Navigation und Service

Zielgruppeneinstiege

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Mit dem Klick auf "Erlauben" erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihren Aufenthalt auf der Seite anonymisiert aufzeichnen. Die Auswertungen enthalten keine personenbezogenen Daten und werden ausschließlich zur Analyse, Pflege und Verbesserung unseres Internetauftritts eingesetzt. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz

OK

114. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 27.10.2016. Genehmigung erweitert am 18.05.2017 (siehe 6.)

1. Genehmigungsinhaber(in)

Herr Prof. Dr. Michael Schäfer, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

2. Zell-Linien

Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linie:

  • H1 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)

Die Genehmigung gilt auch für die Einfuhr und Verwendung von Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linie.

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Gegenstand der genehmigten Forschungsarbeiten ist die detaillierte Untersuchung der Funktionen des Proteins L1CAM (L1) in neuralen Zellen des Menschen. Ein funktionaler knockout von L1 ist mit schwerwiegenden Entwicklungsdefekten verbunden, die als L1-Syndrom zusammengefasst werden. Im Rahmen eines ersten Projetteils sollen verschiedene Mutationen in das L1-Gen eingebracht und die veränderten Gene in aus hES-Zellen abgeleiteten Neuronen zur Expression gebracht werden, in denen das Gen für L1 zuvor konditional deletiert wurde. Die Neurone sollen dann umfassend analysiert und der Effekt der jeweiligen Mutation auf die Funktionen von L1 bestimmt werden. In einem zweiten Projektteil soll überprüft werden, ob und inwieweit L1 ‒ ggf. durch Vermittlung der Wechselwirkungen zwischen Neuronen und T-Lymphozyten ‒ in neurodegenerative Prozesse involviert ist. Dazu sollen Wildtyp- und L1-defiziente hES-Zell-abgeleitete Neurone mit aktivierten T-Lymphozyten kokultiviert und bestimmt werden, wie die Genexpressionsmuster auf der Ebene des Transkriptoms und (Phospho)Proteoms durch die Ab- bzw. Anwesenheit von L1 moduliert werden. In einem dritten Teilprojekt soll schließlich ein In-vitro-Modell entwickelt werden, an dem die Rolle von L1 für die Integrität und das Überleben von Neuronen unter ischämischen Bedingungen untersucht werden soll, wie sie beispielsweise infolge eines Schlaganfalls oder Schädel-Hirn-Traumas vorliegen. Hierfür sollen hES-Zell-abgeleitete Wildtyp- oder L1-defiziente Neurone unter hypoxischen Bedingungen kultiviert und nach Stimulation durch pro-inflammatorische Mediatoren umfassend charakterisiert werden. Diese Untersuchungen sollen auch in Kokultur von aus hES-Zellen abgeleiteten Neuronen mit anderen Zellen des Gehirns erfolgen (Astrozyten, Mikroglia), die ggf. ebenfalls aus hES-Zellen gewonnen werden.

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des Robert Koch-Institutes (RKI) hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn für die Grundlagenforschung, wobei die im Forschungsvorhaben gewonnenen Erkenntnisse auch von Relevanz für die Entwicklung neuer therapeutischer Verfahren zur Anwendung bei Menschen sein können. Für diese Beurteilung sind die folgenden Gründe maßgeblich:

Die Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen zielen auf ein vertieftes Verständnis der Funktionen des Zelladhäsions- und Zellerkennungsmoleküls L1CAM (L1) in humanen Neuronen. Das X-chromosomal lokalisierte Gen wird vor allem im sich entwickelnden Nervensystem stark exprimiert, und das L1-Genprodukt hat u. a. Funktionen im intrazellulären Transport, in der Migration von Neuronen, bei der axonalen Wegfindung, beim Auswachsen der Neurite und der Wechselwirkung von Neuronen und Gliazellen. Zudem steht  L1 offenbar auch mit degenerativen Prozessen im Zentralnervensystem in Zusammenhang. Mutationen im L1Cam-Gen des Menschen führen zum sogenannten L1-Syndrom, das sich u. a. in einem breiten Spektrum neurologischer Defekte und in mentaler Retardierung manifestiert.

Im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten soll analysiert werden, welche Funktionen von L1 in humanen Neuronen durch bestimmte pathogene Mutationen beeinträchtigt werden. Die Konsequenzen der jeweiligen Mutation für die morphologischen, biochemischen, molekularen und elektrophysiologischen Eigenschaften der Neurone sollen bestimmt und auf diesem Wege Aufschluss darüber gewonnen werden, welche Mutationen mit dem Verlust  bestimmter Funktionen von L1 und einem spezifischen neuronalen Phänotyp korreliert sind. Zudem könnten ggf. Regionen im L1-Gen identifiziert werden, die für die entsprechenden Funktionen notwendig bzw. hinreichend sind. Damit soll zum einen ein Erkenntnisgewinn über die Funktionen von L1 in menschlichen Neuronen erlangt, zum anderen zur Schaffung von Grundlagen für das Verständnis des L1-Syndroms auf molekularer Ebene beigetragen werden. Da das L1-Syndrom eine Reihe von Erkrankungen mit teils sehr unterschiedlicher Ausprägung und verschiedenem Schweregrad umfasst, ist die Kenntnis über den Zusammenhang von bestimmten genetischen Veränderungen mit dem Funktionsverlust von L1 ggf. auch von Bedeutung für die genetische Beratung betroffener Patienten.

Ferner soll die Rolle von L1 bei der Interaktion aktivierter menschlicher T-Lymphozyten mit humanen Neuronen untersucht und die Frage danach beantwortet werden, auf welche Weise L1 neurodegenerative und neuroinflammatorische Prozesse beeinflusst. Dazu sollen aus hES-Zell-abgeleitete Neurone, in denen das Gen für L1 funktional deletiert wurde, mit aktivierten T-Zellen konfrontiert und die morphologischen, biochemischen und funktionellen Konsequenzen im Vergleich mit Wildtyp-Neuronen bestimmt werden. Durch die umfassende Analyse der Genexpressionsmuster in An- und Abwesenheit von L1 sollen Hinweise darauf gewonnen werden, welche Moleküle und Signalwege in Abhängigkeit von der L1-Präsenz in neurodegenerative und neuroinflammatorische Prozesse involviert sind, was zu einem verbesserten Verständnis der molekularen Grundlagen der Pathogenese der entsprechenden Erkrankungen führen soll; identifizierte Moleküle und Signalwege könnten zudem denkbare Angriffspunkte für künftige Therapieansätze darstellen.

Schließlich soll ein In-vitro-Modell für die Reperfusion nach zerebraler Ischämie etabliert werden, an dem die Rolle von L1 für die Integrität und das Überleben menschlicher Neurone nach ischämischer Schädigung untersucht werden kann. Dabei sollen unter erniedrigtem Sauerstoffdruck, bei Präsenz pro-inflammatorischer Mediatoren und ggf. aktivierter T-Lymphozyten gleichzeitig pro-inflammatorische Bedingungen und die Bedingungen der Gewebe-Nische simuliert werden, unter denen sich die zu analysierenden neurodegenerativen Prozesse in vivo vollziehen. Erneut werden hierfür hES-Zell-abgeleitete Neurone eingesetzt, die eine funktionale Deletion im L1-Gen aufweisen. Durch umfassende Charakterisierung der Neurone soll eruiert werden, welchen Einfluss die Präsenz von L1 auf zellmorphologische Parameter, Marker für Zellstress sowie auf das Überleben der Neurone hat. Zudem sollen durch die Untersuchung der Wechselwirkung zwischen Astro- und Mikroglia-Zellen sowie Neuronen das komplexe Zusammenspiel verschiedener Zelltypen in der zerebralen Ischämie simuliert und Hinweise auf die molekularen Grundlagen der Beteiligung von L1 an neurodegenerativen Prozessen gewonnen werden. Zudem könnte im Ergebnis des Vorhabens auch ein breit einsetzbares humanes In-vitro-Modell für zerebrale  Ischämie zur Verfügung stehen, das für sich anschließende Forschungsfragen genutzt werden kann.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten ausreichend vorgeklärt ist.

Zu den Funktionen von L1 in der Maus sowie zu den Konsequenzen von Mutationen dieses Gens im Menschen liegt eine umfangreiche Literatur vor. Im Mausmodell führt die (funktionale) Deletion des L1-Gens u. a. zu neuroanatomischen Anomalien in vivo sowie zu veränderten Eigenschaften der Neurone in vitro. Im Menschen umfassen die Erkrankungen, die mit genetischen Veränderungen im L1-Gen im Zusammenhang stehen, ein breites Spektrum neurologischer Symptome. Zu den Auswirkungen spezifischer Mutationen im L1-Gen liegen zahlreiche Studien im Mausmodell vor, die teilweise vom Genehmigungsinhaber selbst durchgeführt worden sind. Das Forschungsvorhaben schließt in Teilen zudem an kürzlich publizierte Arbeiten an, die im Ausland durchgeführt wurden und bei denen das L1-Gen in aus hES-Zellen abgeleiteten Neuronen funktional deletiert und die Effekte auf die aus den entsprechenden hES-Zellen abgeleiteten Neurone umfassend analysiert wurden.

Die Involvierung von L1 in neurodegenerative und neuroinflammatorische Prozesse ist in der Literatur umfangreich belegt. So liegen beispielsweise Arbeiten vor, in denen insbesondere die Effekte einer Überexpression des L1-Gens in verschiedenen Mausmodellen für die Schädigung neuronaler bzw. neuraler Zellen untersucht wurden und in denen eine deutliche Verbesserung des pathologischen Zustandes infolge einer Überexpression von L1Cam beobachtet wurde. Zum anderen wurden Daten vorgelegt, die eine Verminderung der L1-Genexpression infolge des Kontaktes von Neuronen mit aktivierten T-Zellen belegen, was auf eine protektive Adaptation der L1-Genexpression in Reaktion auf inflammatorische Prozesse hinweist. Dieser Befund zeigt an, dass die Reduktion von L1 Teil der pathophysiologischen Antwort des Gehirns auf akute Schädigungen ist, und soll im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten bestätigt und hinsichtlich der molekularen Grundlagen eingehend untersucht werden.

Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.

Erkenntnisse über die Funktion von L1 wurden zu großen Teilen im Mausmodell gewonnen. Allerdings weisen L1-defiziente Mäuse in der Regel eher milde Phänotypen auf, während eine funktionale Deletion des Gens im Menschen mit schwersten neurologischen Konsequenzen verbunden ist. Auch auf molekularer Ebene wurden Unterschiede beschrieben, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass Fragen zur Funktion von L1 im Menschen vollständig an tierischen, insbesondere murinen, Zellen geklärt werden können. Ferner gibt es keine ausreichenden Hinweise darauf, dass die Forschungsziele unter Nutzung anderer menschlicher Zellen als pluripotenter Stammzellen erreicht werden könnten. Primäre menschliche Hirnzellen beispielsweise sind kaum verfügbar und einer genetischen Veränderung, wie sie für das Forschungsvorhaben vorgenommen werden müsste, aller Voraussicht nach nicht zugänglich. Humane adulte neurale Stammzellen stehen nicht in für die Durchführung des Forschungsvorhabens ausreichenden Mengen zur Verfügung; ihre Gewinnung ist i. allg. nicht reproduzierbar möglich und die Bedingungen für eine standardisierte Kultivierung in vitro sind nicht ausreichend gut. Fötale neurale Zellen aus abgetriebenen Föten stehen ebenfalls nicht in für die Durchführung des Forschungsvorhabens ausreichender Menge reproduzierbar zur Verfügung

Die denkbare Verwendung von humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) wäre mit mehreren Problemen und Unwägbarkeiten verbunden, die bei Nutzung der hES-Zell-Linie H1 nicht vorliegen. Zum einen erfordert die Durchführung des Forschungsvorhabens ein konditionales knockout des Gens für L1, in dessen Folge sich die verwendeten Wildtyp- und mutierten Zellen ausschließlich bezüglich der Präsenz dieses Gens unterscheiden. Derartige konditionale Mutagenesen wurden bislang aber ausschließlich mit hES-Zellen durchgeführt; außer zur Modellierung des L1-Syndroms beispielsweise auch in Zellmodellen für humane Synaptopathien. Es ist durch Arbeiten einer anderen Gruppe zudem bereits belegt, dass konditional mutierte H1-hES-Zellen für die Beantwortung von Forschungsfragen, wie sie auch im genehmigten Forschungsvorhaben aufgeworfen werden, prinzipiell geeignet sind. Zum anderen ist in Betracht zu ziehen, dass hiPS-Zellen von verschiedenen Spendern, aber auch vom selben Spender, teils erhebliche Unterschiede in ihren Eigenschaften aufweisen. Diese können bei verschiedenen Spendern durch den jeweils unterschiedlichen genetischen Hintergrund oder das Alter des Spenders, beim selben Spender durch Reprogrammierungsartefakte wie unvollständige Reprogrammierung oder reprogrammierungsbedingte De-novo-Mutagenese, aber auch durch den für die Reprogrammierung genutzten Zelltyp (Blutzellen, Fibroblasten, Keratinozyten etc.) oder die für die Reprogrammierung gewählte Methode verursacht werden.

6. Genehmigte Erweiterungen des Forschungsvorhabens

Genehmigungserweiterung vom 18.05.2017

Angaben zu den Forschungsarbeiten

Im Rahmen eines ersten Teilprojektes sollen in hES-Zellen experimentell erzeugte Mutationen im L1-Gen durch AAV-vermittelte Produktion von L1 in hES-Zellen und in daraus abgeleiteten Neuronen korrigiert und die Effekte auf die Eigenschaften der Neurone bestimmt werden. Zudem soll untersucht werden, ob L1Agonisten in Neuronen ähnliche Effekte wie die Wiederherstellung der L1-Expression in L1-defizienten Neuronen haben, insbesondere auf die axonalen Verzweigungen. Weiterhin ist vorgesehen, Fragen der proteolytischen Prozessierung von L1 unter ischämischen Bedingungen in Anwesenheit verschiedener pharmakologisch wirksamer Substanzen zu untersuchen.

Im Rahmen eines zweiten Teilprojektes sollen die Effekte neuroprotektiver und anti-inflammatorischer Faktoren auf humane Neurone in einem In-vitro-Modell für traumatische Hirnverletzungen und Ischämie ermittelt werden. Dazu sollen Kokultur-Modelle aus hES-Zell-abgeleiteten Neuronen, Ratten-Astrozyten und Mikroglia aus Mäusen, in denen ggf. das Gen für Progranulin ausgeschaltet wurde, etabliert werden. Die Konsequenzen von Ischämie auf das Genexpressionsmuster sollen dann in An- und Abwesenheit solcher Faktoren bestimmt und die Effekte auf die axonale Integrität und auf Marker für Zelltod ermittelt werden. Ferner soll untersucht werden, wie die experimentell erzeugte Ischämie sich (in An- und Abwesenheit neuroprotektiver und anti-inflammatorischer Faktoren) auf Prozesse der Autophagozytose, der Proteinaggregation und der lysosomalen Proteindegradation  sowie auf mit diesen Prozessen verbundene Moleküle und zelluläre Signaltransduktionswege auswirkt. 

Hochrangigkeit der Forschungsziele

Die Hochrangigkeit der Forschungsziele in Bezug auf die Untersuchung der Rolle von L1 in neuralen Zellen des Menschen war bereits im Rahmen des ursprünglichen Antragsverfahrens bewertet worden. Im Rahmen des Forschungsziels, die Funktionen von L1 in menschlichen Neuronen besser zu verstehen und zur Schaffung von Grundlagen für das Verständnis des L1-Syndroms auf molekularer Ebene beitragen zu wollen, sollen die Forschungsarbeiten insbesondere auf die Frage ausgedehnt werden, ob eine (genetische oder nicht-genetische) Substitution von L1-Defekten auf zellulärer Ebene möglich ist. Für menschliche Neurone soll dies in vitro untersucht und anhand der Ergebnisse ggf. Grundlagen für therapeutische Strategien zur Behandlung von durch L1-Mutationen bedingten Erkrankungen entwickelt werden. Dies ist angesichts der Tatsache, dass für L1-bedingte Erkrankungen keine kausalen Therapien verfügbar sind, von erheblicher Relevanz. Zudem soll auch explizit bestimmt werden, ob und inwieweit die Proteolyse von L1 an dessen Effekten auf humane Neurone im Kontext eines Schädel-Hirn-Traumas beteiligt ist, ob die Modulation dieser proteolytischen Prozesse zu einer Veränderung der Eigenschaften der Neurone führt und welche Moleküle und Signaltransduktionswege in die entsprechenden Prozesse involviert sind. Dies kann zu einem besseren Verständnis der molekularen Grundlagen akut neurodegenerativer Erkrankungen führen.

Ferner sollen Fragen nach den Effekten von neuroprotektiven und anti-inflammatorischen Faktoren in akuten neurodegenerativen Prozessen geklärt werden, die in einem In-vitro-Modell für Schädel-Hirn-Trauma und zerebrale Ischämie nachgebildet werden sollen. Dazu soll ein humanes Zellmodell etabliert werden, an dem insbesondere entzündliche Prozesse nachgebildet werden können, die bei akuter Neurodegeneration nach Schlaganfall oder bei Schädel-Hirn-Trauma eine Rolle spielen. Ein derartiges Zellmodell ist gegenwärtig nicht verfügbar und könnte künftig zur Analyse molekularer und zellulärer Prozesse der Neurodegeneration verwendet werden. Im Rahmen der Forschungsarbeiten soll unter Nutzung dieses Zellmodells zum einen untersucht werden, wie sich die Präsenz neuroprotektiver und anti-inflammatorischer Faktoren auf die Vitalität und Integrität humaner neuraler Zellen unter ischämischen Bedingungen, auf ihre morphologischen und funktionalen Eigenschaften sowie auf ihre molekularen Charakteristika auswirkt. Insbesondere kann in diesem Modell die offene Frage geklärt werden, welchen Einfluss neuroprotektive und anti-inflammatorische Faktoren auf die Genexpression in verschiedenen Zelltypen des ZNS (Neuronen, Astrozyten, Zellen der Mikroglia) hat. Aus diesen Untersuchungen werden sich neben Kenntnissen mit Relevanz für die Grundlagenforschung voraussichtlich auch Erkenntnisse über die mögliche Eignung derartiger Substanzen für die Entwicklung neuer Pharmaka zur Behandlung akuter neurodegenerativer Prozesse ergeben. Zum anderen soll bestimmt werden, wie die Präsenz neuroprotektiver und anti-inflammatorischer Faktoren die Prozesse der Proteindegradation und Phagozytose in Nervenzellen unter ischämischen Bedingungen sowie die daran beteiligten Moleküle und Signalwege beeinflusst. Dies kann voraussichtlich zu einem besseren Verständnis der molekularen Grundlagen neuroprotektiver Prozesse in geschädigten Nervenzellen beitragen, was wiederum Voraussetzung für die Entwicklung neuer therapeutischer Strategien sein kann. 

Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Die Vorklärung der wissenschaftlichen Fragestellungen zur Rolle von L1 in humanen Neuronen wurde bereits im ursprünglichen Antragsverfahren umfangreich belegt. Nun wurde zusätzlich dargelegt, dass die Substitution von L1 das Wachstum von Neuriten in Ratten mit Rückenmarkläsionen deutlich stimuliert. Einen starken Einfluss von L1-Agonisten auf das Überleben, die neuronale Migration und das Auswachsen von Neuriten wurde auch im murinen System in vitro und in vivo beobachtet. Zudem wurden Daten für humane Zellen präsentiert, wonach in einem Zellschädigungsmodell die Aktivität von L1 durch Behandlung mit L1-Agonisten zu einem verbesserten Phänotyp führte. Auch zur Frage der Wirkung neuroprotektiver und anti-inflammatorischer Faktoren auf humane Neurone wurden erhebliche Vorarbeiten geleistet, teils durch den Genehmigungsinhaber selbst. Dies betrifft insbesondere die Rolle solcher Faktoren nach ischämischer Schädigung. So wurden beispielsweise fünf Tage nach Schädigung eine mehr als dreifache Erhöhung der Expression eines entsprechenden Gens im Mausgehirn sowohl auf Ebene der Transkripte als auch des Proteins nachgewiesen. Ein knock out dieses Gens war mit starken Defiziten in der Neurorestauration nach entsprechender Schädigung verbunden, die durch Substitution mit rekombinantem Protein teils behoben werden konnten. Injektion von rekombinantem Protein führte zudem zu verminderter Astrogliose und einer Reduktion der Expression von Genen, die für proinflammatorische Zytokine codieren. Daten zur differentiellen Expression dieses Gens in Neuronen und Mikroglia wurden ebenfalls dargelegt. Bezüglich des Effektes eines weiteren anti-inflammatorischen Faktors liegen ebenfalls Daten vor, denen zufolge die Ausschaltung des entsprechenden Gens in Mäusen die Folgen einer traumatischen Hirnverletzung erheblich verschlimmert, offenbar u. a. auf Grund der verstärkten Produktion von Chemokinen, die für die Rekrutierung von Immunzellen in das geschädigte Nervengewebe verantwortlich sind. Die dargelegten Daten, die in Nagermodellen erhoben wurden, lassen auf eine adäquate Funktion dieser Faktoren im humanen System schließen, die im Rahmen der beantragten Arbeiten detailliert untersucht werden soll.

Die Notwendigkeit, hES-Zellen für die Aufklärung der Rolle von L1 in humanen Neuronen verwenden zu müssen, war bereits im ursprünglichen Antrag dargelegt worden. Grundsätzlich sind diese Überlegungen auch auf die Frage nach der Rolle neuroprotektiver und anti-inflammatorischer Faktoren im ischämischen Nervengewebe anwendbar. Zudem sollen die Effekte dieser Faktoren, die für murine Neurone bereits bekannt sind, am humanen System auch mit dem Ziel überprüft werden, Grundlagen für die Entwicklung neuer Wirkstoffe zur Behandlung von akuten neurodegenerativen Prozessen schaffen zu wollen. Dies erfordert zwingend die Nutzung menschlicher Neurone; menschliche neurale Zellen können allerdings in ausreichender Menge, reproduzierbarer Qualität und genomischer und funktionaler Integrität derzeit aber nur aus pluripotenten Stammzellen des Menschen gewonnen werden. Dabei ist die Nutzung von humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) weiterhin mit Unwägbarkeiten verbunden, auf die bereits im Zuge des ursprünglichen Antragsverfahrens eingegangen wurde (s. o.) und die auch weiterhin bestehen.

Stand: 18.05.2017

Zusatzinformationen

Gesundheits­monitoring

In­fek­ti­ons­schutz

Forschung

Kom­mis­sio­nen

Ser­vice

Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit

© Robert Koch-Institut

Alle Rechte vorbehalten, soweit nicht ausdrücklich anders vermerkt.