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88. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 28.11.2013

1. Genehmigungsinhaber

Herr Dr. Andreas Kurtz, BCRT, Charité, Berlin

2. Zell-Linien

Die vorgesehenen Forschungsarbeiten basieren auf humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen) der folgenden Linien:

  • H1 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • H9 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • Shef-1 (Sheffield University, Sheffield, Großbritannien)
  • ES[4] (Centro de Medicina Regenerativa de Barcelona, Barcelona, Spanien)

Die Genehmigung gilt jeweils auch für die Einfuhr und Verwendung von Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen richten sich auf die Untersuchung von zwei Fragestellungen. In einem ersten Teilprojekt sollen Kulturbedingungen entwickelt werden, unter denen die Etablierung und Aufrechterhaltung eines naiven Pluripotenz-Status humaner embryonaler Stammzellen (hES-Zellen) möglich ist. Dazu soll zum einen systematisch die Wirkung von Faktoren untersucht werden, von denen bereits bekannt ist, dass sie beispielsweise die Reprogrammierungseffizienz in humanen somatischen Zellen erhöhen oder in murinen embryonalen Stammzellen (mES-Zellen) die Aufrechterhaltung des naiven Pluripotenz-Phänotyps verbessern. Zum anderen sollen durch die bioinformatische Modellierung von intrazellulären Signalwegen und Wechselwirkungen, die vermutlich an der Aufrechterhaltung der Pluripotenz in mES- und hES-Zellen beteiligt sind, Faktoren identifiziert und anschließend verifiziert werden, die zur Etablierung und Aufrechterhaltung des naiven Pluripotenz-Status beitragen können. In einem zweiten Teilprojekt sollen hES-Zellen in Richtung verschiedener Nierenvorläuferzellen (intermediate endodermal cells, IM-Zellen, ureteric bud cells, UB-Zellen) differenziert werden, die dann in einer Nephrosphären-Kultur zu terminal differenzierten Nierenzelltypen (tubuläre Nierenepithelzellen, Podozyten, Stromazellen) weiterentwickelt werden sollen. Die entstandenen Nephrosphären sollen dann in einem Microfluidics-Chip-System als miniaturisierte Nephroorganoide kultiviert und diese nach Ausreifung der Zellen in Hinblick auf ihre zellanatomischen, molekularen und funktionellen Eigenschaften analysiert werden. Alternativ sollen hES-Zellen bzw. aus diesen abgeleitete Nierenvorläuferzellen auf (dezellularisierter) extrazellulärer Matrix (ECM) von Ratte und Mensch kultiviert und die Frage geklärt werden, ob und inwieweit die ECM eine gewebespezifische Differenzierung der Zellen stimulieren bzw. verstärken kann. Die genehmigten Arbeiten sollen auch im Vergleich mit humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) durchgeführt werden.

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung und des RKI hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Grundlagenforschung und können darüber hinaus zur Schaffung von Grundlagen für die Entwicklung neuer therapeutischer und präventiver Verfahren zur Anwendung beim Menschen beitragen. Für diese Beurteilung sind folgende Gründe maßgeblich:

hES-Zellen existieren in einem naiven, stärker ursprünglichen Zustand (ground state pluripotency), der demjenigen pluripotenter muriner ES-Zellen ähnelt, und einem bereits geprägten (primed) Zustand, der u. a. durch Abhängigkeit von bFGF/Activin-A und Inaktivierung des X-Chromosoms gekennzeichnet ist und dem epiblastärer muriner Zellen ähnelt. Derzeit werden hES-Zellen unter Bedingungen kultiviert, in denen sie sich im geprägten Zustand befinden. Dies hat u. a. zur Folge, dass sie in Kultur beispielsweise bezüglich ihrer Differenzierungskapazität inhomogen sind und dass eine Standardisierung der Zellkultur sich als schwierig gestaltet. Zudem ist die Kultivierung aufwendig und personalintensiv.

Im ersten Projektteil soll nun die Frage geklärt werden, ob allein die Modifizierung von Kulturbedingungen zur Etablierung eines naiven Phänotyps in hES-Zellen führen kann. Die angestrebte Langzeit-Etablierung einer hES-Zell-Kultur im naiven Stadium der Pluripotenz soll dabei beispielsweise durch Zusatz sog. kleiner Moleküle, die in mit Pluripotenz assoziierte Signalwege eingreifen, zum Kulturmedium erfolgen. Dies hat gegenüber bisherigen Vorgehensweisen zur Etablierung naiver Pluripotenz in hES-Zellen den Vorteil, dass keine genetischen Modifikationen vorgenommen werden müssen, so dass die hES-Zellen ihre genetische Identität bewahren. Im Ergebnis der Untersuchungen stünde mit stabil kultivierbaren, naiven und genetisch nicht veränderten hES-Zellen ein Zellmodell zur Verfügung, das Zellen im frühen menschlichen Embryo, insbesondere durch das Fehlen einer epigenetischen Prägung, ggf. stärker ähnelt als derzeit verfügbare hES-Zellen. Mittels derartiger Zellen ließen sich besser als bislang Erkenntnisse über zellbiologische Vorgänge bei der frühen Differenzierung während der Embryonalentwicklung des Menschen gewinnen. Zudem könnten diese Zellen nach einheitlichen Protokollen kultiviert, analysiert und differenziert werden, was eine Voraussetzung  für ihre standardisierte und reproduzierbare Verwendung wäre, beispielsweise zur Gewinnung von zellbasierten Modellen für die Pharmakologie/Toxikologie oder von Zellen für künftig denkbare therapeutische Applikationen. Darüber hinaus könnten die Ergebnisse der genehmigten Forschungsarbeiten vorhandene Kenntnisse über die Grundlagen von Pluripotenz, insbesondere über beteiligte Faktoren und Signalwege, validieren und weiter vertiefen helfen.

Die im zweiten Teilprojekt vorgesehene Differenzierung von pluripotenten Stammzellen des Menschen in verschiedeneNierenzelltypen kann ggf. zu neuen  Erkenntnissen über Moleküle und Signalwege führen, die an der Entstehung der verschiedenen Vorläuferzellen der Niere aus pluripotenten Stammzellen beteiligt sind. Dies kann zum Verständnis von Vorgängen während der menschlichen Embryonalentwicklung beitragen. Die Niere entwickelt sich durch Interaktion verschiedener primordialer Anlagen, und auch  Nierendegeneration kann durch Interaktionen zwischen verschiedenen Zellen, etwa Podozyten, Sroma und Endothelzellen, ausgelöst werden. Authentische humane Nierenzellen wären für die Untersuchung entsprechender Wechselwirkungen von hohem Wert. Darüber hinaus sind geeignete Zellmodelle für pharmakologische und toxikologische Untersuchungen derzeit nicht verfügbar oder haben eine teils nur unzureichende Vorhersagekraft. Toxische Wirkungen von Pharmaka auf Nierenzellen werden folglich unter Umständen erst im Verlaufe klinischer Studien festgestellt. Aus pluripotenten Stammzellen gewonnene Nierenzellen sowie Mini-Organoide, die Teilaspekte der menschlichen Nierenfunktion in vitro abbilden, könnten daher von großem Nutzen für die Etablierung von In-vitro-Modellen für Nierengewebe sein und wären von großem Wert für die präklinische Medikamententestung. Schließlich könnte das Forschungsvorhaben bei erfolgreicher Durchführung auch dazu beitragen, Grundlagen für neue therapeutische Verfahren zu schaffen, die auf in vitro hergestelltem Nierengewebe basieren.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen em­bryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten ausreichend vorgeklärt und die Nutzung humaner ES-Zellen gerechtfertigt ist.

Im Maussystem wurden in vitro bislang mindestens zwei verschiedene pluripotente Stadien beschrieben, die in ES-Zellen und epiblastären Zellen (EpiS-Zellen) bestehen. Beide Zellstadien unterscheiden sich in ihrer Morphologie, ihrer Abhängigkeit von Wachstumsfaktoren und ihrer spontanen Differenzierungsrate. Es konnte ferner gezeigt werden, dass ES-Zellen durch Zugabe von signalwegspezifischen Inhibitoren in ihren pluripotenten Eigenschaften stabilisiert werden konnten. Ineinander konvertierbare Pluripotenz-Zustände wurden auch für humane Stammzellen beschrieben. Jedoch erfordert die Aufrechterhaltung des naiven pluripotenten Zustandes bislang die anhaltende Expression von Transgenen, die für bestimmte Reprogrammierungsfaktoren codieren. Es wurde weiterhin dargelegt, dass die in hES-Zellen anzutreffende irreguläre Rekonstitution von epigenetischen Modifikationen, die u. a. eine Inhomogenität der ES-Zell-Population bezüglich des Differenzierungspotentials bedingt, durch den Zusatz chemisch definierter Faktoren, verhindert werden konnte. Zudem sind verschiedene Signalwege, chemische Substanzen, Wachstumsfaktoren und Inhibitoren bekannt, die Einfluss auf die Pluripotenz, die Selbsterneuerung und die Differenzierung bei murinen und humanen ES-Zellen haben.

Hinsichtlich der Vorklärung des zweiten Teilprojektes wurde dargelegt, dass IM-Zellen und Podozyten kürzlich aus humanen ES- und iPS-Zellen gewonnen werden konnten, dass die entsprechenden Vorgehensweisen unter Nutzung humaner iPS-Zellen etabliert und validiert sind und dass beispielsweise UB-Zellen aus humanen iPS-Zellen hergestellt werden können. Auch die Experimente zur Etablierung von In-vitro-Modellen für Aspekte der menschlichen Nierenfunktion, die auf aus pluripotenten Stammzellen abgeleiteten Zellen basieren sollen, sind in der Literatur umfangreich beschrieben und erfolgten beispielsweise unter Verwendung von primären humanen Nierenzellen aus Nephrotektomien oder von aus iPS-Zellen abgeleiteten nephrogenen IM-Zellen. Ferner ist die im Forschungsvorhaben verfolgte These, dass eine geeignete Nische wie die Nieren-ECM sowohl eine instruierende als auch eine spezifizierende Wirkung auf sich renal differenzierende Stammzellen hat, durch entsprechende Veröffentlichungen ausreichend vorgeklärt.

Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.

Die Frage, ob sich durch Veränderung der Kultivierungsbedingungen in humanen pluripotenten Stammzellen ein dem naiven Pluripotenz-Zustand entsprechenden Status erreicht werden kann, kann – aufgrund der hochspezifischen Kulturbedingungen -  nur unter Verwendung humaner pluripotenter Stammzellen geklärt werden. Die Nutzung von Stammzellen anderer Spezies, beispielsweise der Maus, oder anderer humaner Stammzellen, beispielsweise somatischer Stammzellen, ist auf Grund der erheblichen Unterschiede für die Erforderlichkeit von Wachstumsfaktoren nicht möglich. Dies gilt auch für die denkbare Nutzung von hiPS-Zellen. Durch Modulation der Kulturbedingungen soll die (epigenetische) Prägung von hES-Zellen verändert werden; gerade bezüglich des Epigenoms aber bestehen Unterschiede zwischen hiPS- und hES-Zellen, deren Relevanz für die mit Pluripotenz assoziierten Eigenschaften nur unzureichend geklärt ist.

Die Zielsetzung, humane Nierenzellen zu gewinnen und daraus In-vitro-Gewebemodelle und längerfristig auch Anwendungen für regenerative Therapien am Menschen zu entwickeln, erfordert in jedem Fall die Nutzung humaner Zellen. Ferner ist bislang eine erfolgreiche Differenzierung von Nierenzellen aus einer Art adulter Stammzellen nicht gelungen, was angesichts der Entwicklung der Niere aus multiplen Vorläuferzelltypen nicht verwundert. Auch Versuche, Nierenstammzellen oder Vorläuferzellen aus humanem Nierengewebe zu isolieren und diese in vitro in ausreichenden Mengen und reproduzierbar zu expandieren, waren bislang nicht erfolgreich. Derzeit verfügbare immortalisierte Zell-Linien aus der Niere rekapitulieren den Phänotyp primärer Nierenzellen nicht oder für komplexe Untersuchungen nur unzureichend und lassen sich nach derzeitigem Kenntnisstand nicht für die erfolgreiche Etablierung multizellulärer Gewebemodelle verwenden. Fötale humane Nierenzellen vom embryonalen Tag 52-54 sind vom Menschen nicht in reproduzierbarer Qualität verfügbar bzw. nicht zu für die Projektdurchführung ausreichenden Zellzahlen expandierbar.

Die Erreichung der Forschungsziele dieses Teilprojektes ist auch unter alleiniger Nutzung von hiPS-Zellen nicht möglich. Die nephrogene Differenzierbarkeit und Potenz von hES- und hiPS-Zellen wurde in bislang publizierten Studien nicht systematisch verglichen. Zudem ergeben sich aus einer publizierten Arbeit Hinweise darauf, dass hES-Zellen eine bessere nephrogene Differenzierbarkeit aufweisen als hiPS-Zellen, so dass derzeit nicht von einer Gleichwertigkeit beider Zelltypen hinsichtlich der hier zu untersuchenden Fragestellung ausgegangen werden kann. Zudem ist die systematische Untersuchung des nephrogenen Differenzierungspotentials Gegenstand der hier geplanten Forschungsarbeiten, was die Nutzung von hES-Zellen ebenfalls erforderlich macht.

Stand: 28.11.2013

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