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108. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 31.03.2016. Genehmigung erweitert am 17.10.2017 und am 28.05.2024 (siehe 2.).

1. Genehmigungsinhaberin

Medizinische Hochschule Hannover

2. Zell-Linien

Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linien:

  • H9 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • I3 (Technion ‒ Israel Institute of Technology, Haifa, Israel)
  • I4 (Technion ‒ Israel Institute of Technology, Haifa, Israel)
  • HES-2 (ES Cell International Pte Ltd, Singapur)
  • HES-3 (ES Cell International Pte Ltd, Singapur)
  • HES-4 (ES Cell International Pte Ltd, Singapur)
  • HUES8 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)

Im Rahmen der Erweiterung der Genehmigung vom 17.10.2017 wurde zur Durchführung der unten benannten Forschungsarbeiten die Einfuhr und Verwendung humaner embryonaler Stammzellen der folgenden weiteren Linie genehmigt:

  • HUES6 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)

Im Rahmen der Erweiterung der Genehmigung vom 28.05.2024 wurde zur Durchführung der unten benannten Forschungsarbeiten die Verwendung humaner embryonaler Stammzellen der folgenden weiteren Linie genehmigt:

  • RUES2 (Rockefeller University, New York, USA)

Die Genehmigung gilt jeweils auch für die Einfuhr und Verwendung von Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten soll zunächst ein auf humanen Kardiomyozyten basierendes In-vitro-Modell etabliert werden, das zur Untersuchung der Induktion und Hemmung von kardiomyozytärer Hypertrophie genutzt werden kann. Dazu sollen hES-Zellen in Kardiomyozyten (hES-CM) differenziert und an diesen im Detail untersucht werden, zu welchen molekularen und zellulären Veränderungen die Exposition der Zellen gegenüber bekannten Hypertrophie-Stimuli führt, wobei u. a. die morphologischen, ultrastrukturellen und elektrophysiologischen Eigenschaften der Kardiomyozyten sowie die Präsenz von mit Hypertrophie assoziierten Genprodukten analysiert, die Wirkung von anti-hypertrophen Substanzen überprüft sowie deren Wirkmechanismus und die an der Vermittlung des anti-hypertrophen Effektes beteiligten Moleküle und Signalwege untersucht werden soll. Unter Nutzung spezifischer Reporterzellen soll dann die Eignung dieses Zellmodells für die Detektion und Quantifizierung pro- und antihypertropher Effekte im Hochdurchsatzverfahren genutzt werden, wobei verschiedene Substanz-Bibliotheken hinsichtlich der Präsenz von Molekülen/Verbindungen untersucht werden, die die kardiomyozytäre Hypertrophie befördern oder hemmen können.

Im nächsten Schritt des Forschungsvorhabens sollen Fragen zur Molekularbiologie von anti-hypertroph wirkenden Faktoren geklärt werden, wobei zunächst BRK1, ein sog. Small open reading frame Encoded Polypeptide, SEP, im Fokus des Interesses steht. Dabei sollen u. a. Aspekte des Zell-zu-Zell-Transportes sowie die Mechanismen der Internalisierung und des intrazellulären Transportes von BRK1 untersucht und geklärt werden, welche Wirkung die Stimulation von hES-CM mit BRK1 auf deren Eigenschaften hat. Ferner sollen durch BRK1 induzierte Veränderungen in intrazellulären Signalwegen ermittelt und Wechselwirkungspartner von BRK1 identifiziert werden. Schließlich soll BRK1 in hES-CM entweder überexprimiert oder aber seine Expression ausgeschaltet bzw. vermindert und die Effekte auf den Phänotyp von hES-CM analysiert werden. Zudem sollen weitere, möglicherweise in hypertrophen hES-CM präsente SEPs mittels ribosome profiling identifiziert und auf mögliche pro- oder antihypertrophe Wirkung hin untersucht werden. Schließlich soll die Wirkung potentieller pro- und anti-hypertropher Substanzen an aus hES-Zellen gewonnenem artifiziellem Herzgewebe (bioartificial cardiac tissue, BHT) verifiziert werden.

Die genehmigten Forschungsarbeiten werden vergleichend auch unter Nutzung humaner induzierter pluripotenter Stammzellen (hiPS-Zellen) durchgeführt.

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung und des Robert Koch-Institutes (RKI) hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn für die Grundlagenforschung und für die Entwicklung neuer therapeutischer und ggf. diagnostischer Verfahren zur Anwendung beim Menschen. Für diese Beurteilung sind folgende Gründe maßgeblich:
Pathologische kardiale Hypertrophie ist eine der wesentlichsten Ursachen für Herzversagen und plötzlichen Herztod vor allem bei jüngeren Patienten. Dem pathologischen hypertrophen Wachstum vor allem ventrikulärer Kardiomyozyten liegen komplexe Vorgänge auf struktureller, metabolischer, molekularer und elektrophysiologischer Ebene zugrunde, die in ihrer Gesamtheit zu kardialer Dysfunktion führen können. Die Signale, die auf molekularer Ebene das hypertrophe Wachstum der Kardiomyozyten steuern, sind vielfältig und wurden umfangreich untersucht, sind jedoch in ihrer Komplexität und Gesamtheit bislang nur unvollständig verstanden. Insbesondere die Signale, die von der adaptiven zur maladaptiven Hypertrophie führen, sind nicht gut bekannt, könnten aber ggf. Angriffspunkt für Wirkstoffe mit anti-hypertropher Wirkung darstellen. Vor diesem Hintergrund soll im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten ein Zellmodell für kardiomyozytäre Hypertrophie etabliert und dieses für verschiedene Fragestellungen der Grundlagenforschung sowie im Rahmen der Identifizierung neuer Wirkstoffe bzw. Zielstrukturen für neue Wirkstoffe genutzt werden.

Im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten soll zunächst ein möglichst authentisches humanes Zellmodell für kardiale Hypertrophie etabliert werden, an dem die Wirkung von zuvor als anti-hypertroph wirksam identifizierten Molekülen rekapituliert werden kann. Insbesondere aus der beabsichtigten Untersuchung der Wirkung dieser Moleküle auf verschiedene intrazelluläre Signalwege wird ein verbessertes Verständnis der molekularen Grundlagen von kardiomyozytärer Hypertrophie erwartet. Zudem sollen im Ergebnis der geplanten Durchmusterung verschiedener Substanz-Bibliotheken hinsichtlich der Präsenz von pro- und anti-hyperproliferativ wirksamen Molekülen zum einen Moleküle identifiziert werden, die ggf. als Kandidaten für Medikamente mit antihypertropher Wirkung weiterentwickelt werden könnten. Ferner könnte es die Analyse des Wirkmechanismus der identifizierten Moleküle in kardialen Zellen ermöglichen, zu einem besseren Verständnis der in die Regulation von kardialer Hypertrophie involvierten komplexen Signalwege zu gelangen.

Aus den genehmigten Forschungsarbeiten wird ferner ein Erkenntnisgewinn über verschiedene Aspekte der Wirkung spezifischer anti-hypertroph wirksamer Moleküle erwartet, der sich z. B. auf deren Transport in die und in der Zelle, auf mögliche Bindungspartner oder Rezeptoren sowie auf die Effekte dieser Moleküle auf spezifische intrazelluläre Signalwege bezieht. Diese Arbeiten lassen ebenfalls relevante Erkenntnisse über die Grundlagen anti-hypertropher Effekte erwarten, wobei ggf. auch an der Ausbildung oder Rückbildung einer kardiomyozytären Hypertrophie beteiligte weitere Moleküle und Signalübertragungswege identifiziert werden könnten. Aus der beabsichtigten Identifizierung neuer SEPs in hypertrophen Herzzellen verspricht sich die Genehmigungsinhaberin einen relevanten Erkenntnisgewinn über eine mögliche Rolle dieser bislang wenig verstandenen Gruppe kleiner Proteine an pathologischen Prozessen in menschlichen Herzzellen, die zur Entwicklung von kardialer Hypertrophie führen. Darüber hinaus könnten auf der Grundlage von SEPs ggf. neue Zielstrukturen für Arzneimittel zur Behandlung von kardialer Hypertrophie identifiziert bzw. SEPs selbst als Wirkstoffe weiterentwickelt werden.

Die beabsichtigte Induktion von Hypertrophie in humanen BCT, die neben Kardiomyozyten auch andere Zelltypen wie Endothelzellen oder Fibroblasten enthalten, ermöglicht die Verifizierung pro- und anti-hypertropher Effekte in einem dreidimensionalen Gewebemodell, das der Situation im menschlichen Herzen näherkommt als herkömmliche Kardiomyozyten-Kulturen. Zudem sollen BCT auch zur Induktion einer durch mechanische Belastung verursachten Hypertrophie genutzt werden, was der In-vivo-Situation ebenfalls deutlich besser als eine beispielsweise pharmakologisch induzierte kardiomyozytäre Hypertrophie entsprechen kann. Ferner erlauben Untersuchungen am BCT-Modell voraussichtlich auch Erkenntnisse über den Einfluss von Wechselwirkungen zwischen verschiedenen kardialen Zelltypen auf die Entwicklung der kardiomyozytären Hypertrophie.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen em­bryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten ausreichend vorgeklärt ist.

Hinsichtlich der Differenzierung von hES-Zellen zu kardialen Zellen sowie zu BCTs liegen Publikationen der Genehmigungsinhaberin vor, die im Rahmen zuvor genehmigter Arbeiten unter Verwendung von hES-Zellen durchgeführt wurden. Verfahren zur genetischen Veränderung von hES-Zellen, wie sie in verschiedenen Teilprojekten des Vorhabens geplant sind, wurden teils bei der Genehmigungsinhaberin selbst weiterentwickelt und optimiert bzw. sind breit publiziert worden. Protokolle für die Herstellung von aus pluripotenten Stammzellen des Menschen abgeleiteten Kardiomyozyten in Mengen, wie sie für die Durchführung von Screenings im Hochdurchsatzverfahren benötigt werden, sind bei der Genehmigungsinhaberin ebenfalls etabliert. Vorgehensweisen für die Induktion von kardiomyozytärer Hypertrophie, beispielsweise durch pharmakologisch wirksame Substanzen, sind seit langem bekannt. Die Kriterien und Marker, anhand derer die Charakterisierung der hypertrophen Zellen erfolgen soll, sind gut etabliert, und die hier interessierenden Signalübertragungswege sind hinsichtlich ihrer Beteiligung an der Entwicklung einer kardiomyozytären Hypertrophie gut charakterisiert. Auf primären Ratten-Kardiomyozyten basierende Hypertrophie-Modelle wurden bei der Genehmigungsinhaberin in der Vergangenheit genutzt, u. a. im Rahmen der Vorklärung der hier interessierenden Forschungsfragen. Endpunkte für das Screening von Substanz- bzw. Wirkstoff-Bibliotheken hinsichtlich der Präsenz von Molekülen mit pro- oder anti-hypertropher Wirkung sind gut etabliert.

Die hier interessierenden Moleküle, deren anti-hypertropher Effekt auf hES-CM näher analysiert werden soll, wurden bereits unter Nutzung von Ratten-Kardiomyozyten umfangreich untersucht. Die Expression der Gene für solche Faktoren führte beispielsweise in zwei auf Ratten-Kardiomyozyten basierenden Hypertrophie-Modellen zu einer deutlichen Verringerung der Zellgröße, derselbe Effekt wurde mit entsprechenden rekombinanten Faktoren beobachtet. Auch die Methode des ribosome profiling, das hier zur Identifizierung von für den hypertrophen kardialen Phänotyp relevanten SEPs genutzt werden soll, ist eine gut etablierte Methode, die vielfach zur Identifizierung kleiner translatierter mRNAs Anwendung gefunden hat. Weiterhin liegen publizierte Forschungsergebnisse der Genehmigungsinhaberin zur Möglichkeit der Gewinnung von BCT aus hES-Zellen vor. Hinsichtlich des Vorhabens, durch ggf. andauernde mechanische Be- und Entlastung einen hypertrophen kardialen Phänotyp erzeugen zu wollen, liegen Berichte in der wissenschaftlichen Literatur vor, nach denen Hypertrophie-assoziierte Signalwege in Kardiomyozyten der Ratte durch mechanischen Stress aktiviert werden. Kardiomyozyten-Modelle, in denen mechanischer Stress zur Induktion eines hypertrophen Phänotyps führte, sind in der Literatur ebenfalls verschiedentlich beschrieben worden, beispielsweise bei der Charakterisierung potentiell anti-hypertroph wirksamer Faktoren. Dass andere kardiale Zellen als Kardiomyozyten eine offenbar nicht unerhebliche Rolle bei der Entwicklung der kardiomyozytären Hypertrophie ausüben, ist ebenfalls gut belegt.

Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.
Voraussetzung für die Durchführung aller genehmigten Forschungsarbeiten ist die Etablierung eines Zellmodells für kardiale bzw. kardiomyozytäre Hypertrophie des Menschen. Zwar wurden viele Arbeiten zu Fragen der kardialen (Linksherz)Hypertrophie an Nager-Kardiomyozyten durchgeführt; jedoch bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Herzen von Nagern und Menschen, die sich nicht nur in Grüße, Schlagfrequenz und Sauerstoffverbrauch äußern, sondern auch zahlreiche molekulare Parameter betreffen. Ein hier relevantes Beispiel für die partielle Unterschiedlichkeit von Nager- und humanem Herzen sind die Konsequenzen des Verlustes eines funktionalen Gens für Phospholamban (PSL), der in Mäusen zu einer verbesserten Herzfunktion, im Menschen dagegen zu Hypertrophie und Herzversagen führt. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass in Nagerzellen oder Nagern gewonnene Ergebnisse ohne weiteres auf die Situation im Menschen übertragbar sind, die Erreichung der Forschungsziele erfordert die Nutzung humaner Zellen.

Primäre Herzmuskelzellen des Menschen stehen nicht in der für die Projektdurchführung erforderlichen Menge zur Verfügung und können überdies nur für sehr kurze Zeiträume in Kultur gehalten werden. Fötale kardiale Zellen aus abgetriebenen menschlichen Föten stehen ebenfalls nicht in der für die Projektdurchführung erforderlichen Menge zur Verfügung und zeigen zudem erhebliche Unterschiede in der Qualität, so dass die erforderliche Reproduzierbarkeit in den Eigenschaften des Ausgangmaterials bei Nutzung solcher Zellen nicht gewährleistet werden könnte. Kardiale Stammzellen oder immortalisierte humane kardiale Zellen wurden beschrieben; haben jedoch kein zu pluripotenten menschlichen Stammzellen vergleichbares Differenzierungspotential in die verschiedenen Typen von Herzmuskelzellen.

Zur Frage, ob die Erreichung der Forschungsziele unter Nutzung humaner induzierter pluripotenter Stammzellen möglich wäre, wurde im Antragsverfahren dargelegt, dass zwischen verschiedenen hiPS-Zell-Linien erhebliche Unterschiede auch in ihrer kardialen Differenzierbarkeit bestehen, was mit verschiedenen genetischen Hintergründen der Spender, mit durch die Reprogrammierung möglicherweise bedingten Artefakten sowie mit der Heterogenität der Zellen im für die Reprogrammierung genutzten Ausgangsmaterial zusammenhängen kann. Zudem waren verschiedentlich Defizite in den elektrophysiologischen Eigenschaften von aus hiPS-Zellen abgeleiteten Kardiomyozyten berichtet worden. Ferner wurde dargelegt, dass es in der Literatur deutliche Hinweise darauf gibt, dass aus hiPS-Zellen abgeleitete kardiale Zellen auf alpha-adrenerge Stimulation, die in Kardiomyozyten normalerweise Hypertrophie induziert, eine verglichen mit hES-Zell-abgeleiteten Kardiomyozyten nur geringe Reaktivität aufwiesen. Dieser für den hypertrophen Effekt essentielle Signalübertragungsweg war in hiPS-Zell-abgeleiteten Kardiomyozyten in Teilen inaktiv, in hES-Zell-abgeleiteten Kardiomyozyten hingegen funktional. In einer anderen Studie wurde allerdings ein auf hiPS-Zellen basierendes kardiomyozytäres Hypertrophie-Modell etabliert, in dem bestimmte Charakteristika hypertropher Kardiomyozyten reproduzierbar nachgebildet werden konnten. Insofern liegen derzeit gegensätzliche Hinweise darauf vor, ob und inwieweit sich hiPS-Zellen zur Etablierung humaner kardialer Hypertrophie-Modelle und damit zur Erreichung der Forschungsziele eignen; die Nutzung von hES-Zellen ist nach gegenwärtigem Kenntnisstand für die Erreichung der Forschungsziele erforderlich.

Stand: 28.05.2024

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