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140. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 09.10.2018

1. Genehmigungsinhaber(in)

Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), Berlin

2. Zell-Linien

Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linien:

  • H9 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • HUES3 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
  • HUES4 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)

Die Genehmigung gilt jeweils auch für Sub-Linien (z.B. für klonale Sub-Linien oder genetisch modifizierte Derivate) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Die Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen zielen auf die Aufklärung von Prozessen, die molekulare Veränderungen in Motoneuronen bei verschiedenen Motoneuron-Erkrankungen bedingen. Hintergrund ist die Annahme, dass die bei verschiedenen Erkrankungen auftretenden pathologischen Veränderungen (teils)  gemeinsame molekulare Grundlagen haben. Dabei sollen vor allem die Lokalisation und Translation von RNA im Soma und in den Neuriten in aus hES-Zellen abgeleiteten Wildtyp- und krankheitsspezifisch genetisch veränderten Motoneuronen untersucht werden. Hierfür sollen mit Motoneuron-Erkrankungen assoziierte Mutationen in hES-Zellen erzeugt, die Zellen anschließend in Motoneurone differenziert und Wildtyp- und genetisch veränderte Motoneurone insbesondere hinsichtlich der Eigenschaften der Axone umfassend charakterisiert werden, um mögliche Veränderungen infolge der vorgenommenen Mutationen bestimmen zu können.

Anschließend sollen dann in einem bereits im murinen System erprobten Verfahren Soma und Neuriten jeweils fraktioniert und hinsichtlich der Zusammensetzung ihres Transkriptoms, Proteoms und Translatoms untersucht werden. Für den Fall, dass in Wildtyp- und genetisch veränderten Motoneuronen verschieden lokalisierte/translatierte mRNAs detektiert werden, sollen die Ergebnisse validiert, die für die entsprechenden RNAs codierenden Gene jeweils in hES-Zellen funktional ausgeschaltet (mutiert) bzw. überexprimiert und die phänotypischen und funktionalen Konsequenzen in den entsprechenden Motoneuronen jeweils bestimmt werden. Auf diesem Wege soll geklärt werden, ob und inwieweit Veränderungen in der subzellulären Lokalisation und Translation der RNA in Motoneuronen zur Ausprägung von Motoneuron-Krankheiten beitragen. Ggf. sollen die Ergebnisse dann auch unter Nutzung von humanen induzierten Stammzellen (hiPS-Zellen), die von Patienten mit degenerativen Motoneuron-Erkrankungen abgeleitet worden sind, bestätigt werden.

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen dienen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des Robert Koch-Institutes (RKI) hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Grundlagenforschung.

Erkrankungen, die zur Degeneration und Zerstörung der Motoneurone führen, bedingen progressive Lähmungen und führen zu schweren Behinderungen. Die beiden häufigsten Motoneuron-Erkrankung sind die Spinale Muskelatrophie (SMA) und die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Bislang gibt es für von Motoneuron-Erkrankungen keine kausale Therapie. Als ein Pathogenesemechanismus bei Motoneuron-Erkrankungen gelten Defekte in der Prozessierung und im Transport von mRNA, die wiederum zu Veränderungen im lokalen Translatom und Proteom von Motoneuronen führen können. Daher sollen nun Veränderungen in Abhängigkeit vom Vorliegen spezifischer, mit Motoneuron-Erkrankungen assoziierter Mutationen auf subzellulärer Ebene vertieft untersucht werden.

Dazu sollen mit Motoneuron-Erkrankungen assoziierte Mutationen  in hES-Zellen etabliert, die genetisch veränderten Zellen zu Motoneuronen differenziert und die entstehenden Zellen daraufhin überprüft werden, ob und inwieweit zelltypspezifische Eigenschaften verändert sind. Durch Messung der Effizienz der Axonbildung und der Axonlänge soll zudem geklärt werden, ob und inwieweit die jeweils entstehenden Motoneurone in der Lage sind, bei Patienten auftretende neurodegenerative Phänotypen in vitro zu rekapitulieren. Daraus können sich ggf. bereits neue Erkenntnisse über mögliche, mit spezifischen Mutationen assoziierte pathologische Veränderungen in Motoneuronen auf zellulärer Ebene ergeben. Anschließend sollen Soma und Neuriten voneinander separiert und in den Fraktionen das Transkriptom, das Translatom und das Proteom analysiert werden, wodurch Veränderungen in der RNA- und Protein-Lokalisation infolge verschiedener Mutationen bestimmt werden sollen. Dabei sollen RNAs identifiziert werden, die bei verschiedenen Motoneuron-Erkrankungen gleichartige oder ähnliche Veränderungen in der RNA-Lokalisation und in der Translation aufweisen. Auf diesem Wege sollen Erkenntnissen über die durch die jeweiligen Mutationen verursachten Veränderungen im lokalen Protein- und RNA-Lokalisationsmuster gewonnen und so zur Identifizierung dysregulierter Signalwege und Prozesse beigetragen werden, die Motoneuronen-Erkrankungen verschiedener genetischer Ätiologie gemein sind und die ggf. eine zentrale Rolle bei der Pathogenese dieser Erkrankungen spielen

Ferner soll die Funktion von Genprodukten, deren Lokalisation bei Vorliegen von für Motoneuron-Erkrankungen ursächlichen Mutationen verändert ist, vertiefend untersucht werden. Dazu sollen die entsprechenden Gene mittels CRISPR/Cas9 funktional deletiert, die Konsequenzen für die Differenzierung von hES-Zellen zu Motoneuronen und Veränderungen in den Eigenschaften der Motoneuronen untersucht, Bindungspartner von Proteinen mit veränderter Lokalisation identifiziert und Signalwege bestimmt werden, deren Komponenten im hier genutzten experimentellen System Veränderungen erfahren haben. Auf diesem Wege sollen wesentliche Faktoren und Signalwege bestimmt werden, deren physiologische und molekulare Funktionen bei Motoneuron-Erkrankungen verschiedener Ätiologie verändert sind. Diese Arbeiten werden aller Voraussicht nach zu einem vertieften Verständnis von der Pathogenese von Motoneuron-Erkrankungen, aber auch von molekularen Eigenschaften von humanen Motoneuronen, beitragen können.

Durch neue Erkenntnisse über Moleküle und Signalwege, deren veränderte oder fehlende Funktion für die Entstehung des pathologischen Phänotyps bei Motoneuron-Erkrankungen ursächlich ist, können darüber hinaus auch neue Zielstrukturen für pharmakologische Interventionen identifiziert werden, die zur Wiederherstellung der gestörten molekularen Prozesse genutzt werden könnten. Insofern hat das Projekt auch eine mittelbare Bedeutung für die künftige Entwicklung neuer Therapien von Motoneuronen-Erkrankungen.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten hinreichend vorgeklärt ist.

Genetische Veränderungen, die mit Motoneuron-Erkrankungen assoziiert sind, sind bekannt und in der Literatur vielfach beschrieben worden. Diese Gene sollen mittels herkömmlicher Methoden so mutiert werden, dass die genetischen Veränderungen solchen entsprechen, die auch in betroffenen Patienten vorkommen, und schließen vor allem Punktmutationen und kleinere Deletionen bzw. Insertionen ein. Die Produkte der in Blick genommenen  Gene sind bezüglich ihrer Funktionen umfassend charakterisiert worden, wobei auch bereits umfangreiche Kenntnisse zu molekularen Ursachen der durch entsprechende Mutationen bedingten Erkrankungen vorliegen. Molekulare Ursachen von Motoneuron-Erkrankungen, beispielsweise von ALS und SMA, wurden in großem Umfang in Nagermodellen untersucht und entsprechende Studien publiziert. Im Falle von ALS beispielsweise wurde eine Vielzahl von molekularen Mechanismen identifiziert, die zur Pathogenese der Erkrankung beitragen können wie beispielsweise Veränderungen im Transport von RNA und RNA-bindenden Proteinen, ein veränderter RNA-Metabolismus, Veränderungen in der Proteostase, verminderte DNA-Reparatur, mitochondriale Dysfunktionen oder Defekte im axonalen und vesikulären Transport. Die daran beteiligten Moleküle und Signalwege, deren Funktion oder Aktivität verändert ist, sind teils bereits beschrieben worden. Zudem liegen zahlreiche publizierte Arbeiten vor, in denen die Eignung humaner pluripotenter Stammzellen als zellbasierte Krankheitsmodelle für neurodegenerative Erkrankungen gezeigt wird. Motoneurone, die aus pluripotenten Stammzellen abgeleitet wurden und Motoneuron-Erkrankungen-assoziierte Mutationen tragen, rekapitulieren dabei auf zellulärer Ebene pathologische Phänomene, die auch in Patienten mit den entsprechenden Mutationen gefunden wurden. Protokolle für die Differenzierung von hES-Zellen zu Motoneuronen sind in der Literatur vielfach beschrieben worden. Die Neuriten/Soma-Fraktionierungsmethode in Kombination mit Massenspektrometrie-, RNA-seq- und Ribosomenprofiling-Analysen wurde von der für das Projekt verantwortlichen Wissenschaftlerin bereits eingesetzt, um in den entsprechenden Zellfraktionen lokalisierte Proteine und RNAs zu identifizieren. Versuche, die unter Verwendung muriner ES-Zellen durchgeführt wurden, zeigen, dass bei neuronalen Zellen die mRNA-Lokalisation der primäre Mechanismus für die Proteinlokalisierung in Neuriten ist.

Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.

Die beantragten Forschungsarbeiten zielen auf die Klärung von Grundlagen der Neurodegeneration bei Motoneuron-Erkrankungen beim Menschen, die ggf. Erkrankungen unterschiedlicher Ätiologie gemein sind. Zwar wurden wesentliche Fragen zu molekularen Ursachen von Motoneuron-Erkrankungen in Tiermodellen umfassend untersucht. Allerdings lassen sich nicht alle molekularen Aspekte der jeweiligen Erkrankung im Tiermodell klären. Während beispielsweise die ALS-assoziierte SOD1-Mutaion A4V in der Maus einen relativ milden Phänotyp bedingt, ist sie beim Menschen mit einem fulminanten Verlauf der Erkrankung verbunden. Grundsätzlich ist zudem fraglich, ob und inwieweit die im Tiermodell beobachteten Effekte teilweise auch auf die für die Krankheitsmodellierung erforderliche Transgen-Expression zurückgeführt werden könnten, was die Nutzung huamner Zellen erforderlich macht.

Die Forschungsziele können voraussichtlich ferner nur unter Nutzung humaner pluripotenter Stammzellen erreicht werden. Immortalisierte Motoneuron-Zell-Linien, die die Eigenschaften reifer Motoneuronen aufweisen, stehen derzeit nicht zur Verfügung. Primäre humane Motoneuronen können ausschließlich aus postmortalem Gewebe gewonnen werden, allerdings nicht in für die Projektdurchführung notwendiger Menge und ausreichend reproduzierbarer Qualität. Dasselbe gilt für neurale Stammzellen aus abgetriebenen menschlichen Föten, die theoretisch als Ausganspunkt für die Gewinnung humaner Motoneurone dienen könnten. Auch hier ist eine Gewinnung in ausreichender Menge und reproduzierbarer Qualität derzeit nicht möglich.

Nach gegenwärtigem Kenntnisstand können die Forschungsziele auch nicht unter alleiniger Verwendung von hiPS-Zellen erreicht werden. Wesentlich für die Erreichung des Forschungsziels ist es, dass die Effekte definierter Mutationen auf die Funktion von Motoneuronen vor einem möglichst ursprünglichen Hintergrund untersucht werden sollen. Die ausschließliche Nutzung krankheitsspezifischer (d.h. aus erkrankten Personen durch Reprogrammierung gewonnener) hiPS-Zellen ist hier nicht möglich, da unterschiedliche Patienten verschiedene genetische Hintergründe haben, die sich in den aus ihnen abgeleiteten hiPS-Zellen wiederfinden und deren Effekte auf die Ausprägung der Krankheit unbekannt sind. Auch Wildtyp-hiPS-Zellen können (im Vorfeld der Reprogrammierung bereits vorliegende oder im Reprogrammierungsprozess entstandene) Mutationen aufweisen, wodurch eindeutige Rückschlüsse auf die Ursachen der beobachteten molekular- und zellpathologischen Effekte ggf. nicht zweifelsfrei möglich sind.

Stand: 09.10.2018

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