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142. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 11.12.2018. Registereintrag zuletzt aktualisiert am 30.09.2020.

1. Genehmigungsinhaber

Dr. Claudio Acuna Goycolea, Universitätsklinikum Heidelberg

2. Zell-Linien

Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linien:

  • H1 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • H9 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • HES-1 (ES Cell International Pte Ltd, Singapur)
  • HUES7 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)

Die Genehmigung gilt jeweils auch für Sub-Linien (z.B. für klonale Sub-Linien oder genetisch modifizierte Derivate) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Gegenstand der genehmigten Forschungsarbeiten sind Untersuchungen zu Fragestellungen, ob und inwieweit Mutationen in spezifischen Regionen der nicht-codierenden DNA (sog. Human Accelerated Regions, HARs), zu veränderten Phänotypen in humanen Neuronen führen können. Hintergrund für diese Arbeiten ist die Tatsache, dass die human-spezifischen HARs zum einen häufig in Enhancern für Gene lokalisiert sind, deren Genprodukte eine Rolle bei der Entwicklung und Funktion neuronaler Zellen spielen. Zum anderen sind Mutationen in HARs häufig mit neuralen Entwicklungsstörungen (z. B. Autismus) oder psychischen Erkrankungen (z. B. Depressionen) assoziiert. Im Rahmen der Forschungsarbeiten sollen daher bestimmte HAR-Mutationen in hES-Zellen etabliert, die mutierten Zellen in neuronale Zellen differenziert und der Phänotyp der entsprechenden Neurone umfassend untersucht werden. Dabei sollen neben einer morphologischen, ultrastrukturellen, elektrophysiologischen und biochemischen Analyse vor allem auch die Eigenschaften der Synapsen detailliert untersucht werden. Zudem sollen das Genexpressionsprofil der Neurone bestimmt und Gene, deren Expression infolge der HAR-Mutationen Veränderungen erfahren haben, hinsichtlich der Rolle ihrer Genprodukte für die Entwicklung/Funktion neuronaler Zellen analysiert werden. Schließlich soll der Einfluss der HRA-Mutationen auf Struktur und Funktion menschlicher Neurone auch in einer In-vivo-Umgebung, nach Transplantation in Mausgehirne, bestimmt werden. Auf diesem Wege soll Aufschluss über eine mögliche Rolle von HAR-Mutationen bei neuralen Entwicklungsstörungen und bei der Pathogenese neuropsychiatrischer Erkrankungen erlangt werden.

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen dienen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des Robert Koch-Institutes (RKI) hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Grundlagenforschung.
Human Accelerated Regions (HARs) sind kurze Abschnitte des (i. allg. nicht-codierenden) Genoms, die innerhalb der Wirbeltiere stark konserviert sind, beim Menschen aber deutliche Veränderungen erfahren haben. Die Präsenz von HARs im menschlichen Genom scheint von zentraler Bedeutung für die Evolution und Funktion des menschlichen Gehirns zu sein. So liegt ein großer Teil der HARs innerhalb von Enhancern, die die Expression von Genen mit Relevanz für die neurale Entwicklung regulieren. Zudem sind nahezu 60% der HARs in der Umgebung von Genen lokalisiert, die im Menschen und im Schimpansen unterschiedlich exprimiert werden und in beiden Spezies teils unterschiedliche Transkriptionsfaktoren binden. Ferner findet sich ein Teil der in den HARs des modernen Menschen erfolgten Veränderungen nicht im Genom früherer Menschen (z. B. des Neandertalers), was ebenfalls auf die entwicklungsbiologische Relevanz der HARs hinweist. Schließlich sind Mutationen oder Deletionen in den HARs mit neuronalen Entwicklungsstörungen (z. B. Autismus) und neuropsychiatrischen Störungen (z. B. Depressionen, Schizophrenie) assoziiert.
Im vorliegenden Forschungsvorhaben soll im Detail untersucht werden, welche Rolle die Integrität der HARs für die Entwicklung und Funktion humaner Neurone spielt und ob und inwieweit die Struktur und Funktion menschlicher Neurone durch HAR-Mutationen verändert werden. Dafür sollen genetisch veränderte hES-Zellen erzeugt werden, in denen bestimmte HARs spezifisch mutiert sind. Im Mittelpunkt stehen dabei zunächst HAR-Mutationen, die in Patienten mit Autismus-Spektrum-Störungen mit hoher Prävalenz identifiziert wurden. Nach Differenzierung zu exzitatorischen und inhibitorischen ZNS-Neuronen sollen diese umfassend hinsichtlich ihrer morphologischen, biochemischen und elektrophysiologischen Eigenschaften charakterisiert werden, was ggf. bereits wichtige Erkenntnisse über mögliche Veränderungen im neuronalen Differenzierungspotential von Stammzellen in Folge von HAR-Mutationen erbringen kann.
Durch den detaillierten Vergleich der Synapsenfunktion von bezüglich der jeweiligen HAR unveränderten und mutierten Neuronen soll u. a. geklärt werden, ob und inwieweit die jeweilige Mutation die intrinsischen Eigenschaften menschlicher Neurone beeinflusst, ob und wenn ja wie die Kommunikation zwischen Neuronen infolge der HAR-Mutation verändert ist und welchen Einfluss die Mutation auf die synaptische Plastizität hat. Dabei können die erforderlichen Untersuchungen an genetisch unveränderten (Kontroll-)Zellen bereits dazu beitragen, derzeit noch ungeklärte Fragen zu den Grundlagen der Plastizität humaner Synapsen zu beantworten. So soll beispielsweise die Ultrastruktur exzitatorischer und inhibitorischer Synapsen detaillierter als bislang mit dem Ziel untersucht werden, Aufschluss über human-spezifische Eigenschaften menschlicher Synapsen zu erlangen. Insbesondere sollen aber Beeinträchtigungen der Struktur und Funktion menschlicher Neurone und ihrer Synapsen infolge krankheitsassoziierter genetischer Veränderungen in den HARs auf ultrastruktureller und elektrophysiologischer Ebene aufgeklärt und auf diesem Wege ein verbessertes Verständnis von der molekularen Pathologie der mit diesen Mutationen assoziierten Erkrankungen ermöglicht werden. Obwohl mit HAR-Mutationen assoziierte neuro-psychiatrische Erkrankungen, wie z. B. bestimmte Depressionen, Angstzustände, Zwangsstörungen oder Autismus-Spektrum-Störungen, mit erheblichen ökonomischen, sozialen und persönlichen Belastungen verbunden sind, sind die zugrundeliegenden Pathogenesemechanismen bislang nur unvollständig bekannt, und neue Erkenntnisse über molekulare und zelluläre Pathogeneseprozesse solcher Erkrankungen sind von erheblicher Relevanz.
Durch die Analyse der Genexpressionsprofile der in HARs mutierten Neurone können weiterhin Gene identifiziert werden, deren Expression infolge der entsprechenden Mutation verändert ist. Für den Fall, dass beispielsweise die Produkte differentiell exprimierter Gene möglicherweise eine Rolle bei der neuronalen Differenzierung oder für die Funktionalität humaner Neurone spielen, sollen sie – je nach Art der beobachteten Veränderung – in HAR-mutierten Zellen transkomplementiert oder in bezüglich der HARs unveränderten Zellen funktional deletiert bzw. ihre Expression vermindert werden. Die Analyse der Effekte dieser Veränderungen auf aus den entsprechenden Zellen differenzierte Neurone, insbesondere hinsichtlich der Struktur und Funktion der Synapsen, soll weitere wichtige Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen den durch HAR-Mutationen bedingten Veränderungen im Expressionsprofil und möglichen strukturellen bzw. funktionalen Veränderungen in den Synapsen erbringen. Auf diesem Wege sollen für ggf. beobachtete zelluläre, funktionale und/oder synaptische Veränderungen relevante Moleküle und Signalwege identifiziert werden, was voraussichtlich zur Vertiefung des Verständnisses von den Ursachen der mit HAR-Mutationen assoziierten Entwicklungsstörungen bzw. Erkrankungen beitragen wird.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten hinreichend vorgeklärt ist.
Die Assoziation von HARs mit der Entwicklung und Funktion neuronaler Zellen des Menschen ist gut etabliert, wobei sowohl codierende als auch nicht-codierende HARs Relevanz für die Neuralentwicklung zu haben scheinen. So codiert HAR1 für funktionale RNAs, die – je nach Isoform – im sich entwickelnden oder adulten menschlichen Gehirn präsent sind und offenbar für die Ausprägung humanspezifischer neuronaler Eigenschaften relevant sind. Der Enhancer des Gens für Frizzled 8 (FZD8), das beim Menschen spezifisch im sich entwickelnden Gehirn exprimiert wird, enthält 14 HARs. Die Präsenz von HARs in regulatorischen Regionen von Genen, die mit psychiatrischen Erkrankungen bzw. neurologischen Entwicklungsstörungen assoziiert sind, ist ebenfalls gut belegt. So sind beispielsweise mit Schizophrenie assoziierte SNPs mit HARs kolokalisiert. Ferner wurde gezeigt, dass Autismus mit Mutationen in HARs assoziiert sein kann. Hier wurden unter anderem biallelische Mutationen in HAR426 und HAR1325 identifiziert, die bei autistischen Patienten gehäuft auftreten. Für eine Mutation in HAR426, die biallelisch in einer Reihe von autistischen Patienten auftrat, wurde bereits gezeigt, dass der Nukleotidaustausch zu einer erhöhten Expression des CUX-1 Gens führte. In der Folge war die durch CUX-1 regulierte Dichte der dendritischen Dornen (Spines) in einem kortikalen Zellmodell erhöht und die synaptische Plastizität vermindert. Die für das Forschungsvorhaben geplanten Vorgehensweisen zur Differenzierung von hES-Zellen in funktionale exzitatorische und inhibitorische Neurone, zur genetischen Veränderung von hES-Zellen sowie zur Analyse der neuronalen Aktivität, der Morphologie der Neurone und des Transkriptoms sind in der wissenschaftlichen Literatur etabliert.
Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.
Die Forschungsziele können nicht unter Nutzung tierischer Zellen erreicht werden. Die hervorstechende Eigenschaft der HARs ist gerade ihre Humanspezifität, sie existieren in anderen Spezies in dieser Form nicht. Die Forschungsziele können voraussichtlich auch nicht unter Nutzung anderer als pluripotenter Stammzellen des Menschen erreicht werden. Aus abgetriebenen Föten gewinnbare neurale Stammzellen können zwar zu kortikalen Neuronen differenziert werden. Sie stehen aber nicht in für die Durchführung des Forschungsvorhabens erforderlicher Menge in ausreichender Reproduzierbarkeit zur Verfügung. Dies trifft auch auf adulte neurale Stammzellen des Menschen zu, die zudem in vitro in nur unzureichendem Maße vermehrt werden können. Ferner sind die für die erfolgreiche Durchführung des Forschungsvorhabens erforderlichen teils komplexen genetischen Veränderungen in solchen Zellen nicht durchführbar. Artifiziell immortalisierte oder aus Hirntumoren abgeleitete humane neurale Zelllinien lassen sich nicht oder nicht in gleichem Maße wie pluripotente Stammzellen in die hier erforderlichen neuronalen Zelltypen differenzieren. Zudem ist nicht absehbar, welche weiteren funktionalen Unterschiede infolge der Immortalisierung im Verglich mit authentischen neuralen Zellen des Menschen bestehen; derartige Zellen sind zur Erreichung der Forschungsziele ebenfalls nicht geeignet.
Die Forschungsziele lassen sich nach derzeitigem Kenntnisstand auch nicht unter Verwendung von humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) erreichen. Da Effekte von singulären Nukleotidaustauschen in relevanten regulatorischen Regionen untersucht werden sollen, sind zum einen Zellen erforderlich, die einen möglichst ursprünglichen Charakter aufweisen. Diese Voraussetzung erfüllen hiPS-Zellen nicht in gleichem Maße wie hES-Zellen. hiPS-Zellen weisen gegebenenfalls Mutationen auf, die bereits in ihren somatischen Ursprungszellen vorhanden waren oder die im Prozess der Reprogrammierung erworben wurden. Zum anderen sind HARs offenbar in erheblichem Maße an der Expressionsregulation beteiligt, die auch über epigenetische Mechanismen erfolgt. Im Hinblick darauf ist ein authentisches Epigenom erforderlich, über das hES-Zellen in stärkerem Maße verfügen als hiPS-Zellen.

Stand: 30.09.2020

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