen Mutationen beeinträchtigt sind, was ggf. auch zu neuen Ansatzpunkten für die Therapieentwicklung führen kann.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten vorgeklärt ist.

Protokolle für die Differenzierung von hES-Zellen in eine Vielzahl unterschiedlicher neuronaler Zelltypen und in dreidimensionale kortikale Organoide sind in der Vergangenheit etabliert und optimiert worden. Zudem wurden menschliche neuronale Organoide bereits zur Identifizierung humanspezifischer Gene mit Relevanz für die Gehirnentwicklung genutzt. Weiterhin wurde in der Vergangenheit gezeigt, dass aus hES-Zellen abgeleitete kortikale Organoide viele Aspekte der kortikalen Entwicklung beim Menschen in vitro rekapitulieren und als Zellmodell für die Untersuchung der Gehirnentwicklung von großem Nutzen sind. Zudem konnten Organoide bereits erfolgreich zur Analyse molekularer und zellbiologischer Aspekte neuronaler Erkrankungen genutzt werden. Der Genehmigungsinhaber war im Ausland selbst an Arbeiten unter Verwendung von hES-Zellen zur reproduzierbaren Herstellung früher neuronaler Organoide (Neurulations-Organoide) beteiligt, in denen u. a. die Eignung solcher Organoide für die Untersuchung entwicklungsbiologischer Ursachen der Huntington-Erkrankung nachgewiesen wurde. In diesem Zusammenhang wurden bereits Methoden des maschinellen Lernens etabliert, die es ermöglichen, subtile Unterschiede zwischen Wildtyp-Organoiden und Organoiden mit einem Krankheitsphänotyp mit hoher Signifikanz zu erkennen. Genetische Ursachen, die mit den hier interessierenden neuronalen Entwicklungsstörungen und neurodegenerativen Erkrankungen assoziiert sind, sind aus klinischen Studien und Genomstudien bekannt; die ursächlichen Mutationen wurden bereits identifiziert. Die zur Anwendung vorgesehenen Vorgehensweisen und Methoden sind in der wissenschaftlichen Literatur vielfach beschrieben worden und gut etabliert.

Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.

Aufgrund von speziesspezifischen Unterschieden in Größe, Struktur und Komplexität des Neocortex zwischen dem Menschen und anderen Spezies können Erkenntnisse, die an tierischen Zellen oder Tiermodellen gewonnen wurden, nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen werden. Ferner können neuronale Erkrankungen des Menschen im Tiermodell nur unvollständig reproduziert werden, so dass tierische Zellen oder Tiermodelle zur Erreichung der Forschungsziele nicht geeignet sind; vielmehr sind humane Zellen erforderlich.

Die Forschungsziele können zudem nicht unter Nutzung anderer als humaner pluripotenter Stammzellen erreicht werden. Im Forschungsvorhaben sollen u. a. die molekularen und zellbiologischen Grundlagen von Entwicklungsprozessen untersucht werden, die in frühen Stadien der Gehirnentwicklung des Menschen ablaufen. Nicht-pluripotente Zellen (beispielsweise somatische und fötale Stammzellen, primäre neuronale Zellen) haben die hier interessierenden Entwicklungsstadien jedoch bereits durchlaufen und sind folglich nicht für die Erreichung der Forschungsziele geeignet. Zudem lassen sie sich ggf. nicht reproduzierbar und in den für die Forschungsarbeiten erforderlichen Mengen gewinnen und sind den für das Forschungsvorhaben essentiellen genetischen Veränderungen nicht oder nicht in gleichem Maße zugänglich wie pluripotente menschliche Stammzellen. Zudem gibt es derzeit keine hinreichenden Belege dafür, dass die hier geplante Herstellung von kortikalen Organoiden unter Nutzung anderer als pluripotenter Stammzellen des Menschen erfolgen kann.

Nach derzeitigem Kenntnisstand können die Forschungsziele auch nicht unter alleiniger Verwendung von hiPS-Zellen erreicht werden; die Erreichung der Forschungsziele erfordert die Nutzung humaner embryonaler Stammzellen. Ziel der Forschungsarbeiten ist es u. a., die Effekte von Mutationen in Genen zu bestimmen, deren Produkte die Entwicklung und die Eigenschaften kortikaler Organoide beeinflussen und die beim Menschen mutmaßlich in die Genese des Neocortex involviert sind. Hierfür sind jedoch Zellen erforderlich, die einen möglichst ursprünglichen Charakter aufweisen und wenige genetische und epigenetische Veränderungen im Vergleich zur In-vivo-Situation aufweisen. hiPS-Zellen können jedoch ggf. Mutationen haben, die entweder bereits in ihren somatischen Ursprungszellen präsent waren oder aber im Zuge der Reprogrammierung erworben wurden. Dies könnte die Aussagekraft der hier angestrebten Ergebnisse, insbesondere hinsichtlich der molekularen Ursachen pathologischer Prozesse, ggf. einschränken. Ferner ist es ausdrückliches Forschungsziel, die Fähigkeit von hES- und hiPS-Zellen zur Bildung kortikaler Organoide zu vergleichen, was die Nutzung von hES-Zellen ebenfalls erforderlich macht.

Stand: 21.10.2020

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