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157. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 11.06.2020

1. Genehmigungsinhaber

Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München

2. Zell-Linien

Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linien:

  • H9 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • HES-3 (ES Cell International Pte Ltd, Singapur)
  • HUES8 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)

Die Genehmigung gilt jeweils auch für Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen) soll in einem Großtiermodell (Schwein) geprüft werden, ob aus hES-Zellen abgeleitete kardiale Vorläuferzellen sich zur Zellersatztherapie von Herzmuskelschädigungen eignen, wie sie infolge von Infarkten, Herzmuskel-Entzündungen oder genetisch bedingten Erkrankungen auftreten. Hierfür sollen hES-Zellen nach etablierten Vorgehensweisen zunächst zu großen Mengen kardialer Vorläuferzellen differenziert werden. In einem proof-of-principle-Ansatz sollen diese kardialen Vorläuferzellen anschließend in eine mittels Radiofrequenz-Ablation (RFA) am offenen Herzen erzeugte Myokard-Narbe injiziert und die Herzen nach bis zu 56 Tagen währender Versuchsdauer explantiert und histologisch untersucht werden, wobei Fragen nach der Proliferations- und Migrationsfähigkeit sowie der Reifung der Vorläuferzellen geklärt werden sollen. Ferner sollen in einem Herzinfarktmodell des Schweins verschiedene Methoden für die Applikation der kardialen Vorläuferzellen getestet und dabei u. a jeweils das Überleben und die Migration der Zellen untersucht, Verbesserungen der funktionalen Eigenschaften des Myokards bewertet sowie Analysen des Transkriptoms und Proteoms auf Einzelzell-Ebene vorgenommen werden. Die tierexperimentellen Studien erfolgen unter Immunsuppression, deren Regime ggf. ebenfalls optimiert werden soll. Da eine dauerhafte Immunsuppression beim Menschen mit teils erheblichen Nebenwirkungen verbunden ist, sollen die oben genannten Untersuchungen auch unter Verwendung einer bereits publizierten, mehrfach transgenen hypoimmunogenen hES-Zell-Linie durchgeführt werden. Schließlich sollen die aus hES-Zellen abgeleiteten kardiovaskulären Vorläuferzellen dann auf ihre Eignung zur Verbesserung der Herzleistung in Schweine-Modellen für verschiedene genetisch bedingte Kardiomyopathien untersucht werden, wobei auch hier das Überleben, die Proliferation und die Reifung der Zellen sowie therapeutische Effekte bewertet werden sollen.

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des Robert Koch-Institutes (RKI) der Entwicklung neuer therapeutischer Verfahren zur Anwendung bei Menschen. Für diese Beurteilung sind folgende Gründe maßgeblich:

Herzmuskelschwäche bzw. Herzinsuffizienz gehören zu den wesentlichsten Todesursachsen in westlichen Industriestaaten; schwere Herzinsuffizienz, die Pumpversagen oder maligne Herzrhythmusstörungen Zur Folge haben kann, führt zu einer hohen Mortalität innerhalb von fünf Jahren nach Diagnosestellung. Obwohl die Therapie der Herzinsuffizienz in den vergangenen Jahrzehnten erhebliche Erfolge gebracht und die Prognose der mit Herzmuskelschwäche in Zusammenhang stehenden Erkrankungen stark verbessert hat, sind die Therapieoptionen insbesondere nach Herzinfarkt weiterhin limitiert. Eine Gewebeersatztherapie unter Nutzung von aus humanen pluripotenten Stammzellen abgeleiteten kardiovaskulären Zellen stellt hier eine vielversprechende Option dar. Ziel der genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen ist die Klärung der Frage, ob aus hES-Zellen abgeleitete kardiovaskuläre Vorläuferzellen für Zellersatztherapien des Herzens in einem Großtiermodell geeignet sind und folglich künftig auch für therapeutische Anwendungen bei Menschen in Frage kommen.

Im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten sollen humane kardiale Vorläuferzellen, die in großen Mengen aus hES-Zellen gewonnen werden können, erzeugt und in verschiedenen experimentellen Tiermodellen für eine Schädigung des Herzmuskels bezüglich ihrer Vitalität, der Migration in das geschädigte Gewebe, ihrer Reifung zu funktionalen Herzmuskelzellen und ihrer Integration in das Wirtsgewebe sowie hinsichtlich von Effekten zur Verbesserung der Herzleistung getestet werden, wobei geeignete Transplantationsverfahren etabliert, die Immunsuppression optimiert und die Verminderung der Immunantwort bei Nutzung hypoimmunogener hES-Zellen als Ausgangsmaterial für die transplantierten kardialen Vorläuferzellen untersucht werden sollen. Dabei soll bestätigt werden, dass die noch juvenilen Eigenschaften der Vorläuferzellen, wie ihre Fähigkeit zur Migration, Proliferation und durch die Gewebe-Nische stimulierte Reifung, diese Zellen für eine Anwendung in der Gewebeersatztherapie des Herzens besonders geeignet machen.

In initialen proof-of-concept-Experimenten soll zunächst geklärt werden, ob die kardialen Zellen im Rahmen einer physiologisch weitgehend authentischen Nische in das geschädigte Gewebe einwandern, dort überleben, sich vermehren und reifen. Hieraus werden sich Erkenntnisse darüber ergeben, ob die Zellen die in vitro bereits bestätigten Charakteristika auch nach Transplantation in einem In-vivo-Kontext aufweisen, ob das experimentell geschädigte Schweineherz ein geeignetes Umfeld für das Überleben, die Migration, die Proliferation und die Reifung humaner kardialer Vorläuferzellen darstellt und ob das gewählte Regime der Immunsuppression die Abstoßung des Transplantats verhindert oder ob es ggf. optimiert werden muss.

Auf Grundlage dieser Erkenntnisse sollen die oben beschriebenen Arbeiten dann auf ein Myokardinfarkt-Modell des Schweins ausgedehnt und die Untersuchungen somit in einem für die menschliche Erkrankung stärker relevanten Kontext durchgeführt werden. Dabei sollen verschiedene Applikationsformen getestet und optimiert werden, um die kardialen Vorläuferzellen in das Zielgebiet der Zellersatztherapie (die Infarktnarbe) zu verbringen, wobei hier u. a. die Verbesserung der Herzfunktion als experimenteller Endpunkt untersucht werden soll. Dies wird aller Voraussicht nach Erkenntnisse darüber erbringen, ob die hier verwendeten kardialen Vorläuferzellen über ein ausreichendes Migrationsvermögen verfügen, um in das Infarktgebiet einzuwandern, und ob sie sich dort zu reifen Herzmuskelzellen fortzuentwickeln vermögen. Geklärt werden soll ferner, ob unter Nutzung einer nach Möglichkeit wenig invasiven Applikationsform eine für funktionale Verbesserungen erforderliche Regeneration des kardialen Gewebes erreicht werden kann, was für eine spätere Anwendung bei Menschen von erheblicher Bedeutung wäre.

Die in Blick genommene Klärung der Frage, ob durch Nutzung einer hypoimmunogenen hES-Zell-Linie als Ausgangspunkt für die Gewinnung der zu transplantierenden Zellen die Abstoßungsreaktion des Empfänger-Organismus gegen das Transplantat gehemmt oder gar verhindert werden kann, ist von grundsätzlicher Bedeutung für die regenerative Medizin. Hierfür sollen hES-Zell-Linien genutzt werden, in denen bestimmte Gene mit Relevanz für die Immunantwort ausgeschaltet bzw. überexprimiert werden. Diese Zellen sollen in kardiale Vorläuferzellen differenziert und anschließend in die oben beschriebenen Schwein-Modelle einer Herzmuskelschädigung transplantiert werden. Es wird erwartet, dass für das Überleben und die therapeutischen Effekte der transplantierten Zellen eine deutlich geringere Immunsuppression erforderlich ist als bei Verwendung genetisch nicht veränderter Zellen. Dies wäre von erheblicher Bedeutung, da eine therapeutische Verwendung von allogenen Zellen eine lebenslange Immunsuppression des Patienten mit entsprechenden Nebenwirkungen erfordern würde.

Schließlich soll überprüft werden, ob die im Forschungsvorhaben entwickelten Ansätze zur Therapie von Herzinsuffizienz auch auf Erkrankungen angewendet werden können, in denen die Läsion des Herzmuskels nicht experimentell erzeugt wurde, sondern Folge eines genetischen Defektes ist. Auch hier sollen die differenzierten kardialen Zellen in das Schweineherz verbracht werden, wofür verschiedene Schweinemodelle genetischer Erkrankungen des Menschen genutzt werden sollen. Es soll überprüft werden, ob die transplantierten kardialen Vorläuferzellen auch in diesen Modellen in die geschädigten Regionen des Herzmuskels einwandern, ob die transplantierten Zellen die Fähigkeit zur Proliferation und Reifung aufweisen und ob ein therapeutischer Effekt, insbesondere eine Verbesserung der Pumpleistung und eine Erhöhung der Auswurffraktion, festgestellt werden kann. Auf diesem Wege kann ggf. ein proof-of-concept dafür erbracht werden, dass durch Transplantation kardiovaskulärer Vorläuferzellen genetisch bedingte kardiale Erkrankungen dauerhaft therapiert werden können.

Insgesamt können mit den genehmigten Forschungsarbeiten Grundlagen für ein neues therapeutisches Verfahren zur Anwendung beim Menschen geschaffen und weiterentwickelt werden, das ggf. in eine Gewebeersatztherapie für bislang nicht heilbare kardiale Erkrankungen münden kann.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten ausreichend vorgeklärt ist.

Die Vorgehensweise zur Gewinnung der kardiovaskulären Vorläuferzellen ist in der Literatur beschrieben und erlaubt die Herstellung großer Zellmengen mit einem ausgeprägten Potential zur Differenzierung in ventrikuläre Kardiomyozyten, die nach Transplantation in Mäuse reiften und bis zu wenigstens acht Monate überlebten. Nach Transfer der Zellen in infarzierte Mäuse konnten zudem therapeutische Effekte beobachtet werden. Ferner liegen Ergebnisse von Ex-vivo-Experimenten vor, in denen aus hES-Zellen abgeleitete kardiale Vorläuferzellen auf Gewebeschnitte aus Schweineherzen transplantiert worden waren. Dabei proliferierten die Zellen, sie migrierten in eine zuvor erzeugte RFA-Narbe und integrierten sich im Laufe von drei Wochen in den Zellverband. Die mit kardialen Vorläuferzellen behandelten Präparate zeigten zudem eine höhere Kontraktionskraft als nicht-behandelte Präparate, woraus auch auf eine Reifung in funktionaler Hinsicht geschlossen wurde.

Die Möglichkeit der Nutzung hES-Zell-abgeleiteter Zellen für die Therapie kardialer Erkrankungen, insbesondere von Herzinsuffizienz nach Myokard-Infarkt, wurde mit teils unterschiedlichen Erfolgen in der Literatur unter Nutzung von Maus- und Rattenmodellen vielfach untersucht, wobei verschiedene Zell- und Gewebeprodukte verwendet wurden. Die grundsätzliche Eignung von Schweine-Modellen für entsprechende tierexperimentelle Untersuchungen ist in der Literatur ebenfalls bereits seit langem belegt. Im Rahmen einer kürzlich publizierten Studie führte die intrakardiale Transplantation aus hES-Zellen gewonnener kardialer Vorläuferzellen ebenfalls zu einer stabilen Integration der transplantierten Zellen in das infarzierte Schweineherz und zu einer Remuskularisierung des Herzens. Die Schweine-Modelle für genetisch bedingte kardiale Erkrankungen des Menschen, die hier ebenfalls verwendet werden sollen, sind in der Literatur ausführlich beschrieben und beim Genehmigungsinhaber etabliert.

Die zur Nutzung vorgesehenen hypoimmunogenen hES-Zellen sind bereits in der Vergangenheit durch sequentielle genetische Veränderungen etabliert worden. Die immunologischen Eigenschaften der entsprechenden Linien und aus ihnen abgeleiteter Endothel- bzw. glatter Muskelzellen wurden bereits getestet. Dabei zeigte sich, dass die von diesen Zellen nach Transplantation ausgelöste T-Zell-Antwort deutlich geringer war als bei den jeweiligen Wildtyp-Zellen; zudem entgingen die hypoimmunogenen Zellen weitgehend der durch Makrophagen und NK-Zellen vermittelten Immunantwort.
Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.
Die Forschungsarbeiten zielen auf die Entwicklung von Zellprodukten, die künftig bei Menschen zur Behandlung schwerer Herzerkrankungen angewandt werden sollen. Um hier für den Menschen relevante Ergebnisse zu erzielen, ist die Verwendung eines humanen Materials erforderlich. Die Nutzung kardiovaskulärer Vorläuferzellen, die beispielsweise aus murinen ES-Zellen abgeleitet wurden, kann zur Beantwortung der zentralen Forschungsfrage auch deshalb keinen Beitrag leisten, weil sich die Maus bezüglich ihrer Herzphysiologie erheblich vom Menschen unterscheidet.
Das Forschungsziel lässt sich auch nicht unter Nutzung anderer als pluripotenter menschlicher Zellen erreichen (beispielsweise primärer somatischer Zellen oder fötaler bzw. adulter Stammzellen). Zum einen ist die Regenerationsrate der Kardiomyozyten im adulten Herzen gering und nimmt mit fortschreitendem Alter ab; kardiale Stammzellen aus dem adulten Herzen stehen folglich nicht oder nicht in für die Versuchsdurchführung erforderlicher Menge zur Verfügung. In der Vergangenheit hatten sich zwar erhebliche Hoffnungen mit der Nutzung adulter Stammzellen aus dem Blut und Knochenmark für die Herzregeneration verbunden; allerdings ist mittlerweile unbestritten, dass diese Zellen nicht in der Lage sind, sich ohne weiteres zu Herzmuskelzellen zu entwickeln. Nach derzeitigem Kenntnisstand sind pluripotente Stammzellen des Menschen die einzigen Zelltypen, aus denen für therapeutische Zwecke ausreichende Mengen an Kardiomyozyten hergestellt werden können.

Die Forschungsziele lassen sich nach gegenwärtigem Kenntnisstand auch nicht unter ausschließlicher Verwendung von humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) erreichen. Zwar wurden kardiale Zellen auf Grundlage von hiPS-Zellen bereits vielfach hergestellt und im Rahmen verschiedener Zell- und Gewebeprodukte auf eine regenerative Wirkung in diversen Tiermodellen getestet. Der hier interessierende und auf seine Eigenschaften nach Transplantation in ein relevantes Tiermodell zu untersuchende Vorläuferzelltyp wurde jedoch bislang nur aus hES-Zellen hergestellt, und es ist nicht bekannt, ob die entsprechende Differenzierung von hiPS-Zellen zu kardiovaskulären Vorläuferzellen mit identischen Eigenschaften führen würde. Zudem besteht ein wesentliches Forschungsziel darin, die Eignung hypoimmunogener humaner pluripotenter Stammzellen als Ausgangsmaterial für die Herstellung kardialer Vorläuferzellen zu untersuchen. Diese, durch mehrfache und sehr aufwendige genetische Veränderungen gewonnenen, pluripotenten Zellen existieren jedoch nur auf der Basis von hES-Zellen und sind bezüglich ihrer immunologischen Eigenschaften gut charakterisiert. Ob sich durch identische Veränderungen an hiPS-Zellen ähnlich hypoimmunogene Zellen gewinnen lassen, ist derzeit nicht bekannt.

Stand: 11.06.2020

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