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103. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 09.06.2015.

1. Genehmigungsinhaber(in)

Frau Dr. Zsuzsanna Izsvák, Max-Delbrück-Centrum, Berlin

2. Zell-Linien

Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linie:

  • H9 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)

Die Genehmigung gilt auch für die Einfuhr und Verwendung von Sub-Linien (z. B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Die genehmigten Forschungsarbeiten zielen auf die Aufklärung der Funktion des Transkriptionsfaktors distal-less homeobox 5 (DLX5) bei der Entwicklung von Trophoblastzellen aus humanen pluripotenten Stammzellen. Hintergrund ist eine mögliche Rolle des DLX5-Genproduktes bei der Entstehung der Präeklampsie, einer teils schwer verlaufenden Wochenbetterkrankung, deren primäre Ursache in veränderten Eigenschaften des sich entwickelnden Trophoblasten liegt. hES-Zellen sollen nach Standard-Protokollen zu Trophoblastzellen differenziert und die Zielgene von DLX5 mittels Chromatin-Immunpräzipitation bestimmt werden. Durch Repression bzw. Überexpression der identifizierten Zielgene in hES-Zellen soll dann deren Rolle bei der Entstehung des Trophoblasten untersucht werden. Ferner soll die Expression von DLX5 selbst in hES-Zellen gehemmt bzw. DLX5 überexprimiert werden und der Effekt auf die Differenzierung in Richtung von Zellen des Trophoblasten sowie auf deren Eigenschaften bestimmt werden.

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des Robert Koch-Institutes (RKI) .hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn für die Grundlagenforschung. Für diese Beurteilung sind folgende Gründe maßgeblich:

Im genehmigten Forschungsvorhaben soll ein humanes Zellmodell etabliert werden, an dem die Rolle von DLX5 während der Differenzierung pluripotenter Stammzellen in Zellen des Trophoblasten untersucht werden kann. Insbesondere soll geklärt werden, mit welchen Genen DLX5 in aus hES-Zellen differenzierten Trophoblastzellen interagiert, ob DLX5 die Aktivität der entsprechenden Gene ggf. reguliert und welche Folgen ein knock out bzw. ein knock down von DLX5 für die Differenzierung pluripotenter Stammzellen zu Zellen des Trophoblasten hat. Dazu sollen zunächst verschiedene Protokolle für die Differenzierung von hES-Zellen in Zellen des Trophoblasten etabliert und ggf. optimiert werden. Mit Lysaten der aus hES-Zellen gewonnenen Trophoblastzellen sollen dann Chromatin-Immunpräzipitationen durchgeführt werden, um jene chromosomalen Fragmente zu identifizieren, an die DLX5 bindet. Auf diese Weise sollen Gene identifiziert werden, an deren Regulation DLX5 möglicherweise beteiligt ist. Die Identifikation entsprechender Gene stellt einen ersten Schritt auf dem Weg zum Verständnis der Rolle von DLX5 bei der Differenzierung des Trophoblasten aus pluripotenten Stammzellen dar. Im weiteren soll dann durch Überexpression oder durch knock out bzw. knock down der identifizierten Gene deren Rolle bei der Trophoblast-Differenzierung verifiziert, auf diese Weise weitere Anhaltspunkte über die molekularen Grundlagen der Entwicklung von Trophoblast-Zellen gewonnen sowie ggf. Signalwege bestimmt werden, an deren Regulation die Produkte der zuvor identifizierten Gene beteiligt sind. Hierdurch kann ggf. zum Verständnis von frühen Differenzierungsprozessen im menschlichen Trophoblasten beigetragen werden.

Durch die geplante Überexpression bzw. Hemmung der Expression von DLX5 (sowie ggf. von durch DLX5 regulierten Genen) soll geklärt werden, welchen Effekt dies auf die Differenzierung von pluripotenten Stammzellen in Richtung von Trophoblastzellen hat. Insbesondere soll ergründet werden, ob der Differenzierungsprozess, die Proliferation der Zellen, ihre Invasivität sowie die Fähigkeit zur Produktion und Sekretion von für Trophoblastzellen spezifischen Genprodukten beeinträchtigt ist. Zudem soll mittels RNA-Sequenzierung bestimmt werden, welchen Effekt die Ausschaltung bzw. eine verminderte Expression von DLX5 auf das Transkriptom der betroffenen Zellen hat, was ggf. zur Identifizierung weiterer (unmittelbarerer oder mittelbarer) Zielgene von DLX5 führen kann. Insgesamt können die genehmigten Forschungsarbeiten dazu beitragen, jene Prozesse besser zu verstehen, die bei der Entstehung des Trophoblasten aus pluripotenten Stammzellen auf molekularer und zellulärer Ebene ablaufen, und mögliche Konsequenzen einer Fehlregulation von DLX5 auf diesen Prozess besser als bislang einschätzen zu können.

Das Vorhaben zielt im weiteren darauf, molekulare Ursachen der Präeklampsie zu ergründen. Die Präeklampsie ist die häufigste Blutdruckerkrankung bei Schwangeren und betrifft zwischen 2 und 10 % der Schwangeren; weltweit entwickeln bis zu 4 Millionen Frauen jährlich diese Erkrankung. Die initiale Ursache der Präeklampsie ist eine unzureichende Invasion der mütterlichen Spiralarterien durch den Trophoblasten, deren Ursachen nicht bekannt sind. Aufbauend auf der Entdeckung, dass DLX5 in plazentalem Gewebe von Patientinnen mit Präeklampsie deutlich höher exprimiert wird als in normalem plazentalem Gewebe, soll im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten untersucht werden, welche Rolle eine artifiziell veränderte Expression von DLX5 (bzw. von durch DLX5 regulierten oder modulierten Genen) auf die Eigenschaften des sich entwickelnden Trophoblasten hat, insbesondere auf die Proliferation und Invasionsfähigkeit seiner Zellen. Ferner sollen mögliche Veränderungen im Genexpressionsmuster aufgedeckt und so ggf. Signalwege bestimmt werden, deren Dysregulation zu den möglicherweise veränderten Eigenschaften des Trophoblasten führen. Diese Untersuchungen können ggf. dazu beitragen, die molekularen Grundlagen der die Präeklampsie bedingenden Veränderungen und folglich die Pathogenese-Mechanismen dieser Erkrankung besser als bislang zu verstehen.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten ausreichend vorgeklärt ist.

Für die Differenzierung pluripotenter humaner Stammzellen zu Trophoblastzellen soll auf bereits in der Vergangenheit entwickelte und publizierte Protokolle zurückgegriffen und diese ggf. optimiert werden. Die Marker, anhand derer aus hES-Zellen abgeleitete Trophoblastzellen identifiziert und klassifiziert werden können, sind gut etabliert. Eine weitere Vorklärung der Differenzierung humaner pluripotenter Stammzellen zu Zellen des Trophoblasten, insbesondere im Mausmodell, ist angesichts des fortgeschrittenen und in der wissenschaftlichen Literatur gut dokumentierten Kenntnisstandes über die entsprechenden Eigenschaften humaner ES-Zellen nicht erforderlich. Eine mögliche Rolle von DLX5 (und folglich von durch DLX5 regulierten Genen) für die Differenzierung pluripotenter Stammzellen zu Trophoblastzellen kann vor allem aus der publizierten Beobachtung abgeleitet werden, dass die Expression von DLX5 im Zuge der Differenzierung zu Trophoblastzellen verändert und mit jener von CDX2 positiv korreliert ist.

Über die Ursachen der Präeklampsie liegen zahlreiche Studien vor. Es ist bereits seit langem bekannt, dass der Ausganspunkt für diese Erkrankung in einer unzureichenden Invasion des mütterlichen Blutgefäßsystems durch den sich entwickelnden Trophoblasten liegt. Die Ursachen für die veränderten Eigenschaften des sich entwickelnden menschlichen Trophoblasten bei Präeklampsie sind allerdings nicht bekannt, was vor allem an der Nichtverfügbarkeit geeigneter humaner Zellmodelle liegen dürfte. Im genehmigten Vorhaben soll untersucht werden, welche Rolle DLX5 und von DLX5 regulierte Gene bei der Entwicklung des menschlichen Trophoblasten spielen; dieser Hypothese liegt die Beobachtung zugrunde, dass DLX5 in Plazenten aus Präeklampsie-Patientinnen stark überexprimiert ist. Zudem wurde mit Allel-spezifischer quantitativer RNA nachgewiesen, dass das DLX5-Gen in plazentalem Gewebe von Patientinnen mit Präeklampsie einen erheblichen Verlust des Imprinting aufwies.

Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.

Bei der Entwicklung der Plazenta bestehen zwischen verschiedenen Spezies teils bedeutsamer Unterschiede. Bei Maus und Mensch betreffen diese vor allem die hier interessierenden Prozesse der frühen Differenzierung von pluripotenten Stammzellen zu Zellen des Trophoblasten sowie den Mechanismus der Invasion der mütterlichen Spitalarterien durch den sich entwickelnden Trophoblasten. Die Entwicklung zu den Trophoblastzelltypen, die letztlich den Anschluss an das mütterliche Blutgefäßsystem herstellen, verläuft in der Maus und im Menschen auf verschiedenen Wegen. Ferner gibt es keine Hinweise auf eine Rolle von DLX5 bei der Entwicklung des murinen Trophoblasten; eine mögliche Rolle von DLX5 für die Entwicklung des menschlichen Trophoblasten, für die bereits ausreichende Anhaltspunkte vorliegen, soll aber gerade geklärt werden. Aus den genannten und weiteren Gründen können die hier interessierenden Forschungsfragen nicht unter Nutzung anderer als humaner Zellen, insbesondere nicht unter Nutzung embryonaler Stammzellen der Maus geklärt werden.

Fragen der Entwicklung des Trophoblasten lassen sich auch nicht unter Verwendung anderer als pluripotenter Stammzellen des Menschen klären. Trophoblaststammzellen (TSCs) treten in den frühesten Entwicklungsphasen des menschlichen Embryos auf und sind als primäres Material de facto nicht verfügbar. Fötale und adulte Stammzellen sowie Nabelschnurstammzellen haben die hier interessierenden Entwicklungsstadien bereits durchschritten und können folglich nicht als Ausgangsmaterial für die Differenzierung zu Zellen des Trophoblasten dienen. Zwar stehen humane (immortalisierte bzw. Tumor-abgeleitete) Trophoblast-Zell-Linien grundsätzlich zur Verfügung, jedoch eignen sich solche Zellen u. a. aufgrund ihres Entwicklungsstadiums, ihres veränderten Zellzyklus sowie ihres von primären Zellen ggf. abweichenden Genexpressionsmusters nicht dazu, den gesamten Prozess der Differenzierung von der pluripotenten Stammzelle bis hin zu den verschiedenen Zelltypen des menschlichen Trophoblasten sowie mögliche Störungen dieses Prozesses nachzubilden.

Die Forschungsziele können voraussichtlich auch nicht unter Nutzung humaner induzierter pluripotenter Stammzellen (hiPS-Zellen) erreicht werden. DLX5 unterliegt in der Plazenta einem imprinting. Derzeit ist aber nur unzureichend untersucht, ob und in welchem Umfang in hiPS-Zellen ein in jeder Hinsicht authentisches und zu hES-Zellen identisches imprinting-Muster wiederhergestellt wird. Dies wäre jedoch für die Klärung der Forschungsfragen essentiell. Ferner sind hiPS-Zellen das Produkt eines Prozesses, in dem sowohl das Ausgangsmaterial zur Herstellung der Zellen als auch der Reprogrammierungsprozess selbst Ausgangspunkt genomischer Veränderungen sein können, die auch das hier interessierende DLX5-Gen sowie durch DLX5 regulierte Gene und Signalwege betreffen können. Gerade frühe Entwicklungsprozesse in Richtung von Zellen des Trophektoderms sind unter Nutzung von hiPS-Zellen bislang wenig untersucht; die Frage, ob und inwieweit hES- und hiPS-Zellen dasselbe Potential zur Differenzierung in Zellen des Trophoblasten aufweisen, ist derzeit ebenfalls nur unzureichend untersucht.

Stand: 09.06.2015

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