138. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz
1. Genehmigungsinhaberin
Frau Dr. Dao Thi, Universitätsklinikum Heidelberg
2. Zell-Linien
Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linien:
- H9 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
- HUES8 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
- RUES2 (Rockefeller University, New York, NY, USA)
Die Genehmigung gilt jeweils auch für Sub-Linien (z.B. für klonale Sub-Linien oder genetisch modifizierte Derivate) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.
3. Angaben zum Forschungsvorhaben
Die genehmigten Forschungsarbeiten zielen zunächst auf die Etablierung und Optimierung eines (polarisierten) humanen Leberzellmodells, an dem Prozesse der Infektion menschlicher Leberzellen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) untersucht werden sollen. Im folgenden soll dieses Modell zur Analyse molekularer Mechanismen der HEV-Infektion, insbesondere des intrazellulären Transports und der Sekretion des Virus, genutzt werden.
Zunächst sollen leberzellartige Zellen (hepatocyte like cells, HLC) aus hES-Zellen abgeleitet und zur Etablierung zwei- und dreidimensionaler hepatischer Zellmodelle genutzt werden. Diese Zellmodelle sollen dann auf ihre Eignung zur Modellierung einer HEV-Infektion hin geprüft und weiter optimiert werden, insbesondere in Hinblick auf eine stärkere Reifung der hepatischen Zellen. Da ein möglicher Eintrittsweg für HEV auch Zellen des Darmepithels sind, sollen hES-Zellen auch zu Darmepithelzellen differenziert und diese für entsprechende Infektionsstudien genutzt werden.
Nach Etablierung genetisch veränderter hES-Zellen, in denen die Gene für die (durch tags markierten) HEV-Strukturproteine (ORF2 und ORF3) konditional exprimiert werden können, sowie nach Differenzierung dieser Zellen in HLC sollen die genannten 2D und 3D-Modelle genutzt werden, um die subzelluläre Lokalisation der viralen Strukturproteine zu verschiedenen Zeitpunkten nach Expressionsstart sowie, nach Transfektion eines subgenomischen HEV-Replikons, den Ort der Replikation sowie der Assemblierung der viralen Partikel in hepatischen Zellen bestimmen zu können. Ferner soll durch Ko-Lokalisations-Studien die Wechselwirkung viraler Proteine mit zellulären Faktoren, insbesondere des Proteintransports, untersucht werden.
Schließlich sollen zelluläre Proteine identifiziert werden, deren Wechselwirkung mit viralen Proteinen für den intrazellulären Transport des Virus und dessen Sekretion durch die Zelle erheblich sind, und die Funktionen einzelner viraler Komponenten beim intrazellulären Transport bestimmt werden. Dazu sollen die Produktion/Aktivität von für bestimmte Transportprozesse essentiellen zellulären Komponenten in aus hES-Zellen gewonnenen HLC gehemmt, die Gene für ORF2 und ORF3 spezifisch mutiert und in HLC exprimiert und die Effekte dieser Modifikationen auf den Transport, die Assemblierung und die Sekretion von HEV bestimmt werden.
4. Hochrangigkeit der Forschungsziele
Die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen dienen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des Robert Koch-Institutes (RKI) hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Grundlagenforschung sowie der Erweiterung von Kenntnissen bei der Entwicklung neuer therapeutischer Verfahren zur Anwendung bei Menschen.
HEV-Infektionen gelten als die häufigste Ursache für eine Hepatitis mit ca. 20 Millionen HEV-Infektionen weltweit, die zu etwa 3,3 Millionen akuten Hepatitiden und 56.000 Todesfällen führen. Eine spezifische Therapie ist derzeit nicht verfügbar, so dass Infektionen nur mit Off-Label-Therapien (z. B. mit Ribavirin oder Interferon-α) behandelt werden können, die jedoch kostenintensiv und mit teils erheblichen Nebenwirkungen verbunden sind. Die Entwicklung spezifischer Therapien zur Behandlung der HEV-Infektion würde durch ein vertieftes Verständnis des HEV-Replikationszyklus erheblich erleichtert.
Im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten sollen bestimmte Aspekte des HEV-Replikationszyklus umfassend untersucht werden, wobei insbesondere Fragen zum intrazellulären Transport der viralen Strukturproteine, zur Assemblierung viraler Partikel und zur Sekretion der HEV-Partikel sowie damit in Zusammenhang stehende Wechselwirkungen zwischen viralen und zellulären Proteinen im Mittelpunkt des Interesses stehen.
Grundlage für die Untersuchung der Virusreplikation ist die Verfügbarkeit geeigneter hepatischer Infektionsmodelle, die hier entwickelt und optimiert werden sollen. Im Ergebnis der hier genehmigten Forschungsarbeiten könnten verbesserte Vorgehensweisen für die Gewinnung möglichst reifer Hepatozyten aus humanen pluripotenten Stammzellen vorliegen, die in einem 3D-Modell räumlich polarisiert sind und möglichst viele funktionale Eigenschaften primärer humaner Hepatozyten aufweisen. Ein solches Zellmodell könnte nicht nur für die Untersuchung der Biologie hepatotroper Viren (neben HEV auch HAV, HBV, HCV etc.) genutzt werden, sondern auch bei der Klärung zahlreicher anderer wissenschaftlicher Fragestellungen Verwendung finden, die möglichst authentische humane hepatische In-vitro-Zellmodelle erfordern, die derzeit nicht verfügbar sind.
Im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten sollen vor allem die Mechanismen des intrazellulären Transports der viralen Strukturproteine ORF2 und ORF3 und deren Einfluss auf die Replikation des viralen Genoms analysiert, die intrazellulären Orte der Genomreplikation und Virus-Assemblierung bestimmt und Sekretionswege von HEV in polarisierten HLC untersucht werden. Es wird erwartet, dass aus den Ergebnissen dieser Arbeiten neue Erkenntnisse über die Wechselwirkungen zwischen viralen Proteinen und Zellkompartimenten in polarisierten humanen Leberzellen, über die intrazellulären Transportwege von ORF2 und ORF3 sowie über den Transport viraler Proteine zur apikalen bzw. basalen Plasmamembran erlangt werden können. Die Relevanz spezifischer Transportwege für das trafficking von HEV bzw. HEV-Proteinen soll dann pharmakologisch mit Wirkstoffen verifiziert werden, die bestimmte Etappen der intrazellulären Transport- und der Sekretionswege blockieren. Aus diesen Untersuchungen erhofft man sich auch Hinweise darauf, ob die Hemmung der entsprechenden Transport- und Sekretionswege ggf. der Entwicklung von Medikamenten zur Kontrolle der HEV-Sekretion dienen könnte.
Schließlich wurden Forschungsarbeiten genehmigt, die der Entschlüsselung der Rolle bestimmter zellulärer und viraler Faktoren dienen, die für den intrazellulären Transport von HEV bzw. HEV-Proteinen sowie für die Sekretion neu gebildeter viraler Partikel erforderlich sind. Diese Arbeiten sollen zum einen zur Identifizierung und Charakterisierung zellulärer Ko-Faktoren der HEV-Infektion beitragen, was zu einem vertieften Verständnis von Virus-Zell-Wechselwirkungen bei der HEV-Infektion und zur Identifizierung zellulärer targets für die künftige Entwicklung von Inhibitoren der HEV-Infektion führen könnte. Zum anderen sollen u. a. funktional bedeutsame Domänen auf den viralen Strukturproteinen ORF2 und ORF3 kartiert werden, was neue Erkenntnisse über die molekulare Biologie von HEV erbringen und ggf. ebenfalls zur Identifizierung von Angriffspunkten für neue antivirale Therapien beitragen könnte.
5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen
Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten ausreichend vorgeklärt ist.
Die Tatsache, dass aus hES-Zellen abgeleitete HLC einer Infektion mit HEV zugänglich sind und folglich als Zellmodell für eine HEV-Infektion genutzt werden können, ist durch entsprechende Studien bereits belegt worden. Auf hES-Zellen basierende 2D und 3D-polarisierte HLC-Modelle, die die Direktionalität der HEV-Infektion in vitro abbilden, wurden von der Genehmigungsinhaberin im Rahmen von Arbeiten in den USA bereits etabliert. Die in 2D entstehenden HLC produzieren typische apikale und basolaterale Membranproteine und können auf ihrer basalen Seite mit HEV infiziert werden, während die von den HLC neu produzierten infektiösen Viruspartikel zum apikalen Kompartiment hin freigesetzt werden. In 3D polarisierte HLC sezernierten Carboxyfluorescein Diacetate (CFDA) nach Spaltung durch intrazelluläre Esterasen in kleine Kanäle, die wahrscheinlich Gallenkanälchen entsprechen.
In der Vergangenheit haben bereits umfangreiche Studien zur Biologie der HEV-Infektion stattgefunden, die zu umfangreichen Kenntnissen über dieses Virus beigetragen haben. Studien in Hepatom-Zell-Linien und Tiermodellen, die eine Replikation von HEV erlauben, haben wesentlich zur Aufklärung des HEV-Lebenszyklus sowie der Wechselwirkung des Virus mit Wirtsfaktoren während wichtiger Schritte seines Replikationszyklus beigetragen. In Bezug auf die hier genehmigten Forschungsarbeiten ist beispielsweise bedeutsam, dass ORF3 sowohl in Recycling-Endosomen als auch in späten Endosomen präsent ist. Ebenso wurde eine Bindung von ORF3 an Komponenten des endosomalen Sortierkomplexes nachgewiesen und gezeigt, dass ORF2 beispielsweise mit dem endoplasmatischen Retikulum, dem Trans-Golgi-Netzwerk und der Plasmamembran interagiert. Hinsichtlich mit HEV potentiell assoziierter Wirtsfaktoren wurde unter Verwendung von Zelllinien und knock out-Mausmodellen gezeigt, dass diese beispielsweise eine spezifische subzelluläre Lokalisation aufweisen und eine Rolle bei der hier zentralen intrazellulären Vesikelsortierung zwischen den verschiedenen Kompartimenten spielen.
Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.
Ziel der Forschungsarbeiten ist die Aufklärung molekularer Vorgänge, die beim Transport, bei der Assemblierung und bei der Sekretion von HEV-Proteinen/Partikeln ablaufen. Zwar haben experimentelle Infektionsstudien unter Verwendung verschiedener Tiermodelle zum grundsätzlichen Verständnis der Biologie von HEV, der Grundlagen von dessen Pathogenität sowie des Mechanismus der Virusreplikation beigetragen. Allerdings können diese Modelle klinische, morphologische und biochemische Aspekte einer HEV-Infektion menschlicher hepatischer Zellen wegen der gut bekannten und teils erheblichen physiologischen und metabolischen Unterschiede in der Leberzellbiologie verschiedener Spezies nur teilweise abbilden.
Die Forschungsziele können aller Voraussicht nach auch nicht unter Verwendung anderer menschlicher Zellen als pluripotenter Stammzellen erreicht werden. Zwar werden primäre humane Hepatozyten als Zellmodell für die Infektion mit HEV eingesetzt, jedoch ist ihre Verfügbarkeit gering und ihre Kultivierung aufwendig. Zudem variieren Eigenschaften und Qualität verschiedener primärer Leberzell-Präparationen in teils hohem Maße und hängen von den Eigenschaften des Spenders ab, was mit erheblichen Problemen in Hinblick auf die Reproduzierbarkeit und Standardisierbarkeit von Forschungsresultaten verbunden ist. Hinzu kommt, dass die für die Projektdurchführung in großem Umfang erforderlichen genetischen Modifikationen in primären Hepatozyten nicht vorgenommen werden können. Menschliche Leberzellen aus abgetriebenen Föten können ebenfalls nicht zur Erreichung der Forschungsziele genutzt werden, da sie nicht in für die Projektdurchführung ausreichender Menge sowie nicht in reproduzierbarer und standardisierbarer Qualität verfügbar sind. Immortalisierte humane Leberzellen können gleichfalls nicht zur Erreichung der Forschungsziele verwendet werden, da sie meist erhebliche Defizite bezüglich ihres metabolischen Profils sowie ihrer funktionalen Charakteristika aufweisen und nicht-adaptierte HEV-Isolate aller vier HEV-Genotypen in diesen Zellen nicht replizieren.
Nach derzeitigem Kenntnisstand können die Forschungsziele auch nicht unter Verwendung von humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) erreicht werden. Vorversuche der Genehmigungsinhaberin und publizierte Arbeiten weisen darauf hin, dass hiPS-Zellen ein im Vergleich zu hES-Zellen geringeres Potential aufweisen, sich in polarisierte hepatische Zellen zu differenzieren und dass aus hiPS-Zellen abgeleitete HLC im Vergleich zu aus hES-Zellen gewonnene HLC weniger permissiv für eine produktive HEV-Infektion sind. Zudem bestehen erhebliche Unterschiede in der Fähigkeit verschiedener hiPS-Zellinien, sich in hepatische Zellen zu differenzieren. Dies kann durch die unterschiedliche Herkunft des somatischen Materials begründet sein, aus dem die hiPS-Zellen abgeleitet wurden.
nach oben