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85. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 26.09.2013. Forschungsvorhaben beendet. Genehmigung erloschen am 31.12.2020.

1. Genehmigungsinhaber(in)

Max-Delbrück-Centrum (MDC) für Molekulare Medizin, Berlin

2. Zell-Linien

Die vorgesehenen Forschungsarbeiten basieren auf humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen) der folgenden Linien:

  • H1 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • H7 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • H9 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • HES-2 (ES Cell International Pte Ltd, Singapur)
  • HES-3 (ES Cell International Pte Ltd, Singapur)
  • HES-4 (ES Cell International Pte Ltd, Singapur)
  • HUES7 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
  • I3 (Technion - Israel Institute of Technology, Haifa, Israel)
  • I4 (Technion - Israel Institute of Technology, Haifa, Israel)
  • I6 (Technion - Israel Institute of Technology, Haifa, Israel)

Die Genehmigung gilt jeweils auch für die Einfuhr und Verwendung von Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Gegenstand der genehmigten Forschungsarbeiten ist die Untersuchung der molekularen Mechanismen, die dem alternativen splicing in sich differenzierenden Herzmuskelzellen zugrunde liegen. Dazu sollen Gene für kardiale splicing-Faktoren über ein gerichtetes genomisches editing in hES-Zellen eingebracht und die hES-Zellen nach etablierten und ggf. zu optimierenden Protokollen in kardiale Zellen bzw. zu sog. engineered heart tissue (EHT) differenziert werden. Anschließend sollen Wechselwirkungen zwischen den (rekombinanten) splicing-Faktoren und ihren Substraten analysiert werden, um Substratspezifitäten von splicing-Faktoren ermitteln und ihre Beteiligung an der Produktion spezifischer Isoformen kardialer Proteine bestimmen zu können. Die Rolle einzelner splicing-Faktoren für das generelle kardiale splicing soll dann durch gezieltes knock down der Expression der jeweiligen Gene in hES-Zellen und Analyse der aus diesen Zellen differenzierten kardialen Zellen untersucht werden. Durch Vergleich der Genexpressionsmuster von sich differenzierenden kardialen Zellen sollen zudem ggf. Moleküle und Signalwege entschlüsselt werden, die insbesondere für ein differentielles kardiales splicing während der Entwicklung von kardialen Zellen des Menschen unter den 3D-Bedingungen der EHTs wesentlich sind. Schließlich soll der Einfluss von Substanzen, die splicing-Prozesse beispielsweise durch Beeinflussung der Aktivität von bestimmten splicing-Faktoren modulieren, auf die Genexpressionsmuster sich kardial differenzierender hES-Zellen und auf die dabei auftretenden Isoform-Muster untersucht werden. Die Arbeiten werden teils im Vergleich mit murinen ES-Zellen, teils im Vergleich mit humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) durchgeführt, wobei hES-Zellen auch als Referenzmaterial dienen sollen.

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung und des RKI hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Grundlagenforschung und können darüber hinaus zur Schaffung von Grundlagen für die Entwicklung neuer therapeutischer Verfahren zur Anwendung beim Menschen beitragen. Für diese Beurteilung sind folgende Gründe maßgeblich:

Zahlreiche kardiale Transkripte unterliegen einem intensiven alternativen splicing, wodurch verschiedene Isoformen entstehen, die u. a. für die unterschiedliche Lokalisation von Proteinen in der Zelle, für verschiedene Interaktion mit Bindungspartnern und für die mechanischen Eigenschaften des fötalen und adulten Herzens mitverantwortlich sind. Im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten sollen sich aus hES-Zellen differenzierende Zellen bezüglich der Präsenz und Substratspezifität von Faktoren untersucht werden, die am splicing kardialer Genprodukte beteiligt sind. Durch die Einschleusung von Genen für bekannte kardiale splicing-Faktoren, die mit rekombinanten Erkennungssequenzen ausgestattet werden sollen und folglich im Komplex mit RNA isoliert werden können, sollen die Bindestellen der jeweiligen Faktoren in der RNA (also ihre „Substrate“) in hES-Zellen und sich aus diesen differenzierenden kardialen Zellen identifiziert und auf diesem Wege die Fragen geklärt werden, welche bekannten splicing-Faktoren in bestimmten Phasen der Entwicklung kardialer Zellen aktiv sind, an welche Transkripte die jeweiligen splicing-Faktoren binden und ob und wie sie zum differentiellen splicing kardialer Genprodukte beitragen. Dies kann einen erheblichen Erkenntnisgewinn darüber erbringen, welche Rolle spezifische splicing-Faktoren in bestimmten Entwicklungsphasen kardialer Zellen für die Produktion von Isoformen differentiell gespleißter, kardial exprimierter Gene spielen. Auf Grundlage der Kenntnis der Substrate der splicing-Faktoren könnten dann ggf. weitere Proteine identifiziert werden, die im Laufe der Differenzierung kardialer Zellen in verschiedenen Isoformen auftreten.

Aus dem genehmigten Forschungsvorhaben wird ferner ein Erkenntnisgewinn über die molekularen Ursachen kardialer Erkrankungen erwartet, die durch ein fehlerhaftes splicing kardialer Genprodukte bedingt werden. Fehlerhaftes splicing kann u.a. durch eine verminderte Aktivität von am splicing beteiligten Faktoren und Signalwegen oder durch deren fehlerhafte Regulation bedingt sein. In den genehmigten Forschungsarbeiten sollen Substrate von splicing-Faktoren in kardialen Zellen identifiziert und auf diesem Wege geklärt werden, ob und inwieweit die für die jeweiligen mRNAs codierenden Proteine im Falle eines fehlerhaften splicing an der Pathogenese kardialer Erkrankungen beteiligt sind. Dies kann dazu beitragen, fehlerhaftes splicing als mögliche Ursache kardialer Erkrankungen besser als bislang zu verstehen, involvierte Moleküle und Signalwege zu identifizieren und ggf. targets für neue Therapien insbesondere dilatativer Kardiomyopathien zu etablieren.

Das Vorhaben soll ferner als vergleichende Analyse unter Einbeziehung humaner induzierter pluripotenter Stammzellen erfolgen. Aus diesen Untersuchungen können Erkenntnisse darüber erwartet werden, ob und inwieweit Identität zwischen beiden pluripotenten Zelltypen in Hinblick auf differentielles splicing bestehen, insbesondere ob die Expression und Aktivität von als für das (differentielle) kardiale splicing als wesentlich bestimmten Faktoren in beiden Zelltypen identisch ist. Dies kann zur weiteren Klärung der Frage nach Gemeinsamkeiten und potentiellen Unterschieden zwischen hES- und hiPS-Zellen beitragen.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen em­bryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten ausreichend vorgeklärt und die Nutzung humaner ES-Zellen gerechtfertigt ist.

Differentielles splicing hat eine erhebliche Bedeutung für die kardiale Entwicklung, und  fehlerhaftes splicing kann eine wesentliche Ursache zahlreicher kardialer Erkrankungen des Menschen sein. Ein fehlerfreies alternatives splicing im Herzen ist von erheblicher Bedeutung für die korrekte Funktion des Herzmuskels, und fehlerhaftes splicing ist hier mit der Entstehung insbesondere dilatativer Kardiomyopathien verbunden. Ferner hat der Genehmigungsinhaber in einer jüngst publizierten Arbeit zeigen können, dass fehlerhaftes alternatives Spleißen mit erblich bedingter dilatativer Kardiomyopathie korreliert ist.

Wesentliches Forschungsziel des ist die Identifizierung von splicing-Faktoren sowie ihrer Substrate in sich entwickelnden kardialen Zellen des Menschen. Es wurde dargelegt, dass in bislang nicht publizierten Arbeiten des Genehmigungsinhabers eine Reihe von splicing-Faktoren identifiziert werden konnte, die während der fötalen, perinatalen und postnatalen Entwicklung des Mausherzens differentiell exprimiert werden. Im genehmigten Vorhaben soll nunmehr die Relevanz von deren humanen Orthologen für das differentielle splicing kardialer Proteine in sich differenzierenden menschlichen Herzzellen untersucht werden.

Die zum Einsatz kommenden Methoden, u. a. zur kardialen Differenzierung humaner embryonaler Stammzellen in kardiale Zellen sowie in dreidimensionales kardiales Gewebe (engineered heart tissue), sind in der Literatur beschrieben. Eine Vorklärung an tierischen Zellen, beispielsweise embryonalen Stammzellen der Maus, ist daher nicht erforderlich.

Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.

Ein wesentliches Forschungsziel des genehmigten Forschungsvorhabens liegt auf der Erfassung von Unterschieden im differentiellen splicing zwischen sich kardial differenzierenden Zellen in verschiedenen, voneinander gut abgrenzbaren Entwicklungsstadien kardialer Zellen, insbesondere mesodermalen Stammzellen, kardialen Vorläuferzellen und (terminal differenzierten) Kardiomyozyten. Insbesondere die frühen Entwicklungsstadien kardialer Zellen sind derzeit aber allein durch (gerichtete) Differenzierung pluripotenter Stammzellen zugänglich; andere Zelltypen (wie beispielsweise fötale kardiale Zellen oder adulte kardiale Stammzellen) haben diese hier interessierenden Differenzierungsstadien bereits durchlaufen und können somit nicht zur Erreichung der Forschungsziele verwendet werden.

Ferner sollen im genehmigten Forschungsvorhaben die Moleküle und Signalwege identifiziert werden, die kardiales splicing beim Menschen regulieren. Bei bestimmten kardialen Proteinen bestehen hier zwischen verschiedenen Spezies erhebliche Unterschiede in bezüglich der Expression und der Struktur der jeweiligen Isoformen . Es ist folglich davon auszugehen, dass in Zellen anderer Spezies über kardiales splicing gewonnene Erkenntnisse nicht ohne weiteres auf das menschliche System übertragbar sind, sondern dass diese Erkenntnisse für den Menschen unter Nutzung menschlicher Zellen gewonnen werden müssen.

Die angestrebten Forschungsziele können nach derzeitigem Kenntnisstand voraussichtlich auch nicht unter Verwendung von humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) erreicht werden. Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass bislang keine Daten darüber vorliegen, ob das (differentielle) splicing in sich differenzierenden hiPS-Zellen und die daran beteiligten Faktoren mit jenen in hES-Zellen identisch sind. Ferner ist nicht bekannt, ob und inwieweit die zur Reprogrammierung in somatische Zellen eingebrachten (Onko)Gene möglicherweise die splicing-Muster der Zellen verändern könnten. Hinzukommen offene Fragen nach der genetischen Stabilität von hiPS-Zellen, nach möglichen epigenetischen Unterschieden zwischen hiPS- und hES-Zellen sowie nach ausgeprägten klonalen Unterschieden zwischen verschiedenen hiPS-Zellen, die erheblichen Einfluss auf das jeweilige kardiale Differenzierungsvermögen haben können. Der Genehmigungsinhaber möchte erst im Verlaufe des Vorhabens klären, ob und inwieweit das (differentielle) splicing im Zuge der kardialen Differenzierung von hES- und hiPS-Zellen identisch ist.

Stand: 21.12.2020

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