Navigation und Service

Zielgruppeneinstiege

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Mit dem Klick auf "Erlauben" erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihren Aufenthalt auf der Seite anonymisiert aufzeichnen. Die Auswertungen enthalten keine personenbezogenen Daten und werden ausschließlich zur Analyse, Pflege und Verbesserung unseres Internetauftritts eingesetzt. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz

OK

156. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 29.04.2020

ne1. Genehmigungsinhaber

Herr Professor Dr. rer. med. Alexander Kleger, Universitätsklinikum Ulm

2. Zell-Linien

Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linien:

  • H9 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • HUES8 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)

Die Genehmigung gilt jeweils auch für Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Vor dem Hintergrund, dass eine Infektion mit dem neuartigen Corona-Virus SARS-CoV-2 bei einem erheblichen Teil der Erkrankten auch zu Symptomen einer gastrointestinalen Infektion führt, sollen im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten molekulare Grundlagen der Infektion von Zellen des menschlichen Gastrointestinal-Traktes durch SARS-CoV-2 in aus humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen) abgeleiteten menschlichen Darm-Organoiden untersucht werden. Hierfür sollen hES-Zellen auf der Grundlage publizierter Protokolle und unter Verwendung einer bereits verfügbaren Reporterzell-Linie zunächst zu Darm-Organoiden differenziert, die Differenzierungsbedingungen ggf. weiter optimiert und die Organoide dann bezüglich der bestimmenden Eigenschaften charakterisiert werden. Anschließend sollen die Organoide mit SARS-CoV-2 infiziert werden, wobei zunächst geeignete Vorgehensweisen für die Infektion der Organoide etabliert werden; anschließend sollen jene intestinalen Zelltypen bestimmt werden, die für das Virus permissiv sind bzw. die infolge der Infektion Schädigungen aufweisen. Im Anschluss daran soll getestet werden, ob und inwieweit bereits für die Behandlung von Menschen zugelassene Wirkstoffe die Infektion von intestinalen Zellen bzw. die Vermehrung/Assemblierung des Virus in intestinalen Zellen hemmen.

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen dienen nach übereinstimmender Auffassung des RKI und der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) der Erreichung hochrangiger Forschungsziele im Rahmen der Grundlagenforschung; die erwarteten Erkenntnisse können aber auch zur Entwicklung neuer therapeutischer Verfahren zur Anwendung bei Menschen beitragen.

Angesichts der weltweiten Pandemie infolge der Ausbreitung von SARS-CoV-2, der durch dieses Virus ausgelösten schweren Atemwegserkrankungen mit teils letalem Ausgang und des derzeit nur sehr geringen Kenntnisstandes hinsichtlich der Biologie des Virus sind Forschungen, die zu einem besseren Verständnis der Eigenschaften des Virus sowie seiner Wechselwirkungen mit der Wirtszelle führen können, zwingend erforderlich. Obwohl SARS-CoV-2 in erster Linie schwere Atemwegserkrankungen verursacht, gibt es zahlreiche Berichte über Symptome gastrointestinaler Erkrankungen bei Covid-19-Patienten.

Im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen sollen Erkenntnisse über zellbiologische und molekulare Grundlagen der Infektion humaner Darmzellen durch SARS-CoV-2 gewonnen werden.

Zunächst sollen hES-Zellen zu Darm-Organoiden differenziert, das Vorgehen hierfür ggf. optimiert und die entstehenden Zellen umfassend charakterisiert werden. Dafür soll ein Verfahren genutzt werden, das bereits mehrfach erfolgreich zur Anwendung gekommen ist. Hierfür soll auch eine transgene hES-Zell-Linie genutzt werden, in der die Expression des Reportergens GFP unter Kontrolle eines in intestinalen Stammzellen aktiven Gen-Lokus steht, so dass aus hES-Zellen entstehende intestinale Stammzellen leicht identifiziert werden können.

Nach Gewinnung und Charakterisierung der Darm-Organoide sollen geeignete Vorgehensweisen für deren effiziente Infektion mit SARS-CoV-2 etabliert,  die Effekte des Virus auf intestinale Zellen untersucht und die Replikation des Virus in humanen Darm-Zellen analysiert werden. Dabei sollen jene Zelltypen identifiziert werden, die in Folge der Infektion mit SARS-CoV-2 Schädigungen aufweisen (beispielsweise verminderte Vitalität, veränderte Proliferation, gesteigerte Apoptose-Raten etc.). Zudem sollen die Virustiter, die Virusreplikation und die Präsenz viraler Proteine in den verschiedenen  Zelltypen der Darm-Organoide bestimmt und auf diesem Wege ermittelt werden, welche Arten intestinaler Zellen für SARS-CoV-2 permissiv sind und eine Virusreplikation zu ggf. hohen Titern ermöglichen. Eine zentrale Hypothese des Forschungsvorhabens besteht darin, dass insbesondere intestinale Stammzellen aufgrund ihrer Expression des Gens für den mutmaßlichen SARS-CoV-2-Rezeptor, ACE2, durch das Virus infiziert und ggf. geschädigt werden. Durch Nutzung einer hES-Zell-Linie, in der ein Reportergen unter Kontrolle eines in intestinalen Stammzellen besonders aktiven Gen-Lokus exprimiert wird, lassen sich mit der Infektion durch SARS-CoV-2 verbundene Veränderungen in der Zahl, Morphologie und Struktur der Stammzellen leicht detektieren, und die Zellen können für weitere Analysen (z. B. ihrer Genexpressionsmuster) leicht separiert werden. Durch die geplante Untersuchung ggf. veränderter Genexpressionsmuster in infizierten Zellen sollen Erkenntnisse über die Folgen einer SARS-CoV-2-Infektion auf molekularer Ebene entstehen, beispielsweise über die Interferenz des Virus mit zellulären Signaltransduktionskaskaden. Die hier geplanten Arbeiten können insgesamt wesentliche Erkenntnisse darüber erbringen, auf welche Weise SARS-CoV-2 mit Zellen des Intestinal-Traktes interagiert und worauf die bei COVID-19-Patienten beobachteten Symptome gastrointestinaler Erkrankungen zurückzuführen sind. Dies ist ggf. für das Therapie-Regime relevant, kann aber, angesichts einer möglichen fäkal-oralen Transmission des Virus, auch von erheblicher Relevanz für den öffentlichen Gesundheitsdienst, insbesondere in Regionen mit unzureichender sanitärer Versorgung, sein. Zudem wird im Ergebnis der Forschungsarbeiten voraussichtlich ein auf humanen Zellen basierendes komplexes Infektionsmodell zur Verfügung stehen, an dem künftig weitere Aspekte der Infektion des menschlichen Magen-Darm-Traktes durch SARS-CoV-2 untersucht und antivirale Wirkstoffe identifiziert werden könnten.

Ferner soll untersucht werden, ob die Infektion spezifischer Zelltypen mit SARS-CoV-2 bzw. die Replikation des Virus in Zellen des Magen-Darm-Traktes durch für andere Indikationen bereits zugelassene Medikamente, insbesondere antiviral wirksame Pharmaka, gehemmt bzw. vermindert werden können. Hierfür sollen die intestinalen Organoide ebenfalls mit SARS-CoV-2 infiziert und die Effekte einer Behandlung mit Virostatika auf die Zellen (Vitalität, Proliferation, Zelltoxizität, Apoptose) sowie auf die Produktion von viraler RNA bzw. viralen Partikeln (Virustiter, Virusprotein, Assemblierung) untersucht werden. Diese Arbeiten sollen dazu beitragen, Ansätze für die Behandlung der von SARS-CoV-2 verursachten Symptome im Magen-Darm-Trakt zu erarbeiten und ggf. Strategien für die Verhinderung einer fäkal-oralen Transmission des Virus zu entwickeln.

Insgesamt sollen die beantragten Forschungsarbeiten dazu beitragen, die molekularen und zellbiologischen Grundlagen der Infektion von Zellen des menschlichen Verdauungstraktes mit SARS-CoV-2 zu verstehen und auf dieser Grundlage ggf. neue Therapieansätze für die Behandlung der von COVID-19 verursachten Erkrankungen im Magen-Darm-Trakt zu entwickeln.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten vorgeklärt ist.

Gegenstand der hier geplanten Forschungsarbeiten ist die Untersuchung der molekularen Grundlagen der Infektion von intestinalen Zellen durch das neuartige Virus SARS-CoV-2 sowie die Untersuchung von deren zellbiologischen Konsequenzen in einem aus hES-Zellen abgeleiteten Organoid-Modell. Infektionen des Menschen mit SARS-CoV-2 sind erst seit Ende 2019 bekannt, so dass ausführliche Studien zur Biologie dieses Virus unter Nutzung tierischer Zellen oder unter Verwendung von Tiermodellen bislang nicht vorliegen. Allerdings hat das Virus auf RNA-Ebene eine 82%ige Identität mit SARS-CoV, das 2002-2003 eine Infektionswelle auslöste  und ebenfalls schwere Atemwegserkrankungen verursacht. Im Falle einer Infektion mit SARS-CoV traten bei einer Vielzahl von Patienten gastrointestinale Symptome auf. SARS-CoV nutzt für den Eintritt in die Wirtszelle das humane Angiotensin-konvertierende Enzym II (ACE2).

Da vermutet wird, dass SARS-CoV-2 denselben Rezeptor für den Eintritt in die Zelle nutzt wie SARS-CoV, und dieser Rezeptor in Nager-Zellen eine nur schwache Bindung von SARS-CoV zeigt, sind Untersuchungen zur Biologie von SARS-CoV-2 unter Nutzung von Nager-Modellen sowie unter Verwendung von Zellen dieser Spezies und daraus abgeleiteter intestinaler Organoide nicht sinnvoll zu fordern. Zudem zeigten bereits verfügbare, für das humane Rezeptor-Gen transgene Mäuse nach Infektion mit SARS-CoV keine gastrointestinalen Symptome, so dass ihre Nutzbarkeit für denkbare Vorklärungen ebenfalls fraglich bleibt. Zellmodelle aus (für SARS-CoV-2 permissiven) Spezies stehen, aufgrund der Nichtverfügbarkeit von aus ihren Zellen abgeleiteten Darm-Organoiden, zur Vorklärung der hier interessierenden Forschungsfragen ebenfalls nicht zur Verfügung. Nach derzeitigem Kenntnisstand lassen sich die Fragestellungen des Forschungsvorhabens hinsichtlich der Infektion intestinaler Zellen durch SARS-CoV-2 nicht sinnvoll an tierischen Zellen oder Tiermodellen vorklären.

Die Vorgehensweise für die Gewinnung von aus humanen embryonalen Stammzellen abgeleiteten intestinalen Organoiden wurde in der Vergangenheit bereits beschrieben und ist in der wissenschaftlichen Literatur publiziert. Aus hES-Zellen abgeleitete Organoide wurden zur Beantwortung verschiedener wissenschaftlicher Fragestellungen erfolgreich eingesetzt, insbesondere zur Klärung von Fragen der Entwicklungsbiologie des menschlichen Magen-Darm-Trakts und zur Modellierung von Erkrankungen des Verdauungssystems. Die zur Anwendung kommende Reporterzell-Linie ist ebenfalls bereits in der Literatur beschrieben worden und wurde mehrfach erfolgreich für die Herstellung intestinaler Organoide genutzt.

Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.

Die Erreichung der Forschungsziele ist unter Nutzung von tierischen Zellen oder von Tiermodellen nach gegenwärtigem Kenntnisstand voraussichtlich nicht möglich. Die hier benötigten Darm-Organoide können zwar auch aus pluripotenten Stammzellen der Maus gewonnen werden, jedoch sind aus Nagern gewonnene Zellen vermutlich deutlich weniger permissiv für eine Infektion mit SARS-CoV-2 als menschliche Zellen. Darm-Organoide aus Zellen von für SARS-CoV-2 permissiven anderen tierischen Spezies sind nicht verfügbar. Zudem ist die Frage nach dem Auftreten von Symptomen intestinaler Erkrankungen infolge einer Infektion mit SARS-CoV-2 für diese Spezies nicht geklärt, so dass für die Erreichung der Forschungsziele nach derzeitigem Kenntnisstand menschliche Zellen benötigt werden.

Hinsichtlich der möglichen Erreichbarkeit der Forschungsziele durch Verwendung adulter Stammzellen des Menschen wurde dargelegt, dass zwar zahlreiche Studien publiziert sind, in denen aus intestinalen Stammzellen des Menschen abgeleitete Darm-Organoide erfolgreich zur Klärung verschiedener Fragestellungen genutzt wurden. Allerdings wird für die hier genehmigten Forschungsarbeiten eine Zellinie benötigt, die sich sowohl in intestinale Organoide differenzieren lässt als auch ein Reportergen unter Kontrolle des hier interessierenden spezifischen, in intestinalen Stammzellen aktiven Gen-Locus enthält. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft, der gemäß dem Wortlaut des Stammzellgesetzes für die Bewertung des Vorliegens der Notwendigkeit der Verwendung von hES-Zellen allein ausschlaggebend ist, wurde eine derartige Zell-Linie auf Grundlage adulter intestinaler Stammzellen aber bisher nicht etabliert. Offen ist, ob sich eine solche Zell-Linie in gleicher Weise in intestinale Organoide differenzieren ließe wie die zur Verwendung vorgesehene transgene hES-Zell-Linie. Die Herstellung einer solchen Linie und die Klärung der damit in Zusammenhang stehenden Fragestellungen wäre ein anderes, bislang nicht geplantes Forschungsvorhaben, dessen Durchführung nicht verlangt werden kann. Für andere humane (beispielsweise fötale) Stammzellen ist die Nutzung zur Herstellung von Darm-Organoiden bislang nicht beschrieben. Die Erreichung der Forschungsziele erfordert folglich die Verwendung pluripotenter Stammzellen des Menschen.

Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass die Herstellung von Darm-Organoiden aus humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) auch beim Antragsteller selbst bereits erfolgreich durchgeführt wurde, diese Zellen also grundsätzlich zur Etablierung entsprechender Modellsysteme geeignet wären. Auch in der Literatur findet sich hierzu eine Reihe entsprechender Studien. Jedoch ist derzeit keine hiPS-Zell-Linie verfügbar, die den für die Projektdurchführung benötigten Reporter spezifisch in aus ihnen differenzierten intestinalen Stammzellen produziert. Insofern findet die oben genannte Begründung hier ebenfalls Anwendung. Der Antragsteller weist darüber hinaus darauf hin, dass hiPS-Zellen ggf. eine große Variabilität in ihrem Differenzierungspotential zeigen können. Auch für die Herstellung von Darm-Organoiden aus hiPS-Zellen wurde bereits früh berichtet, dass nur ein Teil der verwendeten hiPS-Zell-Linien das erforderliche Differenzierungspotential aufwies. Hingegen ist für die zur Verwendung vorgesehenen hES-Zellen bereits bekannt, dass sie ein gutes Differenzierungspotential in Richtung intestinaler Zellen haben.

Stand: 29.04.2020

Zusatzinformationen

Gesundheits­monitoring

In­fek­ti­ons­schutz

Forschung

Kom­mis­sio­nen

Ser­vice

Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit

© Robert Koch-Institut

Alle Rechte vorbehalten, soweit nicht ausdrücklich anders vermerkt.