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121. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 25.04.2017.

1. Genehmigungsinhaber(in)

Frau Prof. Dr. Beate Winner, Universitätsklinikum Erlangen

2. Zell-Linien

Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linien:

  • H1 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • H7 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • H9 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • H13 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • HES-3 (ES Cell International Pte Ltd, Singapur)
  • HS181 (Karolinska-Institut, Stockholm, Schweden)
  • HS401 (Karolinska-Institut, Stockholm, Schweden)
  • HS415 (Karolinska-Institut, Stockholm, Schweden)
  • HUES6 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)

Die Genehmigung gilt auch für die Verwendung von Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Das Forschungsvorhaben zielt auf die Identifizierung möglicher gemeinsamer molekularer Grundlagen von neuralen Entwicklungsstörungen, die zwar mit Mutationen in verschiedenen Genen assoziiert, jedoch in ihrer jeweiligen phänotypischen Ausprägung ähnlich sind. Der Fokus des Vorhabens ist dabei auf das Coffin-Siris-Syndrom (CSS), das Nicolaides–Baraitser-Syndrom (NBS) sowie auf das Pitt-Hopkins-Syndrom (PHS) gerichtet, die mit erheblicher mentaler Retardierung einhergehen. Hierzu sollen Gene, deren Produkte für die neurale Entwicklung relevant sind und die in betroffenen Patienten Mutationen aufweisen, in humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen) funktional ausgeschaltet bzw. spezifisch mutiert und die Konsequenzen für die neuronale Differenzierung der Zellen sowie für die Entwicklung neuraler Organoide jeweils detailliert untersucht werden. Dabei sollen zum einen Zellproliferation, Vitalität und Differenzierungsverhalten untersucht und so Aufschluss über mögliche zellbiologische Veränderungen erlangt und zum anderen das Migrationsverhalten, die Ausprägung des axonalen, dendritischen und synaptischen Kompartiments sowie die Fähigkeit zur Ausbildung funktional aktiver neuronaler Netzwerke analysiert und so mögliche funktionale Defizite und Störungen der neuralen Plastizität bestimmt werden. Ferner sollen Veränderungen im Transkriptom der mutierten Neurone, in den Wechselwirkungen der Genprodukte der mutierten Gene mit anderen Proteinen und in der Zusammensetzung und Aktivität von Chromatin-modellierenden Komplexen und in Netzwerken von Transkriptionsfaktoren bestimmt werden. Schließlich soll die Beteiligung von Signalkaskaden und regulatorischen Netzwerken, deren Funktion infolge der jeweiligen Mutationen verändert ist, an der Ausprägung des veränderten neuronalen Phänotyps detailliert untersucht werden.

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des Robert Koch-Institutes (RKI) hochrangigen Forschungszielen in der Grundlagenforschung und können zudem zur Schaffung von Grundlagen für die Entwicklung neuer therapeutischer Verfahren zur Anwendung bei Menschen beitragen. Für diese Beurteilung sind folgende Gründe maßgeblich:

Genetisch bedingte neurale Entwicklungsstörungen und dadurch verursachte mentale Retardierung (MR) unterschiedlichen Schweregrades stellen ein erhebliches medizinisches und gesundheitspolitisches Problem dar. Bislang wurden nahezu 500 Gene identifiziert, deren Veränderung mit verschiedensten Formen von MR assoziiert ist. Die Produkte zahlreicher mit MR assoziierter Gene sind an der Regulation der Genexpression beteiligt und beispielsweise in Signaltransduktion und epigenetische Prozesse involviert. Folglich sind  bestimmte Formen von MR zwar mit verschiedenen genetischen Defekten, aber mit ähnlichen klinischen Symptomen assoziiert. Die genehmigten Forschungsarbeiten zielen auf die Identifizierung solcher Signalwege und anderer (ggf. übergeordneter) molekularer Prozesse, was für das Verständnis der Entstehung von MR von erheblicher Relevanz sein könnte.

Im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten sollen (potentiell gemeinsame) pathophysiologische Mechanismen für drei Erkrankungen mit unterschiedlicher genetischer Ursache untersucht werden, die zu teils ähnlichen Phänotypen führen, jedoch mit Mutationen in verschiedenen Genen assoziiert sein können. Die Differenzierung von genetisch entsprechend veränderten hES-Zellen in verschiedene Typen von Neuronen sowie deren umfassende Analyse soll Aufschluß darüber geben, ob und wenn ja welche Eigenschaften infolge der jeweiligen Mutation verändert sind, woraus sich ggf. zellbiologische Ursachen für die bei diesen Erkrankungen beobachteten neuronalen Defizite bestimmen lassen. Die umfassende Analyse der neuronalen Zellen soll insbesondere Erkenntnisse darüber erbringen, welche Veränderungen im Genexpressionsmuster und im Epigenom infolge der genetischen Veränderungen auftreten und ob diese mit Veränderungen in Signaltransduktionskaskaden, in Transkriptionsfaktor-Netzwerken und in der DNA- bzw. Histonmethylierung assoziiert sind. Da bei MR mutiere Gene auch für Bestandteile großer Proteinkomplexe codieren, die an der Remodellierung von Chromatin beteiligt sind, sollen durch Analysen des Proteoms Anhaltspunkte für eine ggf. veränderte Zusammensetzung derartiger Komplexe gewonnen werden. Auf diesem Wege sollen mögliche gemeinsame Pathogenesemechanismen identifiziert werden, beispielsweise Veränderungen in pathophysiologisch relevanten Signalwegen, im Epigenom und in der Regulation der Transkription.

Die Untersuchung der Konsequenzen der mit den hier untersuchten Erkrankungen assoziierten genetischen Veränderungen soll auch auf der Ebene kortikaler Organoide erfolgen. Dabei sollen an Organoiden, die mit MR assoziierte Mutationen aufweisen, Fragen nach Veränderungen in der Entstehung, Zusammensetzung und Integrität bestimmter Vorläuferzellpopulationen, nach zeitlichen Veränderungen im Differenzierungsablauf oder möglichen Veränderungen im Migrationsverhalten der Zellen bestimmt werden, was ebenfalls zur Aufklärung zellbiologischer Ursachen von MR beitragen kann.

Die im Ergebnis der molekularbiologischen Analysen identifizierten Gene, deren Produkte möglicherweise Bestandteile von Signaltransduktionsketten, Netzwerken von Transkriptionsfaktoren oder von Chromatin-modellierenden Proteinkomplexen sind, sollen zudem vertieft untersucht werden. Insbesondere soll geklärt werden, ob die Modulation der Expression der entsprechenden Gene oder die pharmakologische Stimulation/Hemmung bestimmter Signalwege zu denselben Phänotypen auf zellulärer Ebene führt, wie sie bei Vorliegen MR-assoziierter Mutationen beobachtet werden. Umgekehrt soll auch überprüft werden, ob die Modulation der Genexpression bzw. der Aktivität der fraglichen Signalwege in mutierten Zellen zu einem günstigeren neuronalen Phänotyp führen. Auf diesem Wege soll letztlich eine Bestätigung für die Relevanz der zuvor identifizierten Gene und Signalwege nicht nur für die Pathogenese der jeweiligen Erkrankung, sondern möglicherweise für eine ganze Reihe von neuralen Entwicklungsstörungen erlangt werden, die – trotz ihrer  Assoziation mit verschiedenen genetischen Veränderungen – durch die Interferenz mit denselben molekularen Prozessen verursacht werden und daher zu MR mit einer teils ähnlichen phänotypischen Ausprägung führen. Dies kann ggf. auch zur Identifizierung neuer Ansatzpunkte für die Therapie derartiger Erkrankungen beitragen, beispielsweise durch Identifizierung von potentiellen Arzneimittel-targets.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten ausreichend vorgeklärt ist.

Für die hier interessierenden Erkrankungen (CSS, NBS und PHS) sind genetische Ursachen hinlänglich bekannt und relevante Gene identifiziert worden. Diese Gene sollen mittels publizierter und mittlerweile gut etablierter Methoden zum gene editing entweder ausgeschaltet oder aber so mutiert werden, dass die genetischen Veränderungen jenen entsprechen, die in betroffenen Patienten identifiziert wurden. Die Produkte der Gene, deren knock out oder sonstige Mutation bezüglich ihrer Auswirkungen auf die neurale Differenzierung und auf die Funktion neuraler Zellen untersucht werden soll, sind hinsichtlich ihrer grundsätzlichen Funktionen in der Vergangenheit in verschiedenen Zell- und Tiermodellen umfassend charakterisiert worden. Sie haben eine teils zentrale Rolle bei der Regulation der Transkription, u. a. auf der Ebene der Chromatin-Remodellierung, sind in Prozesse der Neurogenese involviert oder modulieren die funktionalen Eigenschaften von Neuronen wie die Synapsenplastizität. Die zum Einsatz kommenden Methoden für die Differenzierung von hES-Zellen in Neurone sind in der Literatur beschrieben. Die Herstellung insbesondere zerebraler Organoide aus hES-Zellen ist in der Literatur beschrieben worden, und derartige Organoide wurden seither zur Untersuchung verschiedener Fragestellungen eingesetzt.

Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.

Die Notwendigkeit der Verwendung humaner Zellen zur Erreichung der Forschungsziele ergibt sich aus der Spezies-Spezifität von Prozessen der neuralen Differenzierung und humanspezifischen neurologischen und mentalen Veränderungen, die bei mit MR assoziierten Syndromen auftreten. Die Notwendigkeit zur Nutzung humaner pluripotenter Stammzellen folgt aus der Tatsache, dass andere in Frage kommende Stammzellen des Menschen, beispielsweise neurale Stammzellen aus abgetrieben Föten, nicht in der für die Projektdurchführung erforderlichen Menge und in reproduzierbarer Qualität verfügbar sind. Zudem haben solche Zellen die (hier interessierenden) Prozesse der frühen neuronalen Entwicklung bereits durchlaufen. Zudem gibt es derzeit keine Hinweise darauf, dass die für die Klärung der Forschungsfragen erforderlichen zerebralen Organoiden aus anderen als humanen pluripotenten Stammzellen gewonnen werden könnten.

Die Forschungsziele lassen sich nach gegenwärtigem Kenntnisstand auch nicht unter Nutzung humaner induzierter pluripotenter Stammzellen (hiPS-Zellen) erreichen. Patientenspezifische hiPS-Zellen, die für die hier interessierenden Erkrankungen gewonnen werden könnten, haben einen unbestimmten genetischen Hintergrund, der die Untersuchung des Einflusses isolierter Mutationen auf komplexe Geschehen wie Regulation von Transkription oder Neurogenese unmöglich macht. Die Tatsache, dass es bei Vorliegen identischer genetischer Defekte in mit MR assoziierten Genen zu einer teils sehr unterschiedlichen Ausprägung der Krankheit kommt, lässt darauf schließen, dass weitere (derzeit nicht näher bestimmte) Faktoren die Penetranz der Mutation beeinflussen. Zudem ist die epigenetische Integrität der für Klärung der Forschungsfragen genutzten Zellen von entscheidender Relevanz, da die mit den hier interessierenden Erkrankungen einhergehenden Veränderungen vor allem in Prozessen der Chromatin-Remodellierung, also auf epigenetischer Ebene, erwartet werden. Wildtyp-hiPS-Zellen haben aber außer einem unbestimmten genetischen Hintergrund eine große epigenetische Variabilität und weisen, beispielsweise infolge einer unvollständigen Reprogrammierung der somatischen Ausgangszellen, ein von hES-Zellen verschiedenes und möglicherweise weniger ursprüngliches Epigenom als hES-Zellen auf. Zudem kann die Herstellung von hiPS-Zellen ggf. auch mit einer durch die Reprogrammierung bedingten de-novo-Mutagenese verbunden sein, deren Konsequenzen für die Eigenschaften der hiPS-Zellen nicht vorhergesagt werden kann.

Stand: 25.04.2017

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