79. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz
Erteilt am 28.05.2013. Genehmigung erweitert am 24.03.2015 (siehe 2.). Registereintrag zuletzt aktualisiert am 05.09.2017.
1. Genehmigungsinhaber
Herr PD Dr. rer. med. Alexander Kleger, Universitätsklinikum Ulm
2. Zell-Linien
Die vorgesehenen Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linien:
- H1 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
- H9 (WiCell Research Institute, Madison, WI, USA)
- HES-2 (ES Cell International Pte Ltd., Singapur)
- HUES2 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
- HUES4 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
- HUES8 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
Im Rahmen der Erweiterung der Genehmigung vom 24.03.2015 wurden zur Durchführung der unten benannten Forschungsarbeiten die Einfuhr und Verwendung humaner embryonaler Stammzellen der folgenden weiteren Linien genehmigt:
- HES-3 (ES Cell International Pte Ltd., Singapur)
- MEL-1 (Stem Cells Ltd, Brisbane, Australien)
Die Genehmigung gilt jeweils auch für die Einfuhr und Verwendung von Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.
3. Angaben zum Forschungsvorhaben
Im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten sollen unter Verwendung humaner embryonaler Stammzellen (hES-Zellen) möglichst reine Populationen pankreatischer Zellen bereitgestellt werden, an denen zum einen molekulare Vorgänge bei der pankreatischen Differenzierung untersucht und mit deren Hilfe zum anderen Zellmodelle für Erkrankungen des Pankreas wie beispielsweise bestimmte Formen des Diabetes mellitus etabliert werden sollen. Dabei sollen im ersten Teil des Vorhabens Protokolle für die Differenzierung von hES-Zellen in Zellen des definitiven Entoderms sowie in pankreatische Vorläuferzellen etabliert und optimiert sowie die Eigenschaften dieser Zellen auf den Ebenen des Transkriptoms, des Epigenoms, des Proteoms und in Hinblick auf die Präsenz von Mikro-RNAs untersucht werden. Anschließend sollen die Vorläuferzellen in reife pankreatische Zellen weiterdifferenziert und diese dann umfassend in vitro sowie nach Transplantation in Mäuse analysiert werden. Im zweiten Vorhabensteil sollen Gene, deren Produkte für die pankreatische Differenzierung maßgeblich sind, identifiziert und die Effekte von deren Überexpression bzw. knock-down auf die entodermale und pankreatische Differenzierung von hES-Zellen analysiert werden. Im dritten Vorhabensteil schließlich sollen in hES-Zellen Mutationen erzeugt werden, die in Verbindung mit Erkrankungen des Pankreas stehen, beispielsweise mit genetisch bedingten Erkrankungen des Pankreas und mit spezifischen Formen des Pankreaskarzinoms. Durch Untersuchung der entodermalen und pankreatischen Differenzierung dieser modifizierten Zellen sowie durch Analyse der aus ihnen gewonnenen pankreatischen Zellen sollen Zellmodelle für derartige Erkrankungen etabliert und Aufschluss über molekulare Vorgänge bei der Entstehung solcher Krankheiten auf zellulärer Ebene gewonnen werden.
4. Hochrangigkeit der Forschungsziele
Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten an hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des RKI hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Grundlagenforschung sowie und können darüber hinaus zur Schaffung von Grundlagen für die Entwicklung neuer diagnostischer und therapeutischer Verfahren zur Anwendung beim Menschen beitragen. Für diese Beurteilung sind folgende Gründe maßgeblich:
Die derzeit verfügbaren Protokolle zur Differenzierung humaner pluripotenter Stammzellen in pankreatische Zellen sind ineffizient und führen zu Populationen unreifer, polyhormonaler Zellen. Menschliche pankreatische Zellen werden aber für die Beantwortung von Fragen der Grundlagenforschung, für Anwendungen in der Pharmakologie und Toxikologie sowie für künftig vorstellbare therapeutische Ansätze in der regenerativen Medizin benötigt. Durch die beabsichtigte Optimierung von Protokollen für die schrittweise In-vitro-Differenzierung von hES-Zellen in die verschiedenen Zelltypen des menschlichen Pankreas sowie durch die detaillierte Charakterisierung der dabei auftretenden zellulären Zwischenstadien soll ein verbessertes Verständnis der molekularen Eigenschaften der jeweiligen Zelltypen, insbesondere ihres Expressionsprofils, erlangt werden. Dies wiederum ist Grundlage für die mögliche Identifizierung von (stabilen und expandierbaren) entodermalen und pankreatischen Vorläuferzelltypen und deren Anreicherung anhand spezifischer Oberflächenmarker. Die Verfügbarkeit stabiler und expandierbarer menschlicher pankreatischer Vorläuferzellen würde nicht nur zu effizienteren und vor allem besser reproduzierbaren Protokollen für die weitere pankreatische Differenzierung führen, sondern wäre auch von erheblichem Interesse für Anwendungen in der Pharmakologie/Toxikologie sowie für künftig vorstellbare regenerative Therapien.
Die im Forschungsvorhaben angestrebte Identifizierung von Genen, deren Produkte an der Regulation einzelner Schritte der entodermalen und pankreatischen Differenzierung beteiligt sind, kann zu neuen Erkenntnissen über die Regulation einzelner Phasen der pankreatischen Differenzierung und der daran beteiligten Signalwege führen. Neben einem verbesserten Verständnis der pankreatischen Differenzierung in vitro (und damit der Möglichkeit, diese auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse weiter zu verbessern) lässt sich aus den geplanten Untersuchungen ggf. auch ein Erkenntnisgewinn über die Pankreasentwicklung während der menschlichen Embryonalentwicklung erzielen, der auf anderem Wege nicht erreichbar ist.
Ein weiteres Ziel der genehmigten Forschungsarbeiten ist die Etablierung von Zellmodellen für genetische Erkrankungen des Pankreas. Durch die detaillierte Analyse von möglichen Effekten von mit Erkrankungen des Pankreas assoziierten Mutationen auf verschiedene Zwischenstufen der pankreatischen Differenzierung sowie auf die metabolischen, funktionellen und molekularen Eigenschaften der entsprechenden entodermalen und pankreatischen (Vorläufer)Zellen lassen sich voraussichtlich Rückschlüsse darauf ziehen, in welchem Stadium der Pankreasentwicklung die jeweiligen Mutationen phänotypisch wirksam werden und zu Fehlentwicklungen führen, welche Moleküle und Signalwege involviert sind und welche Funktionen die betroffenen Genprodukte in der menschlichen Pankreasentwicklung haben. Zudem können ggf. Zielmoleküle für mögliche therapeutische Interventionen identifiziert werden. In diesem Projektteil sollen außerdem humane induzierte pluripotente Stammzellen (hiPS-Zellen) von Patienten, die von den entsprechenden Erkrankungen des Pankreas betroffen sind, erzeugt und ebenfalls zu pankreatischen Zellen differenziert werden. Durch den Vergleich der Eigenschaften von aus mutierten hES- und krankheitsspezifischen hiPS-Zellen gewonnenen pankreatischen Zellen lassen sich voraussichtlich Erkenntnisse über mögliche Unterschiede entsprechender hES- und hiPS-basierter Zellmodelle gewinnen..
5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen
Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten ausreichend vorgeklärt und die Nutzung humaner ES-Zellen gerechtfertigt ist.
In der Literatur liegen zahlreiche publizierte Arbeiten zur entodermalen und pankreatischen Differenzierung pluripotenter Stammzellen sowohl der Maus als auch des Menschen vor. Im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten soll an diesen Stand der internationalen Forschung angeschlossen werden; eine Vorklärung der pankreatischen Differenzierung an Zellen anderer Spezies würde voraussichtlich keine für die Vorklärung der Forschungsfragen erheblichen Erkenntnisse mehr erbringen können.
Die beabsichtigten Vorgehensweisen zur Identifizierung von an der entodermalen und pankreatischen Differenzierung beteiligten Genprodukte haben bereits in der Vergangenheit zur Klärung ähnlicher Fragestellungen Anwendung gefunden. So wurden beispielsweise mittels eines Screenings zwei Genprodukte identifiziert, die wesentliche Funktionen bei der Aufrechterhaltung der Pluripotenz embryonaler Stammzellen der Maus haben. Ein ähnliches Vorgehen führte jüngst zur Identifizierung eines Transkriptionsfaktors, der wesentlich an der Regulation des Übergangs muriner ES-Zellen vom pluripotenten Zustand in die frühe Differenzierung beteiligt ist.
Die pankreatischen Erkrankungen, für die im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten Zellmodelle entwickelt werden sollen, sind teils genetisch bedingt. Die geplante Übertragung von für monogenetische Erkrankungen ursächlichen Mutationen in humane ES-Zellen und die Untersuchung des Phänotyps der aus diesen hES-Zellen differenzierten Zellen ist eine gängige, in der wissenschaftlichen Literatur vielfach beschriebene Vorgehensweise zur Identifizierung der Effekte der betreffenden Mutationen auf molekularer Ebene während der Differenzierung. Eine weitere Vorklärung der spezifischen Fragestellungen im murinen System (d. h. beispielsweise die Erzeugung entsprechender Mutationen in ES-Zellen der Maus und die Untersuchung des jeweiligen zellulären Phänotyps nach pankreatischer Differenzierung) ist voraussichtlich nicht zur Vorklärung der hier interessierenden Forschungsfragen geeignet, da die pankreatische Differenzierung von murinen ES-Zellen sich von jener humaner ES-Zellen deutlich unterscheidet, bereits in der Frühphase deutlich weniger effizient ist und es teils nicht bekannt ist, ob und inwieweit die Mutationen im Mausmodell einen zum Menschen identischen Krankheitsphänotyp bedingen.
Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.
Die Erreichung der Forschungsziele erfordert die Nutzung menschlicher Zellen. So geht es bei der Entwicklung von neuartigen Zellmodellen für die Pharmakologie/Toxikologie gerade darum, mit diesen Systemen spezifisch die Wirkung von Substanzen auf menschliche Zellen, die als Primärmaterial nicht oder nicht in ausreichender Menge und reproduzierbarerer Qualität verfügbar sind, testen zu können. Künftig vorstellbare Zellersatztherapien erfordern aus naheliegenden Gründen ebenfalls die Verwendung menschlichen (und nicht tierischen) Zellmaterials. Tierische und menschliche embryonale Stammzellen unterscheiden sich zudem teilweise bezüglich ihres pankreatischen Differenzierungspotentials, der Differenzierungsdauer sowie der an der Differenzierung beteiligten Faktoren und Signalwege, so dass ein genaues Verständnis von den molekularen Grundlagen der Differenzierung des menschlichen Pankreas von der pluripotenten Stammzelle bis hin zur reifen pankreatischen Zelle nur durch Untersuchungen an menschlichen Zellen erlangt werden kann.
Die Forschungsziele können nach derzeitigem Kenntnisstand nicht unter Verwendung adulter oder fötaler Stammzellen des Menschen erreicht werden. Die genaue Natur pankreatischer Stammzellen ist nach wie vor strittig; die Bedingungen für ihre Kultivierung und Vermehrung in vitro sind nicht geklärt. Aussagen über ein mögliches regeneratives Potential lassen sich gegenwärtig nicht oder nur eingeschränkt treffen. Die Möglichkeit der Gewinnung funktionaler, reifer pankreatischer Zellen aus anderen adulten Stammzellen, beispielsweise aus dem Knochenmark oder aus dem Nabelschnurblut, ist bislang nicht nachgewiesen worden. Fötale pankreatische Zellen stünden, selbst wenn sie in vitro kultiviert werden könnten und die volle Fähigkeit zur Differenzierung in pankreatische Zellen hätten, nicht in reproduzierbarer Qualität und in für die Durchführung der Forschungsarbeiten ausreichenden Mengen zur Verfügung. Im Forschungsvorhaben sollen zudem auch frühe Prozesse der entodermalen Differenzierung untersucht werden. Für diese Untersuchungen wären pankreatische Zellen aus abgetriebenen Föten nicht geeignet, da diese Zellen frühe Stadien der pankreatischen Entwicklung bereits durchlaufen haben.
Die Forschungsziele sind voraussichtlich auch nicht unter Verwendung von hiPS-Zellen erreichbar. hiPS-Zellen haben nach derzeitiger Kenntnis ein stark variierendes und deutlich geringeres pankreatisches Differenzierungspotential als jene humanen ES-Zellen, die im genehmigten Forschungsvorhaben verwendet werden sollen. Die geplante Optimierung von Protokollen für die pankreatische Differenzierung, die Untersuchung der molekularen Grundlagen des Differenzierungsprozesses sowie die Modellierung von pankreatischen Krankheiten auf zellulärer Ebene erfordern aber ein Zellsystems, das sich mit hoher Effizient und reproduzierbar in die für die geplanten Untersuchungen erforderlichen pankreatischen Zelltypen differenzieren lässt. Dies sind nach derzeitigem Kenntnisstand aber allein humane embryonale Stammzellen.
nach oben