118. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz
1. Genehmigungsinhaber(in)
Herr Prof. Dr. Markus Riemenschneider, Universitätsklinikum Regensburg
2. Zell-Linien
Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linien:
- H1 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
- H7 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
- H9 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
- HUES 6 (Harvard University, Cambridge, MA,USA)
- NCL-3 (Newcastle Fertility Centre, Newcastle, Großbritannien)
- NCL-4 (Newcastle Fertility Centre, Newcastle, Großbritannien)
Die Genehmigung gilt auch für die Einfuhr und Verwendung von Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.
3. Angaben zum Forschungsvorhaben
Im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten sollen hES-Zellen als Referenzmaterial für die Untersuchung ausgewählter Eigenschaften humaner induzierter pluripotenter Stammzellen (hiPS-Zellen) genutzt werden, die aus Hautproben idiopathischer Parkinson-Patienten gewonnen wurden. hES- und hiPS-Zellen, aber auch die zur Gewinnung der hiPS-Zellen genutzten somatischen Zellen, sollen auf der Ebene des Transkriptoms sowie hinsichtlich verschiedener epigenetischer Eigenschaften miteinander verglichen und auf diesem Wege möglicherweise bestehende reprogrammierungsbedingte Veränderungen in hiPS-Zellen identifiziert werden. In diesem Zusammenhang sollen u. a. die Expressionsmuster von mRNAs und kleinen RNAs analysiert und die Methylierungssignaturen mittels (RNA) Next Generation Sequencing bzw. Reduced Representation Bisulfite Sequencing bestimmt werden.
4. Hochrangigkeit der Forschungsziele
Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des Robert Koch-Institutes (RKI) hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn für die Grundlagenforschung. Für diese Beurteilung sind folgende Gründe maßgeblich:
Ziel der Arbeiten ist es, die Gleichartigkeit von hiPS-Zellen, die aus idiopathischen Parkinson-Patienten gewonnen wurden, mit hES-Zellen auf den Ebenen des Transkriptoms und des Epigenoms zu bestätigen bzw. (reprogrammierungsbedingte oder zellinhärente) Unterschiede zu detektieren. Die geplanten Forschungsarbeiten werden vor dem Hintergrund der Erwartung durchgeführt, patientenspezifische hiPS-Zellen als Grundlage für Zellmodelle des Morbus Parkinson einsetzen zu können. Wichtige Voraussetzung hierfür ist, dass aus idiopathischen Parkinson-Patienten gewonnene hiPS-Zellen zum einen vollständig reprogrammiert sind, d. h. dass sie einen ursprünglichen pluripotenten Phänotyp haben, der keine Anzeichen eines differenzierungsbedingten epigenetischen Gedächtnisses aufweist. Dies ist von Bedeutung, da zur Reprogrammierung im allgemeinen Fibroblasten, Keratinozyten oder Blutzellen genutzt werden. Die aus diesen Zellen gewonnenen hiPS-Zellen müssen dann, die im Vorfeld ihrer Nutzung beispielsweise für pharmakologische Zwecke, in neuronale (Vorläufer)Zellen differenziert werden, was bei Präsenz eines (differenzierungsbedingten) epigenetischen Gedächtnisses möglicherweise problematisch ist. Zum anderen gibt es in jüngerer Zeit Belege dafür, dass krankheitsspezifische Veränderungen insbesondere des Transkriptoms nicht nur in den von der Parkinsonschen Erkrankung betroffenen Neuronen, sondern auch in Zellen der Patienten auftreten, die üblicherweise als Ausgangsmaterial für die Gewinnung von hiPS-Zellen genutzt werden (beispielsweise Fibroblasten und insbesondere Blutzellen). Diesen Veränderungen im Transkriptom können ggf. Veränderungen im Epigenom zugrunde liegen. Die Auslöschung des (differenzierungsbedingten) epigenetischen Gedächtnisses im Ausgangsmaterial der Reprogrammierung ist somit Grundlage dafür, einen idiopathischen Morbus Parkinson im Zellmodell studieren zu können.
Aus diesem Grunde sollen das Transkriptom und die epigenetischen Eigenschaften von aus idiopathischen Parkinson-Patienten gewonnenen hiPS-Zell-Linien mit jenen von hES-Zellen verglichen werden, u. a. um daraus Rückschlüsse auf die Qualität und auf die Nutzbarkeit dieser Zellen als Ausgangsmaterial für die Etablierung von Zellmodellen und für eine eventuelle klinische Nutzung ziehen zu können. Erkenntnisse werden vor allem darüber erwartet, ob und inwieweit aus Parkinson-Patienten gewonnene hiPS-Zellen hES-Zellen gleichen, welche Unterschiede bestehen und ob ggf. bestehende (insbesondere epigenetische) Besonderheiten, in denen sich hES- und krankheitsspezifische hiPS-Zellen unterscheiden, bereits in den für die Reprogrammierung genutzten somatischen Zellen anzutreffen sind. Erwartet wird, dass die Arbeiten Aufschluss darüber erbringen, ob für die Parkinson-Erkrankung spezifische Veränderungen regelmäßig in entsprechenden hiPS-Zellen anzutreffen sind oder ob der Reprogrammierungsprozess vielmehr zu einem auch in hES-Zellen anzutreffenden Phänotyp bezüglich des Transkriptoms und Epigenoms führt.
5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen
Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten ausreichend vorgeklärt ist.
Im Vorfeld der Arbeiten wurde bereits eine relativ große Kohorte von hiPS-Zellen etabliert und bezüglich ihres Transkriptoms und Epigenoms analysiert. Geprüft werden soll nun, ob diese hiPS-Zellen eine krankheitsspezifische Signatur aufweisen oder ob sie in Hinsicht auf Transkriptom und Epigenom vollständig hES-Zellen gleichen. Das Konzept des epigenetischen Gedächtnisses ist für hiPS-Zellen gut etabliert und bezieht sich vor allem auf die unterschiedliche Differenzierbarkeit somatischer Zelltypen in Abhängigkeit vom somatischen Zelltyp, aus dem sie abgeleitet wurden. Ein zelltypspezifisches epigenetisches Gedächtnis wurde im Zusammenhang mit einer verstärkten Differenzierbarkeit in kardiale und pankreatische Zellen sowie in Zellen der hämato-endothelialen Linie oder in Zellen der Neuralleiste und der Cornea beobachtet, wenn als Ausgangmaterial für die Gewinnung der hiPS-Zellen jeweils Zellen des entsprechenden Zelltyps genutzt wurden. Die Frage danach, ob auch altersspezifische epigenetische Signaturen (also das epigenetische Gedächtnis von somatischen Zellen alter Patienten) im Reprogrammierungsprozess vollständig aufgehoben und ein hES-Zell-artiger epigenetischer Zustand erreicht wird, ist derzeit unvollständig untersucht. Zum einen ist zwar die Herstellung von hiPS-Zellen bereits aus Zellen sehr alter Patienten gelungen, zum anderen wurde aber wiederholt eine Verminderung der Effizienz der Ableitung von hiPS-Zellen in Abhängigkeit vom Alter des Spenders der somatischen Zellen beobachtet. Die Existenz eines krankheitsspezifischen epigenetischen Gedächtnisses ist an hiPS-Zellen aus Patienten mit idiopathischem Morbus Parkinson in bislang einer publizierten Studie untersucht worden. Demnach zeigten dopaminerge Neurone, die aus hiPS-Zellen idiopathischer Parkinson-Patienten differenziert worden waren, eine gleiche globale epigenetische Signatur wie entsprechende Neurone, die aus hiPS-Zellen von Patienten mit einer genetisch bedingten Form dieser Erkrankung gewonnen worden waren. Dies unterstreicht die Eignung von hiPS-Zellen aus Patienten mit idiopathischem Parkinson als Ausgangspunkt für In-vitro-Zell-Modelle zur Untersuchung dieser Erkrankung, lässt die Nutzung autologer Zellen für eine regenerative Therapie aber eher fraglich erscheinen.
Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.
hES-Zellen sollen im Rahmen der beantragten Forschungsarbeiten als Referenzmaterial für krankheitsspezifische hiPS-Zellen dienen. Eine Verwendung tierischer oder nicht-pluripotenter humaner (Stamm)Zellen als Vergleichsmaterial zur Beurteilung der Pluripotenz von hiPS-Zellen ist aufgrund der vollkommen anderen Eigenschaften solchen Materials nicht möglich. Die Forschungsziele können voraussichtlich auch nicht unter Nutzung von Wildtyp-hiPS-Zellen zu Vergleichszwecken erreicht werden. Obwohl im Rahmen der hier geplanten Arbeiten auch ein Bezug auf (nach identischen Verfahren reprogrammierten hiPS-Zellen) erfolgen muss, ist nach derzeitigem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass der Vergleich mit Wildtyp-hiPS-Zellen allein Aufschluss darüber geben kann, ob die krankheitsspezifischen hiPS-Zellen den gleichen Phänotyp (und damit in der Konsequenz das gleiche Differenzierungspotential) wie hES-Zellen haben, was durch die hohe Variabilität in den Eigenschaften von hiPS-Zellen begründet ist: hiPS-Zellen von verschiedenen Spendern, aber auch vom selben Spender, können teils erhebliche Unterschiede in ihren Eigenschaften aufweisen. Diese können bei verschiedenen Spendern durch den jeweils unterschiedlichen genetischen Hintergrund oder das Alter des Spenders, beim selben Spender durch Reprogrammierungsartefakte wie unvollständige Reprogrammierung reprogrammierungsbedingte De-novo-Mutagenese oder durch den für die Reprogrammierung genutzten Zelltyp bzw. die für die Reprogrammierung gewählte Methode verursacht werden. Die Tatsache, dass von zahlreichen Forschergruppen Anzeichen für ein (zelltypspezifisches) epigenetisches Gedächtnis beobachtet wurden, das seine Ursache höchstwahrscheinlich in unvollständiger Reprogrammierung hat, lässt die Nutzung von hiPS-Zellen als einziges Referenzmaterial als ungeeignet erscheinen.
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